27.09.2023: Dorfromantik und mehr

1. “Dorfromantik”

Nolens volens hat sich Aaron dieses Spiel-des-Jahres-2023 zugelegt, obwohl er schon unmittelbar nach dessen Kür die Nase gerümpft hatte. Aber das ist ja das übliche Ritual, an dem wir Vielspieler alljährlich nicht drumrum-kommen.

Kooperativ fügen wir quadratische Plättchen mit Landschaftstypen (Feld, Wald, Wiese, Stadt, Bahn Fluss)  zusammenhängend zu einem beliebigen Gebilde auf dem Tisch. Nur Teile mit Flüssen und Bahnen müssen passend gelegt werden, bei den anderen Landschaftsarten ist es wurscht.

Beim Legen müssen fortlaufend topologische Aufgaben erfüllt werden, z.B. 4 Waldstücke, 5 Stadteile, 6 Felder usw. nebeneinander.

Dabei  hat jeder Spieler immer nur ein einziges Plättchen auf der Hand, das er „optimal“ auf das  Gebilde am Tisch einfügen soll. Ratschläge durch die Mitspieler sind erwünscht, aber nach einer gewissen Spielerfahrung nicht mehr notwendig. Aber auch das ist wurscht. Es gibt keinen individuellen, persönlichen Ehrgeiz, dem Team zum größten Punktesegen verholfen zu haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (im Prinzip ein Solitärspiel), Günther: 6 (es hat irgendwie doch Spaß gemacht), Moritz: 7 (chillig [so viel wie „entspannt“] und locker), Walter: 5 (ziemlich repetitiv und schnell ausgelutscht, auch wenn uns der eingebaute Fortschritts-Mechanismus eine Weile bei der Stange hält).

2. “Mille Fiori”

Günther traute sich gar nicht, den thematischen Abschnitt aus der Spielregel vorzulesen. Den brauchten wir dann wenigstens auch nicht zu kritisieren.

Es gibt sechs farbige Arbeitsbereiche, auf denen wir uns engagieren können, indem wir dort unsere Duftmarken hinterlassen.

  • In Orange bekommen wir Punkte, je größer die zusammenhängende Fläche unserer Duftmarken ist.
  • In Lila bekommen wir unterschiedlich viel Basispunkte für jede einzelne Duftmarke und dazu noch Punkte für zusammenhängende Ketten.
  • In Grün (hell und dunkel) bauen wir Pyramiden und bekommen Punkte entsprechend der Höhe, auf der wir unsere Duftmarke platzieren können.
  • In Blau (hell und dunkel) produzieren wir Waren und bekommen in quadratisch steigender Menge Punkte für gleichartige Waren. Und ebenfalls quadratisch steigend sind die Punkte, wenn wir die Waren virtuell abtransportieren können.

Wer sich auf den verschiedenen Arbeitsbereichen in vorgeschriebener Weise differenziert hat, grast zusätzlich gewaltige Bonuspunkte ab. Und wer mit seinen Duftmarken wohldefinierte Muster erzeugt, darf gleich noch einen weiteren Zug machen.

Ja, wenn wir nur ein bisschen Freiheit hätten, uns in gewünschter und geplanter Weise auf den Arbeitsbereichen zu engagieren! Aber nix da. Pro Phase bekommt jeder Spieler fünf Karten auf die Hand, die genau die Koordinaten vorgeben, an denen wir Duftmarken ablegen können. Eine davon dürfen wir auswählen, die restlichen geben wir an unseren linken Nachbarn weiter und bekommen dafür vom rechten Nachbarn dessen restliche Karten. Zuerst vier, dann drei und dann zwei. Die letzte Karte wird nicht mehr genutzt. Riesenauswahl! Und jedes Mal unbekannt, was uns da geboten wird. Kartenpflege Null!

Reiner Knizia fungiert als Autor des Spieles. In kaum einem seiner tausend erfundenen Spiele hat er den Spielern so wenig Freiheit gelassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel Brimborium für zu wenig Effekt, man lebt von der Hand in den Mund, die Balance zwischen Frust und Erfolg stimmt nicht), Günther: 5 (das Spiel besitzt viele hübsche Stellen, einen Knizia mussten wir halt auch mal wieder ausprobieren), Moritz: 5 (zu wenig Handlungsfreiheit, zu viele Noten), Walter: 5 (das Spiel bietet keinen Peil, es planmäßig anzugehen [Günther: ist doch gut so!], Wir träumen von optimalen Karten und backen schließlich doch nur kleine Brötchen, während unsere Mitspieler plötzlich ganz unverhofft einen gigantischen Reibach einheimsen. Oder umgekehrt).

3. “Order Overload Cafe”

Kooperatives Memory. Ein „Vorleser“ zieht aus einem Stapel von Bestellungskarten in steigender Menge 4, 8, 12, 16 … Bestellungen und liest sie vor, z.B. „Espresso“, „Eistee mit Milch“ oder „Schokocroissant“. Anschließend verteilt er die Karten verdeckt an die Mitspieler und diese müssen nun reihum eine der vorgelesenen Bestellungen nennen, bis alle vorgelesenen Bestellungen wieder memorisiert und abgelegt wurden. Oder bis sich keiner mehr an noch offene Bestellungen erinnern kann und alle gemeinsam das Spiel verloren haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist nix für mich, aber das Design funktioniert), Günther: 4, Moritz: 3 (glücklicherweise haben wir gelacht [über unsere geölten Gedächtnisse], obwohl es eigentlich nichts zu lachen gibt), Walter: (Kein Spiel für alte Herren. Schon bei „Sagaland“ komme ich mit meiner Enkeltochter nicht mehr mit.).

4. “Town 66”

Jeder Spieler hat jeweils vier Plättchen auf der Hand, von denen reihum immer eines innerhalb einer 6 mal 6 Matrix abgelegt werden muss. Danach zieht er verdeckt ein neues Plättchen.

Die Plättchen gibt es in 6 verschiedenen Farben mit jeweils 6 verschiedenen Mustern. Beim Ablegen ist zu beachten, dass in keiner Zeile und keiner Spalte eine Farbe oder ein Muster doppelt vorkommen darf. Wer kein Plättchen mehr ablegen kann, scheidet aus. Wer am längsten ablegen kann, hat gewonnen.

Im Gegensatz zu „Order Overload“ hatten wir die Spielregel im Nu begriffen und das Spiel in fünf bis 10 Minuten absolviert. Natürlich war damit die 6×6-Matrix noch lange nicht gefüllt.

Mitternacht war schon vorbei, aber wir versuchten noch geschlagene zwei Stunden, kooperierend die Plättchen neu zu ordnen, um damit die Matrix zu füllen. Es gelang uns nicht. Günther konnte dann die zunächst verblüffende Tatsache demonstrieren, dass nicht einmal eine 2×2-Matrix gefüllt werden kann. (Trivial.) Bei einer 3×3-Matrik ist es hingegen leicht und auch bei einer 4×4 Matrik präsentierte Günther durch konsequentes Ausschließen von Sackgassen noch relativ schnell eine Lösung. Mehr schafften wir nicht mehr.

Am nächsten Morgen verschickte Günther eine analytische Untersuchung: „https://www.ams.org/publicoutreach/feature-column/fcarc-latinii1“. Fazit: Schon der gute Euler hat sich mit diesem Problem beschäftigt. Heutiges Wissen: Für ALLE Dimensionen außer 2 und 6 gibt es Lösungen!!

Aaron fragte unverzüglich beim Co-Autor Christoph Cantzler nach, ob ihm diese Unlösbarkeit bei der 6×6-Matrix bekannt gewesen sei? Dessen Antwort: „Tatsächlich: bei TOWN 66 können zwei Plättchen nicht regelkonform gelegt werden. Die Regel sagt deshalb, dass wir zwei Plättchen mit der farbigen Rückseite ablegen dürfen.
Jetzt kommen aber die News: Wir hatten das Spiel als 7×7 Raster entwickelt. Da können tatsächlich – mit viel, viel Zufall – alle Plättchen untergebracht werden. Wir haben uns dann aber für 6×6 entschieden und haben “das Problem” zu spät erkannt und dann “regeltechnisch” gelöst. Das Schöne: Nächste Woche wird in Essen TOWN 77 vorgestellt. Es löst TOWN 66 ab.

Unsere einhellige Meinung: Auch oder gerade weil die 6×6-Matrix nicht vollständig gefüllt werden kann, bietet Town-66 einen zusätzlichen spieltaktischen Reiz.

Die WPG-Wertung wurde nicht abgefragt, aber das kleine Spiel funktioniert, und sogar mehr als das. 6 Punkte von Walter.