04.06.2008: “Zug um Zug” zu “Senji”

Moritz hat sich geoutet. In einem Interview hat er bekannt, daß er viele Ideen zu eigenen Spiele-Erfindungen hat und hierbei gerne Pate stehen würde. Gleich hat ihn ein Spieleverlag unter Vertrag genommen. Wer und Was und Wie und Wann ist aber noch streng geheim.
Peter ließ diese Entwicklung nicht ruhen. Sogleich hat auch er eine Menge Zeit in eine neue Spiele-Erfindung investiert und bot uns die Grundzüge seiner Idee zur Begutachtung an. Es soll ein Kartenspiel sein. Die Karten werden von einem verdeckten Stapel gezogen. (Oder war der Stapel offen?) Die gezogene Karte darf ein Spieler auf die Hand nehmen oder an seine Mitspieler weitergeben. (Vielleicht sogar gegen versteigern?) Die weitergegebenen Karten müssen sofort ausgespielt werden, die Handkarten darf man dazulegen, wenn es einem paßt.
Günther meinte: “Zu dieser Idee gibt es bestimmt schon fünf andere Spiele”. Er hat ausdrücklich “fünf” gesagt. Das ergänzende “hundert” hat er aus Höflichkeit unterdrückt. Aber Peter wird’s schon richten!

1. “Senji”
Ein nagelneues Spiel vom französischen Asmodée-Verlag. Das Spielbrett zeigt eine japanische Insel, und wer sich besser in der Geographie auskennt, weiß auch, ob es sich um Hokkaido oder Kamasutra handelt. Auch das Spielmaterial besitzt lauter japanische Namen. Walter fragte, was “Senji” heißt. Peter siedelte es in der Gegend von: “Ein Kampf” an, aber Aaron meinte: “Vielleicht “Drei Bier”. Aber so gut ist mein Japanisch auch nicht”.
Dabei ist der Kampf nur ein optionales Element. Die Spieler erhalten einen Samurai, drei Festungen, drei Präsenz-Chips und jede Menge Karten: Handelskarten, Kampfkarten, Geiselkarten und Samuraikarten. Pro Runde darf jeder mit seinen anvertrauten Pfunden wuchern: Entweder neue Handelskarten ziehen oder seine Präsenz-Chips vermehren oder sie bewegen. Eineinhalb Stunden (in Worten: neunzig Minuten) dauerte Aarons knappe Einführung in das Spiel. Besonders die Kampfregeln können sich sehen lassen. Eine tolle Mischung aus Würfeln, Allianzen und Dahinmeucheln von Geiseln. Vor allem am Würfelmechanismus hätte unser Oberkampfwürfler Moritz seine helle Freude gehabt.
Peter bekam gleich wieder eine Menge Inspiration für sein eigenes Kartenspiel. Walter hatte dagegen mit dem gesamten Spielablauf noch seine liebe Müh und Not. Er hatte immer noch keinen Dunst vom Schimmer einer Ahnung über das “to have a plan”, als Peter sich schon längst eine Siegesstrategie zurechtgelegt hatte und Aaron seine erste Kooperation anbot. Walter mußte entschieden darauf pochen, die Spielregeln vor alle im Hinblick auf das “Warum” nochmals erklärt zu bekommen.
Wer friedlich gestimmt ist, treibt auf Teufel komm’ raus Handel, sammelt und tauscht siegpunkt-trächtige Karten-Kombinationen und beendet das Spiel mit 60 Siegpunkten ohne einen einzigen Kampf. Wahrscheinlich sogar als Sieger. An dieser Stelle erinnert das Spiel an eine Kombination von “Quartett” und “Schwarzer Peter”. Gebildete Spieler können hierin auch ein “Advanced Civilization” sehen.
Wir waren alle friedlich gestimmt und investierten 95% unseres Zugpotentials in Handelskarten und nur 5% in die Vermehrung unserer Schlagkraft. Kein Wunder, daß nach einer guten Stunde Spielen Aaron und Loredana nahezu gleichzeitig ausriefen: “Ich habe das Gefühl, das Spiel hat noch gar nicht angefangen!”. Eine Aussage, die sicherlich mehr als nur einen wahren Kern enthielt.
Loredana hatte schon mehr als die Hälfte der Siegpunkte bis zum Zieleinlauf eingesammelt, als Günther probeweise den ersten Kampf vom Zaune brach. Er murkste Peter ab und konnte dafür gleich eine erkleckliche Menge Siegpunkte auf seinem Konto verbuchen. Dafür hatte er aber seine Stammlande entvölkern müssen und bot somit ein ideales Eroberungsziel für Aaron, der es nicht lassen konnte, sich an den hinterbliebenen Witwen und Waisen zu vergreifen. Doch wenig Feind bedeutet auch wenig Ehr. Die Siegpunkte beim Erobern schwach verteidigter Gebiete fließen nur sehr spärlich. Für eine seiner Eroberungen erhielt Aaron ganze Null Siegpunkte. Wenn das Spiel noch lange gedauert hätte, hätte er vielleicht davon noch profitiert. So aber war es nicht und Aaron kann diese seine Erfolge höchstenfalls in der “Geschichte meines Lebens” zum Besten geben.
Peter war gutmütig. “Das Spiel ist nicht dappig” meine er. Doch als ihn vier verdutzte Gesichter anblickten, korrigierte er sich: “Es ist nicht total broken”. Was heißt hier schon total: Einen friedlichen Sieg entscheidet das hundertprozentige Kartenglück und einen kriegerischen Sieg entscheidet das hundertprozentige Würfelglück. Peter blieb in der Defensive. Zu Walters Kritik am Zufall meinte er provokativ: “Meinst Du, es wäre das gleiche, jeder zieht eine Karte und wer die höchste zieht hat gewonnen?!” Aaron erwiderte darauf: “Nicht so lustig und nicht so lang!”
Wenn jemand fragen sollte, was bei “Senij” so lustig war: Immerhin vergossen wir drei Gläser Wein und zwei Gläser Mineralwasser auf dem Tisch. Ein neuer Rekord am Westpark!
WPG-Wertung: Aaron: 5 (ganz schön viel für ein “Das Spiel ist kaputt”), Günther: 3 (nach German-Game-Maßstab), Loredana: 5 (Non-German-Game-Maßstab), Peter: 6 (Araber Bonus), Walter: 4 (Lohnt sich der Lernaufwand?)
Aaron wird sich vielleicht zu einer Rezension erbarmen.

2. “Bluff”
“One down is good Bridge!” “Dos menos” ist der Tod beim Bluff. Immer wieder mußte eine bedröppelte Seele zwei Würfel auf einmal abgeben, bis Loredana mit “Dos mas” das Endspiel gegen Aaron gewonnen hatte.
Im letzten Spiel standen Aaron und Loredana mit je 3 und Günther mit 1 Würfel im Endspiel. Drei Würfel mit zwei Dreien und einem Stern waren sichtbar, Aaron mit 2 und Loredana mit 1 Würfel hatten nachgewürfelt. Loredana hob auf 7 mal die Drei! Acht mal die Drei war selbst für einen Mathematiker zu hoch. Welche Alternative gab es noch zum Anzweifeln? Günther hatte kurz darüber nachgedacht, aber dann hatte ihn doch der Mut verlassen: 4 mal der Stern wär’s gewesen!

3. “Zug um Zug – Das Kartenspiel”
Loredana und Peter waren bereits mit der vorletzten U-Bahn abgedüst, für die Einheimischen und die Autobesitzer war es noch ein bißchen früh. Für ein altes Spiel in einem neuen Gewand sollte es noch reichen.
Days of Wonder hat Alan R. Moon’s “Zug um Zug” als Kartenspiel herausgebracht. Man findet vieles wieder: Streckenkarten, Lokomotiven als Jokerkarten, Karten mit Streckenverbindungen, den Nachziehstapel und die offene Auslage, aus denen man sich pro Runde zwei Streckenkarten ziehen darf.
Es gibt leichte Ärgerelemente mit Blockieren von Farben und mit Wegnehmen von Karten aus den Sammlungen der Mitspieler.
Peter hätte für seine zu gebärende Kartenspiel-Erfindung eine Menge neuer Ideen mitbekommen, wenn er nicht so scharf auf die vorletzte U-Bahn gewesen wäre.
WPG-Wertung: Haben wir nicht mehr abgefragt.