13.01.2010: Machtspiele bei “Rise of Empires”

Aaron ist ein umwerfender Trouble-Shooter im Computerbereich. Besonders die Ehefrauen lechzen nach seinen Hilfestellungen. Auch meine. Heute war Moritz seine dran. Zur Belohnung erhielt er von ihr einen Bordeaux von Baron Philippe de Rothschild, den er auch gleich zum Westpark mitbrachte und dort kredenzte. Eine vorzügliche Beigabe zum ersten Spielabend im Neuen Jahr.
Wenn Ihr (oder Euere Ehefrauen) ebenfalls in Schwierigkeiten seid, kann ich Euch Aarons Kompetenz nur wärmstens empfehlen. Allerdings solltet Ihr dann ebenfalls einen Lafite Rothschild im Keller haben. Er kann ruhig vom letzten Jahrtausend sein.
1. “Rise of Empires”
Moritz hatte es mitgebracht. „Die Spielregeln kennst Du?“ wurde er gleich mißtrauisch gefragt. „Ich habe sie durchgelesen!“ „Bei mir gerade im Auto? Zu Hause hast Du doch Klavier gespielt!“ Wir wollen dem Wahrheitsgehalt dieser Aussagen nicht weiter auf den Grund gehen, Moritz ist in seinen Stegreiferklärungen ohnehin so gewandt, daß sie fast wie gründliche Vorbereitungen wirken.
Moritz hat zu diesem Spiel auch eine besondere Affinität. Erstens mag er grundsätzlich diese Genres; zweitens hat dieses Spiel eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Erstlingswerk „Das 20. Jahrhundert“, mit dem er (ohne seine Ehefrau) immer noch schwanger geht, und dem er gerade wieder ein paar neue Überarbeitungsideen einbringt. Und drittens zeichnet für beide Spiele Phalanx Games als Herausgeber.
„Rise of Empires“ besteht aus „Spielmaterial ohne Ende“. Um den Spielplan, der die Mittelmeerregionen darstellt, liegen schichtenweise epochale Plättchen für Städte, Landschaften, Fortschritte, Weltwunder und Eroberungen. Jeder Spieler bekommt haufenweise Volksgenossen und Aktionsmarker, Warenscheiben und Geld. Pro Halb-Epoche darf jeder Spieler sechs Aktionen durchführen: Städte kaufen, die in Siegpunkte umgesetzt werden, Landschaften kultivieren, die Geld, Nahrung und/oder weitere VGs liefern, Tauschgeschäfte tätigen (Warenscheiben in Geld oder Siegpunkte) oder Mehrheiten in Mittelmeerregionen bilden, die nach jeder Halbepoche Siegpunkte und VGs oder Warenscheiben abwerfen.
Das Regelheft ist dick und mühsam, besonders für Learning-by-Doing-Charaktere. Allein die Kurzfassung der Spielregeln umfaßt zwei dicht bedruckte Seiten. Mit Halb- oder Viertelwissen gingen wir das Spiel an und Moritz tröstete „Es wird alles klar werden!“ Doch wie kann man ohne Gesamtvision ein Optimierungsspiel anfangen, bei dem jeder Zug auf den anderen aufbaut, und bei dem falsche Entwicklungslinien später nicht mehr korrigiert werden können? Moritz tönte zwar sehr schnell: „Ich habe schon eine Strategie“, doch es hörte sich mehr an wie Pfeifen im Dunkeln.
Sehr pfiffig ist die Auswahl der Aktionen. In der Hin-Epoche legt jeder Spieler jeweils einen Aktionsmarker auf ein Tableau, in dem die unterschiedlichen Aktionen der Spieler festgehalten werden. In der Rückepoche nimmt er die Marker in einer ausgetüftelten Reihenfolge wieder auf, d.h. er muß a) die gleichen Aktionen ausführen wie in der Hinepoche, aber b) nahezu in umgekehrter Reihenfolge im Vergleich zu seinen Mitspielern. Bis wir hier den richtigen Peil haben und alle Seiteneffekte verstehen und berücksichtigen können, wird noch viel Wasser die Isar herunterfließen.
Eigenartig verläuft die Inbesitznahme der Regionen. Wer mit seiner Aktion eine Eroberung wählt, darf seine VGs auf ein bis drei Regionen verteilen und zusätzlich einige evtl. dort vorhanden VGs der Gegner vom Brett nehmen. Wer zuerst eine Region besetzt, hat natürlich den Nachteil, daß er mangels Masse noch keine Gegner vom Brett nehmen kann. Da aber das nachträgliche Betreten einer Region mit keinerlei Nachteilen, sondern nur mit dem Gegner-Entfernungsprivileg verbunden ist, ist der Erst-Betreter eine Region doch zweifellos der Dumme. Oder? Haben wir hier vielleicht irgend ein Regeldetail nicht richtig verstanden?
Moritz wagte sich tatsächlich als Erster an Land und besetzte mit je einem VG drei Regionen. Prompt zogen seine drei Konkurrenten nach, und gemäß dem Maximum-Damage-Prinzip beseitigte jeder einen von Moritz VGs, so daß nach einer Runde keiner seiner VGs mehr am Leben war. Moritz zog daraufhin nicht etwa den Mechanismen des Spiels in Zweifel, sondern nur die Logik seiner Mitspieler. Doch wenn es darum geht, einen Mitspieler zu schädigen oder nicht, nach welcher Logik sollte man dann auf das Schädigen verzichten? „Ich fühle mich auf jeden Fall noch ungerecht angegriffen.“
Nach einer Stunde Erklärung und weiteren anderthalb Stunden Spielen hatten wir die erste von drei Epochen absolviert. Die ersten zaghaften Anfragen zum Spielabbruch wurden gestellt. Eine Vertröstung auf die neuen Spielelemente in den nächsten Epochen konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Die nächsten Plättchen brachten keine neue Qualität mit sich, sondern nur eine leicht gesteigerte Quantität innerhalb der Umtauschverhältnise. Das reichte nicht, um die Begeisterung auf ein Spielende bis weit nach Mitternacht aufrecht zu erhalten. Wir brachen ab.
Das Auswahlverfahren der verschiedenen Plättchen auf dem Spielbrett ist genauso „autistisch“ wie bei „Dominion“. Wer zu erst kommt, mahlt zu erst, das ist alles. Das einzige Element, wo deutlich Interaktion ins Spiel kommt, ist der Eroberungskampf auf den Regionen. Doch gerade hier scheinen die Mechanismen noch nicht ausgereift zu sein. Entschuldigung an den Autor Martin Wallace, falls uns hier unser erster Eindruck getäuscht haben sollte.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (viel zu viel Unnötiges), Günther: 5 (die Hälfte der Spielelemente hätte genügt) , Moritz: 7 (die Vielfalt gefällt mir eigentlich), Walter: 7 (mag das Ohne-Würfel-Prinzip).
Moritz schreibt eine Rezension.
2. “Macht$piele”
Im November zum ersten Mal gespielt, drängte Aaron auf eine Wiederholung, um seine geplante Rezension nochmals besser fundieren zu können. Wir arbeiten in einem großen Unternehmen und versuchen mit unseren Einflüssen die verschiedenen Unternehmensbereichen zu dominieren. Gründungen von Abteilungen und Hauptabteilungen, Personalmanagement aber auch simple Insidergeschäfte mit Aktien bringen uns vorwärts.
„Personal ist immer gut. Personal heißt Macht“ wurde Moritz als Neuling belehrt. Das gilt offensichtlich für die internen Diadochenkämpfe im Unternehmen. (In richtigen Leben können man beim externen Aktionsfeld der Unternehmen heutzutage ja eher auf das Gegenteil schließen.)
Bemerkenswert sind die Bestechungsregeln. Ohne zu bestechen und bestochen zu werden, kann man das Spiel nicht gewinnen. Wer eine Bestechung ablehnt, verliert nicht nur einen Einflußpunkt auf der Controlling-Skala, er muß auch noch einen Mitarbeiter entlassen. Walter wurde gleich zu Beginn auf seine Standfestigkeit geprüft. Doch sein Schock bei der Zwangsentlassung seines Mitarbeiters, mit der gleich eine ganze Abteilung über den Jordan ging, hatte ihn schnellstens geheilt. Anschließend nahm er mehr oder weniger blindlinks jede beliebige Bestechungssumme an, und von seinem Beispiel angesteckt hielten es alle anderen Spieler genauso. Diese Inflation an Bestechungswille sorgte dafür, daß generell nur noch niedrigste Summen angeboten wurden. Ist das im Sinne des Spieledesigns oder haben wir wieder ein Regeldetail zu eng (zu weit) ausgelegt?
Moritz nutzte sein Privileg, Mitarbeiter von seinen Konkurrenten abzuwerben, im Sinne eines erfahrenen Wargamers und hatte innerhalb weniger Runden satte Zweidrittel-Mehrheiten in fast allen Unternehmensbereichen. Allerdings münzte er diese Vorteile zu spät um in Punkte auf den verschiedenen Siegpunktskalen. Triviale Kapitaleinnahmen durch frühzeitigen Ankauf renditeträchtiger Aktien und nicht der organische Aufbau einer Hauptabteilung, sondern der simple Zukauf einer solchen gaben den Ausschlag zum Sieg im Sudden-Death. Diesmal nicht von Günther.
WPG-Wertung: Moritz siedelte seine 8 Punkte im oberen Bereich der Westparker an. „Das beste ’Eggert-Spiel’, das ich je gespielt habe!“
Aaron hat seine Rezension schon fast fertig. Er möchte sich verstärkt dem Thema Korruption innerhalb der Machtspiele zuwenden, ohne dabei irgendwelche Erfahrungen aus dem Hause Siemens einfließen zu lassen.