05.05.2010: Kriege und Kriegsspiele

Aaron fährt jeden Tag auf dem Weg zu seiner Rentner-Fitness an zwei Tankstellen vorbei. Dort wechseln die Preise fast täglich, teilweise mit Sprüngen, die schon an einen zweistelligen Prozentsatz herankommen. Meist sogar synchron, in höchstenfalls Halbtages-Abstand. Wie hierzu das Prozedere im Hintergrund abläuft, ist für uns alle ein Rätsel.
Deshalb ein paar nicht-spielerische Fragen von uns Spielern an unsere Leser:
a) Werden die Preise für eine Benzinsorte zentral vorgegeben und sogar auch zentral eingestellt?
b) Werden die Preise deutschlandweit oder regional festgesetzt?
c) Kann es sein, daß einzelne Tankstellen einer Stadt Ausnahmepreise bekommen?
d) Werden die Preisänderungen ab bestimmten Uhrzeiten gültig?
e) Kann es sein, daß man an einer Tankstelle steht, und daß gerade in dem Moment, wo man den Einfüllstutzen abnimmt, der Benzinpreis sich ändert?
Von einem Preiskrieg kann hier wohl schon lange nicht mehr die Rede sein.
“Rice Wars – Reiskriege”
Aaron hat das Spiel von der “Spiel 2009” mitgebracht. „Der Typ hat es mir erklärt und es sah irgendwie ganz witzig aus.“ Das polnische Spiel mit einem dreisprachigen Regelheft spielt in Japan. Wir sind „Daimyos“ (Kriegsherren), legen uns „Ronins“ und „Ashigarus“ (Kriegsknechte) zu und vertreiben damit die Reisbauern unserer Mitspieler von ihren Feldern und schicken dagegen unsere eigenen Reisbauern auf die Felder, um damit Einnahmen erwirtschaften, mit denen wir uns neue Militärs leisten können, um damit wiederum die fremden Reisbauern dezimieren zu können. Wie im richtigen Leben. Zumindest soll es im Japan des 14. Jahrhunderts so gewesen sein.

Die japanische Terminologie bringt keineswegs ein besseren Verständnis des Spielmaterials und des Ablaufs, ganz im Gegenteil, es macht alles unnötig schwer. Wenn wir gemäß einem Paragraphen des Regelheftes „gegen einen Daiymo“ kämpfen können, dann suchen wir diese Figur in Karten, Marken oder Pöppeln vergebens: Es sind schlichtweg die Mitspieler in ihrer Gesamt-Präsenz, die wir hier bekämpfen müssen. Und wenn der Startspieler „Statthalter“ heißt, aber keine weitere Funktion als eben die des Startspieler in sich trägt, dann ist das alles lediglich manieristisch verklausuliert.
Beim (Vertreibungs-)Kampf kämpft eine beliebige Auswahl unserer Krieger von bekannter Stärke gegen eine beliebige Kriegerauswahl des Gegners von ebenfalls bekannter Stärke. Das Kampfergebnis kann noch durch verdeckte Aktionskarten beeinflußt werden. 50% Planung gegen 50% Zufall. Doch das Kämpfen, eigentlich ein unabdingbares Element in einem Kriegsspiel, ist hier in jedem Fall kontraproduktiv. Nach jedem Kampf sind unsere Krieger müde und fallen für den Rest der Runde sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung aus. Haben wir unser Pulver verschossen, so können unsere Reisbauern vom Gegner mit dem Fliegenwedel vertrieben werden. Logische Konsequenz: Wir müssen unsere Krieger bis zuletzt zurückhalten. Nur Selbstmörder greifen an! Doch wenn das alle tun, dann kommt überhaupt kein Krieg mehr zustande. Diesen pazifistischen Effekt haben die Väter von „Rice Wars“ garantiert nicht im Sinn gehabt.
Die ersten Aufbauzüge sind zwangsweise symmetrisch: jeder Spieler legt sich die maximale Anzahl von Reisbauern zu, nach und nach auch ein paar Krieger. Aber nur zur Abschreckung. Aus den schon bekannten Gründen fing keiner mit der Aggression an. Dann „opferte“ sich Walter als Feinbild und belegte das einzige Reisfeld mit den beneidbaren doppelten Erträgen. Das war natürlich der Auslöser für Günthers ersten Eroberungsschlag, Walter schlug zurück und Aaron triumphierte: Mit seinem nun konkurrenzlosen Militärpotential wendete er sich nochmal gegen Walter und schnitt dessen gesamte Bauernschar vom Daimyo-Palast ab. Eine Runde lang flossen keine Reiserträge in das Herrscherhaus. Ohne Moos nix los. Kein Geld, um mit neuen Bauern die Lücke zu schließen, kein Geld, um die Militärs zu finanzieren, mit denen auch nur eine Mimimal-Linie zu halten gewesen wäre. Das war natürlich die Folge eines schweren Anfänger-Stellungsfehlers. Doch klare Erkenntnis: das mittelalterliche Japan verzeiht nichts!
Aaron und Günther schwelgten glückselig in der Planung, wie sie Walter jetzt gemeinsam am schnellsten den Garaus machen könnten. Zwei Riesen gegen einen Zwerg. Doch dahinter stand keine mangelnde spielerische Ethik, es ging ohnehin nur noch um das Herbeiführen eines vorzeitigen Spielabbruchs. Nach 42,8571 % der Runden war es geschafft. Den Regeln nach hätte der Ausgeschiedene jetzt noch die restlichen 57,1428 % des Spiels zuschauen dürfen, wie sich seine beiden Terminatoren selber in die Wolle kriegen. Doch wir übernahmen hier die selbstverständliche „1830“ Regel: Sobald einer pleite ist, endet das Spiel.
„Bist Du sicher, daß wir alles richtig gespielt haben?“ fragte Günther hinterher etwas verwundert. „Zumindest habe ich alle Regeln vorgelesen!“ Entweder haben wir es falsch gespielt, oder das Spiel funktioniert nicht. „Vielleicht ist es wenigstens historisch richtig!“ Vielleicht.
WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 3, Walter: 3.
2. “Small World mit Erweiterungen “Frauenpower” und “Verflucht”
Das Spiel um die Völkerschlachten echter und magischer Wesen mit unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften zum gegenseitigen Dezimieren und Verdrängen von den lukrativen Siegpunkt- Weideplätzen wurden um neue Rassen vermehrt. Es gibt jetzt zusätzlich:
– liebende Zigeunerinnen
– verfluchte Gobelins
– marodierende Priesterinnen
– räuberische Kobolde und
– berittene weiße Frauen
Deren neue Eigenschaften bringen neue extreme Kombinationen in das bisherige Spektrum. Sie ermöglichen für gute Völker-Kombinationen ein noch stärkeres Einsammeln von Siegpunkten und ein Auseinanderdriften der Besitzstände der einzelnen Spieler.
Walter startete sehr gut mit den Menschen, ließ sie gleich in der zweiten Runde aussterben und legte sich die Hexenmeister zu. Das verschaffte ihm zu Beginn einen gewaltigen Reibach und den Neid der Konkurrenz. Doch dann konnte Aaron mit einer unübersehbaren Koboldschar die Hexenmeister samt Besen in die Ecke stellen. Zuvor hatte er noch 5 weißen Frauen auf die Anschaffe geschickt. Dieser zuhälterische Geldsegen war nicht mehr zu bremsen und er blieb bis zum Spielende erhalten. Seine beiden Gegenspieler versuchten noch eine Zeitlang, mit vereinten Kräften die massiven und massierten Kobolde zu eliminieren. Ab der Hälte des Spiels gaben sie dieses vergebliche Vorhaben aber auf und zerfleischten sich gegenseitig im Kampf um den zweiten Platz.
Hat das Spiel mit den neuen extremen Eigenschaften vielleicht seine Balance eingebüßt? Oder war es ein Zufall, daß die sterblichen weißen Frauen von den Kobolden so lange gemolken werden konnten? Immerhin hätte Günther am Ende fast noch mit seinen Zigeunerinnen die Nase vorne gehabt. Wenn man gegen eine gelungene gegnerische Völkerkombination schon nichts ausrichten kann, dann soll man sich schnellstens eine eigene Kombination zusammensuchen, mit der man auf die Punktejagt geht. Und man kann so nebenbei hoffen, daß die sporadischen aber zielgerichteten Fußtritte aller Verlierer am Ende doch noch den Sieger vom Sockel holen.
Das Spiel war einfach zu kurz(weilig). Doch das ist eher eines der höchsten Lobe, die man einem Spiel machen kann. Und es war immer Spiel, niemals Ernst, oft genug begleitet von konstruktiven analytischen Diskussionen um Positionen und Aussichten. Ganz das Gegenteil von unserem Engagement in Afghanistan.
WPG-Wertung: Die Spielbox-Erweiterungen haben die bisherigen guten 8 Punkte positiv unterstrichen.

8 Gedanken zu „05.05.2010: Kriege und Kriegsspiele“

  1. Ich dachte die Smallworld-Erweiterungen gabs auf der Spiel und nicht in der Spielbox

    Gruß

    Klaus

  2. Da hast Du vielleicht recht und ich habe Günther, den Spielebesitzer, mißverstanden. Er (oder Aaron) werden das wohl noch geradeziehen.
    Viele Grüße Walter

  3. Geradegezogen! Hatte ich heute morgen gegen 9 Uhr schon mal gemacht, aber ist irgendwie wieder überschrieben worden. Ist jetzt hoffentlich “sticky”.

  4. Zu den Tankstellen kann ich nur so viel sagen: Zumindest früher, als ich noch meinen Studentenjob bei Esse hatte (in der Datenerfassung, nicht der Tankstelle) wurde die Preise 2x täglich aktualisiert. Da gabs feste Zeiten. Das kann sich aber geändert haben.
    Was ihr nicht gefragt habt, aber euch vielleivht trotzdem interessiert: Es gibt (gab?) ein Abkommen zwischen den “Farbentankstellen” Esso und BP (früher auch DEA) und den kleinen, dass die ersteren immer mindestens 1 Cent teurer sind als die kleinen. Dafür haben sie auch in der Regel das qualitativ hochwertigere Benzin.

  5. Danke, lieber Peer, für den ersten Teil der Aufklärung.
    Aber: Wenn die Preise in der Zentrale aktualisiert wurden, wurde das dann fully automatically bis in die Gebührenanzeiger der Tankstellen übertragen, oder mußte dann noch jeder Pächter manuell nachhelfen, damit sich die Preiseänderungen bis zum Kunden durchgeschlagen konnten?
    Gruß Walter

  6. Hallo ich hab nochmal nachgefragt:

    die Tankstellenpreise wurden zentral in Hamburg berechnet und zum allergrössten Teil auch automatisch an den Zapfsäulen und Anzeigetafeln umgestellt (manchmal zur Überraschung des Pächters). Nur wenn noch keine Fernleitungsanschlüsse existierten, wurde der Pächter angerufen und musste das dann selber machen (per Leiter). Die Pächter hatten nur die Möglichkeitein, Vergleichspreise aus der Region (von den “Mitbewerbern”) an die Zentrale zu melden und dort hat man darauf reagiert oder auch nicht. Meistens ging es dann um Preissenkungen. Spielraum für eigene Entscheidungen hatten die Pächter nicht.

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