12.06.2007: Caylus – Magna Charta, Wikinger und Bluff

Woher bekommen wir die vielen neuen Spiele, über die wir regelmäßig berichten? Ist es so, daß uns die Spielverlage sponsoren und mit Rezensionsexemplaren überschütten? Ja und nein. Überschüttet werden wir nicht, aber in Essen sind Aaron, Moritz und Günther gern gesehene Stammgäste und können so manches Spiel kostenlos in ihren Ranzen packen. Aber wir kaufen auch viele Spiele gegen bares Geld und ohne Rabatt. Manche Kleinverlage können sich kostenlose Rezensionsexemplare einfach nicht leisten und manche Großverlage haben einfach ihre Taschen zugeknöpft.
In unserem Spielkritiken machen wir allerdings keine Unterscheidung, ob uns ein Verlag entgegengekommen ist oder nicht. Wir weisen es auch nicht in einem Nebensatz aus. Schlechte Spiele versuchen wir ohnehin erst gar nicht zu verkosten. Nicht mal geschenkt!
1. “Caylus – Magna Charta”
Eine nagelneue abgespeckte Version des großen “Caylus”, das im Jahr 2006 den Sonderpreis “komplexestes Spiel das Jahres” gewonnen hat. Aaron hat das Spiel ganz frisch gekauft (!). Günther legte auch gleich noch den Extension-Kit dazu, den die Abonnenten der “Spielbox” bekommen haben: Eine zusätzliche Karte für einen weiteren “Prestigebau”.
Was ist in “Magna Charta” anders als in der großen Urversion? Hierzu ein paar Stichworte:
– Es gibt kein Spielbrett, das Geschehen mit dem Bauen und Nutzen von Gebäuden spielt sich direkt auf der Tischplatte ab.
– Jeder Zug kostet 1 Dinar, unabhängig davon, ob schon gepaßt wurde oder nicht.
– Es gibt keinen Kampf um die Prestige-Punkte beim Schloß. Wer sich im Schloß engagiert, bekommt lediglich Siegpunkt-Bonusse und ggf. auch noch ein Stück Gold.
– Das Engagement im Schloß gehört auch nicht zu den regulären Zügen, sondern wird erst hinterher angehängt. Wer vorher zuerst gepaßt hat, darf hier zuerst ziehen; damit wird ein (weiterer) Anreiz gegeben, sein Zugpotential nicht bis zum letzten Heller auszureizen.
Peter wollte uns nicht den Moritz machen und verzichtete auf unsere Standard-Methode zur Bestimmung des Startspielers. Er nahm einfach von jedem einen Pöppel in die Hand und lies daraus den Startspieler ziehen. Frei nach Einstein’s Motto: “Everything should be made as simple as possible, but not simpler”.
Wir gingend das Spiel sehr konstruktiv an. Kein einziges Mal wurde der Vogt zurückgesetzt, um einen Spieler um seine Geschäftseinkünfte zu bringen. Walter wurde von Günther (unter allseitiger Billigung) prophylaktisch auf mögliche Spielfehler aufmerksam gemacht, die auf Grund von mangelnder Regelkenntnis schon in der Luft lagen. Die unvermeidliche Konkurrenz beim Nutzen der Ressourcen war die einzige gegenseitige spielerische Aggressivität. Aber sie gehört ja zu den Qualitäten von Caylus, auch zu denen von “Magna Charta”.
Nach knapp zwei Stunden führte Günther gewollt das Spielende herbei, bevor die anderen noch mal mit Prestige-Bauten einen Sprung nach vorne tun konnten. Fast hätte es zum Sieg gereicht, doch der alte Caylus-Fuchs Peter behielt mit 2 Punkten Vorsprung die Oberhand.
Einhellig waren wir der Meinung, das “Caylus” gegenüber “Magna Charta” sehr gut abgespeckt ist. Für Peter ist es übrigens neben “San Juan” von Alea die einzige verkürzte Spielvariante, die vom Glanz des Original nichts verloren hat. Ich wollte letzteres auch von “Euphrat & Tigris” behaupten, erntete dabei aber erheblichen Widerspruch.
WPG-Wertung: Unisono vergaben Aaron, Günther, Peter und Walter 8 Punkte. Sicherlich hat dabei der eine oder andere sogar zu 9 Punkten hintendiert.
2. “Wikinger”
Unser gerade erst gekürtes “Spiel des Monats” bekam gleich noch mal eine Chance, die Berechtigung seiner Wahl zu demonstrieren. Es konnte überzeugen.
Jeder Spieler baut sich seine Inselwelt zusammen und ergattert dabei Siegpunkte. Es gibt laufend Wertungen, mit Geld- und Siegpunkt-Prämien, und es gibt eine Schlußwertung mit Sonderprämien für die längsten, die dicksten, die meisten und andere Qualitätsmerkmale, die ein Wikinger auf seiner Inselwelt hochgezogen hat.
Es gibt eine Regelvariante, bei der der Startspieler versteigert wird. Er bekommt dann zusätzlich eine Auswahloption bei den Bevölkerungsfiguren und er darf auch noch eine Spielfarbe (=Berufsgruppe) bevorzugt auf der Preistafel positionieren. Für harte Rechner sollte diese Regel unbedingt eingeführt werden; wer die “Wikinger” mehr spielerisch angeht oder am Ende eine Entschuldigung braucht, warum er nicht gewonnen hat, der kann darauf verzichten.
Keine neue WPG-Wertung: der bisherige sehr gute Schnitt von 8.3 Punkten wurde vollauf bestätigt.
3. “Bluff”
Peter kam in der Sitzreihenfolge nach Walter und tat gut daran, dessen hohe Vorgaben zu glauben und Aaron mit noch höhren Werten zu konfrontieren. Es reichte aber nicht zum Sieg; ganz im Gegenteil, als erster war er alle Würfel los und konnte ohne Hetze zur U-Bahn abdüsen.
Im Endspiel standen sich Walter und Günther gegenüber, doch da es kein 1:1-Endspiel war, bekam keine Immer-X-Strategie Wasser auf seine Mühlen. Die besseren Würfel gaben den Ausschlag.
Im zweiten Spiel, jetzt in der Dreierrunde, hatte Günther im Nu sein letztes Hemd ausgeziehen müssen. Er hätte ebenfalls zur U-Bahn abdampfen können, wenn er nicht mit dem Auto angereist wäre. Aaron und Walter bestritten mit je 5 Würfeln das Endspiel. Aaron blieb sein sprichwörtliches Würfel(un)glück treu: Er konnte Walter keinen einzigen Würfel abluchsen.
Walter war auch im dritten Endspiel. Mit 2:1-Würfeln in der Unterzahl gegen Aaron hatte er eine Fünf unter seinem Würfelbecher. Was sollte er vorgeben? 2 mal die Fünf? Nicht schlecht gedacht, aber gegen Aarons Würfel(un)glück hätte 1 mal die Fünf gerade gereicht. Und 2 mal die Fünf war einfach zu hoch.