18.07.2007: Unbekanntes und Vergessenes

Der Small-Talk auf der Terrasse am Westpark drehte sich um Luftlinien und ihre Preise. Wie kann ein Flug nur 8 Euro kosten, wenn damit noch nicht einmal die Stromkosten für die Leselampe abgedeckt sind.
Peter machte sich Gedanken (und intensive Recherchen im Internet), mit welchen Tricks man die meisten Meilen einstreicht. Es soll sich z.B. lohnen, bei Langstreckenflügen erst noch ein bißchen in Deutschland hin und her zu fliegen – auf kosten der Fluglinie natürlich – bevor man sich auf die Reise nach Übersee begibt.
Wenn er es dereinst mal zum Lufthansa-Honorable geschafft hat, dann quartiert er sich in Frankfurt im First-Class-Terminal ein und kommt bis zu seinem Lebensende – dauert hoffentlich noch ein knappes Jahrhundert – nicht mehr heraus. Er wird verköstigt und vertränkt, hat Dusche und Liegebett zur Verfügung und läßt seinen Kreislauf in regelmäßigen Abständen mit Fußmassagen in Schwung bringen.
Lieber Peter, hier noch eine Information aus berufener Quelle: Du darfst das First-Class-Terminal als Honorable nur dann betreten, wenn Du eine gültige Bordkarte für einen Flug am gleichen Tag in der Hand hast. Und das Terminal wird nach dem letzten Tagesflug (gegen 23 Uhr) geschlossen. Da mußt Du erst noch das Aufheben des Nachtflugverbotes in Rhein-Main abwarten.
1. “On the Underground”
Nach dem Vorspiel-Thema wollte Peter wollte eigentlich “Airlines” spielen, doch darauf waren wir natürlich nicht eingestellt. Dafür stand ein anderes Linien-Spiel bereit: “On the Underground”, ein Aufbauspiel um die U-Bahnlinien in London.
Die Spieler bauen eifrig an ihren verkehrsgünstigen Linien und transportieren einen Passagier-Pöppel zu auswählbaren Zielorten durch das entstehende Netz. Der Passagier muß von allen möglichen Strecken diejenige mit dem kürzesten Fußweg wählen, und möglichst wenig umsteigen. Zu Spielbeginn kann man schnell noch ein paar Verbindungswege bauen, um damit den Passagier auf die eigene Linie zu locken und Siegpunkte zu kassieren. Wenn das Netz schon einigermaßen ausgebaut ist, geht das nicht mehr so einfach. Dann zahlt es sich aus, wenn man seine Linienführung strategisch gut geplant hat und große Verkehrsräume verbindet. Unweigerlich müssen dann alle Spieler bei ihren Passagier-Bewegungen diese Super-Linien berücksichtigen und Siegpunkte herschenken.
Beim Ermitteln des vorgeschriebenen besten Weges stellten sich immer wieder (un)liebsame Überraschungen ein, wenn der Passagier nicht die eigenen Linien benutzen durfte, sondern die Linie eines Mitspielers, die zwar deutlich länger war, aber Umsteigen ersparte. Aaron machte uns diesmal den Walter: Blitzschnell (na ja) hatte er seine Linien verlängert, und genauso blitzschnell nahm er seinen Zug wieder zurück, weil die Fahrstrecken nicht die erhofften Siegpunkte einbrachten.
Das Hin- und Zurück wurde auch für die anderen langsam zum Standard. Für Ungeübte gibt einfach zu viele Irrtumsmöglichkeiten. Wir waren aber eine sehr konstruktive Runde und solidarisch suchte jeder für jeden die besten Bau-und Fahrgelegenheiten aus. In einer Fünferrunde bleibt einem auch nichts anderes übrig. Soll sich jeder 10 Minuten und länger gelangweilt zurücklehnen, bis die anderen ihren optimalen Zug ausgerechnet und durchgeführt haben? Der geduldige Aaron stöhnte: “Es dauert viel zu lange, bis man wieder dran ist”. Selbst der schlitzohrige Peter mit dem ausgeprägten Siegeswillen konstatierte: “Man muß eigentlich partnerschaftlich spielen [, um überhaupt Spaß am Spielablauf zu bekommen]!”. Und er hielt sich sogar dran.
Gegen Ende kritisierte er die ausgeprägten Kingmaker-Möglichkeiten in “On the Underground”. Bei gleichguten Streckenalternativen entscheidet der aktive Spieler in freier Willkür, wen er am Punktesegen beteiligt. Es gibt dafür zuweilen rationale Entscheidungsgründe. (Übliches Diskussionsthema: Soll der Letzte gegen den Vorletzten oder gegen den Ersten spielen?), doch oft genug fehlen sie. Wolfgang beförderte mit seinem letzten Zug die zweite Loredana auf gleiche Höhe wie den ersten Peter. Die einzige dazu plausible Begründung kann nur die eines stinknormalen Heteros sein.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (wie früher), Loredana: 6 (siegen macht froh), Peter: 5 (wie unser Moritz), Walter: 7 (wir dürfen doch keine Eisenbahnspiele verkommen lassen), Wolfgang: 7 (die große Seele)
Walter wird eine Rezension schreiben. Das hat er schon vor einem halben Jahr versprochen
2. “Zoff im Zoo”
Es war noch eine Menge Zeit übrig und Peter grub sein Lieblingskartenspiel aus. Loredanas Augen fingen sofort zu glänzen an. “Zoff im Zoo” ist ein kombiniertes Ablage- und Stichspiel: Die Spieler punkten in der Reihenfolge, wie sie ihre Karten losgeworden sind. Außerdem bekommen sie Prämien für bestimmte Karten, die sie in ihren Stichen eingesammelt haben.
Die Karten bestehen aus Tierbildern, von denen eines das andere frißt: Mücke – Fisch – Otter – Krokodil – Elefant. Und viele mehr. (Beim Fressen wollen wir es mit Brehms Tierleben nicht so genau nehmen.) Die tatsächlich höchstwertige Tierart läßt sich nicht eindeutig bestimmen: Der Elefant ist der Maus unterlegen (dann fängt die Fresserei wieder von vorne an), und aus einer Mücke darf man einen Elefanten machen (wenn man noch einen zweiten in der Hand hat). Sicherlich wäre es eine lohnende Aufgabe für Excel und Konsorten, die Freß-Reihenfolge und die Zusatz-Qualifikation der verschiedenen Karten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mit gewohntem didaktischen Geschick (Hi Peter, das ist eine Aushänge-Qualifikation für Deine Kandidatur zum Bezirksausschuß! Oder bist Du dafür etwa in der falschen Partei?) erklärte Peter den Neulingen und den Vergeßlichen erst nur die Minimalregeln und lies damit eine Runde spielen. Die weiteren, komplizierteren Regeln setzen auf den jetzt aktuellen Spielstand auf. Der Erste bildet mit dem Vorletzten und der Zweite mit dem Letzten ein Team. (Aaron: “Wie? Teambildung??!!” Das Schicksal hat ihn glücklicherweise als fünftes Rad am Wagen davor bewahrt.)
Die Teamzusammengehörigkeit bestimmt das Austauschen von Karten und die Möglichkeit, dem Partner beim Stich-Gewinnen zu helfen. Doch jeder ist sich selbst der Nächste. Gemeinsam ins Team gehen nur die Siegpunkte für die Reihenfolge beim Karten-Loswerden ein, die Prämien für Sonderkarten streicht jeder ganz allein ein. Zuweilen läßt man seinen Teampartner dann schon mal kurz und herzlos im Regen stehen.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (gleichbleibend), Loredana: 10 (hört, hört!), Peter: 10 (2 Punkte mehr), Walter: 8 (Kartenpfleger), Wolfgang: 7(diesmal kein Mahatma)
3. Glücksfaktor
Letzte Woche hatten wir noch lang und breit diskutiert, wie man den Glücksfaktor eines Spiels definierten kann. Ohne abschließendes Ergebnis. Diese Diskussion nahmen wir zum Ausklang noch einmal auf und hätten fast wieder kein Einvernehmen erzielt, bis Peter die geniale Idee hatte.
“Laßt uns anstelle von Glücksfaktor einfach Freiheitsgrad sagen”: Die Entscheidungsmöglichkeiten, unter intelligenten Alternativen beliebig auszuwählen, ist genau das Spiel-Charakteristikum, für das wir eine Metrik gesucht haben. Bietet ein Spiel einen hohe Entscheidungsspielraum, dann hat es einen geringen Glücksfaktor. Und umgekehrt.
Die Definition ist fertig. Jetzt ist es nur noch ein kleiner Weg, für ein gegebenes Spiel die Alternativen auszuzählen, zu normieren und zu addieren. Es gibt eine Lösung. Der Mathematiker ist zufrieden und geht zum nächsten Problem über.