Was ist ein Plagiat? Nach Wikipedia ist es die Anmaßung fremder geistiger Leistungen. Das bezieht sich auf Texte, Ideen oder Designs. Bei Texten ist die Identifikation eines Plagiats vielleicht noch einfach. Bei Musikstücken könnten 4 bis 8 Töne ausreichen, wenn sie „als wesentlicher Teil“ eines Werkes gelten. Ta-ta-ta-taaah. Das ist gesetzlich aber nicht festgelegt.
Beim Spieledesign ist der Graubereich noch größer. Da darf man unangefochten fast alles kopieren. Wenn ich z.B. eine Mensch-ärgere-Dich-nicht-Variante herausbringe, bei der jeder Spieler 5 Pöppel in Pyramidenform mittels 2 Würfeln rechtsherum vom Start zum Spiel bringen muss, sind bereits so viele Veränderungen eingebracht worden, dass diese Schöpfung als ganz neues Spiel gilt. Und wenn ich Glück habe, bekomme ich dafür von der Jury Spiel-des-Jahres sogar noch den Lorbeerkranz.
Aaron und Günther haben uns heute drei Kartenspiele vorgestellt, die alle sehr, sehr ähnlich sind, die nur handwerkliche Umformungen darstellen, aber keineswegs Geistesblitze voraussetzen. Eines davon hat es tatsächlich in die SdJ-Preisränge gebracht.
Alle drei funktionieren nach dem Prinzip „can’t stop“ bzw. „push-your-luck“,
1a. “Pairs”
Das älteste dieser drei Spiele. 2014 erschienen, James Ernest und Paul Peterson sind die Autoren.
Aus einem gemeinsamen, verdeckten Stapel von 55 Karten mit Zahlen von 1 bis 10 zieht jeder Spieler solange er will jeweils eine Karte heraus und legt sie vor sich aus. Wenn er eine Karte mit einer Zahl zieht, die er bereits vor sich liegen hat, muss er alles hergeben und bekommt 0 Siegpunkte.
Hört er rechtzeitig auf, geht er mit der Summe seiner ausgelegten Karten in die Endwertung ein. Der Spieler mit der größten Summe bekommt die meisten Siegpunkte, in der Rangfolge nach unten gibt es jeweils einen Siegpunkt weniger. Brav, sauber, übersichtlich.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5, Moritz: 4 (1 Punkt mehr dafür, dass hier gleich 30 verschiedene Spiele aufgeführt sind), Walter: 4 (Beer & Pretzel Spiel).
1b. “Abgestaubt”
Der Meister Knizia sowie sein Mitautor Miguel Ángel Galán haben es am 23. Januar dieses Jahres herausgebracht. Der prinzipielle Spielablauf ist gleich. Aus einem gemeinsamen, verdeckten Stapel von 115 Karten mit Zahlen von 1 bis 15 zieht jeder Spieler solange er will jeweils eine Karte heraus und legt sie vor sich aus. Wenn er eine Karte mit einer Zahl zieht, die er bereits vor sich liegen hat, muss er alles hergeben und bekommt 0 Siegpunkte.
Hört er rechtzeitig auf, bekommt er die Summe seiner ausgelegten Karten gutgeschrieben. Aber nicht gleich! Erst wenn er das nächste Mal wieder an der Reihe ist. Hier hatte doch zumindest Knizia seine Meisterhand im Spiel!
Jeder Spieler darf nach jedem Ziehen einer Karte – und sofern er dabei nicht ausscheidet – schauen, ob ein oder mehrere Mitspieler eine oder mehrere gleiche Zahlenkarten vor sich liegen haben. Alle diese Karten darf er an sich nehmen und in seine Auslage legen. Jeder Spieler geht also immer die Gefahr ein, dass seine Auslage geplündert ist, bevor er wieder an der Reihe ist und sie sichern kann.
Wir haben viel gelacht. Reine Schadenfreude.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 6, Moritz: 5, Walter: 6 (zum warming-up).
1c “Flip 7”
Vom Autor Eric Olsen und KOSMOS dieses Jahr genau 2 Monate nach Knizias „Abgestaubt“ herausgebracht
Aus einem gemeinsamen, verdeckten Stapel von 81 Karten mit Zahlen von 0 bis 12 zieht jeder Spieler solange er will jeweils eine Karte heraus und legt sie vor sich aus. Wenn er eine Karte mit einer Zahl zieht, die er bereits vor sich liegen hat, muss er alles hergeben und bekommt 0 Siegpunkte.
Der Verlag preist sein Spiel an mit: „Das beste Kartenspiel aller Zeiten!“ Bei so einem stinkenden Eigenlob habe ich keine Lust, weitere Einzelheiten zu beschreiben. Lediglich: Es gibt Bonus- und Ärgerkarten. So etwas wird am Westpark ja grundsätzlich mit Abzügen gehandelt.
Nominiert zum ‘Spiel des Jahres 2025’.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 6, Moritz: 3 (Da alle drei Spiele nur Glücksspiele sind, bin ich für das zweite, da haben wir wenigstens gelacht), Walter: 3.
2. “Cities”
In diesem Workerplacementspiel darf jeder Spieler in jeder der acht Spielrunden einen seiner vier Pöppel in eine von vier Kategorien platzieren:
1) Er eignet sich ein quadratisches Grundstück mit zusammen vier Subquadraten aus Wasser, Wiese oder Baugrundstücken in vier Farben an.
2) Er baut zwei, drei oder vier Stockwerke in definierten der vier Farben auf seine gleichfarbigen Grundstücke.
3) Er legt sich Modifier zu, die seine Wasser- oder Wiesenflächen wertvoller machen, und
4) Er wählt Aufträge, die in der Schlusswertung sein Besitztum an Häusern mit Punkten honorieren, z.B. gibt es für jedes 1, 2, 3 oder 4-stöckige Haus in den Farben rot, grün, gelb oder blau 2, 3, 4 oder 6 Siegpunkte.
Zusätzlich gibt es Punkte für die Spieler, die mit ihren Bauaktivtäten vorgegebene Stadtentwicklungspläne als erste realisiert haben.
Im Finale hat jeder unweigerlich 8 Aufträge angesammelt, nach denen aus seinem Besitztum Siegpunkte fließen. Dazu kommen die Wiesen- und Wasserflächen mit ihren Modifieren sowie angesammelte fixe Siegpunkte. Ganz schön aufwendig.
Der Verlag wirbt mit „Ein Städteausbauspiel für die ganze Familie mit intuitivem Puzzle-Charakter und schnellen Spielzügen“. Westparks Meinung: Da muss das jüngste Familienmitglied aber schon ganz schön alt sein.“
WPG-Wertung: Günther: 7 (in einer 3er Runde ist es ganz locker), Aaron: 4 (überhaupt nicht locker; als „Familienspiel“ firmiert es unter einer falschen Flagge; allein die Siegpunkt-Ausrechnung bei Spielende ist eine Zumutung), Moritz: 6 (ich wünschte mir mehr Varianz in den Auftragskarten, aber ich würde es noch einmal spielen), Walter: 5 (wenn man es gut spielen will, müsste man bei jedem Zug ungezählte Optimierungen durchrechnen; das ist es das Spiel nicht wert).
Zwischendrin gab es bei uns mal wieder einen heftigen Regelstreit um lumpige 3 Siegpunkte. In Buenos Aires gab es diese Punkte für den zweiten Spieler, der den Stadtentwicklungsplan für einen „Regattasee“ erfüllt hat. Dazu musste eine Wasserfläche aus mindestens 3 zusammenhängenden Subquadraten vollständig von Gebäuden umschlossen sein. Was heißt „vollständig umschlossen“?
Ein Gebiet ist zusammenhängend, wenn alle Subquadrate orthogonal miteinander verbunden sind. Diagonale benachbarte Teile gelten nicht als verbunden. Muss die „vollständige Umschließung“ jetzt auch an den diagonal angrenzenden Subquadraten vorhanden sein? Die Logik sagt ja, die Abbildung im Regelheft zeigt ja, nur der 3-Siegpunkt-geile-Spieler sagte nein. Heftig! Eindringlich. Penetrant. Er liest die Definition von lauter unwesentlichen Begriffen vor, um anschließend wie ein Winkeladvokat klare Aussagen im Regelheft zu verfälschen. Aus „vollständig umschlossen“ macht er im Handumdrehen ohne das geringste Zittern in der Stimme „orthogonal umschlossen“. Von dieser Unverfrorenheit musste ich mich in einer Auszeit erst einmal erholen.
Und die Spieler blickten stumm
um den ganzen Tisch herum.
Inzwischen wurde die KI gefragt, wie sie diesen Streitpunkt entscheiden würde. Und siehe da, ohne dass es dafür irgendwo einen Anhaltspunkt gab, behauptete sie:
„Eine Wasserfläche ist vollständig umschlossen, wenn sie von benachbarten Plättchen vollständig umringt ist – also an allen vier Seiten (oben, unten, links, rechts) direkt an andere Plättchen angrenzt. … Diagonale Verbindungen zählen nicht – es müssen tatsächlich angrenzende Seiten sein.“
1:0 für den 3-Siegpunkt-geilen-Spieler.
Doch das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen. Aaron suchte weiter im Internet und fremdsprachigen Regeltexten zu „Cities“. In Polen wurde er fündig:
„Jezioro Regatas. Jezioro skladajace sie z przynajmniej 3 pól, calkwicie otoczone (równiez w narodznkach) parkami i/lub działkami budowlanymi“.
Auf gut Deutsch: „Ein Regattasee, besteht aus mindestens 3 Feldern und ist vollständig (auch in den Ecken) von Parks und/oder Baugrundstücken umgeben.“
0:1 gegen den 3-Siegpunkt-geilen-Spieler.
Zwei Lehren daraus:
1) Wenn die KI etwas behauptet, ohne Quellen für ihre Behauptung anzuführen, dann ist sie genauso glaubwürdig wie ein Würfel.
2) Wenn in einer strittigen Sachfrage drei Spieler einer Meinung sind und nur ein einziger Spieler einer anderen Meinung, und falls diese Sachfrage nicht eindeutig geklärt werden kann, dann sollte einfach die Meinung der Mehrheit gelten.
3. “Bomb Busters”
In diesem kooperativen Deduktionsspiel haben wir uns in mehreren Sessions recht zügig bis zur Stufe 24 hochgearbeitet. Heute nahmen wir uns die Stufe 25 vor: Jeder darf als Startvorgabe nicht mehr eine seiner Zahlen kundtun, sondern nur noch von einer seiner Zahlen, wie oft sie auf seinem Zahlenbänkchen vorkommt.
Für gutes, notwendiges Spiel dürfen wir nicht locker ungefährdete Soloschnitte hinlegen, sondern wir müssen ganz scharf aufpassen, unser Potential dafür nutzen, den Mitspielern die gerade zu diesem Zeitpunkt wichtigste Information aufzudecken.
Wir schafften es nicht. Zweimal nicht mit Moritz und einmal nicht, als er bereits mit der vorletzten U-Bahn unterwegs nach Hause war.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte Spiel.