04.04 2006: Pokern im Parthenon

Die Sonnenfinsternis letzte Woche hatte unsere Runde gesprengt. Die Fußkranken blieben zuhause und verpaßten unter wolkenverhangenem Himmel das einschläfernde Ereignis einer 37 prozentigen Sonnenbedeckung; die Beweglichen machten sich auf bis in Ghadaffi’s Oase Jalu (100 % Sonnengarantie) oder in Atatürk’s Riviera (60 % Sonnengarantie), um die totale Sonnenfinsternis in voller Schönheit betrachten zu können. Ergebnis: die Reisefreudigen erlebten an beiden Beobachtungspunkten einen azurblauen Prachthimmel und das unvergleichliche Schauspiel des schwarzen, schwebenden Mondes vor der geheimnisvollen Sonnenkorona.
An beiden Standorten war am nächsten Tag der Himmel verhangen, und allen wurde bewußt, daß der Anblick dieses astronomischen Spektakels mit keinerlei Touristik-Hokuspokus garantiert werden kann. Die Dank-Gebete vom Vortag wurden noch einmal – und zwar mit doppelter Inbrunst – wiederholt. Die Agnostiker durften aber auch nachfragen: “Warum veranstaltet ER überhaupt so ein gigantisches Schauspiel, wenn dann doch nur einen Bruchteil seiner Geschöpfe – wenn überhaupt – zuschauen darf? “
1. “Texas Hold’em” – Pokervariante
Im Internet gibt es dazu folgende Lobpreisung:
“Texas Hold'em ist wohl die populärste Form des Poker. Von allen Poker Varianten ist es das strategischste Spiel.”
Da fragt man sich als naiver Spieler doch wohl, was an Poker überhaupt strategisch sein kann!
1. Jedem Spieler werden zwei Karten verdeckt ausgeteilt.
Die Spieler absolvieren das erste Poker-Lizit.
2. Drei Karten werden offen für alle auf den Tisch ausgeteilt.
Die Spieler absolvieren das zweite Poker-Lizit.
3. Eine vierte Karte wird offen für alle auf den Tisch ausgeteilt.
Die Spieler absolvieren das dritte Poker-Lizit.
4. Eine fünfte Karte wird offen für alle auf den Tisch ausgeteilt.
Die Spieler absolvieren das vierte Poker-Lizit.
Sind die vier Poker-Lizits für eine einzige Gewinnausschüttung bereits ein Summum Strategiae?
Die fünf Karten in der Mitte des Tisches sind Gemeinschaftskarten. Jeder Spielers darf sich aus den fünf Karten in der Mitte und aus den zwei Karten auf der Hand die beste Poker-Kombination heraussuchen. Ist sie die allerbeste am Tisch und hat er bis zum Schluß mitgeboten und sich durch das Pokergehabe seine Mitspieler nicht ins Boxhorn jagen lassen, dann darf er den gesamten Einsatz einstecken.
Kann hier jemand hinter der Möglichkeit, mit der letzten aufgedeckten Karten noch ein Full-House oder einen Flash zu erzielen, eine Chance für einen Strategie-Ansatz erkennen?
Es ist ganz schlichtes braves Poker, was hier angeboten wird. Mit allen Chips insgesamt 6 Kg Spiel-Masse, fast ein kompletter Reisekoffer voll. Wer das Spielmaterial zuhause auf den Tisch legen kann, sollte damit glücklich werden. Wer mit den Chips im Jahre 2007 zur nächsten Sonnenfinsternis nach Sibirien anreisen will, wäre wohl besser beraten, sich an Ort und Stelle ein paar Euros in die passenden Rubel-Scheine umzutauschen.
Vielleicht findet er dort sogar auf Anhieb auch die geeignete heterogene Gesellschaft von Haien, in der das Pokern Spaß macht. In einer homogenen Spielergruppe nach Art der WPGs kann hier höchstenfalls beim Sieger so etwas wie Dagobert-Duck'sches-Vergnügen aufkommen.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Andrea: 7, Günther: 7, Moritz: 5, Walter: 6
Keiner schreibt eine Rezension.
2. “Parthenon” – Workshops in Athen
Empire-Builder in der Antike. Die Spieler:
1. bauen in ihren hellenistischen Bauerndörfer “Basics” an
2. tauschen frei untereinander, um lukrative Waren-Kombinationen zu erzielen
3. transportieren die weniger gut tauschbaren Waren in beliebige andere Regionen des Mittelmeerraumes
4. tauschen dort nach festen Regeln höherwertige “Rares” ein
5. bringen alles wieder nach Hause
6) und errichten dort für die angesammelten Werte Häuser, Akademien, Workshops und was dem Sokrates noch so alles gefallen haben mag.
Strategie? Gut tauschen, gut transportieren und in der richtigen Reihenfolge Häuser und Hotels bauen!
Wo ist das Problem? Ereigniskarten, hier “Hazards” geheißen! Zufällig gezogene Piraten, Stürme und sonstige Kalamities nach Art von Civilisation lassen die ausgefeiltesten Pläne ins Wasser fallen, bevor sie überhaupt geboren sind.
In der Regel greifen die Piraten meist den dicksten Pfeffersack an, und so wurde unser grandiose Stratege Günther gleich das erste Opfer. Aaron gab mit “I like it” den Startschuß zum großen Gelächter, das für die nächsten 2-3 Stunden unser Motto blieb. Auch wenn Günther gleich knallhart konterte: “Ich vergebe nur 2 Punkte!”
Beim nächsten Hazard sollte ein Sturm das Schiff “mit der größten Ladung” ins Meer versenken. Bei Gleichheit alle betroffenen Schiffe. Andrea hatte versehentlich entgegen den Regeln 7 “Basics” geladen, Aaron nur das erlaubte Maximum von 6 “Basics”. Wer sollte das Opfer des Sturmes werden? Aaron’s Vorschlag war, dass allein Andrea untergehen solle, die einzige mit der größten Ladung. Andrea wollte nur gemeinsam mit Aaron untergehen. Liebestod heißt das in anderem Zusammenhang. Dabei wollte sie aber vorher noch ein “Basic” ihrer Wahl abladen und für die Nachwelt erhalten. Einen gesunden weiblichen Trieb zum Durchbringen des Nachwuchses kann man ihr keinesfalls absprechen.
Moritz war “Archont” und durfte den Fall salomonisch entscheiden: Andrea verlor – als Strafe für ihre Regelwidrigkeit – alle 7 geladenen “Basics” und Aaron – in Pseudo-Gleichheit mit Andrea – seine 6 geladenen “Basics”.
Die beiden Opfer nahmen das Urteil ohne Einspruch an und die gute Miene zum bösen Spiel blieb erhalten.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (1 Punkt weniger wegen der Langatmigkeit), Andrea: 5, Günther: 4 (doppelt so viel wie versprochen), Moritz: 6, Walter: 5
Walter versucht in einer Rezension den Vorzügen des Spieles gerecht zu werden.
3. “Bluff”
Im Endspiel 1:1 von Moritz gegen seine Frau legte Moritz nach der klassischen “Immer-4-Strategie” 1 mal Vier vor. Seine Frau hob auch 1 mal Fünf? Moritz hatte tatsächlich eine 4 gewürfelt. Was tun?
Es reicht halt nicht, nur den ersten Zug der “Immer-4-Strategie” auswendig zu lernen, man muß auch den zweiten Zug beherrschen: Ist die Antwort des Gegners höher als die eigene Zahl, dann aufdecken; ist sie niedriger dann beten und gut weiterraten.
Moritz hob auf 2 mal Vier und hatte verloren. Wie hätte unsere glänzende Aphrodite Andrea auch einen größeren Kampfwert erwürfelt haben können als unser genialer Ares Moritz.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.