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31.08.2011: Vier Städte

Wo liegen Manhattan-Bridge und Brooklyn-Bridge in einem 90° Winkel nur eine halbe Elle weit auseinander? Ja, genau da!
Es gibt keine Goethestraße und keine Schloßalle, statt dessen eine 5th Avenue und Ellis Eiland. Badstraße und Turmstraße wurden in Little Italy und Chinatown umbenannt (oder war es umgekehrt?), Häuser und Hotels sind Studios und Brownstones (nach LEO sind das Sandsteinhäuser, im damaligen Amerika offensichtlich etwas Großes). Hübsche kleine Zinnfiguren, Apfel, Auto, Hot Dogs und die Freiheitsstatue darstellend, sind die Pöppel, mit denen wir das Carree umrunden. Es geht nicht um Hunderttausende von Dollars, die kleinste Stückelung hat den Nennwert von einem Dollar. Ganz schön bescheiden. (Oder ist der beherrschte Zahlenraum der heutigen Generation geschrumpft?)
„New York“ heißt diese Ausgabe des wohl bekanntesten Brettspiels unserer Zeit. Meine Tochter sowie der spanische Schwiegerfreund haben sie in unserem Familienurlaub am Balaton auf den Tisch gelegt. Zuerst war ich peinlich überrascht, weil ich ein Geschenk befürchtete, aber dann war es doch nur ein Spielvorschlag. Und schon ging es los.
Bekanntermaßen besteht dieses reine Glücksspiel aus zwei Glücksphasen. In der ersten Phase würfelt man hoffnungsvoll um die Gründstücke, die man erwerben möchte. In der zweiten Phase würfelt man ängstlich um die Gründstücke, auf denen man keine Miete bezahlen möchte; dann bleibt man am liebsten im Gefängnis eingesperrt.
Für ganz kluge Köpfe gibt es zwischen diesen Glücksphasen zuweilen für ein paar Sekunden noch eine Handelsphase, wo man die Münchener Straße gegen den Opernplatz vertauscht und ggf. noch etwas drauflegt. Im Spielkreis meines Schwagers wird die erste, etwas langatmige Phase auf Null reduziert, in dem die vorhandenen Grundstückskarten einfach wie beim Skat verteilt werden. Immerhin geht damit kein Stück Taktik oder Strategie verloren, und man spart sich fast eine ganze Stunde Einschwungzeit.
In unserem Dreierkreis hatte Antonio als erster und einziger einen kompletten Straßenzug erwürfelt: die supergeile Parkstraße und Schloßallee, sprich Central Park und Ellis Eiland. Jetzt hätte er nur noch ein stumpfsinniges Dahindümpeln / Würfeln aussitzen müssen, um spätestens eine Stunde später das Feld als Monopolist zu verlassen. Doch aus Gutmütigkeit, Sportsgeist oder Pietät gegenüber dem Schwiegervater in spe tauschte er zwei Pink-Straßen gegen eine Braun-Orange-Straße (meine Lieblingsgrundstücke, die auf den Feldern 6, 8 und 9 hinter dem Gefängnis). Das war sein Tod. Auf Sabina’s Straßenstrich von Chinatown hauchte er seine letzten Dollars aus, ohne daß jemals auch nur ein einziger Flüchtling auf Ellis Eiland seinen Paß vorgezeigt oder im Central Park gelustwandelt hätte.
Bisher noch keine einzige WPG-Wertung für das Spiel der Spiele! Aus Pietät für die Freunde von Würfelspielen vergibt Walter freundliche 6 Punkte. Das Spiel hat eine vorzügliche Balance. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Wenn ihm hier aber einer mit strategischen Fachsimpeleien ankommt, würde er ihm sofort eine 2-3 um die Ohren knallen. Sabina: 5, Toni: 8.
Die weiteren Nostalgienoten der heutigen Westpark-Gamers: Birgit: 5 (OK, aber kein großer Spielreiz), Günther: 5 (für Spielstunden mit Neffen und Nichten), Horst: 5 (mal sehen, wann Sebastian dafür reif ist).


Um die strategische Herausforderung zu potenzieren, spielte ich hinterher mit dem Schwiegerfreund noch einige Partien eines schriftlichen Frage- und Antwortspiels, bei dem ich die spanischen Zahlen von 1 bis 10 und das spanische Alphabet von A bis Chota vertiefen konnte, und bei dem die Antwort „agua“ eine Enttäuschung, die Antwort „tocado y hundido“ aber das reinste Entzücken hervorrief. Was war das?
1. “Firenze”
Abermals ein großer Wurf von Pegasus. Wir sind mal wieder Bauherrn und bauen Geschlechtertürme (bitte mit nichts zu verwechseln!) in einer Stadt. Für jedes fertiggestellte Stockwerk gibt es Siegpunkte und Sonderprämien; wer am Ende die besten siegpunktträchtigen Etagen gebaut hat, ist Sieger.
Jeder Spielzug eines Spielers besteht aus 4 Phasen:

  • Aus einer Reihe von 6 offenen Aktionskarten die optimalste wählen: Der Auswahlmechanismus ist hier ähnlich wie bei „Small World“: Die vorderste Aktionskarte kostet nichts, für jede weiter hinten liegende Aktionskarte muß man auf jede übersprungene Karte einen Obolus legen. So werden auch weniger attaktive Karten im Laufe der Zeit immer wertvoller, bis sich die Waage schließlich doch noch zu ihren Gunsten neigt.
    Der entscheidende Unterschied zwischen den verschiedenen Aktionskarten liegt allerdings weniger in ihrer Funktion (im wesentlichen Siegpunkt- oder Kosten-Modifier), sondern in der Anzahl und Farbe der Bausteine, die ihnen zugeordnet ist, und die es erlauben, an den verschiedenen Geschlechtertürmen mitzubauen.
  • Steine tauschen: Im Verhältnis 3:1 kann man aktuell überflüssige Steine gegen dringend benötigte Steine umtauschen. Damit werden die Unbilden den Zufalls bei der Bausteine-Verteilung gemildert.
  • Türme bauen: Aus den angesammelten Steinen kann man einen oder mehrere farbige Türme errichten oder an bestehenden Türmen weiterbauen. Hier ist eine hübsche Abwägung eingebaut: Fange ich einen neuen Turm an um ihn peut-a-peut fertig zu stellen, oder spare ich die Bausteine auf, um den Turm später auf einen Streich zu bauen? Angefangene Türme haben den Nachteil, dass ich in der Höhe der Türme weniger flexibel bin. Zudem muss ich in jedem Zug an jedem angefangenen Turm weiterbauen, ansonsten wird er als „Bauruine“ abgerissen. Dafür ist es erheblich billiger, einen Turm in kleineren Teilstücken zu errichten als in einer einzigen großen Bauphase.
  • Aufträge erfüllen: Fertige Türme, die in der Etagenhöhe einem noch ausstehenden Auftrag genau entsprechen, werden abgerechnet und man erhält dafür Siegpunkte.

Das ganze ist spannend (Kriege ich die richtigen Bausteine zusammen? Kann ich einen Etagenturm abrechnen, bevor mir ein Mitspieler den Auftrag wegschnappt?), konstruktiv (schließlich werden Türme gebaut), schnell, durchsichtig (sehr wenige, klare und verständliche Regeln) und taktisch-strategisch („Früher Vogel fängt den Wurm“ gegen „Dem Hahn, der zu früh kräht, dreht man den Hals um.“)
Leider gibt es unter den Aktionskarten auch ein paar Ärgerkarten. Der „Saboteur“ entfernt einen Stein von einem Turm eines beliebige Mitspielers und der „Schmuggler“ tauscht einen eigenen Stein gegen den Stein eines Mitspielers (der damit eine bestimmte Etage gerade nicht mehr fertigstellen kann). Muß das sein? Es gibt in „Firenze“ so viel zu planen, zu überlegen und scharf zu kalkulieren, dass solche Ärgermechanismen schlichtweg kontraproduktiv sind. Birgit und Walter sind aus Prinzip gegen diese parteilichen Chaos-Effekte; Günther könnte noch damit leben; Horst könnte ohne diese Effekte sogar besser leben.
WPG-Wertung: Birgit: 6 (vom Thema nicht umgehauen. Einschränkung wegen der Ärgerkarten), Günther 7 (das Spiel ist rund; das ständige Nachschieben und Füllen der Aktionskarten ist allerdings etwas umständlich), Horst: 7 (das Spiel ist solide, Einschränkungen wegen des gewaltigen Siegpunktrausches am Ende), Walter: 7 (ohne die Ärgerkarten wären es 8 Punkte).
2. “Die Speicherstadt”
Letztes Jahr lag dieses Eggert-Spiel von Stefan Feld dreimal auf dem Spieltisch am Westpark. Da sag’ doch mal einer, wir würden alle Spiele nur einmal spielen und dürften uns daraus noch kein Urteil erlauben!
Heute setzte es sich wegen seiner kurzen Spieldauer (45 Minuten) durch, schließlich sollte Sebastians Babysitter spätestens um 23 Uhr abgelöst werden. Für die Alternative, „Strassbourg“, muss man eher die doppelte Zeit ansetzen.
Der neuartige Postenschachermechanismus, mit dem die Spieler ihre Aktionen auswählen, hat nichts von seinem Reiz verloren, auch wenn lange Gesichter bei den Zu-Kurz-Gekommenen immer mal wieder nicht zu vermeiden sind. Das Geld ist äußerst knapp, und wer sein letztes Geld für einen Auftrag, eine Schiffsladung oder einen Feuerwehrmann ausgegeben hat, ist in der nächsten Runde ausrechenbar, und geht mit hohem Risiko ganz leer aus.
Günther hatte den gesamten Spielablauf von langer Hand geplant und tat in der Schlußwertung einen Sprung von Minus-4 auf Plus-27 Punkte. Unangefochten die Spitze.
WPG-Wertung: Birgit und Horst reihten sich mit 8 Punkten in die Spitzengruppe der bisherigen guten WPG-Werter ein.
Von einem drohenen Bluff-Absacker verschreckt, düste Birgit zum mütterlichen Babysitter davon.
3. “Ysphahan”
Das Spiel lag seit seinem Erscheinen im Jahr 2006 bereits fünf mal bei uns auf dem Tisch. Günther hat schon vor Jahren die PC-Fassung für das Spiel gegen den Computer implementiert; vor kurzem hat er auch noch eine Internet-Version geschaffen, mit der man jetzt online gegen entfernt lebende Mitspieler im Netz spielen kann. Natürlich besitzt er auch am realen Brettspiel die größte strategischen Erfahrung.
Ohne echten Gegenspieler schwelgte er in der Supervisor-Strategie. Er baute als erste Gebäude die Karawanserei und das Badehaus, und schickte anschließend bei fast jedem Zug gleich zwei Pöppel in die Karavane und durfte dafür auch gleich noch zwei Bonuskarten ziehen. Am Ende hatte er Horst und Walter nahezu überrundet.
Walter fuhr zwei Runden lang recht erfolgreich die Basarstrategie. Im Besitz von Lastenaufzug und Markt konnte er in der zweiten Runde die gelben Basare vollständig in Besitz nehmen und allein dafür 28 Siegepunkte kassieren. Doch dann verließen sie ihn. Günther’s Supervisor-Strategie erlaubte sogar noch, den Gegnern jeweils die Würfelgruppe zu entwerten, die ihnen am peinlichsten war.
Horst durchlebte die Verwandlung von Begeisterung in Entgeisterung. Fassungslos konnte er nur zuschauen, wie Günthers Siegpunktkonto sturzbachartig anschwoll. Gewiß, in einer 3er Runde kann „Ysphahan“ durchaus die Balance verlieren. Ein Supervisor allein ist wahrscheinlich unschlagbar, und wenn sich zwei Supervisor streiten, dann freut sich das lachende dritte Kamel. Gibt es dazwischen einen Mittelweg, nämlich dem Supervisor an den Karren zu fahren, ohne dabei die Chancen auf den eigenen Sieg ganz fallen lassen zu müssen?
Doch auch ohne Balance ist Ysphahan ein vielseitiges, schnelles, vorzügliches Spiel.
WPG-Wertung: Horsts 8 Punkte blieben diesmal unterhalb des super-guten WPG-Durchschnittes.

21.07.2010: Frühaufstehen zum Fresko

“Es ist überraschend, wie demokratisch Kinder (etwa im Alter ab 12 Jahren) miteinander Spielregeln abklären und eine gemeinsam akzeptierte Linie finden. So gehen Erwachsene niemals vor, wenn es gilt, die Regeln für das soziale (und politische und wirtschaftliche) Miteinander festzulegen und zu praktizieren.”
(Sinngemäß aus einem französischen Buch über Psychologie des Spiels der Kinder)
Warum verlieren die Menschen beim Erwachsen-Werden diese zweifellos angeborene demokratische und soziale Grundeinstellung? Sind das alles Nicht-Spieler? Oder sind es etwa gerade die Spielernaturen, die später unsozial bis kriminell nach ihren eigenen Regeln leben?
1. “Die Speicherstadt”
Nach der vorläufigen Auszähung zu unserem nächsten “Spiel des Monats” gekürt, wollten Peter und Loredana “Die Speicherstadt” unbedingt kennenlernen. Vor allem auch, wie es sich in einer Fünfer-Runde spielt.
Mit unseren Pöppeln bewerben wir uns um ausliegende Karten, die Lieferaufträge darstellen, oder Schiffsladungen mit Waren, oder sonstige Schmankerl für Siegpunkte wie Lagerhäuser, Kontore und Warenumschag. Es reicht aber nicht allein, einen oder sogar mehrere Pöppel an die gewünschten Karte zu plazieren, man muß die Karten hinterher auch noch bezahlen können. Je mehr Pöppel zu einer Karte geschickt wurden, desto teuer sind sie. Je mehr Pöppel hinterher auf den teurern Kauf verzichten, desto billiger wird sie wieder. Dieser sehr hübsch und klug ausgedachte Mechanismus ist das spielerische Herzstück der „Speicherstadt“.
Günther und Walter rissen sich um die Feuerwehrleute, die einen erheblichen Bonus bringen, wenn man die meisten davon hat, und die einen erheblichen Malus bringen, wenn man die wenigsten hat. Am zweitmeisten zu haben bringt genausoviel ein, wie am zweitwenigsten zu haben, nämlich plus-minus Null. Also geht es in dieser Feuerwehrschlacht genau darum, die absolut meisten Feuerwehrleute auf seine Seite zu ziehen. Wenn sich aber zwei Spieler um diese Position streiten, so treiben sie die Preise hoch und graben dieser Strategie das Wasser ab.
Fast ungestört konnte sich Hans die meisten Schiffe und Loredana die meisten Kontore aneignen. Und Peter ärgerte sich darüber, daß die Feuerwehrkapitäne ihnen das Leben zu wenig schwer gemacht hatten. Inhaltlich hatte er zwar Recht, aber wenn der Kampf um die Feuerwehr erst mal entbrannt ist, gibt es halt kein Zurück mehr.
WPG-Wertung: Der bisherige Schnitt von 7,3 wurde durch die Noten von Hans: 8 („keine Strategie ist konsequent durchrechenbar, das ist gut und schlecht, aber mehr gut als schlecht.“) und Loredana: 7 (findet das Mitspielerchaos gut, außerdem ist das Spiel schnell) bestätigt. Peter dagegen fiel mit erbarmungslosen 5 Punkten ab, ihm hat das unberechenbare Mitspielerchaos heute nicht gefallen.
2. “Fresko”
Heute galt es, Walter’s Hypothese von dem nicht-ausbalancierten Startspielervorteil zu verifizieren oder zu falsifizieren. (Siehe Session-Report vom 14.7.2010.) Da das Spiel nur für maximal vier Spieler ausgerichtet ist, verzichtete der Gastgeber sogar auf das Mitspielen. Dafür durfte er seit langem mal wieder das Spiel für die Neulinge erklären. Gemäß seiner großzügigen Lebenseinstellung verzichtete er auf eine bitgenaue Regeldarlegung und erging sich in lieber in Ausflüge zu taktisch-gutem Spiel. „Eine gute Startspielerstrategie ist unerläßlich für den Sieg! Deshalb so lange wie möglich den Siegpunkt-Erwerb zurückstellen!“ Ist diese Information nicht sehr viel wichtiger als gleich zu Beginn des Spieles zu wissen, daß der Bischof immer auf das Feld des aktuell fertiggestellten Freskos kommen? Oder daß man für seine Portrait-Pöppel maximal eine Sonderkarte nehmen darf, alle anderen Pöppel sich aber mit dem 3-Taler-Bonus begnügen müssen? Peter echauffierte sich über die nachgeschobenen Regeldetails: „Ich werde dich nie wieder erklären lassen!“ Der Prophet gilt halt nichts im eigenen Lande!
Günther hielt sich bewußt im Hintergrund und sammelte Farbtopf auf Farbtopf in seine Scheunen. Dann flog ihm unvermutete ein 17-Punkte-Plättchen wie eine gebratene Taube im Schlaraffenland um den Mund. Konnte er sich da noch länger zurückhalten. „Will ich jetzt tatsächlich so weit vorrutschen?“ Er rutschte und gab ab diesem Zeitpunkt die konsequente Startspielerstrategie auf. „Das Wichtigste ist, flexibel auf die gebotenen Gelegenheiten zu reagieren.“
Peter brüstete sich mit seiner Anti-Startspieler-Strategie. Doch seine Position war keineswegs herausragend. „Noch stehen wir alle zusammen!“ stellte Günther klar. Nur Loredana protestierte. Mit Recht. Fast bis zur letzten Runde lag sie mit deutlichem Vorsprung vorne. Sie hatte sich leichtfertig und leichtfüßig an die Spitze geschwommen und litt nur virtuell und dem 6 Uhr früh Aufstehen-Müssen, das ihr als Führender oft genug zugeschustert wurde. Offensichtlich ist ihre weiblicher Intuition das Pendant zur benötigten Flexibilität.
Und Walters These über die mangelnde Spiel-Balance ist eindeutig widerlegt. Es gibt zu viele andere Möglichkeiten, seine Köcher mit Pfeilen zu stopfen, so daß der goldene Schuß in der letzten Runde gewiß nicht den Ausschlag gibt. Hier ließ sich Günther mit einer ganzen Batterie an gemischten Farbtöpfen sogar noch einen dicken Fisch entgehen, von dem er fälschlich gehofft hatte, daß kein anderer die benötigte Farbkombination aufweise. Als Hans ihm den Fisch vor der Nase weggeschnappt hatte, unterstrich er mit „Jetzt spieler ich halt anders“ erneut seine Flexibilität. Er trug seine reichlichen Restfarben zum Altar und machte sich mit Erfahrung und Geschick an den Siegpunkt-Tausch über das Loser-Tableau. Seine dortigen Tränen wurden mit dem Sieg entlohnt. Nicht auszumalen, welchen Vorsprung er gehabt hätte, wenn auch noch seine Vorhaben mit der Startspielerposition alle geglückt wären.
WPG-Wertung: Hans: 8 („vorerst mal, mit Tendenz zu mehr. Das Spiel hat viele überraschende Wendungen“), Loredana: 10 (!), Peter: 9 („Bestes Spiel seit langem! Und so etwas hat Deutschland!“), Walter: 8 (früher 6; die Vielfalt der möglichen Spielalternativen hat überzeugt.)
Bemerkenswert: Walters Verzicht auf das Mitspielen wurde durch den Genuß eines platonischen Zuschauens voll ausgeglichen. Er fühlte sich keineswegs ausgestoßen, sondern war bei allen Aktionen seiner Gastspieler stets mit Lust und Liebe dabei. Zwei ganze Stunden lang. So etwas könnte ihm bei „1830“ niemals passieren. Was sagt das jetzt über „1830“ aus? Oder über „Fresko“? Oder über Walter?
3. “Bluff”
Nein, heute kein Absacker mehr. Peter und Loredana verließen schon weit vor der vorletzten U-Bahn das Lokal und die Runde löste sich auf.

30.06.2010: Sushi im Blumenviertel

Walter musste sich diese Woche ausklinken; deshalb fand der Spieleabend bei Aaron statt. Eine Lokation ebenfalls im Münchner Westen, aber ein eher seltener Treffpunkt. Geduldig warteten Günther und Aaron auf Hans als dritten Spieler. Der traf dann mit über halbstündiger Verspätung ein, nachdem er sich hoffnungslos im Viertel der Blumenstraßen verirrt hatte. Wir lernen: nicht nur die Straßennamen auf dem Weg sollte man sich merken, sondern auch die Abbiegerichtung.
Inzwischen hatten sich die beiden Wartenden auf ein kurzes Spiel zur Überbrückung der Wartezeit geeinigt.

Mosaix
Das Spiel lag schon in einer Viererrunde auf dem Tisch und sollte nun seine Qualitäten als 2er-Spiel beweisen. Aaron hatte als ‚topologically challenged‘ Unerfahrener gleich zu Anfang deutliche Schwierigkeiten, die optimalen Würfelformationen für sich zu finden. Trotzdem lief das Spiel auf einen spannenden Endkampf hinaus, bei dem sich mit etwas Glück Aarons selbstgebaute Zwickmühle noch auflösen ließ. Hier zeigte sich die dann doch noch die Glücksabhängigkeit im Spiel, die über weite Strecken in der Zweierformation nicht wirklich eine Rolle spielte.
WPG-Wertung: Aaron 7 (schnell und einfach), Günther 6 (hat Bedenken, bzgl. der Beinflussbarkeit bei mehr als zwei Spielern)

Wasabi!
Hans liebt Sushi – eine Tatsache, die uns bisher verborgen geblieben war. Also konnte er nicht widerstehen, als er ein Spiel zum Thema in schöner Aufmachung und angemessener Komplexität fand. Beim gemeinsamen Auspöppeln der Spielsteine gab es die ersten fragenden Gesichter, die zunahmen, als Hans die englische Version der Spielregeln vortrug (die deutsche enthält, wie auch die deutsche Seite des Spielmaterials zu viele Fehler). Wie soll das denn funktioniert? Wird man hier gespielt?sushi
Die Spieler haben die Aufgabe, Sushi-Rezepte erfolgreich aus ausliegenden Zutaten zusammenzustellen. Die Anzahl der notwendigen Zutaten reicht von zwei für die ganz einfachen Makis bis hin zu unfassbaren fünf für die exklusiven Sushis. Je mehr Zutaten, umso mehr Siegpunkte gibt es für ein komplettiertes Rezept. Und wenn die Zutaten noch in der richtigen Reihenfolge eingebracht werden, gibt es Sonderpunkte für die Schönheit. Das klingt alles ein bisschen nach „A la carte“, ist aber völlig anders. Zwar sind die Zutaten vorgegeben, aber sie müssen erst auf einem Spielplan in einer Reihe oder Spalte, möglichst in richtiger Reihenfolge, ohne Unterbrechung ausgelegt werden. Genau: ein Spielplan. Hier legt jeder Spieler in seinem Zug eine seiner drei geheimen Zutatenplättchen ab, um dann wieder auf drei Zutaten aufzuziehen. Wurde mit dem Legen der Zutat ein eigens Rezept vervollständigt, gibt es die Siegpunkte dafür und der Spieler zieht ein neues Rezept nach. So füllt sich langsam der Spielplan mit immer mehr Zutaten in buntem Durcheinander. Für zusätzliche Dynamik sorgen Aktionskarten, die es erlauben, Zutaten auf dem Spielplan zu verschieben, zu überdecken oder wieder freizulegen. Diese Aktionskarten gibt es immer dann, wenn ein Spieler ein Rezept vervollständigt hat. Da man nie mehr als zwei dieser Karten auf der Hand haben darf und auch nicht eine gerade selber ausgespielte Karte wieder aufnehmen darf, ist hier Planung und Timing gefragt.
Bereits zu Beginn gab es eine Diskussion, ob es nun besser sei, erst die „kleinen“ Rezepte anzugehen oder nicht, da diese die begehrten und im Spielverlauf notwendigen Aktionskarten schneller bringen. Wie sich dann herausstellte, war das ein Trugschluss, denn gerade zu Spielbeginn gibt es viel Flexibilität bei der Ablage auf dem Spielplan, die man braucht, um die großen Rezepte herzustellen, während gegen Spielende man nur noch über die Aktionskarten Einfluss auf die Auslage nehmen kann. Wer dann gegen Ende ohne Aktionskarten ein 5er-Rezept vervollständigen will, kann nur noch zuschauen und hoffen, dass das Spielende schnell kommt.
WPG-Wertung: Aaron 7 (nettes Thema, schöne Aufmachung, weiss was er beim nächsten Mal besser machen kann), Günther 6 (lässt sich von der Aufmachung nicht beeindrucken), Hans 6 (hatte mehr erwartet)

Die Speicherstadt
Zum zweiten Mal auf dem Tisch, diesmal in der Minimalbesetzung. Die Vermutung war, dass sich jetzt weniger Mitspielerchaos und mehr Planbarkeit beim Bieten einstellen. So war es dann auch: das Bieten lief in der Regel erwartungsgemäß ab, inklusive der kleinen Nickeligkeiten gegen Spieler mit wenig Geld. Und wieder stellte sich heraus, dass der konservative Umgang mit Geld und Diversifikation die Schlüssel zum Erfolg sind, denn der Glücksfaktor bei der Auslage (welche Karten kommen wann; welche Waren kommen wann) ist auch in einer 3er-Runde beträchtlich. Aaron hatte gleich zu Beginn aufs falsche Pferd gesetzt, denn die für ihn Geld- und Punkte bringenden grünen Waren kamen erst ganz spät, und da war er schon fast pleite. Da halfen dann auch die 14 Siegpunkte für die Kontore nichts mehr.
WPG-Wertung: keine Änderungen.

16.06.2010: Brot und Brettspiele

Walter ist unter die Brotbäcker gegangen. Was sollte er auch tun, seit er aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden ist. Spiele erfinden? Aaron (siehe „ausgeschieden“) ist überraschenderweise ebenfalls ein begnadeter Bäcker und hat gerne eine Probe von Walters heutigen Backversuch gekostet. „Guter Geschmack“ war das einhellige Urteil für Roggenmehl, Kartoffelbrei, geröstete Zwiebeln, Kürbiskerne und selbstgebrautem Sauerteig. Vielleicht war der Laib innen noch etwas zu klamm. Aaron fragte unverzüglich nach der Backzeit: 10 Minuten bei 250 Grad, 10 Minuten bei 200 Grad und eine halbe Stunde bei 175 Grad. „Eigentlich hätte das reichen sollen.“ lautete sein fachmännischer Kommentar. Wenigstens geschmacklich gab es nichts auszusetzen. Nicht einmal etwas von der kritischen Ehefrau, wenn man den Nachsatz: „Aber ich würde gerne mal wieder ein richtiges Bäckerbrot essen“ nicht auf die Goldwaage legt. Vielleicht kann das selbstgebackene Brot in Zukunft am Westpark sogar die ungesunden und garantiert rot-ampeligen Kartoffelchips verdrängen.
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1. “A la carte”
Passend zur Bäckerei kam mit „A la carte“ gleich ein Kochspiel auf den Tisch, die Überarbeitung eines 20 Jahre alten Vorgängers vom einstmals äußerst innovativen Karl-Heinz Schmiel („Die Macher“) bei Moskito-Spiele. Und obwohl es sich nur um ein Remake handelt, schaffte es das Spiel bis in die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ 2010. Günther hatte es mit seinem Spuiratzn-Team durch einen dritten Platz bei den Vorausscheidungen zur Deutschen Brettspielmeisterschaft gewonnen.
Das Spielmaterial ist äußerst liebevoll zusammengestellt. Es gibt Fläschchen mit den Gewürzen Pfeffer, Paprika, Safran und Kurkuma (zumindest mit deren Farben), es gibt wunderschöne Kochplatten mit einem Drehknopf für die Temperatur, Metallpfannen, Spülbecken, Mülleimer (als Bäckerlehrling weiß man das besonders zu schätzen), Tabletts, Kaffeetassen für die Pause zwischendurch und natürlich Rezepte, die wir mit den richtigen Gewürzen bei der richtigen Temperatur herstellen sollen.
Die Namen der Gerichte zeugen von hoher Goumet-Erfahrung des Autors. Oder des Verlages. „Bei Nilpferd in Burgunder“ läuft einem doch schon das Wasser im Mund zusammen, und „Leberkäs Hawaii“ darf auf keiner bayerischen Speisekarte fehlen. Aaron fand die „Sauren Zipfel in Sahnesauce“ leicht pornographisch; seit den Vorgängen im Bistum Augsburg sind wir bei mißverständlichen Formulierungen wohl alle hellhöriger geworden.
Die Basis, Fisch, Fleisch oder Vegetarisches, wandert automatisch in die Pfanne, würzen müssen wir, indem wir die richtigen Gewürzfläschen auswählen und einmal über der Pfanne umkippen. Wenn dann genau die richtige Gewürzmenge aus dem Fläschchen herausgerieselt ist, sind wir glücklich und haben mindestens eine Bedingung für ein gelungenes Gericht erfüllt. Ist zu wenig herausgerieselt, müssen wir noch einen Zug für das Nachwürzen opfern. Oder noch einen. Ist zuviel herausgerieselt, ist das Gericht verdorben und wandert in den Müll (siehe Bäckerlehrling).
Erschwert wird die Würzerei dadurch, dass sich in den Gewürzfläschchen auch unerwünschte Salzkörner befinden, die, in zu hohen Maßen herausgeschüttelt, ein Gericht ebenfalls ungenießbar machen.
Die Temperatur wird per Würfel eingestellt. Für jedes Würfelauge müssen wir die Temperatur um eine Stufe erhöhen. Für besondere Würfelaugen müssen die Mitspieler auch ihre Heizplatten höher stellen. Wenn dann ein Gericht verbrannt ist, landet es wieder im Mülleimer. Beim Vorlesen dieser Regeln umwölkte sich unverzüglich Walters Stirn, doch Aaron und Günther konnten umgehend beschwichtigen: „Das ist doch ein Dödelspiel!“ Bei Wikipedia und bei LEO weiß man zwar nicht, was „dödeln“ ist, doch den bayrischen (?) Ausdruck für eine nicht ernst zu nehmende Sache kennen selbst die Zuagroasten.
Wir dürfen auch bei unseren Kochkonkurrenten nachwürzen, um denen die Suppe zu versalzen. Wir dürfen sogar mit unseren Mitspielern die Herde (das ist kein Sammelbegiff für eine tierische Lebensform, sondern unser Kochgerät) samt Pfanne und Inhalt vertauschen. So, jetzt wißt ihr hoffentlich alle, was „dödeln“ ist.
Für ein Gericht, das mit genau den vorgeschriebenen Gerichten und keinem Störsalz dazwischen im richtigen Temperaturrahmen zu Ende gebacken wurde, bekommt der Koch einen Schmiel-Stern. Sobald ein Spieler den dritten Stern erhalten hat, ist er Sieger. Wer von uns hat wohl diese Auszeichnung gewonnen. Der Bäckerlehrling oder sein Berater? Der Berater! Ohne einen einzigen Gewürz-Fehlwurf hatte er seine „Spaghetti al Rabiata“, den „Calzone Capone“ und die „Maus o Schokolad“ über die Runden gebracht. Da sag’ nochmal einer etwas gegen ein „Dödelspiel“!
WPG-Wertung: Aaron:7 („möchte es nicht jeden Abend spielen“, aber vielleicht ab und zu einmal am hellerlichten Tage , Günther: 7 (einem geschenkten Barsch …), Hans: 7 („Wenn ich gewußt hätte, dass wir heute in Faschingstimmung sind, hätte ich auch ein Spiel mitgebracht: Wasabi“. Was immer das ist.), Walter: 7 (im Vorgriff auf die Enkelkinder)
2. “Die Speicherstadt”
Falls einer diesen Begriff nicht kennen sollte: Es handelt sich um einen Hafenbezirk in Hamburg, wo einmals Waren gelagert wurden. Heute beherbert er die größte Modelleisenbahnanlage der Welt und so manches Michelin-Sterne-Lokal, z.B. das „Zippelhaus“.
Doch so weit sind wir noch nicht, „Die Speicherstadt“ ist immer noch der Umschlagplatz für Waren, die mit Schiffen herangekarrt werden. Wir ersteigern Aufträge zum Abliefern bestimmter Warenkombinationen, Schiffsladungen natürlich, mit denen wir unsere Aufträge erfüllen wollen, und eine ganze Reihe von Beiwerk für Sonderpunkte. Der „Michel“ bringt am Ende vier Siegpunkte, die Flußschifferkirche drei, der Hafen für jedes Schiff einen, die Handelkammer für jede Münze einen und ähnliche Dinge. In der „Markthalle“ können wir mehrere Waren, die wir uns gerade per Schiff eingehandelt haben, lagern, ansonsten verfällt alles, was nicht sofort verwendet werden kann.
Ab und zu bricht mal ein Brand aus. Wer dann die meisten Feuerwehrleute erstanden hat, bekommt Siegpunkte, ziemlich viele sogar. Wer die wenigstens Feuerwehrleute hat, bekommt entsprechend Minuspunkte. Macht schon mal die doppelte Differenz aus. Feuerwehr ist lohnend.
Aufträge erscheinen weniger lukrativ. Der Kampf um ihren Erwerb und um die passenden Schiffsladungen bringen weniger ein als das einmalige Beten im Michel.
Das Bemerkenswerteste an der „Speicherstadt“ ist der Versteigerungsmechanismus, mit dem wir an die Objekte der Begierde herankommen. Wir setzen unsere Pöppel in Reih’ und Glied an die Stellen, wo Schiffsladungen, Aufträge, Feuerwehrleute etc. in Kartenform ausliegen. Ohne Verdrängen dürfen beliebig viele Pöppel beliebig vieler Spieler an einer Stelle stehen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Doch jetzt kommt das Besondere: Je mehr Pöppel an einer Stelle stehen, desto höher ist der Preis. Haben sich z.B. 5 Pöppel um einen Feuerwehrmann beworben, so darf der Besitzer des vordersten Pöppel diese Karte für 5 Münzen einstreichen. Ist ihm diese Karte nicht so viel Geld wert, so zieht er seinen Pöppel ersatzlos zurück und der nächste in der Reihe dürfte den Feuerwehrmann jetzt für 4 Münzen erwerben. Und so weiter.
Doch das Geld ist knapp. Mit 5 Münzen geht ein jeder ins Rennen. Mit zwei Erwerbungen a zwei Münzen ist man schon fast pleite. Eine Münze bekommt man pro Runde wieder dazugeschenkt. Da kommt man als heruntergekommener Hanseat nicht mehr so leicht auf einen grünen Zweig. Und Waren in Geld umzusetzen ist auch sehr mühsam. Wir haben heute konstatiert, dass zumindest bis zur Mitte des Spiels keine Karte mehr als drei Münzen wert ist. Selbst drei Münzen sind schon ziemlich teuer. Der erste in der Reihe schafft es fast nie, eine Karte zu erwerben. (Es sei denn, alle Konkurrenten sind gleichzeitig ziemlich mittellos geworden.) Auf den hinteren Plätzen wird alles zwar billiger, doch die Kaufchancen stehen dabei auf wackligen Füßen, weil die Pöppel auf den vorderen Plätzen ja Vorkaufsrecht haben. Durch scharfe Kalkulation, in der man Ambitionen und Bargeld der Mitspieler berücksichtigt, kann man zuweilen ein Schnäppchen machen. Und man kann einen knapp-kassigen Mitspieler leer ausgehen lassen, vor allem, wenn man der letzte in der Setzreihenfolge ist.
Walter hatte etwas unüberlegt sein monetäres Pulver vorzeitig verschossen und mahnte bei seinem Nachfolger Hans die alte Volksweisheit an „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing!“. Vergebens. Gnadenlos ließ der seinem Brötchengeber das letzte Schiff samt Ladung durch die Lappen gehen.
Ob man mit seiner Setzlogik allerdings mehr als einen Zug vorausdenken kann, muß bezweifelt werden. Sobald mehr als ein Mitspieler drei oder mehr Münzen zur Verfügung haben, kann der Ausgang der nächsten Bietrunde schon nicht mehr vorhergesagt werden. Dann fängt das Mitspielerchaos an. Nicht direkt als hoffnungsloses Durcheinander, aber als Unfähigkeit des menschlichen Gehirns, in absehbarer Denkzeit das Gleichungssystem mit den bekannten und unbekannten Abhängigkeiten zu lösen. Und glücklicherweise versuchte dies heute auch keiner.
WPG-Wertung: Aaron:6 (Einschränkung durch die Nicht-Planbarkeit der Auftragserfüllung), Günther: 8, Hans: 8 (mit Siegerbonus), Walter: 7 (mit den gemachten Erfahrungen auf jeden Fall einen neuen Versuch wert)
3. “R-öko”
Ein Kartenspiel rund um das Thema Müllerzeugung und Müllverbrennung, aber eigentlich geht es nur um Siegpunkte.
In der Tischmitte liegen vier verschiedenfarbige Kartenstapel mit jeweils den Zahlenwerten 0 bis 5, dazwischen gibt es eine Minus 2. Auf der einen Seite jedes Stapels wird produziert. Hier legen die Spieler reihum eine oder mehrere farblich passende „Produktionskarten“ ab. Nach jeder Produktion müssen / dürfen sie die auf der anderen Seite des Stapels liegenden „Müllkarten“ auf die Hand nehmen. Einerseits sind viele Müllkarten gut, sie verwandeln sich natürlich in der Spielerhand sofort in „Produktionskarten“. Andererseits sind zu viele Müllkarten auch schlecht, denn mehr als 5 Karten darf man nicht in der Hand halten, die überzähligen müssen abgeworfen werden und zählen bei Spielende als Minuspunkte.
Nach der Produktion werden neue Müllkarten auf die „Müllseite“ des Stapels gelegt, und zwar eine mehr, als gerade „produziert“ worden ist. Die Müllkarten werden immer mehr, und es wird immer schwieriger, strafpunktfrei zu produzieren.
Liegen auf der Produktionsseite eines Stapel mindestens vier Produktkarten, darf man sich die oberste Karte nehmen, sie bringt am Ende Siegpunkte. Im weitesten Sinne ist „R-öko“ also ein Stichkartenspiel; es gilt, aus seiner Kartenhand möglichst viele „Stiche“ mit Zahlenkarten zu machen. Kartenpflege gehört dazu, damit man sein Stichpotential erhöht, damit man den Mitspielern nicht leichtfertig schöne Stiche vor die Füße legen muß, und damit man bei den Strafkarten Ausweichmöglichkeiten hat.
Sich dabei auch noch zu merken, welche Karten die Spieler auf die Hand genommen haben, fördert natürlich die Siegchancen. Geht für Nicht-Bridger aber vielleicht schon zu weit. Gerade in dieser Balance zwischen Wäg- und Unwägbarkeit ist „R-öko“ ein sehr gelungenes hübsches Spielchen.
Innerhalb der Spiel-Balance gab es allerdings auch einen gravierenden Kritikpunkt: Der Spieler, der die erste 5er Zahlenkarte aufnimmt, beendet das Spiel. Demnach kann der letzte Spieler nochmals 5 Siegpunkte auf sein Konto bringen, während für alle anderen der Sudden-Death eintritt. Und 5 Punkte sind immerhin etwa 50% der Gesamtpunkt-Zahl, die ein Spieler am Ende erreicht. Das ist doch wohl ein bißchen unverhältnismäßig hoch! Oder etwa nicht?
Doch trotz dieses Kritikpunktes waren alle mit einer sofortigen Spielwiederholung einverstanden. 1:0 für R-Öko!
WPG-Wertung: Aaron:7 , Günther: 6 (Einschränkungen wegen des 5-Punkte-Schlusses), Hans: 7 („blitzschnell ändert sich das Bild und man kann ständig versuchen, die neue Situation zu lesen und zu analysieren“), Walter: 7 (hübscher Absacker)
4. “11 nimmt!”
Nein, es ist keine Expansion von „6-nimmt!“ auch wenn der Autor Michael Kramer heißt und die Karten mit den einfachen und mehrfachen Hornochsen gleich sind.
Gleich ist unsere Kartenhand mit zunächst 10 Karten, ungleich ist, dass zu Beginn nur ein Kartenstapel ausliegt. Hier dürfen wir auch keine beliebige höherwertige Karten anlegen, sondern nur eine, die maximal 10 Punkte höher ist als die ausliegende Karte. Soweit sind „11-nimmt!“ und „6-nimmt“ jedoch noch ziemlich ähnlich.
Die Effekte beim Nicht-Zugeben-Können und das Strafpunktverfahren sind dagegen gänzlich anders. Wer nicht zugeben kann oder will (!), nimmt sich einfach eine beliebige ausliegenden Kartenreihe AUF DIE HAND. Es sind also noch keine Strafpunkte, sondern Karten, mit denen er weiterspielen darf. Besteht der aufgenommene Kartenstapel aus mehr als drei Karten, so darf er sich zusätzlich noch einen „Bullen“ nehmen. Dieser verschafft ihm das Privileg, in einem Zug nicht nur eine Karte, sondern beliebig viele Karten innerhalb des 10-Punkte-Abstandes abzulegen. Mit einer zweiten Bullenkarte darf man sogar an zwei beliebigen Stapeln beliebig viele Karten – unter Wahrung des 10-Punkte-Abstandes – ablegen.
Diese Bullen sind ein enormer Vorteil. Ein früher Bulle, den man sich z.B. gleich zu Beginn freiwillig durch die Aufnahme eines 3-Karten-Stapels zugelegt hat, zahlt sich im Laufe des Spiels mehrfach wieder aus.
„Bulle am Morgen,
erquickend und labend“

heißt es schon in einer alten Volksweisheit. Etwas weniger lyrisch könnte man sagen: „Ohne Bullen geht es nicht!“, doch ich will der 68-er Generation nicht auf den Schlips treten.
“11 nimmt!” spielt sich flott und pfiffig. Einziger Konstruktionsfehler: Auf Grund des Bullen-Privilegs gleicht sich der Nachteil des Nicht-Bedienen-Können und Stapel-Aufnehmen-Müssen ganz schnell wieder aus und gegen Ende des Spiels haben alle Spieler ungefähr gleich viel bzw. gleich wenig Karten. Mit wenigen Karten ist aber keine Strategie mehr möglich, die Chance bedienen zu können ist äußerst zufallsabhängig, und dies gerade auf der Zielgeraden! Ein gutes Rennen im gesamten Durchgang wird überhaupt nicht belohnt. Hier ist „6-nimmt!“ deutlich „gerechter!“
Aaron: 7 („6-nimmt!“ ist besser), Günther: 7, Hans: 6 (zu wenig Einflußmöglichkeiten, gerade in der Schlußphase), Walter: 7 (das Spiel soll wegen der Vorzüge seines Bruders, des genialen „6-nimmt!“ nicht mit Punktabzug bestraft werden!)
5. “Bluff”
Und ein Bluff gab es auch noch. Günther stand mit drei Würfeln gegen einen Würfel von Walter im Endspiel. Er hatte eine Zwei, eine Fünf und einen Stern unter seinem Becher. Nach seiner Immer-5-Strategie fing er mit einmal die 5 an. Walter sprang sofort auf drei mal die 5. Was hättet Ihr an Günthers Stelle jetzt getan? Auf zweimal den Stern heben und nachwürfeln? Oder auf vier mal die 5?
Günther zweifelte kurz und schmerzlos an. Schließlich heißt das Spiel „Bluff“! Und er hatte Recht. Walter hatte ihn einfach ins Boxhorn jagen wollen, doch dabei hatte er übersehen, dass Günther da auf keinen Fall hineinpaßt.
Hinterher gab es lange Diskussion, wie Walter wohl mit seiner Zwei unter dem Becher hätte reagieren können oder sollen. Drei mal die Zwei wäre es gewesen. Aber wäre das richtig „geblufft“ gewesen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.