11.07.2006: Begegnung in Haar

Nein, nein, liebe Münchener Insider, hier geht es nicht um den Flug über das Kuckucksnest, hier geht es um die lobenswerten Aktivitäten der Haare Enthusiasten zur Förderung von Spaß und Freude beim Spielen am “Haarer Spiele-Abend” (jeden 2. und 4. Dienstag des Monats im Bürgerhaus).
A. Qualifikationsturnier für “Zug um Zug”
In den Vereinsräumen führte das Bayerische Spiele-Archiv ein Qualifikationsturnier für die Deutsche Meisterschaft mit “Zug und Zug”, dem “Spiel des Jahres 2004” durch.
An sechs Tischen zu je vier Spielern wurden zwei Runden mit der Original-Version in der amerikanischen Szenerie gespielt und anschließend eine Finalrunde in der deutschen Szenerie aus dem Jahre 2005.
Im Sinne von friedlicher, fröhlicher Spielkultur ist “Zug um Zug” wirklich ein großes Spiel. An keinem der Tische wurde so hart und verbissen gekämpft wie im WM-Finale zwischen Frankreich und Italien. Die Stimmung war eher überall so spielerisch vergnüglich wie draußen im Lande beim Public Viewing.
B. Tom Werneck und das “Spiel des Jahres”
Tom ist das letzte noch aktive Mitglied aus dem Gründerkreis dieses renommierten Spielepreises. Eine gute Gelegenheit, gleich ein paar Fragen an ihn zu richten, was wir schon immer über das “Spiel des Jahres” wissen wollten.
1) Welche Qualifikationen muß man mitbringen, um in die Jury aufgenommen zu werden?
a) Man muß viel über Spiele schreiben, und zwar in öffentlichen Medien; nicht etwa nur in privaten Internet-Seiten oder auf gutwilligen Flugblättern im Selbstverlag.
b) Man muß kompetent sein. Die Spielberichte und Rezensionen müssen eine eigene Handschrift aufweisen. Das Abschreiben der Spielregeln als Rezension reicht nicht.
c) Man muß regelmäßig schreiben. Eine einmalige Doktorarbeit über Spiele, Spieler und ihre Welt ist zu wenig.
d) Man muß sich mit dem Preis, der Jury und ihren Zielen identifizieren und nicht generell gegen diese Einrichtung querschießen.
2) Wie werden die Sieger gekürt?
a) Am Abend vor der Preis-Veröffentlichung kommen die Mitglieder der Jury in Berlin zusammen. Sie wählen in geheimer Wahl die Sieger und zwar so lange, bis der Vorsitzende wie bei der Papstwahl mit weißem Rauch bekannt geben kann: “Wir haben eine Mehrheit! “
Zu diesem Zeitpunkt kennt nur er alleine kennt die Sieger. Das bleibt auch so bis zum nächsten Tag. (Vorausgesetzt, er kann beim anschließenden weinseligen Beisammensein dichthalten!)
b) Am nächsten Tag werden die Ergebnisse in einer Galasitzung veröffentlicht. Sehr viel Presse und natürlich die möglichen Kandidaten sind anwesend. Anders als bei der Oskar-Verleihung wissen die Gewinner bis zur offiziellen Verkündigung garantiert nicht, daß sie die Auszeichnung bekommen. Alle emotionalen Ausbrüche, alle vergossenen Freudentränen sind echt.
3) Warum haben Super-Spiele oft keine Chance auf den Titel “Spiel des Jahres”?
a) Die Jury sieht Diskussionen über die Preisvergabe grundsätzlich positiv. Sie sind ein Zeichen dafür, daß der Preis noch voller Leben steckt.
b) Die Jury will nicht ausgesprochen “Familienspiele” prämieren, aber sie will das Spielen im Familienkreis fördern. Deswegen müssen prämierte Spiele einer großen Mehrheit in der spielenden Bevölkerung zugänglich sein.
c) Für sehr gute Spiele, die nicht diese Mehrheits-Kriterien erfüllen können, gibt es als Trostpflaster Sonderpreise. Im Jahre 2006 sind das der Sonderpreis “Fantastisches Spiel” für “Schatten über Camelot” und der Sonderpreis “Komplexes Spiel” für “Caylus”.
C. “Caylus” und seine Väter
Ein Höhepunkt des diesmaligen Haarer Spielabends war die Anwesenheit von Caylus-Autor William Attia und seinem Produzenten Cyril Demaegd von Ystari Games, zwei sehr nette junge Franzosen, die sich über den unerwarteten Erfolg ihres jüngsten Sprosses sehr freuten.
Offensichtlich gibt es nicht nur ein Massenpublikum, das über den Verkaufserfolg eines Spieles entscheidet, sondern es gibt auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von passionierten “Spitzenspielern” mit einem sehr dichten Kommunikationsnetz, unter denen sich die herausragende Qualität eines neuen Spieles wie ein Feuerball ausbreitet.
1) Wie lange haben die Väter an “Caylus” gearbeitet?
Keine Jahre, wie man das manchmal hört, sondern nur etwa 4 Monate. Natürlich muß man dazu a) genial sein und b) eine Menge Spielerfahrung haben. Die Leute von Ystari sind immerhin schon (?) seit drei Jahren mit Spitzenprodukten dabei.
2) Was war zuerst, Spielidee oder Spieltitel?
Die Idee und die Ausführung, spielerisch ein Schloß, zu bauen war zuerst da. Danach wurde nach einem passenden Titel gesucht. Eine Menge französischer Schlösser kamen als Pate in Betracht. Mehr oder weniger zufällig fiel dann die Wahl auf “Caylus”. Vom Marketing her war der Name keine schlechte Idee; schließlich hat er auch für deutsche oder englische Augen und Ohren eine ansprechende Schreibweise und einen gefälligen Klang.
3) Was hat das kleine französische Städtchen “Caylus” zur Namensvergabe gesagt?
Die Stadt hat lange nichts von diesem Spiel gewußt. Erst mit wachsendem Erfolg ist man darauf aufmerksam geworden. (Wir vom Westpark haben ja schon einmal im Dezember letzten Jahres wegen der Aussprache des Namens an das Office de Tourisme in Caylus geschrieben!)
Aktuell plant jetzt die Stadtverwaltung von Caylus für die nächste Zeit einen “Caylus”-Spielwettbewerb in Caylus!