Fangen wir mit dem Ende an: Dank Aarons Abwesenheit wurde mit 3 Stimmen und 1 Enthaltung toleriert, dass Moritz über sein iPhone die Übertragung des Halbfinales Mönchenglattbach gegen den FC Bayern schallen ließ. Als es allerdings darum ging, die Session zu unterbrechen und die zweite Halbzeit des Fußballspiels am Fernseher anzuschauen, legte Günther ein Veto ein. „Das macht die Ute jetzt auch; da hätte ich gleich zuhause bleiben können.“
Erst beim Elfmeterschießen ließ er sich erweichen, und die vier Westparker sahen sich gemeinsam den traditionellen Fußballkrimi an. Auf welcher Seite unsere Sympathien nach dem letzten Schuß lagen, kann man auf dem beigefügten Foto wohl einwandfrei erkennen.
1. “Robologie”
Die Neuentwicklung von Moritz’ Freund Christoph Tisch ist auf dem Markt noch nicht erhältlich, aber sie ist bereits ausgereift, die Spielregeln sind fertig gedruckt und wir sollten heute unseren Tester-Senf dazu geben.
Ein taktisches Kartenspiel für 2 bis 5 Spieler. Vier Kartenfarben (rot, grün, gelb, blau) gibt es mit den – teils mehrfachen – Werten von 2 bis 6. Pro Runde werden 5 Karten offen ausgelegt und die Spieler können sich beginnend mit dem Startspieler reihum eine davon aussuchen. Diese Karte muß sofort ausgelegt werden, entweder an den privaten Stapel, den jeder Spieler von jeder Kartenfarbe vor sich liegen hat, oder an die 4 öffentlichen Stapel jeder Kartenfarbe. Wenn an einem der öffentlichen Stapel eine festgelegte Anzahl von Karten liegt, wird die Farbe gewertet: Wer von dieser Farbe die höchste Summe an Kartenwerten vor sich liegen hat, ist Sieger. Er muß seinen Farbstapel komplett abräumen und bekommt dafür alle öffentlich ausgelegten Karten als Siegpunkte. Der Spieler mit der zweithöchsten Summe darf eine Karte aus seinem privaten Stapel als Siegpunktkarte zur Seite legen. Alle anderen Spieler gehen leer aus, dafür behalten sie aber alle ausgelegten Karten in ihren privaten Stapeln für eine mögliche nächste Wertung dieser Farbe.
Bei der Entscheidung, ob man die ausgesuchte Karte öffentlich oder privat ablegen soll, muß man berücksichtigen
- ob die Kartenfarbe in dieser Runde überhaupt zur Wertung kommt oder kommen kann.
- ob man die Kartenfarbe jetzt selber zur Wertung bringen will.
- ob man bei der Wertung Erster werden kann und damit einen reichlichen (ggf. auch einen mageren) öffentlichen Kartenstapel als Siegpunkte einheimsen kann.
- ob man bei der Wertung Zweiter wird und dann eine eigene hohe Siegpunktkarte auf seinem Konto verbuchen kann.
- ob man bei der Wertung leer ausgehen will, um seine Karten dann komplett bei der nächste Wertung in die Waagschale zu werfen
Es ist ein höchst taktisches Rangeln um kurzfristige oder langfristige Vorteile. Für ein bißchen weiteren Pepp sorgen die vier Karten, die jeder Spieler als Startausstattung erhält. Er darf sie im Laufe des Spiels irgendwann mal zusätzlich öffentlich bzw. privat auslegen, um schnell noch eine Wertung auszulösen oder eine Mehrheit zu verändern.
Interessant ist auch die Startspielervergabe: Wer in einer Runde die niedrigste der offen ausliegenden Karten gewählt hat, wird in der nächsten Runde Startspieler. Für den freiwilligen Verzicht auf ein paar sofortige Potenzpunkte handelt man sich die freie Auswahl und ein paar weitere Vergünstigungen in der nächsten Runde ein. Ein sehr lohnendes Geschäft, besonders wenn es auf den Schluß zugeht. Und der kommt schnell. In weniger als 30 Minuten ist ein Spiel über die Bühne. Randbedingungen sorgen dafür, dass das Spiel immer im Fluß ist, und alle Farbstapel mehr oder weniger schnell zur Wertung kommen.
Die Gewinnwertung und den Startspielerwechsel hatten wir zunächst falsch gehandhabt. Ein Anruf bei Christoph Tisch brachte uns wieder auf die richtige Spur. Alle waren zu einer sofortigen Spielwiederholung bereit. Nicht aus Pflicht, sondern aus Lust und Neugier. Es lohnte sich. In unseren Augen hat das Spiel keine Macken mehr.
WPG-Wertung: Günther: 7 (es funktioniert gut), Horst: 7 (viel besser als vieles), Moritz: 7 (es gibt nichts zu verbessern), Walter: 7 (schnell, taktisch, mit einer wohldosierten Portion Zufallseinfluß).
2. “Takenoko”
Ein neues Spiel von dem Erfolgsautor Antoine Bauza („7 Wonders“). “Takenoko” bedeutet wörtlich „Bambussprosse“, das ist das Futter für einen süßen kleinen Pandabär. Der Kaiser von China hat ihn seinem japanischen Kollegen geschenkt und der ganze Hof ist damit beschäftigt, ihn damit zu füttern, um ihn vor dem Verhungern zu retten.
„Ein Spiel für Birgit! Soll ich sie schnell noch holen?“ Das hübsche Spielmaterial mit den Bambuspflanzen, dem Panda, dem Gärtner und den Bewässerungskanälen hätte bestimmt ihr Entzücken ausgelöst. Auch das teils in Comic-Format angelegte Regelheft überzeugt. Horst wird wohl um einen Ankauf nicht herumkommen.
Die Spieler legen peut-a-peut rote, grüne und gelbe Landschaftshexagons zu einer gemeinsamen Region zusammen, auf der roter, grüner und gelber Bambus gedeiht. Sie legen Wassergräben als Grundvoraussetzung für den Bambus, sie bewegen einen Gärtner, der das Pflanzenwachstum fördert und sie bewegen den Panda, der die heranwachsenden Sprossen frißt. Die gefressenen Sprossen erhält ein Spieler als Trophäen und erfüllt damit seine individuellen Fress-Siegpunktkriterien; z.B. bringen zwei grüne Bambusse 3 Siegpunkte und je ein roter, grüner und gelber Bambus bringen 6 Siegpunkte.
Weitere Siegpunkte erhält man, wenn in der gemeinsamen Bambusregion bestimmte Farbmuster entstanden sind, die individuellen Regions-Siegpunktkriterien entsprechen: eine Kette von drei gelben Hexagons steuert 3 Punkte, ein Dreieck von drei roten Hexagons 4 Punkte und ein Doppelpack mit zwei roten neben zwei gelben Hexagons gleich 5 Punkte bei.
Eine dritte Siegpunktquelle ergibt sich aus der Höhe vom gewachsenen Bambus. Z.B. liefert eine gelbe Bambusstaude der Höhe 4 dem Spieler, der eine entsprechende Siegpunkt-Kriterien-Karte auf der Hand hat, 5 Siegpunkte, zwei rote Stauden der Höhe 3 liefern 6 Punkte.
Das ganze Spiel ist eine kurzweilige Jagd nach Karten mit Siegpunktkriterien und nach Gestaltung der Landschaft, um diese Kriterien zu erfüllen. Daneben gibt es auch noch einen Würfel, der offiziell „Wetterbedingungen“ auswürfelt, im Grunde aber lediglich ein bißchen Variation in die Aktionen der Spieler bringen soll: Das Wasser fließt von alleine, der Bambus wächst schneller oder der Panda frißt mehr. Alles ist hübsch konstruiert und locker zu spielen. Leider fehlt die Interaktion. Das Wachsen der Bambusregion ist selbstverständlich und das Erfüllen der Siegpunktkriterien mehr oder weniger zwangsläufig. Ein planvolles Gegeneinanderarbeiten gibt es praktisch nicht; schon allein deshalb, weil man die individuellen Siegpunktkriterien der Mitspieler gar nicht kennt.
WPG-Wertung: Günther: 6 (Familienspiel; für die Ausstattung einen Sonderpunkt), Horst: 6 (kein Familienspiel, für den Panda einen Sonderpunkt), Moritz: 6 (originell aber kein Superhit), Walter: 6 (konstruktiv, leider zu solitär).
3. “Und noch ein Zivilisationsspiel”
Das vierte Selbst-Bastel-Spiel aus der Reihe “spielbox Wallace Edition”. In Heft 7 / 11 der Spielbox war es enthalten.
Die Spieler würfeln die Aktionen aus, die sie durchführen dürfen:
- eine Wertmarke bekommen
- einen Pöppel in den Vorrat bekommen
- einen Pöppel vom Vorrat aufs Spielbrett setzen
- einen Pöppel auf dem Spielbrett um 1 bis 3 Felder vorwärts bewegen
Jede Bewegung eines Pöppels auf dem Spielbrett löst Effekte aus: Man bekommt Wertmarken, Münzen oder Siegpunkte; man darf einen Würfelwurf wiederholen oder (auf dem Spielfeld „Krieg“) einen beliebigen gegnerischen Pöppel rauswerfen. Sobald ein Spieler mit einem Pöppel das Zielfeld erreicht hat, hat der Spieler mit dem meisten Siegpunkten – gewonnen. (Was sonst?)
Die Siegpunkte, die man auf bestimmten Spielfeldern bekommt, muß man mit Wertmarken und Münzen bezahlen. Man kann also nicht blindwütig auf das Zielfeld lossteuern, man muß unterwegs auch einige Wertmarken- und Münzenfelder abgrasen.
Ansonsten wird nicht viel Taktik geboten und auch nicht erwartet. Das Vorwärtswürfeln Richtung Ziel erfolgt analog „Gänsespiel“ wie vor gut 5000 Jahren, kurz danach haben die Inder das Hinauswerfen von gegnerischen Pöppeln a la Pachisi ebenfalls schon praktiziert. Im 10 Jahrhundert von Christus sagte auch schon der König Salomo: „Nichts Neues unter der Sonne!“ Oder war das ein alter Grieche?
Viele bereits bekannte Mechanismen zu neuen Kombinationen zusammenzufügen, ist ein schöpferisches Werk und manchmal entsteht dabei etwas grundlegend Neues. Diesmal nicht. Aber nur knapp daneben.
WPG-Wertung: Günther: 3 (lieber gleich Leiterspiel und Mensch-ärgere-Dich-nicht), Horst: 5 (Grundidee gut, das Kriegsfeld war kontraproduktiv), Moritz: (vom Ansatz her sah es ganz passabel aus, konnte aber den guten ersten Eindruck nicht halten), Walter: 4 (Würfelspiel).
4. “Bluff”
Vier Spieler mit noch allen 5 Würfeln, insgesamt also 20 Stück. Walter fing mit 5 mal Stern deutlich über Schnitt an. Moritz hob auf 10 mal die Zwei, Horst auf 12 mal die Fünf und Günther auf 7 mal Stern. Mit 3 Sternen unter dem Becher fiel es Walter noch leicht, auf 8 mal Stern zu erhöhen.
Moritz steigerte auf 16 mal die Drei! Das war ein seltsames Gebot. Auch wenn viele Sterne unterwegs zu sein schienen, war ein Wechsel auf eine neue Zahl in dieser Höhe nur schwer rational nachvollziehbar. Horst ging auf 9 mal Stern und Günther jetzt sogar noch auf 10 mal Stern.
Walter zweifelte an. Und verlor. Alle seine Würfel! Dreimal, ja sogar viermal schallendes Gelächter! Warum? Liebe Leser, könnt ihr euch das erklären?
Kleine Hilfestellung: Mönchenglattbach – FC Bayern : Entscheidung im Elfmeterschießen!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
Nur der Vollständigkeit halber;
“Spiel des Jahres in Frankreich”:
– Kinderspiel-As d’Or 2012 geht an Zwerg Riese von Marco Teubner bei Haba
– neuen Grand Prix-As d’Or 2012 gewann Olympos von Philippe Keyaerts bei Ystari
– Hauptpreis As d’Or 2012 erhielt Takenoko von Antoine Bauza bei Bombyx/Matagot
Hier fehlt noch die Erklärung für die seltsamen Geschehnisse beim Bluff:
Während Walter noch im Wohnzimmer am Fernseher hantierte, hatten die restlichen Akteure im Spielzimmer die Bluff-Würfel manipuliert und jedem 5 Sterne unter den Becher gelegt.