1. “Green Deal”
Aaron hat letzte Woche schon beschrieben, wie wir WPG-Jungfrauen zu diesem Crowdfunding-Kind gekommen sind: Einfach nicht „nein“ sagen. Heute haben wir es mit den wohlerprobten Regeln richtig gespielt. Dabei ist alles ganz einfach. Pro Runde
- bieten wir um die Zugreihenfolge
(Leider blind; was für ein Planspiel ziemlich kontraproduktiv ist) - kaufen wir einen Entwicklungsfortschritt in einer von vier Farben
(Sie kosten Geld und schmälern in der Regel auch noch unser zukünftiges Einkommen, bringen aber Siegpunkte, und irgendwie muss die Welt ja weiterkommen) - leisten wir uns mit überflüssigem Geld ggf. noch ein paar Siegpunkte
- expandieren wir auf der großen weiten Welt
(Dabei erhöhen mit ein bißchen Glück unser Einkommen und beeinträchtigen das unserer expandierten Nachbarn)
Wirtschaften und Siegpunkte einstreichen: Das klingt alles rund und schön. Nicht ganz neu, aber was gibt es schon Neues unter der Sonne?!
Doch leider sind unsere Aktionen sehr begrenzt. Die ausliegenden Entwicklungsfortschritte, der eigentliche Motor des Spiels, sind streng rationiert. Vier davon liegen pro Runde aus, der Startspieler hat die freie Auswahl, immerhin unter vier (!) ganzen Angeboten! Manches ist besser, manches weniger besser, aber immerhin besser als nix. Für den zweiten Spieler bleiben nur noch drei übrig. Der letzte Spieler hingegen bekommt gar nichts: die Auslage wird vorher abgeräumt. Er kann dann eine Ersatz-Aktion wählen, z.B. sich Spionage-Vorteile bei den nächsten Bietaktionen der Mitspieler verschaffen, und ein Darlehen aufnehmen, das er erst am Ende des Spiels mit einem geringen Aufschlag zurückzahlen muss.
Aus vielen Siegpunktquellen fließen uns periodisch Siegpunkte zu. Für die Siegpunkte aus den Entwicklungsfortschritten sind wir ganz allein unseres Glückes Schmied. (Solange diese Fortschritte überhaupt angeboten sind!) Selbiges gilt nur bedingt für die Prämien aus gleichmäßiger Entwicklung. Wenn uns die Mitspieler – warum auch immer – z.B. eine bestimmte Farbe ständig wegschnappen, kommen wir hier von alleine nie auf einen grünen Zweig. Die Siegpunkte für das weiteste Fortkommen in einer Kategorie sind noch stärker abhängig von der entsprechenden Entwicklung der Mitspieler. Zudem können sie hier ihren realen Fortschritt temporär mit windigen „Public Relations“ autmotzen, unkalkulierbar aber effektiv. Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben.
In ca. 90 Minuten sind 10 Runden gespielt, und schon ist das Spiel zu Ende. Geplant, geglückt und erlitten. Leider hat sich ab der zweiten oder dritten Runde nichts Bemerkenswertes mehr ergeben. Keine Progression, keine Dynamik. Keine Aktiensabotage, keine Pleiten und keine Dieselloks á la „1830“. Kein Pepp! Wir dümpeln vor uns hin und am Ende hat einer gewonnen.
Moritz konnte schon drei Runden vor Schluß die Einlaufreihenfolge ausrechnen. Deshalb haben seine Züge auch geringfügig (?) länger gedauert. Zum Sieg hat ihm sein Wissen allerdings nicht verholfen. Aaron hätte Peter den alleinigen Sieg vermasseln können, ohne selber dabei einen Platz gewinnen oder verlieren zu können. Das nennt man gewöhnlich Kingmakerei. Auch so etwas ist in „Green Deal“ enthalten.
Im Regelheft faselt Autor Juma Al-JouJou sechs Abschnitte lang von „internationalen Konzernen des Jahres 2050“, von „Rohstoffknappheit“, „sozialen Unruhen“, „Einhaltung sozialer Standards“, „anspruchsvollen Verbrauchern“, „Fairtrade“ und „Nachhaltigkeit“. Ja wenn er wenigstens etwas von diesen Elementen in sein Spiel eingebracht hätte. Wenn er allerdings einem Spieler lediglich eine einzige rote Fortschrittskarte anbietet und darauf „Lohn-Dumping“ schreibt, dann hat er ihm weder spielerische Planung noch unternehmerische Freiheit gelassen. Er führt ihn im Labyrinth zur Erforschung von Mäuse-Intelligenz gerade mal einen winzigen Schritt weiter.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (vorher 7; 1 Punkt weniger für die ewige Rechnerei und 1 Punkt weniger für die vielen Unwägbarkeiten), Moritz: 5 (es funktioniert, hat keine Designfehler, aber im Prinzip ist alles schon mal da gewesen; keinerlei Thema, lediglich ein abstraktes Rumgeschiebe auf den Fortschrittsleisten), Peter: 6 (funktioniert, ist aber ziemlich schweigsam; enthält leider auch Kingmaker-Effekte), Walter: 6 (funktioniert, aber plätschert stundenlang vor sich hin, es fehlt jede Menge Dynamik)
2. “Sail to India”
Auf unseren geheimen WPG-Treffen hat das Spiel bisher nur Aaron gefallen. Dabei hat das Spiel japanischer Autoren durchaus noch Chancen zu unserem „Spiel des Monats“. Peter fand es bisher öd. „Aber nur, weil er beschissen gespielt hat.“
Wir haben einen Pool von Multi-Funktions-Klötzchen: sie sind Pegel für unserem Geldbesitz, unsere Bewegungsfreiheit, und für unsere Siegpunkte; sie sind Marker für unseren Besitz an Festungen, Kirchen, Märkten und technologischem Fortschritt, sie sind Platzhalter für Mannschaft und Schiffe, mit denen wir von Lissabon ausgehend einer Kartenreihe entlang in Richtung Indien segeln, Waren aufladen und verkaufen.
Der Spielablauf besteht im wesentlichen aus der freien Bewegung dieser Klötzchen. Dabei können wir entscheiden, ob wir zusätzliche Schiffe einsetzen, Handel treiben, in Richtung Indien segeln und neue Länder entdecken, feste Siedlungen errichten oder unsere Technologie weiterentwickeln. Kurz und bündig.
Es gibt viele erfolgsversprechenden Strategien. Aaron setzte auf Handel und Märkte. Doch man braucht viel Sonnenschein, bis hier die Früchte reif werden. Walter setzte auf schnellen Warenumschlag, allerdings etwas zu spät, gleich beim Start hatten seine Ambitionen zum Entdecken afrikanischer Kolonien zuviel Tempo gekostet. Peter versuchte sich in Festungen, doch wurde er hier oft ausgebremst und musste sich deshalb mit Kirchen begnügen. Nicht schlecht, zweiter Platz. Moritz setzte auf Festungen und Technologie und wurde sicherer Sieger. Man (wer?) hätte ihm einen Technologie-Multiplikator wegschnappen sollen. Oder – dreifaches Lamento – der Autor hätte gleich beim Design die Wirksamkeit der Technologie etwas reduzieren sollen. Macht nix, neues Spiel, neues Glück!
WPG-Wertung: Aaron: 7 (die Mechanismens sind gut, schöner Spielansatz, mit minimalistischen Elementen viel erreicht), Moritz: 7 (originell, aber nicht mega-originell, kompaktes, kurzes Aufbauspiel; die Siegpunktschleudern am Ende sind vielleicht unnötig; sie sollten besser die verschiedenen Spielerstrategien unterstützen), Peter: 4 (die Ideen sind sehr nett, hätten aber besser „balanced“ werden müssen; „es nervt mich, dass das viele Potential nicht ausgeschöpft wurde!“), Walter: 6 (einfach, schnell, locker).
Hallo Westpark-Gamers,
diesen fehlenden Spannungsbogen bei Green Deal habe ich in meinen zwei Partien (4 bzw 3 Spieler) leider auch bemerkt. Das Spielgeschehen plätschert so auf mittlerem Spannungsniveau vor sich hin. Man macht recht wenig und passt die meiste Zeit die diversen Statimarker auf diversen Leisten an. Zwar funktioniert das Spiel an sich, aber emotional fesselnd ist anders. Einzig in den letzten beiden Runden zog bei uns die Dramatik ein wenig an, eben ob man diverse Aktionen noch hinbekommt oder eben nicht.
Insgesamt ein “nur gutes” Wirtschaftsspiel auf einem niedrigen Komplexitätslevel. Im Direktvergleich gefällt mir da ein Automobile oder Age of Industry oder auch ein Funkenschlag wesentlich besser, weil da schlicht mehr passiert und der eigene Handlungsspielraum grösser ist. Bleibt die Frage, warum man heutzutage überhaupt “nur gute” Spiele auf den Tisch bringen sollte, wenn es “sehr gute” Alternativen gibt? Schade, wenn nach nur zwei Partien die Luft schon raus ist, aber eventuell ist es mit 5 Spielern besser?
Cu / Ralf
Sg. Status > Pl. Statūs. :)