21.02.2024: Tamerlan ante portas

1. “Vijayanagara”

Der antike Mittelmeerraum wird millionenfach als Szenerie für Kriegsspiele genutzt. Das Deutsche Reich für verspielte WWII-Simulationen ist im Wesentlichen für amerikanische Spieleautoren ein willkommenes Fressen. In „Vijayanagara“ liefert jetzt der indische Subkontinent die zugehörige geographische und militär-politische Kulisse.

Wir sind mitten im „Sultanat von Delhi“, dem bedeutenden islamisches Reich in Nordindien, das ab dem 13ten Jahrhundert den gesamten Subkontinent beherrschte. Innerlich war das Sultanat nicht sonderlich stabil; Revolten der Statthalter und der unterworfenen Hindu-Fürstentümer füllten seine Geschichte aus.

In „Vijayanagara“ wird diese Situation mit drei Parteien von absolut asymmetrischen Ausgangs- und Entwicklungsbedingungen dargestellt. Ganz im Süden sind die „Gelben“ angesiedelt, die ihre militärische Potenz durch Tempel fördern, in der Mitte gibt es die „Blauen“, die es eher mit dem Festungsbau halten. Beide Gruppierungen sind zu Spielbeginn den „Schwarzen“ im Norden tributpflichtig, die mit einem gewaltigem Startvorsprung antreten, aber sich von Zeit zu Zeit (ziemlich häufig) der „Mongolenstürme“ aus den Gebirgspässen im Nordwesen erwehren müssen, und dabei massiv Federn (in Form von Armeen und Militärhaushalt) lassen müssen.

Wenn Tamerlan auftritt – leicht zufällig gesteuert durch die Aktionskarten -, gibt es eine letzte Schlacht um Delhi und das Spiel ist zu Ende.

Von der Militär-Geographie her, mag das ein realistischen Szenario sein. Von der Spieltheorie her trägt es einen gewaltigen Designfehler in sich: In einem Dreier-Kampf-Spiel ist es praktisch unausweichlich, dass zwei Kontrahenten ein Bündnis schließen und sich nicht gegenseitig ans Leder gehen, sondern immer nur gegen den Dritten. Das ist die logische Umkehrung des Sprichwortes: „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.“ In “Vijayanagara” ist dieses gelb-blaue Bündnis sogar offensichtlich gewünscht, denn die Schwarzen sind der gemeinsame Oberherr, dessen Herrschaft gebrochen werden muss. Aber so funktioniert das Spiel hier nicht.

Moritz spielte die Schwarzen; er wurde von den Mongolen mehr als nötig gerupft und hatte gegen das unisono Vorgehen seiner beiden Kontrahenten einen schweren Stand. Als seine Felle sichtbar davonschwammen, beschwerte er sich lauthals, dass der blaue Walter kein einziges Mal gegen den gelben Günther vorgegangen sei und diesem somit den Sieg überlassen habe. Ja soll der Blaue denn einen Zwei-Fronten-Krieg beginnen, um daraus als Sieger daraus hervorzugehen? Gerade als hochbetagter Deutscher sollte man sich noch daran erinnern können, dass sowas nur schiefgehen kann.

Moritz redete auf Walter ein wie ein Bauer auf seine kranke Kuh, dass er niemals gewinnen könne, wenn er nicht dem „momentan“ Führenden, d.h. Günther, ein paar Gebiete (= Siegpunkte) abknöpfen würde. Doch Walter ließ sich nicht zum Zwei-Fronten-Krieg verleiten und Günther stellte klar, dass es zweifellos kontraproduktiv für Blau und Gelb sei, sich jeweils pro Aktion immer ein Gebiet hin-und-her abzunehmen, und den Schwarzen ungestört dominieren zu lassen.

Moritz konstatierte hier einen Denkfehler und beteuerte eindringlich, dass “Vijayanagara” kein „Wargame“, sondern ein „Area Control Game“ sei. Kurze Gedankenpause: Wir rüsten Armeen aus, wir marschieren, greifen gegnerische Stellungen an und versuchen, sie (mit eleganten Kampfwürfeln) zu erobern. Was ist dann der Unterschied zwischen diesen beiden Spieltypen? BingAI weiß eine Antwort:

Ziele: Das Hauptziel von Wargames ist die Eroberung von Gebieten oder das Erreichen bestimmter militärischer Ziele; das Hauptziel von ACGs ist die Kontrolle über bestimmte Bereiche oder die Mehrheit in Regionen zu erlangen. [Wertung: Ich sehe keinen Unterschied.]

Spielerrolle: In Wargames übernehmen die Spieler die Rolle von Kommandeuren, Generälen oder Anführern; in ACGs sind die Spieler sind oft Anführer oder Herrscher. [Wertung: Ich sehe keinen Unterschied. Natürlich waren wir die Kommandeure unserer Armeen, und was, bitte schön, ist Tamerlan?]

Fokus: Wargames konzentrieren sich auf militärische Konflikte, Strategie und Taktik; ACGs drehen sich um die Kontrolle oder den Aufbau von Gebieten. [Wertung: Militärische Konflikte gibt es praktisch ausschließlich um die Kontrolle von Gebieten – höchst singulär auch mal um eine Frau -, die mit Strategie und Taktik gewonnen wird. Kein Unterschied!]

Thema: Wargames behandeln oft historische Schlachten, fiktive Kriege oder Science-Fiction-Szenarien; die Themen von ACGs können vielfältig sein – von Städten und Regionen bis hin zu Fantasy-Welten. [Wertung: 1:0 für Wargames.]

Zurück zum spieltheoretischen Design-Fehler von “Vijayanagara”:

Die Schwarzen sind übermächtig in Ausgangsposition und Zugpotenz: da ist es überlebensnotwendig, dass sich Blau und Gelb zusammentun. Eine Gegnerschaft dürfte nur im allerletzten Spielzug – der nicht vorhersehbar ist – praktiziert werden und beruht dann auf Verrat.

Wenn Schwarz schon von seiner Konstruktion her allein gegen die beiden Gegner Blau und Gelb gewinnen kann, umso mehr müssen die beiden Kontrahenten jede Aktion in die gegenseitige Zerfleischung vermeiden, um überhaupt eine Chance zu haben.

Da Gelb keine natürliche Grenze mit Schwarz hat, muss Blau ihm etwas von seinen „hauseigenen“ Gebieten als Durch- und Aufmarschgebiet gegen Schwarz überlassen. Damit bekommt Gelb automatisch einen leichten Spielvorteil.

Damit steht ein normaler Spielausgang praktisch vom Design her fest: Gelb vor Blau vor Schwarz. So war es auch bei uns.

WPG-Wertung: Günther: 5 (nicht mein Spiel), Moritz: 7 (thematisch OK), Walter: 6 (der Aktionsmechanismus mit der Auswahl von Command / Decree / Event ist gut gelungen; auch auf meine alten Tage kann ich von jedem Wargame noch etwas lernen.)

2. “6nimmt!”

Richtig, da war doch noch was: Mit “6nimmt!”-Basisversion ließen wir den Abend spielerisch ausklingen.

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