01.10.2025: Bombenleger überm Tischtuch

1. “Lumen”

Die eigenen Karten von einem Mitspieler sortiert zu bekommen und sie dann verkehrt herum den Mitspielern präsentieren zu müssen, ist äußerst wenig intuitiv. Reichlich Fehlerquellen sind eingebaut: Die Karten anzuschauen, in der Sortierreihenfolge eine falsche Reihenfolge zur realisieren oder auch die Orientierung zu verdrehen. Alles kam bei uns vor und Moritz warf das Handtuch.

Dem bisherigen WPG-Wertung von durchschnittlich 6 Punkten schloss sich Moritz mit weitem Abstand an: 4 Punkte (weder Gaudi noch sonst was, das Handling ist unglücklich).

2. “Steam Power”

Martin Wallace! Eisenbahnen! Strecken, Transport und Einnahmen! Das ist guter alter Klang am Westpark, und so hat Günther sich auch das neueste Kind dieser Gattung zugelegt.

Die Gleisteile kommen gleich sehr bekannt vor, die Spielszenerie weniger, denn anstelle eines Brettes mit den Landschaftshexagons gibt es ein entsprechendes Tuch. (Darf man dann noch „Steam Power“ unter die „Brettspiele“ einordnen?)

Wir bauen unsere Strecken, eigene Strecken, die andere aber gegen Geld benutzen dürfen, bauen Fabriken, ebenfalls eigene, die verschiedene Produkte herstellen, davon sich aber jeder Spieler bedienen darf, und wir erfüllen unsere Aufträge, indem wir zusammengetragene Produkte über zusammengestopselte Strecken zu virtuellen Zielen transportieren, wofür wir Geld, freien Bau von Strecken oder Fabriken und/oder neue Aufträge erhalten.

Zuerst hatten wir beim Bau von Fabriken Bedenken, dass uns unsere Mitspieler alle dort produzierten Produkte wegnehmen; später erkannten wir, dass dies sogar positiv für uns ist, denn wir bekommen für unsere Produkte Geld und für leergeräumte Fabriken Siegpunkte.

Man sollte sich andererseits auch nicht scheuen, Geld für fremde Produkte auszugeben, genauso wenig wie Geld für den Warentransport über fremde Strecken – Geld hat man (hoffentlich) genug, es ist süß, aber Siegpunkte sind süßer.

Wir philosophierten darüber, ob auch Extremstrategien zum Erfolg führen könnten, z.B. nur Fabriken bauen oder nur Strecken, oder vielleicht sogar nur Aufträge erfüllen und alles andere zukaufen. Wir sollten das Spiel noch einmal auflegen, um jedem Spieler eine Strategie zuzuweisen, deren Erfolgsaussichten er verifizieren muss. Wäre kein schlechtes Vorhaben für die Wiederholung eines guten Spiels.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (Das Spielmaterial ist etwas klobig [für das Spieltuch]), Günther: 7 (anspruchsvolles Familienspiel), Moritz: 7 (Spielzeit etwas lang), Walter: 7 (konstruktiv und im Spielablauf sehr freundlich).

3. “Bomb Busters”

Wir laborierten an Auftrag 41. Wir haben kein einziges freies Leben, jeder Fehlschnitt ist tödlich. Walter behauptet: Wenn der Zufall nicht hilft – z.B. via günstiger Zahlenverteilung bzw. via einer zufällig zugeteilten Technik (Walky Talky) uns ein zusätzliches Leben zu schaffen, ist es nicht möglich, diesem Auftrag zu erfüllen, d.h. man muss recht schnell ein (un)kalkulierbares Risiko eingehen, das für alle sofort tödlich ausgehen kann.

„Russisches Roulette“ wäre ja auch nicht ein solches, wenn jeder Teilnehmer mehrere Leben hätte und die tödliche Kugel nur eines davon auslöschen würde.

WPG-Wertung: Keine neue WPG-Wertung für ein 8 Punkte Spiel.

Und dann gab es auch noch ein

4. “Vantage”

nicht am gewohnten Mittwoch am Westpark, sondern in einer privaten Feierrunde bei Moritz. Der Verlag schreibt dazu:

Vantage ist ein kooperatives Open-World-Abenteuerspiel, bei dem ihr einen ganzen Planeten erforschen könnt. Mit fast 800 miteinander verbundenen Orten auf 400 Karten, und über 900 weiteren Karten, bietet das Spiel eine vielfältige Welt, die ihr frei erkunden könnt und in der ihr immer wieder Neues entdeckt.

Jede Partie beginnt auf einem intergalaktischen Schiff, das auf einen unbekannten Planeten zusteuert. Nachdem ihr weit entfernt von den anderen Crew-Mitgliedern auf diesem Planeten abgestürzt seid, habt ihr völlige Freiheit, wie ihr den Planeten erkundet, entdeckt und mit ihm interagiert. Ihr seht euren jeweiligen Standort aus der Ich-Perspektive. Von den Anderen seid ihr durch große Entfernungen getrennt, sodass ihr nur euren eigenen Standort sehen könnt. Allerdings dürft ihr mit den anderen Abgestürzten kommunizieren und sie bedingt unterstützen.

Eine Partie endet, wenn ihr eure Mission, euer Schicksal oder sogar beides erfüllt habt, oder wenn die verabredete Spielzeit abgelaufen ist.

Vantage ist kein Kampagnenspiel. Jedes Partie ist eine eigenständige Erfahrung. Ihr bringt in zukünftigen Sitzungen nur das mit, was ihr zuvor über die (immer gleiche) Welt gelernt habt.


Andrea bekam glänzende Augen beim Gedanken, in vielen, vielen Abenden, Aug‘ und Auge mit dem besten aller Ehemänner in die Geheimnisse dieser Offenen Welt einzusteigen. Der Rest der Westpark-Gamer sah es deutlich weniger euphorisch und Aaron gab am nächsten Tag seinen Senf dazu ab.

Gehypt über alle Maßen mit super Bewertungen auf BGG. Wie kommt es, dass mir ein Jamey Stegmaier Spiel nicht gefällt? Der macht doch ansonsten schön ausbalancierte, eher friedliche Spiele wie das hervorragende Tapestry. Und Open World Adventure mit SciFi-Setting klingt spannend.

Hier meine 10 Punkte, die mir gestern das Spiel verleidet haben:

1. Jeder Spieler spielt ein eigenes Minispiel ohne Interaktion mit den anderen Spielern (bis auf „Helfen“ durch Skill Tokens oder Würfelablageplätze). Das führt zu wenig bis gar keinem „Gemeinschaftsgefühl“. Für ein kooperatives Spiel sehr merkwürdig.

2. Die Beschreibung der Orte auf den Karten ist sehr knapp, oft ohne vollständige Erwähnung aller „features“ (z.B. vorhandener Wächter).

3. Die Ortsbeschreibung und die möglichen Aktionen an einem Ort passen oft nicht zusammen („hire“ obwohl man niemanden sieht). Das führt zu Schulterzucken und einem „Disconnect“ mit dem Spiel. Statt einem Abenteuer spielt man „Finde heraus, was der Designer sich überlegt hat.“

4. Wenn man einen Ort noch einmal besucht, darf man dort keine Aktionen (außer Weggehen) durchführen. Das ist völlig realitätsfern liegt aber daran, dass Orte keinen Status haben und damit die Spielmechanik nur so funktioniert (ansonsten würde bei einem erneuten Besuch eines Ortes dort gefundene Gegenstände wieder auftauchen oder bereits besiegte Monster wieder leben). Auch hierdurch wird ein Eintauchen in die Spielwelt viel zu stark behindert.

5. Die Aktionen an den Orten sind (bewusst?) kryptisch benamst. Daher ist es oft schwer sich vorzustellen, was man da gerade macht und was ein mögliches Ergebnis sein könnte. Ich frage mich was sich Stegmaier dabei gedacht hat.

6. Geplant an bestimmte Orte zu kommen ist ein Ding der Unmöglichkeit, weil es keine Info gibt in welche Richtung der liegt und es keine wie auch immer geartete Karte gibt.

7. Destinies tauchen zufällig auf und da für einen Sieg relevant, steuern einen in eine bestimmte Richtung. Zusammen mit Punkt 6 ist aber die Erfüllung der Bedingungen eher zufallsgetrieben und damit frustig.

8. Die Anzahl der Würfelablageplätze steigt im Laufe des Spiels, dadurch wird die Wahrscheinlichkeit eines „Erfolgs“ einer Aktion immer größer -> viel Würfelei für nix.

9. Die permanente Sucherei nach Karten auf Zahlenzuruf zerstört die Atmosphäre.

10. Es ist ein thematisch irrer Mix aus Fantasy und SciFi mit langweiligen Texten sowohl auf den Karten als auch für die Action-Ergebnisse in den Büchern.

Alles das führte für mich dazu, dass gestern keine rechte Abenteuerstimmung aufkam. Es fühlte sich eher wie eine repetitive, mechanistische Abhandlung der Schritte „zu einem Ort bewegen“, „irgendeine, hoffentlich sinnvolle, Aktion dort durchführen“ und „würfeln“ an. Ein Eintauchen in die Spielwelt habe ich zu keinem Zeitpunkt erlebt.

Das Experiment, ohne eine Karte als Spielplan nur mit FPV-Ortskarten eine Open World zu schaffen, sehe ich als gescheitert an. Zu groß sind die Nachteile (siehe 3. und 4.), die dann noch durch die schlechten Texte (siehe 2. und 5.) werden.


Dagegen stellte Moritz dann seinen Eindruck von diesem Spiel.

Ich respektiere das alles, nur sind viele der Kritikpunkte gerade das, was das Spiel attraktiv für viele macht.

Letztlich geht das ja alles auf das Prinzip “Spielbuch” zurück, nur, dass es hier mit interaktiven Mechanismen und Karten gelöst wird. Vorreiter war hier das Spiel “The 7th Continent”, wo das zum ersten Mal gemacht wurde. Es ist einerseits ein Brettspiel, weil man sich über einen Spielplan bewegt und eine Kartenhand managt, andererseits sind diese Karten aber nach Zahlen organisiert und man muss alle möglichen Dinge auf ihnen (mit der Lupe!) entdecken und knackige Rätsel lösen. “The 7th Continent” hat seine Fans, aber auch seine Kritiker, weil es sehr linear gestaltet ist und man in Sackgassen kommen kann, die sehr frustrierend sind.
Ja, Spielbücher sind meistens auch Rätsel, man will den idealen Weg finden. Gerade weil man Rätsel lösen will, will man nicht, dass das Spiel einen bei der Hand nimmt, gerade das Verwirrende und Obskure hat also System – man muss aus unklaren und vagen Informationen durch Raten und Ausprobieren weiterkommen. Dabei wird man immer besser, weil man immer mehr lernt.

Das Designprinzip von Stegmaier verstehe ich durchaus – er wollte das als Grundlage nehmen, aber eher ein “Open World”-Erlebnis schaffen, bei der es keinen einzigen Weg gibt, sondern sehr viele mögliche (Quests, Destinies, Missions).

Er wollte die Spielwelt bewusst mysteriös und verwirrend schaffen, damit man nicht gleich alles versteht, denn ansonsten wäre es für Fans dieses Genres (zu denen ich schon gehöre) zu langweilig.

Sein neuer Designansatz ist also, dass es keinen linearen Weg gibt, sondern viele verschiedene “richtige” Wege, man wird aber im Spiel nur besser, wenn man aus Erfahrungen lernt und immer wieder spielt. Unsere nächste Partie würde schon sehr anders verlaufen, weil wir jetzt vieles besser verstehen – wir würden also schneller zu Ergebnissen kommen und gezielter vorgehen, aber natürlich auch beim zweiten Mal nicht alles “lösen”.

Und Deine Kritik mit der fehlenden Karte: die sollen natürlich die Spieler selbst machen, und das ist auch Teil des Spielspaßes, siehe diese Diskussion hier: https://boardgamegeek.com/thread/3551652/totally-spoilerific-tips-on-vantage-map
Die Prinzipien einer solchen Karte herausfinden zu müssen ist also Teil des Designs und des “Erforschung/Abenteuer”-Erlebnis, das wegzunehmen indem man alles vorher erklärt und spoilert würde den intendierten Spielspaß eines solchen Spiels verringern, nicht vergrößern.
Ich habe schon viele solcher Spiele gespielt und natürlich mache ich mir dann irgendwann auch Notizen, Karten oder sogar Zettelkästen. Je erfahrener man in solchen Spielen wird, desto mehr versteht man, worauf es ankommt, man wird also hier “besser”, wobei aber Scheitern auch dazugehört, man kann es gar nicht 100% vermeiden.

Bei “Vantage” fand ich die Spielerzahl eher das Problem, weil die individuellen Quests nicht so gut zusammenkommen, wie es sich Stegmaier vielleicht vorgestellt hat und sich die Runden dann doch eher ziehen. Ideal sind aber vermutlich 2 Spieler, die sich sehr darauf einlassen und sorgfältig untereinander kommunizieren. Solitär geht natürlich auch.
Innovativ finde ich das Spiel mit seinem Ansatz schon, Stegmaier ist generell eher ein origineller Designer als jemand, der an alten Prinzipien sorgfältig feilt. Deswegen sind seine Spiele auch immer sehr polarisierend – manche lieben sie gerade deswegen, manche hassen sie. Als künstlerisch arbeitende Person finde ich den Willen zum Ausprobieren erst einmal grundsätzlich sympathisch bei ihm, und solche Spiele bringen das Hobby weiter.

Aber klar, man kann argumentieren, dass das auch nah an Computerspielen ist, aber das Computergenre “Adventure” (“Secrets of Monkey Island” usw.) war damals direkt inspiriert von Spielbüchern, die Inspiration ist also wechselseitig.

Dazu nochmals Aaron:
wie ich in der Einleitung schrieb, ist mir klar, was Stegmaier hier realisieren wollte und finde die Idee sehr spannend. Meine Kritikpunkte beziehen sich auf die, meiner Meinung nach, mangelhafte Umsetzung durch die kein wirkliches Abenteuer-Feeling, kein Entdeckerwille und keine Spannung bei mir aufkam. Mit meinen 10 Punkten habe ich versucht zu erklären woran das lag.
Aus einer Abfolge 1234 – lila – 1255 – grün – 1201 – gelb usw. ohne inspirierenden Flavour-Text kann ich kein Abenteuergefühl oder eine Spannung ableiten und deshalb fällt das Spiel bei mir durch.
Die Designleistung, mit über 1000 Karten eine Welt zu erschaffen, die in sich logisch ist, nur positive Ausgänge kennt und in der jede Mission und jede Destiny auch irgendwann mal schaffbar ist, möchte ich deshalb nicht abwerten.


Die Unterschiede in der Betrachtungsweise resultieren wohl aus der Erwartung von Aaron an ein „normales“ Brettspiel und die hier schätzenswerten Qualitäten wie Spielmechanik, Interaktion, angemessene Spieldauer und Dynamik, emotionale Spannung und Spaß (alles Begriffe von der KI ausgespuckt). Moritz dagegen schwelgt in den Geheimnissen einer unbekannten Abenteurerwelt.

Die KI formuliert die Unterschiede:

In Adventure-Games steht nicht in erster Linie Wettbewerb, sondern Erlebnis, Story und gemeinsame Entdeckung im Mittelpunkt. Hier die wichtigsten Unterschiede und zusätzlichen Eigenschaften, die ein gutes Adventure-Brettspiel braucht:

🎭 1. Starke Geschichte (Storytelling)
• Eine mitreißende, gut geschriebene Geschichte ist zentral.
• Entscheidungen der Spieler sollten den Verlauf der Handlung beeinflussen.
• Oft gibt es Kapitel, Szenarien oder Quests, die sich entwickeln.
🗣️ Beispiel: In „Gloomhaven“ oder „Destinies“ verändern Spieler durch ihre Handlungen die Welt und das nächste Szenario.

🌍 2. Atmosphärische Spielwelt
• Eine einzigartige Welt (Fantasy, Sci-Fi, Krimi, usw.) mit klarer Logik und Wiedererkennbarkeit.
• Illustrationen, Texte, Musik oder App-Unterstützung helfen, Immersion zu erzeugen.
🎨 Ein gutes Adventure-Game „fühlt sich an“ wie eine Welt, in der man Abenteuer erlebt.

🧙 3. Charakterentwicklung
• Spieler steuern oft Helden oder Figuren mit individuellen Fähigkeiten.
• Diese entwickeln sich im Laufe des Spiels weiter (z. B. Erfahrungspunkte, Ausrüstung, neue Fähigkeiten).
💡 Das motiviert langfristig und erzeugt emotionale Bindung.

🤝 4. Kooperation statt Konkurrenz
• In vielen Adventure-Games arbeiten alle zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
• Statt zu gewinnen oder zu verlieren, erlebt man eine gemeinsame Geschichte.
• Konflikte sind meist gegen das Spielsystem, nicht zwischen Spielern.

🧩 5. Entscheidungsfreiheit und Entdeckung
• Gute Adventure-Games bieten mehrere Lösungswege und freie Erkundung.
• Überraschungen, Geheimnisse und „Was passiert, wenn wir X tun?“ sorgen für Spannung.
• Das Spiel sollte auf Entscheidungen reagieren – z. B. durch veränderte Ereignisse oder Konsequenzen.

🗺️ 6. Wiederspielwert durch verzweigte Pfade
• Verschiedene Wege oder Enden machen das Spiel wieder spielbar, trotz fester Story.
• Ideal: Kombination aus Story-Fortschritt und spielerischer Freiheit.

🧩 7. Gute Balance zwischen Spiel und Erzählung
• Zu viel Text → Spielgefühl leidet.
• Zu wenig Story → Abenteuergefühl fehlt.
• Ein gutes Adventure-Game schafft den Mix aus Taktik, Entdeckung und Erzählung.

💬 8. Gruppenerlebnis
• Gemeinsame Entscheidungen, Diskussionen („Was sollen wir tun?“) sind zentral.
• Das Spiel sollte Teamkommunikation fördern und jeden einbinden.

Ein Gruppenerlebnis hatten wir bei Moritz allemal. Spielespaß nur eingeschränkt. Dafür haben wir uns aber beliebig viel Spaß selber dazu gemacht.

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