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25.01.2023: Dissens im Taubertal

1. “Der Taubertalexpress”

Unsere verhaltene Kritik vom November letzten Jahres zu diesem Spiel über das Transportieren von Passagieren und Waren im Taubertal, zusammen mit unserer Andeutung von Verbesserungsmöglichkeiten hat den Autor Christoph Kraus animiert, uns seine Ideen dazu vorzustellen. Er ließ uns auch gleich die zugehörigen Änderungen am Spielplan zukommen. Heute fand zum veränderten Design der Probelauf statt.

Der Taubertalexpress – Szenerie am Westpark

Moritz war bei unserer Premiere nicht dabei gewesen und musste erst eine Stunde lang mit Material und Regeln vertraut gemacht werden. Dann bekundete er, sein Erfahrungsdefizit zum Ausreizen von Extremsituationen ausnutzen zu wollen. Insbesondere reizte ihn am Spieldesign, dass die Minuspunkte, die für unbezahlte Arbeiter oder mangelnden Platz für Passagiere vergeben werden, auf Minus-5 begrenzt sind? Könnte man da nicht gleich zu Beginn mit seinen Anschaffungen ungebremst-gebremst in die Miesen gehen, um danach umso größeren Gewinn zu machen? Kann man nicht! So leicht lässt sich Christoph nicht aushebeln. Eine „Hungerstrategie“ gibt es im Taubertal nicht, zumindest keine gewinnträchtige. Auch Moritz musste sich der mühsamen Arbeit von Ackerbau und Viehzucht unterziehen, um seine Güterwaggons mit den daraus gewonnenen Gütern beladen zu können.

Walter mit Stammsitz im Badischen verzichtete wie beim letzten Mal auf den Güterverkehr und versuchte allein über schnellen Passagierverkehr seine Kassen zu füllen. Dieses Vorgehen fand Moritz unter seiner geistigen Würde, sondern höchstenfalls passend zum Intelligenzquotienten seines rechten Nachbarn, der mit dieser Qualifikation durchaus leben konnte. Aber irgendwie verschob sich der Stimmungsschwerpunkt ins Negative.

Auch Aaron verlegte seinen Wirtschaftsschwerpunkt auf Passagiere. Dazu baute er seinen Zug gleich auf drei Personenwaggons aus. Aus seiner Hessenecke ertönte dann allerdings periodisch ein verzweifeltes „geil“, wenn der Kraichgauer gerade mal wieder einen Passagier auflud, den er selber gerne transportiert hätte. Oder es ertönte ein ärgerliches „Schwachsinn”, wenn die Ressourcensteine nicht die geforderten Farben hatten. Vielleicht auch umgekehrt. (Vielleicht auch aus einem anderen Grund, der mir bis jetzt nicht ersichtlich ist.) Diese vorzeitige monotone „Wertung“ wies der gebürtige Unterfranke Walter zurück, der sich das genüssliche Herumreisen in seiner Heimat nicht vermiesen lassen wollte.

Der zugereiste „Unterfranke“ Günther war der einzige, der ruhig und sachlich alle Gegebenheiten des Spieldesigns kennenlernen, ausreizen und erst hinterher sein Werturteil dazu abgeben wollte.

Aaron hatte sich recht früh das „Stellwerk“ zugelegt, das ihm bei jedem Durchfahren der Hauptstadt Lauda einen Kohlestein zuschusterte. Im kleinen Grenzverkehr zwischen Tauberbischofsheim, Grünsfeld und Königshofen konnte er fast beliebig Passagiere transportieren, ohne dabei wesentlich Treibstoff zu verbrauchen. Als er dabei aber auch versehentlich eine nicht-vorhandene Direkt-Verbindung zwischen Königshofen und Schwäbisch Hall präjudizierte, konnte sich Walter nicht enthalten, den Zicke-Zacke-Kurs-Irrtum durch Lauda zu bewitzeln. Das war zu viel für Aaron. Er wollte nicht mehr weiterspielen. Walter vollendete diesen Vorsatz. Wir hatte ja auch schon zwei Stunden lang eine knappe Hälfte des Spiels absolviert.

Fazit: Auch wenn das Spiel hübsche Mechanismen präsentiert und eine Vielzahl verschiedenartiger Strategien zulässt, ist die Spielzeit für ungeduldige, grüblerische, die Lokalitäten nicht goutierende Spieler zu lang. Wo geht die Zeit flöten?

  1. Das Abchecken der ständig wechselnden abholbereiten Passagiere nach Start und Zielort und ihre Integration in die eigene aktuelle Streckenführung stellt ein nicht unerhebliches Transportoptimierungs-Problem dar, das bei jedem Zug neu gelöst werden muss.
  2. Das Aufnehmen und Abliefern von Passagieren mit dem damit verbundenen Umschlag von Ressourcen kann eine gewaltige Kettenreaktion nach sich ziehen, besonders wenn man bereits eine ganze Reihe von Personenwaggons gefüllt mit Passagieren in seinen Zug aufgenommen hat.
  3. Das Handling der bunten Ressourcen-Steine ist nach wie vor unnötig kompliziert. Das Überlegen, welche Farben ich mir zulege, um zusammen mit den Farb-Erträgen durch die Passagier-Ablieferung im richtigen Moment die richtige Farbauswahl für geplante Bauvorhaben zur Verfügung zu haben, ist zeitaufwändig und fehleranfällig.

Wie könnte man die Spielzeit verkürzen?

  • Moritz kam mit dem Vorschlag, die beim Abliefern eines Passagiers erhaltenen Ressourcen nicht sofort wieder in Kohle für die Weiterfahrt umsetzen zu dürfen. Das könnte noch eleganter dadurch gelöst werden, dass beim Abliefern von Passagieren überhaupt keine Ressourcen ausgeschüttet werden, sondern ausschließlich Siegpunkte und Geld.
  • Die Kettenreaktion beim Personentransport könnte auch dadurch eingeschränkt und die Auszeit für die Mitspieler entsprechend verkürzt werden, wenn jeder Passagier mindestens für die Dauer eines Aktionszuges im Zug bleiben müsste. Aber das ist nur ein Schnellschuss.
  • Die Mehrfarbigkeit der Ressourcen könnte überhaupt abgeschafft werden. Wenn ich an verschiedenen Stellen schon weiße, gelbe, blaue oder lila Ressourcen in beliebiger Zusammensetzung an mich nehmen kann, warum werden dann die Farben überhaupt unterschieden?
  • Das mühsame Erkennen von Start- und Zielort für jeden Passagier könnte durch eine massive Farbgebung unterstützt werden. Dann wäre viel schneller zu erkennen, welche roten Passagiere für meine anvisierte Fahrt ins Blauland passen könnten. Aber das wäre natürlich kontraproduktiv zu den Ambitionen des Verkehrs- und Tourismus-Amtes in Lauda-Königshofen. Wir sollen uns doch allgemein und lokal-geographisch bilden, wenn wir den Wilhelm Conrad Röntgen von Heilbronn nach Würzburg transportieren und nicht einen gelben Pöppel ins schwarze Rechts-Außen.
  • Bleibt noch der triviale Vorschlag, jedem Zug gleich zur Startausstattung einen Güterwaggon mitzugeben und dafür die Rundenzahl von 7 auf 6 zu verkürzen. Christoph Kraus wird schon wissen, warum er das anders eingerichtet hat.

Auf jeden Fall ist „Der Taubertalexpress“ ein gelungenes Objekt im Portefeuille für Öffentlichkeit der Stadt Lauda und quasi ein „Must Have“ für Spielkenner aus dem Drei-Länder-Eck. Noch dazu offenbart es im Spiel zu zweit seine besonderen Duell-Qualitäten. Spielekenner aus anderen Regionen unserer Republik werden dagegen nicht so schnell ein Auge gegenüber dieser oder jener Schwächelei zudrücken.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (bleibt, zu viele Frustelemente), Günther: 5 (die Tendenz realisiert, eine halbe Stunde für eine Hauptrunde ist immer noch zu lang), Moritz: 4 (eine Mischung aus „Age of Steam“ mit „Thurn & Taxis“; die verschiedenen Strategien sind gut ausbalanciert, Development im Sinne von „stream lining“ hat gefehlt), Walter: 7 (für die Ingenieurleistung und die Heimat).

2. “QE (Quantitative Easing)”

Letzte Woche hatte Walter schlechte Noten hierfür verteilt, heute sollte auch Moritz seinen Senf dazu geben können. Er konzentrierte sich dabei stark auf Walters vermeintliche Behauptung: „das Spiel ist broken“, dabei hatte der nur gesagt: “das Spielprinzip macht mir keinen Spaß“.

Walter begann mit der Drohung, das Spiel so zu spielen, dass sein „Kaputt-Machen-Können“ zum Tragen kommt. Sollte das jetzt heißen, dass er wieder nichts bieten wolle oder dass er mit superhohen Geboten alle Scheiben erwerben und so das Spiel verderben wollte?

Moritz als Neuling begann die Auktion mit einem vorsichtigen 100er Gebot, und Walter bekam die erste Scheibe. Wieviel hatte er geboten? Günther raunte etwas von Millionen.

Aaron versteigerte die zweite Scheibe für 1000 Euro, und wieder bekam Walter den Zuschlag. Selbst die dritte Scheibe, für die Günther schon mal 10.000 Euro angesetzt hatte, ging an Walter. Der ließ die Katze aus dem Sack, als er die vierte Scheibe für 30.000 Euro auf den Markt brachte. Er hatte sich also anders besonnen und – semi-geplant aber höchst erfreut – die ersten drei Scheiben für etwa diese Summe unter den Nagel reißen können.

Das war auch die Größenordnung, in der ab sofort die restlichen Scheiben ihren Besitzer fanden.

Der Vorsprung war fast nicht mehr einzuholen. Moritz hätte der Forderung von 30.000 Euro für die letzte Scheibe widerstehen sollen, dann wäre Walter doch noch ausgehebelt worden.

Hallo Michael, das Spiel “funktioniert zu viert oder fünft”. Tatsächlich! Zu dritt möchte ich das Funktionieren immer noch bezweifeln. Aber weder zu dritt, zu viert oder zu fünft möchte ich mich noch einmal darauf einlassen. Nicht einmal als Absacker.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (bleibt; ich könnte es den ganzen Abend spielen), Günther: 7 (bleibt), Moritz: 6 (das Spiel ist nicht broken. [WS: die beste Aussage, die sich Moritz zu QE herausquetschen ließ]); Walter: 4 (1 Punkt mehr; ich habe das Spielprinzip jetzt verstanden, aber mehr Spaß hat es nicht gemacht. Ich wüsste nicht, warum ich es noch einmal spielen sollte).

2.11.2022: Im fränkischen Drei-Länder-Eck

1. “Der Taubertalexpress”

Wo fließt denn die „Tauber“? Zumindest durch Tauberbischofsheim, der Schmiede für Olympische Goldmedaillen für deutsche Fechter und der Heimat unseres geschätzten Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees. Ansonsten weiß man darüber (wohl) nicht viel. Deshalb hat die Stadt Lauda-Königshofen ein touristisches Programm aufgelegt, in dessen Verlauf auch dieses Spiel über den „Taubertalexpress“ entstanden ist. Da das Taubertal wohl ziemlich lang aber nicht breit genug war, hat man in das Spielbrett auch noch Main und Neckar eingeschlossen, so dass unser Express jetzt von Miltenberg bis Crailsheim und von Heidelberg bis Würzburg durch das badische, württembergische und bayerische Franken kurvt.

Mein Geburtsort liegt nur etwas 10 km nördlich von Miltenberg und so sind mir die verschiedenen Orte, die unser Express ansteuert, namentlich wohl vertraut. Ich kann mich noch gut erinnern, dass der Eilzug, der durch unser Dorf ohne Halt durchgerauscht ist, als Zielstation Seckach-Osterburken hatte. Wir hatten keine Ahnung, wo das lag, es hätte auch Buxtehude hinter Grinnelili sein können. Blasphemische Frage: Wer von euch kennt schon Osterburken? Da tut ihr euch natürlich etwas schwerer, wenn ihr gerade unseren Bundespräsidenten Theodor Heuss mit dem Taubertalexpress von Mosbach nach Grünsfeld transportiert, aus dem Handgelenk heraus zu entscheiden, ob es sich lohnt, einen Umweg über Bad Mergentheim zu machen, um den dort ansässigen Benediktinerabt aufzulesen und ihn früher oder später in Wertheim aussteigen zu lassen.

Das wesentliche Element des Spieles ist es, in jedem der 7 Durchgänge a 3 Runden mindestens einen Pflichtpassagier an seinem Startbahnhof abzuholen und an seinem Zielbahnhof abzuliefern. Nicht ganz. Man muss zu Beginn jedes Durchgangs einen freien Wagen haben, den man für den Pflichtpassagier unverzüglich reservieren kann. Da man zu Spielbeginn aber nur einen einzigen Wagen hat, ist das Reservieren, Aufnehmen, Transportieren und Abliefern mehr oder weniger zwangsläufig, sofern man keine Strafpunkte kassieren möchte.

Natürlich wird man so früh wie möglich weitere Wagen an seinen Express anhängen, um beim Transport flexibler zu sein, vor allem aber auch, um aus einer offenen Passagier-Auslage weitere Passagiere aufzunehmen zu können und Strecken-Synergie beim Transport zu nützen.

Man kann anstelle von Personenwagen seinem Express aber auch Güterwagen angliedern und damit einen lukrativen Warentransport initiieren. Die Waren liegen aber nicht einfach so auf der Strecke, sondern wir müssen erst an entsprechenden Bahnhöfen Gütergebäude errichten, damit die Bauern dort ihre Zuckerrüben und Weintrauben abliefern und lagern können, bis der nächste Zug vorbeikommt und sie en passant mitnimmt.

Abladen darf man Güter nur an Bahnhöfen, an denen auch Passagiere aussteigen, und selbst dort nicht überall, sondern nur dort, wo die aussteigenden Passagiere ein Güterverladen akzeptieren. Theodor Heuss z.B. hat nicht toleriert, dass man an seinem Zielbahnhof auch noch Gemüse ablädt. Wer sich also auf Gütertransport verlegt, sollte darauf achten, dass seine Passagiere möglichst gemüsetolerant sind.

Viele hübsche Elemente hat das Spiel in sein Design integriert. Es erinnert an eine ganz frühe 1830 Implementierung – vor vielleicht 30 Jahren – wo wir auf unseren Strecken ebenfalls Güter produzieren und transportieren mussten. Jetzt kommt aber ein ganz hässlicher Mechanismus. Wir steuern unsere Aktionen durch Aktionssteine, die in fünf Farben vorliegen. Sie haben keine eigenständige thematische Bedeutung, sehr wohl aber eine wichtige Bedeutung für unsere Aktionen. Um unseren Express von Bahnhof zu Bahnhof zu bewegen benötigen wir einen Aktionsstein beliebiger Farbe. Da wir bei unserem Transport in der Regel viele Bahnhöfe anfahren müssen, können durch einfachste Auswahl der „Fahrsteine“ fast jede beliebige Farbkombination an Aktionssteinen in unserer Hand zurückbehalten. Dagegen sind zum Errichten von Gütergebäuden, zum Produzieren von Waren, vor allem aber zum Ausbau des Zentralbahnhofs Lauda wohldefinierte Farb-Kombinationen von Aktionssteinen notwendig. Wenn wir jetzt gegen Rundenende beim Fahren zufällig die falsche Farbe verschwendet hat – meist gibt man fast alle seine Aktionssteine ab -, und zu Beginn eines Durchgangs die notwendigen Aktionssteine entsprechender Farbe nicht ausreichend angeboten werden oder von Mitspielern bereits an sich genommen wurden, kann man in die Röhre schauen. Schlechte gelaufen!

Diese Aktionssteine und ihr Handling ist das größte Hemmnis für ein flüssiges, freudvolles Spiel. Warum hat man nur diese schwerfällige Lösung gewählt.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (unnötige Kleinteilerei, zu zweit bekäme das Spiel vielleicht 6 Punkte), Günther: 4 (mit Tendenz zu 5; diese wenigen Punkte tun einem richtig weh; mit “Hausregeln“, d.h. mit Vereinfachung unnötiger Verkompliziertheit, könnte man das Spiel flüssiger und spielbarer machen), Walter: 5 (eigentlich hat das Spiel eine Substanz für 7-8 Punkte, warum hat man nur so viel Korinthen hineingekackt?!).