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15.02.2023:Fußvolk in Firenze

1. “Florence”

Die „Händler“ sind es nicht, die hier die Straßen von Florenz bevölkern, es sind die Bürgerlichen und die Möchtegerns, die durch die Straßen eilen, um einen Blick auf die führenden Personen des Hauses Medici zu werfen, oder umgekehrt, von ihnen gesehen zu werden und damit vielleicht einen Vorteil zu erhaschen. Dies ist das Thema von „Florence“.

Drei Medicis fahren in ihren Kutschen (rot, rosa und blau) unsichtbar durch die Innenstadt, und wir müssen uns möglichst zahlreich und potent an den Stationen ihrer Fahrt positionieren. Entsprechend erhalten wir Siegpunkte.

Jeder Spieler hat 5 Debütanten, 3 Donnas und 1 Maestro, den er mit Zeiteinheiten (= Geldeinheiten) an den Kreuzungen platziert, wo die Kutschen vorbeikommen oder halten werden. Das ist relativ teuer. Um einen Debütanten zu platzieren, muss man schon ein Drittel des Startkapitals hinblättern. Und um ihn dann in eine Donna zu konvertieren, ginge schon mehr als die Hälfte unseres Restkapitals drauf. Damit hätten wir nach zwei Zügen unser Pulver bereits verschossen und müssten auf die nächste Runde warten, in der uns allen nach einem zufälligen Schlüssel wieder neue liquide Mittel zufließen. Wir können allerdings auch billigere Züge machen oder passen und unser Kapital für die nächste Kutschfahrt sparen.

Insgesamt 9 solcher Kutschfahrten werden unternommen. Wir wissen immer drei Runden vorher, wo die Reise einer der farbigen Kutschen enden wird und welche Strecke dabei genommen wird. Je nach Farbe der Kutsche bekommen wir für die best-positionierte Figur auf der Strecke ein paar Punkte, und für (fast) jede unserer Figuren am Ziel einen ganzen Batzen davon. Hier im richtigen Moment die richtigen / meisten / höchstwertigsten Figuren platziert zu haben, ist eine der Herausforderungen des Spiels.

Ein Westpark-Trio in “Florence”

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Doch kann man hier dem Mahlgeschick der Mitspieler ins Handwerk pfuschen, wenn man an Giovanni di Medici rechtzeitig ein „Geschenke“ verteilt hat. Dann darf man an ausgewählte Kreuzungen einen „Türsteher“ platzieren, der die eigenen, neu hinzukommenden Figuren auf die vorderen Plätze schiebt.

Die Stehplätze an einer Kreuzung sind limitiert. Wenn alle belegt sind, dann hat man das Nachsehen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Unter Umständen bekommt man allerdings die Möglichkeit, eine fremde Figur an einer begehrten Kreuzung gegen eine eigene Figur von einer benachbarten Kreuzung auszutauschen. Leider haben wir hier die Regel falsch verstanden und falsch gehandhabt: „Swap 1 Family Member you have with an adjacent Familiy Member“ heißt es im Regelheft. Hier steht nichts darüber, dass die geswappte Figur ebenfalls aus unserer Familie stammen muss. So haben wir es aber gehalten und damit war das Swappen praktisch bedeutungslos.

Über Geschenke haben wir schon gesprochen. Auch die anderen Medici-Mitglieder sind Geschenken nicht abgeneigt und gewähren dafür Vorteile beim Bewegen unserer Figuren von Kreuzung zu Kreuzung oder über „Skandalkarten“, die verschiedenen Unfug erlauben.

Außer durch rechtzeitiges Erscheinen an der Kutschenstrecke kann man vor allem durch „Protzen“ massig Punkte machen. Auf dem Spielfeld gibt es neun Positionen, an denen man Freibier (na ja, es wird wohl Freiwein sein) ausschenken kann. Entsprechend den neun verschiedenen Kriterien, die hier angegeben sind (Anzahl, Rang und Position eigener Figuren in Kreuzungsreihen oder Kreuzungsspalten) bekommt man dann Siegpunkte. Wer zu früh protzt, hat natürlich erst wenig Substanz auf dem Spielfeld und bekommt entsprechend wenig, wer damit wartet, geht zwar die Gefahr ein, dass ein Mitspieler ihm eine Protzposition wegnimmt, bekommt dafür aber erheblich mehr. – Im Prinzip eine hübsche Spielidee. Allerdings ist das Abchecken des eigenen Besitzstandes an den neun Position nach den neun verschiedenen Kriterien, unter Einbeziehung von Besitzstand und Ambitionen der Mitspieler, eine zeitraubende Angelegenheit. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist – für die ambitionierten Rechner am Westpark – etwas unglücklich.

„Florence“ ist eigentlich ein schönes Spiel. Wie es sich für einen Kick-Starter gehört, ist es reichlich mit hübschem Material ausgestattet. Leider nicht immer funktionell. Simple Scheiben anstelle der hübschen Holzfiguren für Debütanten etc. wären an den Kreuzungen leichter zu platzieren und einfacher zu verschieben gewesen. Noch dazu kann der „Türsteher“ beim Zählen leicht mit einer Figur verwechselt werden; und oft genug steht er allen im Weg.

Beim Design des Stadtplans von Florenz hat man eher an ein ehrwürdiges Fresco von Leonardo gedacht als an eine Unterstützung des Spielablaufes. Die Kreuzungen und ihre zugehörige Umgebung sowie die (freien) Stellplätze sind nicht gut zu übersehen, das Erkennen der Wegführung für unsere Figuren erfordert einige Übung, genauso wie der Streckenverlauf der Kutschen.

Ein nicht unerheblicher Design-Fehler wird erst am Ende erkennbar. Jeder Spieler sollte alle seine Figuren bei Spielende an definierten Kreuzungspunkten stehen haben; die mittels einer individuell zugeteilten Plankarte angezeigt sind. Dafür wird eine Schlussprämie an Siegpunkten ausbezahlt. Wenn zufällig der Endpunkt der letzten Kutschfahrt unter den eigenen Planpunkten ist, hat man Glück gehabt und kann sich hier punktverlustlos engagieren. Ist dieser Endpunkt allerdings nicht unter den eigenen Zielpunkten, muss man entweder auf eine erkleckliche Summe seiner Schlussprämie oder auf die Siegpunkte für die letzte Kutschfahrt verzichten. Hier hat der Zufall an ungeeigneter Stelle seine Hand im Spiel.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel Mitspieler-Chaos; die Skandal-Karten gefallen mir gar nicht), Günther: 6 (die Regeln sind nicht intuitiv), Moritz: 6 (das Spiel funktioniert; bemerkenswert ist, dass die Spielerreihenfolge – bezüglich Siegpunkten – sich von der ersten bis zur letzten Wertung sich nicht mehr geändert hat; dahinter könnte ein Design-Problem stecken), Walter: 5 (schöne Spielelemente, hübsches Material, das „Protzen“ enthält eine sinnvolle antagonistische Idee, doch das dominierende Gerangel um Majoritäten und Prioritäten ist nicht mein Fall).

2. “Bluff”

Beim letzten „Bluff“, vor einem halben Jahr, war Walter im Nu draußen. Diesmal erwischte es Aaron, der nach zwei Runden seine 5 Würfel losgeworden war und sich nach Hause verabschieden durfte. Günther und Walter standen sich im 1:1-Endspiel gegenüber. Günther hatte Moritz herausgekickt und musste die erste Vorgabe machen. Er hatte eine 2 gewürfelt und peilte die Lage, ober er mit Walters Immer-die-4 oder mit seiner eigenen Immer-die-5-Strategie antreten sollte. Ehrlichkeit hätte ihm heute den Sieg gebracht.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.