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17.10.2012: Nie wieder Schweiz

Unvermutet flatterte am Westpark ein Brieflein der Berner Kantonspolizei ins Haus. So etwas verspricht ja grundsätzlich nichts Gutes. Der Hausherr war sich keiner Schuld bewußt, hatte er doch auf der Durchreise durch die Schweiz mit Gefühl, Verstand und Tempomat eine jegliche Geschwindigkeitsbeschränkung sicher im Griff gehabt, und den Abstecher nach Bern mangels Parkplatz-Fränkli ohne ein einziges Mal stehen zu bleiben wieder abgebrochen.

Doch die Schweizer hatten trotzdem eine Verkehrswiderhandlung entdecken können. Auf der Autobahn bei Frauenkappelen wurde das Münchener Auto statt der erlaubten 120 km/Std mit 128 km/Std gemessen. Nach Abzug der schweizer Präzisions-Sicherheitsmarge ergab das genau 2 (in Worten: zwei) km/Std zu viel. Bussgeldbetrag: 20 CHF oder 17,25 €, zu zahlen auf ein Konto bei der Deutschen Postbank in Karlsruhe.

Könnt Ihr ihm verdenken, dass der Hausherr auf das Überweisungsformular eingetragen hat: „Nie wieder Schweiz“? Der Ausflug mit dem Glacier-Express ist gestrichen, und die nächste Tour nach Südfrankreich geht über Stuttgart, Nancy, Lyon. Hallo Peter Steinbrück, stopp dem Schäuble seinen Schmusekurs!

1. “Helvetia”
Ach, da hat mich die Schweiz doch gleich nochmals erwischt! Horst hatte sich eigens darauf vorbereitet, da konnte ich es ihm nicht abschlagen! Langsam und präzise wie ein Schweizer Gendarm führte er uns in die Spielregeln ein. Acht eng bedruckte Seiten Regelheft gilt es zu meistern. Normalerweise eine Kleinigkeit, aber für einen Berner Blitz…

Wir haben männliche und weibliche Spielfiguren. Wir lassen sie auf unseren eigenen Feldern arbeiten, oder wir verheiraten sie ins Nachbardorf und lassen sie dort arbeiten. Der Arbeitsertrag gehört uns; die Kinder, die sie kriegen, gehören dem Nachbarn.
Fünf Berufe leiten den Spielefortschritt. Beim Kataster kaufen wir neue Felder, der Fuhrmann bringt unsere Erzeugnisse auf den Markt, der Nachtwächter weckt unsere Männer und Frauen aus dem Dornröschenschlaf auf, in den sie unweigerlich fallen, wenn sie eine einzige Arbeit erledigt haben. Der Pfarrer verheiratet Alt und Jung ins Nachbardorf und die Hebamme bringt den Nachwuchs zur Welt, den die Mischehen auf unseren eigenen Feldern gezeugt haben.
Mit bunten klobigen Holzfränkli honorieren wir die Dienstleistungen. Neue Grundstücke zahlen wir mit Naturalien, die wir auf unseren Feldern (oder mit unseren Halbeheleuten in Nachbars Garten) ernten. Zuweilen muss man eine ganze Produktionskette in Gang bringen, um ein veredeltes Endprodukt zu erhalten: Aus Heu mach’ Ziege, aus Ziege mach’ Käse.

Wer ein bestimmtes Produkt auf den Markt bringt, erhält Siegpunkte und zusätzlich Sonderpunkte, wenn er dabei der erste ist. Weitere Siegpunkte gibt es für ausgewählte Zusammenstellungen von gelieferten Produkten, und für eine vollständige Bebauung rund ums eigene Dorf. Temporäre Siegpunkte gibt es für die höchste Zahlung an die leitenden Berufe. Wer in einer Runde am meisten für Kataster, Fuhrmann etc. hingeblättert hat, bekommt dafür je einen Siegpunkt und darf die entsprechende Berufsgruppe in der nächsten Runde noch einmal kostenlos nutzen.

Hübsch ist das Spieltempo organisiert. Jeder Spieler kann seine Holzfränkli peut-a-peut auf die verschiedenen Berufe verteilen, er kann sie aber auch mit einem Schwung auf einen einzige Beruf setzen, z.B. alles dem Pfarrer geben und dann gleich vier Familienmitglieder auf einmal verheiraten. Haben alle bis auf einen Spieler ihre Fränkli gesetzt, ist eine Runde zu Ende. Das Restguthaben des letzten Fränkli-Besitzers verfällt. Dafür wird er Startspieler in der nächsten Runde.

Es gibt eine Menge kleiner Dinge zu überlegen, die ihren Effekt erst mehrere Runden später zeigen:

  • Welche Felder sind zu welchem Zeitpunkt gut und notwendig? Welche ergänzen sich zu Produktionsketten?
  • Welche Produkt-Zusammenstellungen liefern Sonderpunkte; welche davon sind noch zu haben?
  • Lege ich mir einen männlichen oder einen weiblichen Nachwuchs zu (Heiratschancen)?
  • Setze ich alle oder nur wenige Franken ein (Erwägungen zum Rundenende)?
  • Bei welchen Berufen kann ich noch die Dotierungs-Mehrheit erringen.

Glücklicherweise war Günther, unser notorischer Denker, in Essen. Wir nahmen es heute alle sehr spielerisch. Auch wenn die graphische Darstellung von Feldern und ihren Produkten die Abhängigkeiten im schweizer Uhrwerk nicht leicht erkennen ließen, war es eine gute Stunde lockerer, planerischer Unterhaltung.

WPG-Wertung: Chrissi: 8 (strategisch planbar, keine störenden Zufallselemente), Horst: 7 (ähnliches Thema wie „Village“, aber doch eigenständig), Walter: 7 (große Entscheidungsfreiheiten, flüssig und konstruktiv. Wollte allein wegen der eierköpfigen Wegelagerei der Schweizer Beamten nur 2 Punkte vergeben. Ach guter Matthias Cramer, hättest Du Dein Spiel nicht „Norwegen“ nennen können? Auch dort gibt es Berge, Wasser, Kühe und Milch!).

PS: Horst meinte, ein angemesseneres Motto für diese Woche wäre: „Nie wieder Schweden!“ gewesen. Doch die Schweden sind erstens großzügig, gönnen uns genauso viel wie sich selbst, und verpassen dazu Jogi Löw und Genossen eine nützliche Lehre auf dem Weg zur nächsten Weltmeisterschaft. Wir sind schon wieder ein Quentchen klüger geworden. Hoffentlich.
Dagegen ist Oliver Pochers „Nie wieder Vier-Gewinnt!“ eher einer seiner üblichen Kalauer.

2. “Im Wandel der Zeiten Würfelspiel”
Das ordentliche kleine Würfelspiel lag schon vor drei Jahren mit akzeptablem Echo bei uns auf dem Tisch. Wir würfeln um Personal, Nahrung und Einkommen. Mit dem Personal bauen wir Städte (um mehr Würfel nutzen zu dürfen) oder Monumente (für Siegpunkte), mit der Nahrung ernähren wir unsere Städter und mit dem Einkommen kaufen wir uns Errungenschaften, die uns vor Hunger, Durst und bösartigen Würfelergebnissen der Mitspieler schützen.

Gutes Würfeln am Anfang bringt – über die zusätzlichen Würfel – schnelle Vorteile, die im Prinzip nicht wieder ausgeglichen werden. „Ravensburger“ hätte die Spielidee wahrscheinlich als „Kniffel-Variante” abgetan (siehe Spielbericht vom 26.09.2012). Doch „Pegasus Spiele“ hat dem Hoffen und Träumen bei der Kombinierbarkeit von Würfeln mit einer gelungenen Materialausstattung eine Chance gegeben. Schon allein dies und die kurze Spieldauer sind einen Punkt wert.

WPG-Wertung: Chrissi: 7 (ausgewogene Würfeleigenschaften), Horst: 8 (Würfel-Fan; das Spiel kann auch solitär oder als 2-Personenspiel gespielt werden und ist für Gelegenheitsspieler anbietbar), Walter: 6 (bleibt; immerhin für „nur“ ein Würfelspiel!).

28.10.2009: Erste Früchte aus Essen

Aaron, Günther und Moritz sind aus Essen zurück. Die Spielmesse wird von Jahr zu Jahr größer, voller und gigantischer. “Wie war die Stimmung?” Besser als letztes Jahr, wo die Wirtschaftskrise gerade zum Durchbruch kam. Wenn die Leute weniger Geld für Vergnügen und Gastronomie ausgeben, dann bleiben sie zu Hause und spielen auch häufiger. Inshallah!
1. “Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel”
Ein Würfelspiel zum Erwürfeln von weiteren Würfeln, zum Erwürfeln des Rechts auf Erneutes-Würfeln, zum Erwürfeln von Erträgen an Waren und Nahrungsmitteln und zum Erwürfeln von erhöhten Erträgen bei Waren und Nahrungsmitteln. Dieses Prinzip ist von “Um Krone und Kragen” her bestens bekannt, allerdings ist die Aufmachung etwas pfiffiger, jeder hat das Gefühl, er sei seines Glückes Schmiedchen und recht zügig – in 30 Minuten – ist ein Spiel über die Runden gebracht.
Unser Moritz hatte die Gewinn-Strategie als erstes durchschaut: Die höchste Priorität beim Würfeln hat die Erhöhung der Würfelzahl, mit denen man ab der nächsten Runde würfeln darf, dann erst muß man sich um die siegpunkte-trächtigen Würfelergebnisse kümmern. Am Ende ergibt sich der Sieg aus der Summe aller Errungenschaften, die man sich im Laufe des Spiels erwürfeln konnte.
Zum Spielmaterial gehört ein hübsches Holzbrett auf dem jeder Spieler seinen Besitzstand an Waren und Nahrungsmitteln markieren kann. Weiterhin bekommt jeder ein ausgefeiltes Formularblatt, auf dem er seine Errungenschaften notieren kann. Didaktisch gelungen und übersichtlich. Aber halt nur ein Würfelspiel.
Frage am Rande: Ist im Grunde nicht auch der Massenanziehungssport Fußball nur ein Würfelspiel? Man betrachte nur das Pokal-Ergebnis zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth – und dem Schwabenstolz VfB.
WPG-Wertung: Moritz: 8 (schnell und gelungene Thematik), Aaron: 6 (schnell, sucht noch die Thematik), Walter: 6 (schnell, sucht auch noch die Thematik).
2. “Tammany Hall”
Wir sind New Yorker Aborigines auf der Südspitze von Manhattan und müssen den Einwandererstrom auf unsere politische Seite ziehen, damit wir Bürgermeister werden und Siegpunkte verbuchen können.
Ein Spiel besteht aus 4 Phasen (“Amtszeiten”) zu je 4 Zügen (“Jahren”). Einwanderer verschiedener Nationalität tauchen vor der Küste auf, und wir dürfen pro Zug zwei Pöppel (“Bezirksbosse unserer Partei”) auf beliebige Regionen in Manhattan setzen oder einen Einwanderer-Kubus in unsere Region lassen und dafür einen Einwanderer-Bonus kassieren.
Alle 4 Jahre wird gewertet, wer in einer Region die meisten Bezirksbosse sitzen hat und wer von den verschiedenen Einwanderer-Nationen jeweils die meisten auf seine Seite gezogen hat. Entsprechend werden Siegpunkte verteilt.
Gegen die Bezirksbosse der Mitspieler dürfen wir Verleumdungskampagnen entfachen. Der Verleumdete kann sich nicht wehren, sondern ist unweigerlich ein toter Mann; allerdings muß der Verleumder dafür einen Einwanderer-Bonus abgeben, so daß sich die Vor- und Nachteile auf beiden Seiten ziemlich ausgleichen. Nur der unbeteiligte dritte und vierte Mitspieler kommt ungeschoren davon. Klares Prinzip: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.”
Dieses Prinzip ist natürlich kontraproduktiv zum naheliegenden und gewollten Verleumdungskampf gegen den politischen Gegner. Ein wichtiges Spielelement schadet dem, der es anwendet und dem, gegen den es angewendet wird. Das erscheint zweifellos als eine Schwäche des Spiels. Unsere Lämmer Aaron und Walter gingen sich gegenseitig wie die Wölfe an die Wolle und unser Wolf Moritz spielte friedlich wie ein Lamm und konnte so haushoch gewinnen.
Moritz übernahm ab der zweiten Amtsperiode den Bürgermeisterposten und gab Walter einen lukrativen Unterposten innerhalb der Administration. Hocherfreut nahm Walter den Posten an und bot Moritz gleich einen Deal an: “Wenn Du mir in der nächsten Amtsperiode den gleichen Posten gibst, greife ich Dich in dieser Amtperiode nicht an!” Moritz sagte bedenkenlos zu. Da ereiferte sich Aaron: “Das ärgert mich jetzt richtig! Moritz, das ist dumm, was Du jetzt machst! Das ist Kingmakerei!” Dabei half Moritz mit seinem Eingehen auf diesen Nichtangriffspakt nicht einem Dritten auf dem Thron, sondern er sicherte sich seinen eigenen Thron und verhalf Walter damit nur auf den zweiten Platz. Also war das höchstenfalls Queenmakerei. “Honi soit qui mal y pense!”
WPG-Wertung: Aaron: 7 (wie “El Grande” komplex), Moritz: 6 (reizt nicht zum Wiederholen; wie “El Grande” simple), Walter: 7
3. “Fzzzt!”
Der Name soll an den Zischlaut erinnern, wenn ein elektrischer Funke überschlägt. Auf der Schachtel steht als Kurzbeschreibung: “A futuristic robot auction game with some dodgy mechanics”, auf Babelfish-Deutsch: “Ein futuristisches Roboterauktionspiel mit einigen zweifelhaften Mechanikern”.
Ein Kartenspiel zum Ersteigern von Karten, mit denen man erstens Siegpunkte gewinnt oder mit denen man zweitens seine Kartenhand laufend verbessert. Also quasi ein Biet-Dominion.
Im eingeschwungenen Zustand darf sich jeder Spieler 6 Auktionskarten aus seiner Kartenhand auswählen und damit auf ausliegende Karten bieten. Verdeckt bieten! Dieses Bietchaos ist der ganze Witz des Spiels. Immerhin. Wer am Ende die beste Kombination von Karten ersteigert hat, ist Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (aus Ärger über seinen grottenschlechten ersten Zug, der seinen Totalverlust besiegelte, Moritz: 7 (besitzt Lerneffekt; beim nächste Mal würde ich manches anders spielen), Walter: 6 (ganz lustig, mag aber keine blinden Auktionsspiele)