Schlagwort-Archive: Melee

29.10.2014: Lebendige und Tote

Aaron hat in diesen Sommer an zwei Crowdfunding-Projekten der Spieleschmiede teilgenommen:

  1. Neuauflage von „St. Petersburg“ zusammen mit Hans im Glück (alleine schon wegen der neuen Spielphase; zudem bürgt HiG immer für Qualität)
  2. „Historia“ zusammen mit Giochix.it (sehr gutes Civilization Spiel, über das es nur Positives zu lesen gab)

Beide Spiele hatten einen angekündigten Erscheinungstermin vor Essen, und beide Spiele waren in Essen auch zu erwerben. Leider aber konnte man „aus logistischen Gründen“ dort als Förderer seine schon bezahlten Exemplare nicht abholen. So warten wir heute noch immer auf diese beiden Spiele.

Und nun zum Preis. Für „St. Peterburg“ waren 38 € als Förderer fällig. In Essen kostete dieses Spiel dann regulär 35 €, bei Heidelberger wurde es am letzten Messetag im Bundle mit Pantheon zusammen(!) sogar für sage und schreibe nur 25 € hergegeben! „Historia“ ist inzwischen auch schon im Online-Handel bestellbar, für 12% weniger als Aaron dafür bezahlt hat.

Nachdem er schon bei „Stimmvieh“ von Andrea Meyer die Erfahrung gemacht hatte, dass man als Förderer offenbar mehr bezahlt als den späteren regulären Preis (16,80 € statt 12,40 €), hat Aaron sich schon fast mit diesen Mehrkosten abgefunden (insbesondere, da man ja noch „exklusive“ Förderer-Add-ons bekommt).

Wenn mit dem Mehrpreis aber zusätzlich einhergeht, dass man sein Spiel später erhält als reguläre Käufer, fragt man sich dann aber doch, warum man da eigentlich mitmachen soll. Gut, hätte man nicht gefördert, wäre das Spiel vielleicht nie gemacht worden. Auf der anderen Seite leistet man aus Idealismus eine Anschubfinanzierung für etwas, was sich später vielleicht als Gurke herausstellt.

Die Spieleschmiede hat mit dieser Marktpolitik dem Crowdfunding von Spielen ganz sicher einen ziemlichen Bärendienst erwiesen: diese Kombination aus drei Risiken (teurer, später, schlechter) ist irgendwie nicht tragbar und kann auf Dauer nicht gut gehen.

PS: Während des heutigen Spielabends kündigte die Spieleschmiede Aaron per E-Mail einen Gutschein über 3 Euros an. Damit kann man fast schon Porto und Verpackung für die nächste Bestellung bezahlen.

1. “Dead Drop”

Tropfen leben, Briefkästen auch, selbst tote Briefkästen können ein bewegtes Leben haben. Ob „Dead Drop“ in diese Kategorie der Lebendigen fällt – wir möchten es bezweifeln.

Das Deduktionsspiel enthält 13 Karten mit Zahlen zwischen 0 und 5. Eine Karte davon wird verdeckt auf den Tisch gelegt, die anderen Karten werden an die Spieler verteilt, ein paar von ihnen kommen noch in eine offene Auslage. Die Spieler müssen mit ihren Aktionen nun herausfinden, welches die verdeckte Zahl ist. Dazu dürfen sie:

  • Eine Handkarte mit einem Mitspieler tauschen. Der Mitspieler entscheidet frei, welche Karte aus seiner Hand er zurückgibt.
  • Eine Handkarten gegen eine der offenen Karten auf dem Tisch tauschen.
  • Zwei Handkarten einem Mitspieler zeigen: Wenn dieser eine Zahlenkarte mit der Summe der beiden Karten hat, muss er sie gegen eine der beiden Karten herausgeben.

Wer glaubt, genug Karten gesehen zu haben, um zu wissen, welches die verdeckte Karte NICHT ist, kann messerscharf daraus schließen, welches sie ist. Allerdings darf er dann nicht einfach herausplatzen, z.B. „Es ist eine 2“, er muss noch in seiner Hand zwei Karten eingetauscht haben, deren Summe genau die ermittelte Zahl ergibt. Das ist nicht so einfach.

Walter bekam zu Beginn die einzige 5 und 4 des Kartensets ausgeteilt, ein Haufen 0er (alle?) waren zu sehen. Er tauschte mit Moritz und bekam eine 2 (davon mußte Moritz offensichtlich genug haben). Und Aaron wollte von Günther mit zwei Handkarten eine definierte Karte sehen, mutmaßlich eine 2 oder 3. Eine etwas vage Schlussfolgerung: Die verdeckte Zahl muss eine 1 sein. Und wenn diese Schlussfolgerung falsch ist, dann hat die dröge Deduktion wenigstens ein Ende.

Allerdings hatte Walter weder eine 1 noch eine 0 auf der Hand und somit keine Chance, die erforderliche Karten-Summe auf den Tisch zu legen. Drei Runden lang Tausch mit allen Mitspielern, aber keiner rückte weder eine 0 noch eine 1 heraus, und am Tisch lag auch keine davon. Das ging dann über seine Spiel-Toleranz. Rundenlang stumpfsinniger Kartentausch mag praktizieren wer mag. Er forcierte das Ende. Mehr oder weniger alle waren froh, aus dieser Deadlock-Situation befreit zu sein.

Aber das ist nicht die einzige Dead-Lock-Situatiuon in „Dead Drop“. Laßt sie uns gar nicht erst alle aufzählen, es strotzt davon.

WPG-Wertung: Aaron:1 (broken, funktioniert nicht) , Günther: 3 (Deduktion ohne Notizbuch ist sowieso schon mal problematisch, das ist etwas für 20-30 Jährige, aber nicht für 60 Jährige), Moritz: 2 (witzlos), Walter: 1 (sprachlos).

Das Crowdfunding-Spiel ist noch nicht erschienen. Bis morgen kann man für 22 Dollar die Luxus Edition, und für 12 Doller die Basis-Version zeichnen. Dakota tribal wisdom says that when you discover you are riding a dead horse, the best strategy is to dismount. In meinem Archiv gibt es mindestens einundzwanzig Alternativ-Vorschläge, mit einer solchen Situation umzugehen. Eine davon lautet: „Buying a bigger whip.“

Oh, da fällt mir ein, wie das Spiel funktionieren könnte: Als Kooperationsspiel! Die Spieler müssen gemeinsam herausfinden, welches die verdeckte Zahl ist. Je schneller, desto besser!

2. “Melee”

Das enge Schlachtfeld von "Melee"
Das enge Schlachtfeld von “Melee”

Angeblich eines der Highlights von Essen 2014. Allerdings ist die Scout-List von „Fair Play“ jenseits von Gut und Böse. Wer diesem Laden kein Spiel schenkt, wird gnadenlos aus der Liste gestrichen, selbst wenn er dort gerade einen Platz unter den Top-10 eingenommen hat. Bei solch einem rowdyhaften Vorgehen bekommen deren windschiefe Statistiken noch dazu einen betrügerischen Anstrich! Da kann jetzt „Melee“ natürlich nix dafür.

Es ist ein braves, kurzes Kriegsspiel. Wir leisten uns Ritter, Knappen, Katapulte und Marketender und stillen damit unsere Kriegsgelüste. Ritter und Knappen rücken auf Nachbarfelder und Nachbarschlösser vor. Dort stellen sie sich einem edlen Zweikampf. Katapulte machen einen Nachbarn ganz unedel platt, sind es hinterher aber auch selber. Und Marketender laden zur Reha ein.

Wer zwischendurch mal ein Nachbarschloss erobert hat, beendet sofort das Spiel als Sieger. Ansonsten gewinnt derjenige, der bei Spielende die meisten Gebiete besetzt hält.

Bemerkenswert die Entscheidungen bei Angriffen. Der Angreifer muss seine Truppen mit Geldmitteln motivieren; dazu nimmt er geheim eine Anzahl Goldmünzen in die Hand. Der Verteidiger hat gewonnen, wenn er errät, mit wievielen Münzen der Angreifer anrückt.

Kleine Überschlagsrechnung: Jeder bekommt zu Spielbeginn 15 Münzen. Ein Reiter kostet 6, bleiben noch 9. Wer all seine liquiden Mittel einsetzt, wird mit 8/9 Wahrscheinlichkeit einen Kampf gewinnen. Hat er dabei allerdings alle 9 Münzen eingesetzt, ist er bankrott und kann er keinen weiteren Kampf mehr finanzieren. Hat er 8 Münzen eingesetzt, so bleibt nur noch 1 Münze übrigt, und er würde bei jedem weiteren Kampf vom Verteidiger ausgezählt. Also sollte man in seinem ersten Kampf nur maximal 7 Münzen setzen. Auch damit wäre man hinterher ziemlich zahnlos. Angreifen ist fragwürdig! Vor allem wenn es planlos ist.

Fünf schnelle Runden dauert das Spiel, in jeder Runde darf man genau eine Aktion durchführen. Fünf mal Reha, und das Spiel ist vorbei. Oder einmal Steuer eintreiben, zweimal rekrutieren und zweimal in angreifen. Lustvoll schnell geht das alles über die Bühne.

Günther wollte es noch schneller haben. Zur Startaufstellung kaufte er sich einen Ritter und in seinem allerersten Zug, galoppierte er auf Walters Schloß zu, um es zu erobern. Für einen Gesamtsieg mußte er hier mit seinen verbliebenen 9 Goldmünzen lediglich zwei Angriffe siegreich bestehen. Einen gegen den Nachtwächter und einen gegen den Schlossherrn.

Im Schloss sind den Verteidigern allerdings jeweils zwei Versuche zugestanden, um die Höhe von Angreifers Motivation zu erraten. Bleibt trotzdem noch eine Gewinnchance von etwa 40%! (Wie habe ich das jetzt gerechnet?) Weit höher als die Ein-Viertel Siegchance in einer 4-Personen-Runde. Günthers erster Angriff mit drei Goldmünzen blieb erfolgreich, sein zweiter Angriff – zum großen Halloh aller Beteiligten – allerdings nicht. Andernfalls hätte Günther das Spiel als Sieger beendet, bevor Walter und Moritz auch nur einen einzigen Zug getan hatten.

Am Ende hätte Günther trotzdem noch gewonnen, wenn Aaron die Motivation von Moritz’s letztem Angriff (es ging nur um die Höhe von 1 oder 2!) richtig erraten hätte. Melee – mein Gott, was habt ihr euch da ausgedacht!

WPG-Wertung: Günther: 4 (kein langfristiges Planen, etwas blödsinnig für das Matt in einem Zug), Moritz: 6 (es macht, was es macht), Aaron: 4 (es macht, was es macht, und das ist nicht viel), Walter: 2 (immerhin doppelt so viel wie für die toten Tropfen; Lotterie-Kämpfen ist fad, aber das ist das einzige Lustige am Spiel.)

3. “Viceroy”

Das Spiel war in Essen am ersten Messe-Tag vormittags bereits ausverkauft. Hat sich da jemand verkalkuliert? Oder war das eine Marketing-Strategie?

In einem Zwei-Phasen-Spiel kauft sich jeder Spieler in der ersten Phase eine Baukarte und in der zweiten Phase baut er sie in seine lokale Pyramide ein. Einbauen kostet Juwelen (in definierter Zusammensetzung der Farben rot, grün, gelb und blau) und bringt entweder neue Juwelen, weitere Baukarten, Wertungskarten, Bonus-Plättchen, Vorkaufs-Privilegien oder direkte Siegpunkte.

Je nach der Pyramiden-Ebene, in der man eine Baukarte einsetzt, kostet es unterschiedliche Juwelen und bringt unterschiedliche Vorteile. Dazu hat jede Baukarte noch verschieden gefärbte Ecken und Kanten. Wenn die Karten in der Pyramide farblich gut zusammenpassen, gibt es Sonderprämien a) Juwelen während des Spiels und b) Siegpunkte am Ende in der Schlussabrechnung.

Ganz wichtig sind die Wertungskarten: Sie bringen Siegpunkte in Hülle und Fülle, jede auf eine andere Art, für den Besitz an Juwelen, an Aufbaukarten oder für bestimmte architektonische Merkmale der Pyramide. Welche der Wertungskarten man bekommt, ist zufällig, aber über keine kann man sich beklagen. Aaron griff am stärksten zu (war das geplant oder schütteten Deine Baukarten mehr oder weniger zufällig soviele Wertungen aus?) und wurde damit Sieger.

Etwas verzwickt ist das „Kaufen“ der Baukarten: Pro Spieler liegt eine Karte aus, und zwar jeweils einer der vier verschiedenen Juwelenfarben zugeordnet. Die Spieler nehmen nun zufällig jeder eine Juwele in die Hand, alle decken sie gleichzeitig auf. Sofern ein Spieler als einziger eine Farbe gewählt hat, bekommt er die zugehörige Baukarte. Haben zwei oder mehr Spieler die gleiche Juwelenfarbe geboten, sind sie erst mal ihren Einsatz los und dürfen diesen Kauf-Vorgang nochmals wiederholen. Lustig, oder was? Damit das konstruktiven Aufbauspiel halt nicht allzu berechenbar daherkommt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich fand es heute nur öd), Günther: 6, Moritz: 6 (Multiplayer solitär, das Spiel hat keinen klaren Spielfluss, alle wursteln nur so herum; die verschiedenen Fähigkeiten der Karten sind super, würde es nochmals spielen wollen), Walter: 3 (hat keine Lust, für jede Karte einen neuen breiigen Optimierungsalgorithmus in Gang zu setzen).

4. “Duckomenta”

Diesmal mit den richtigen Regeln gespielt. Knizias „Modern Art“ zeigte sich in alter, aber abgestrippter Schönheit. Honoris causa vergaben die alten Knaben mäßige bis ehrenvolle Wertungsnoten. Sicherlich träumen sie aber weiterhin von jungen, aufgetakelten Schönheiten. Essen hat noch mehr zu bieten!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt), Günther: 7 (neu), Moritz: 7 (neu), Walter: 7 (bleibt).