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28.09.2011: Alte und neue Seefahrer-Kapitale

Horst zieht um. Seit der Geburts seines Sohnes vor einem Jahr ist er einem ständigen Terror seitens eines Nachbarn ausgesetzt. Zu jeder Tages- (!) und Nachtzeit bumbert der beim kleinsten Geräusch an die Wand und schreit: „Könnt ihr euren Sprößling nicht zur Ruhe bringen!“ Birgits Nerven haben das nicht mehr ausgehalten. Der Nachbar muß nervenkrank sein, wenn nicht gar gemeingefährlich. Der Klügere gibt nach. Ab nächster Woche wird eine neue Wohnung in einer neuen Gegend hoffentlich Ruhe und Frieden bringen.
Ein kleiner hämischer Trost für die drangsalierte Spielerfamilie: Der böse Nachbar weiß natürlich nichts von ihrem Umzug und hat sich mittlerweile ebenfalls entschlossen auszuziehen. Seine Wohnung hat er bereits verkauft. Was wird er wohl für Augen machen, wenn am 1. Oktober gleich zwei Umzugswägen vor der Haustür stehen!
1. “London”
Vor einem halben Jahr im Trio zum letzten Mal gespielt, waren heute Aaron und Moritz die Neulinge. Es war zwar Aarons Spiel, das auf den Tisch kam, doch er hatte sich nicht auf die Spielregeln vorbereitet. Günther konnte sich nicht mehr so gut daran erinnern, um freiwillig die Erklärerrolle zu übernehmen und Walter ist diesbezüglich ohnehin off-limits. So durfte Moritz aus dem Stegreif das Regelheft vortragen bzw. wiederholen.
Der Spielplan zeigt im groben Schema den Stadtplan von London. Moritz entdeckte sogleich einen Teil seiner Vergangenheit wieder: „Ich zeig euch gleich mal, wo ich gewohnt habe. Hier unten, rechts von Deptford.“ Aaron kannte sich aus: „Oh, südlich der Themse! Da brennt doch immer mal wieder nächtens ein Auto!“
Nun ja, im Jahre 1891, in dem „London“ spielt, brannte nicht nur ein Auto, sondern gleich die ganze Stadt. Wir müssen sie wieder aufbauen. Das dominiertende Element dabei sind Karten, die Bauwerke der Stadt darstellen. Wir dürfen mit gewissen Freiheiten uns daraus eine erkleckliche Anzahl aussuchen, sie peut-a-peut als „Gebäudeauslage“ vor uns auslegen, sie später aktivieren und damit Geld und Siegpunkte einstreichen.
Regelmäßig steigt bei unseren Gebäude-Aktivierungen die öffentliche Armut. Ihre Bekämpfung ist überhaupt eine der großen Herausforderungen im Spiel. Durch wenige Stapel in unserer „Gebäudeauslage“ und durch wenige Handkarten können wir einen rasanten Anstieg der Armut verhindern, und ein paar wenigen Gebäudekarten erlauben sogar, sie zu verringern. Aber man muß schon rechtzeitig zugreifen und auch einen Batzen Geld opfern, um diese Gelegenheiten wahrzunehmen.
Walter predigte gegen die Armut, ließ sich dann aber vom schnöden Mammon verleiten und bekam am Ende 18 Strafpunkte für die Armen in seinem Stadtviertel. Das reichte zum letzten Platz. Moritz konnte als einziger Spieler die Armut restlos beseitigen; daneben hatte er sich einen gelungenen Mix an Stadtvierteln, U-Bahnlinien und Siegpunkte-Gebäuden zugelegt. Es reichte mit 62 Punkten zum Sieg.
Strategietips für ein gutes Spiel:

  • Erweitere früh und ausgiebig deine Regierung in den Stadtbezirken, gegebenenfalls auch mit Krediten
  • Nimm dir ein Maximum an Stapeln vor, mit denen du arbeiten willst und errichte möglichst schnell vom Start an diese Zahl
  • Belege jeweils alle Stapel mit einer Gebäudekarte und aktiviere jeweils alle Stapel mit einem Schlag
  • In den ersten Runden spielt das Geld natürlich eine wichtige Rolle, doch am Ende zählen nur Siegpunkte und der Abbau der Arbeit. Schalte also rechtzeitig von der Geldpolitik auf ein soziales Mäzenatentum um.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (zu solitär), Moritz: 7 (enthält sogar – ausnahmeweise – relativ viel Thema); die anderen blieben bei ihren 7 Punkten.
2. “Porto Carthago”
Letztes Jahr haben wir dieses Spiel in seiner Entstehung begleitet und Aaron hatte es auf Bernd Eisensteins Stand auf der „Spiel 2010“ mit Erfolg präsentieren helfen. Heute durfte er auch bei uns die Erinnerungen auffrischen. Doch ohne Regelheft ging das nicht. Man sieht, selbst eine tagelange Dozentenarbeit mit einem einzigen Spiel brennen die Regeln in unserem Gedächtnis nicht ein. (Wieviel weniger gilt das erst für das bei uns übliche 1-2 malige Spielen!)
„Porto Carthago“ enthält ziemlich viele Spielelemente, die sehr viele verschiedene Schienen zum Sieg eröffnen. In optimalem Timing und in Konkurrenz zu unseren Mitspielern müssen wir dazu unsere Aktionen einsetzen.

  • Einmal pro Runde fahren 4-5 Handelsschiffe in den Stadthafen von Carthago. Wir müssen rechtzeitig hier die Landungsstege besetzen, an denen sie ankommen. Haben wir den Hafenmeister ergattert, können wir uns beim Einlaufen noch ein paar Vorteile verschaffen oder einzelne Konkurrenten benachteiligen.
  • Einmal pro Runde wird der Markt gefüllt, auf dem wir uns mit den Waren eindecken können, mit denen wir die Handelsschiffen beliefern. Hier muß man zugreifen, solange der Vorrat reicht und solange noch Platz in unserem Lager ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die vorhandene Warenart von den Schiffen an unseren Landungsstegen aktuell überhaupt benötigt wird.
  • Im Freihafen gibt es eine Reihe von Anlegestellen für außerplanmäßige Schiffe. Die hier verschifften Waren sind nach ihrer Art nicht vorgeben. Hier können wir alle Waren aus unserem Lager loswerden. Allerdings ist die Anzahl der Plätze im Freihafen stark begrenzt. Wer sich nicht rechtzeitig einen Platz gesichert hat, kann ziemlich lange in die Röhre schauen.
  • Gewinnen tut man über den Einfluß im Palast. Den zu erkaufen wird im Laufe des Spiels immer teurer, also muß man sich frühzeitig hier die Zugangsmöglichkeiten eröffnen und Schmiergelder immer fließen lassen, wenn man sie entbehren kann.
  • Der zunächst unscheinbare Intrigenpfad kann bei Spielende auch nochmals reichlich Palast-Einfluß abwerfen. Hier werden in jedem Fall die in der Schlußphase überschüssigen Handelspunkte eingesetzt. Was aber schlußendlich dabei herauskommt – mit erheblichem Einfluß auf die Sieger-Positionierungen – ist stark abhängig von den Ambitionen der Mitspieler. Sich rechtzeitig zu engagieren ist gut, den Intriegenpfad aber zu dominieren ist schlecht, wenn sich dann kein weiterer Spieler mehr beteiligt und der dadurch vergebene Gesamt-Einfluß gering bleibt.

Die vielen Rädchen und Schräubchen, an denen man in „Porto Carthago“ drehen kann, erzeugen jedesmal einen anderen Spielablauf. Teilweise total anders. Heute gab es unerwartet viele Blockaden. Der Markt war immer im Nu leergefegt und viele Handelsschiffe konnten nicht beliefert werden. Keiner nahm es allerdings auf sich, einen Zug zu opfern, um den Markt außerplanmäßig neu zu beschicken.
Der Freihafen wurde 3 Runden lange von Günther vollständig blockiert. Zunächst nicht gerade mit Absicht, mehr aus Frust, weil keine Waren mehr da waren, und dementsprechend auch keine lukrativen Landungsstege winkten.
Walter belegte – ebenfalls mehr der Not gehorchend, weil sein Lager voll und im Freihafen kein Platz mehr war – in den letzten beiden Runden dann alle Landungsstege, die im Stadthafen noch angefahren wurden. Auch wenn er nicht genügend Waren (und Züge) hatte, diese Schiffe alle zu beliefern.
Als Folge dieser Blockaden boten sich überdurchschnittlich oft keine lustigeren Züge als die Notration von 3 Talenten einzustreichen. Trotzdem war es schweißtreibend und spannend. Und jeder kann heute Nacht davon träumen, was er beim nächsten Mal anders machen will. Falls ihn die Mitspieler nicht daran hindern.
Keine neue WPG-Wertung für ein gutes 7,6 Punkte-Spiel.
3. “Bluff”
Nein, heute kein Bluff mehr. Morgen früh geht es auf den Jochberg.

03.02.2010: Welthandel und Welteroberung ohne Pandemie

Seit seinen Spieltips in Galileo ist Moritz in den öffentlichen Medien auch als Brettspielexperte gefragt. Kürzlich ist Radio Brandenburg an ihn herangetreten, doch ein paar Tips zu „Monopoly“, „4-gewinnt“, und zu „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ abzugeben. („Das kennt doch jeder!“) „Und, was hast Du denen gesagt?“ „Ich hab’s halt gemacht!“
Die Radio-Euphorie schoß gleich ins Kraut: „Als Spielexperte können Sie uns dann doch bestimmt auch richtig gute Tips zum Schummeln geben … !“ Das hat Moritz dann aber doch dankend abgelehnt.
Wann die Sendung ausgestrahlt wird, könnt Ihr bei Moritz abfragen. Daß er am Freitag-Abend ein Konzert im Herkulssaal der Münchener Residenz gibt, das life im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wird, erfahrt Ihr hier von mir: BR 4 Klassic, 4. Veranstaltung der musica viva, 20:05 Uhr.
1. “Porto Carthago”
Letzte Test-Session, diesmal in einer 5er Runde. Mit Übersicht und Kompetenz konnte Aaron den hochbegabten Neuling Moritz in knapp 30 Minuten in das Regelwerk einführen. Wir haben mit dem Author schon ein paar Detail-Korrekturen diskutiert, doch mit gewissenhafter Tester-Ethik hielten wir uns noch an die Originalversion, auch wenn es vielleicht ein bißchen weh tat.
Aaron entschied sich von vornerherein lautstark für das Intrigenspiel, das bei uns bisher noch nicht richtig auf Touren gekommen war. Doch das Schicksal wollte es anders. Am Ende schickte er gerade noch in der letzten Runde einen zaghaften Untertanen auf diese Laufbahn. Daraus konnte er für sich nichts selbst natürlich nichts mehr herausholen.
Sven setzte wie gewohnt auf eine Karriere als Hafenmeister. Allerdings nur bis zur Mitte des Spiels. Dann war der Kulturhafen ausgelutscht und er verlegte sich auf intensive Pöppelwirtschaft. Das bringt das meiste Einkommen, die Startspielerrolle und damit auch die erste Wahl in allen Aktionen einer Runde, insbesondere auf dem Markt.
Günther spielte wie ein guter Go-Spieler: bei sich selbst. Und weil in seiner Ecke die Charterplätze lagen, engagierte er sich als Charterkapitän (das ist notgedrungen auch die Rolle des ersten Startspielers) und brachte mit Beten und Bangen beliebige Waren seiner Wahl in alle Gegenden der damals bekannten Welt.
Moritz hatte zu Beginn unsere Diskussionen über die Intrigenproblematik mitgehört, ohne des Pudels Kern noch richtig zu verstehen. Außerdem klang ihm Aarons diesbezügliche Aktivitäten-Ankündigung noch ihm Ohr, was lag also näher, als hier mitzumischen. Und als niemand Aaron hindern konnte, binnen Minuten klüger zu werden, blieb Moritz allein auf der Intrigenstrecke und seine Palastpräsenz war marginal. Dann gesellte sich Günther mit seinen Erlösen aus dem Charterverkehr hinzu, und am Ende kam auch noch Walter ins Boot. Aaron konnte in seinen letzten Aktionen gerade noch das Kraut fett machen. Aber nicht für sich! Für Moritz!
Moritz erbte in der Schlußabrechnung aus seinem Intrigen-Engagement drei ganze Palastpositionen (das entspricht der Einnahme von 4 erfolgreichen Handelsumsätzen) und wurde damit unvermutet noch auf die Siegerposition gehievt. Ist Moritz ein Blindfluggenie? Oder ist „Porto Carthago“ doch nur ein Glückspiel?
Lassen wir es offen. Noch wird an vielen kleinen Rädchen gefeilt. Es gibt sehr viele Wege nach Afrika. Auf welchem später einmal die Siegespalme verteilt werden wird, das wissen die Götter. Und vielleicht der Bernd Eisenstein.
WPG-Wertung: Moritz fand das Prinzip der Aktionen-Verteilung und Auswahl sehr gut und originell, vermißte allerdings die thematische Stimmung, Sven reduzierte seine anfänglichen 9 auf 8 Punkte, mit Tendenz zu wieder mehr, wenn das Spiel ausgereift ist, die anderen blieben bei ihren Noten zwischen 7-8, ebenfalls mit einen Ausblick auf mehr für das fertige Spiel.
2. “Pandemie”
Ein Kandidat auf der Auswahlliste „Spiel des Jahres 2009“. Die Impfungen für die Schweinegrippe zeigen gerade ihre mittelfristigen Nebenwirklungen, warum sollen wir da nicht versuchen, die Seuchen von „Pandemie“ mit vereinten Anstrengungen durch wirksame Gegenmittel in den Griff zu bekommen.
Leider geht das Spiel nur bis zu maximal vier Mitspieler. Moritz mußte seinen erwartungsvollen Einleitungssermon auf Seite 3 der Spielregel abbrechen. Sicherlich wird es auch in diesem Jahr wieder eine Grippewelle geben.
3. “Magister Navis”
Moritz hatte schon kritische Stimmen zu diesem Spiel gehört, Günther als Spielbesitzer und Vorspieler enthielt sich einer Bemerkung. Also setzte es sich durch.
Nach dem Untertitel geht es um „Handel und Erforschung im 18. Jahrhundert“. Europa ist Zentrum und Ausgangspunkt. Wir besiedeln, besetzen bzw. erobern die verschiedenen Städte auf dem alten und den neuen Kontinenten. Die folgerichtige Entwicklung unseres eigenen Expansionspotentials ist dabei von entscheidender Bedeutung. Pro Runde legen wir uns eine neue Fähigkeit zu, die entweder unsere Mannschaft verstärkt, die Rekrutierungsfrequenz erhöht, lukrativere Architekturen gestattet, den Seeweg in die Welt öffnet oder andere ähnliche Vorteile mit sich bringt. Die richtigen Entwicklungslinien innerhalb der eigenen Fähigkeiten und bei der Erforschung (= Eroberung) der Welt zu erkennen, zu verfolgen und zu verfitzeln (das ganze ist ziemlich fitzelig) ist die Herausforderung des Spiels.
Walter war schon beim Regelerklären überfordert. Danach auch noch strategische Linien zu erkennen war für sein Learning-by-Doing Prinzip einfach das Pferd von hinten aufgezäumt. Wer das Rad nicht erfindet, kann es auch nicht zum Sieg rollen lassen. Entsprechend eng war später sein Handlungsspielraum, und wenn er dann mit seinen rachitischen Zügen daherhumpelte, konnten sich die großen Geister nicht die Bemerkungen verkneifen, er würde mit seiner chaotischen Spielweise ihre schönen langfristigen Welteroberungspläne desauvieren. Chaos-Praxis statt Chaos-Theorie.
Seltsamerweise wurde er noch Dritter. Das strategische Genie Sven konnte sich mit einem Punkt Vorsprung vor dem strategischen Genie Moritz durchsetzen.
WPG-Wertung: Aaron:7 (spannend bis zum Schluß), Günther: 7 (trotz der recht minimalistischen Anfangsfreiheiten), Moritz: 7 (fand es „schocking, daß Walter trotz seines zugegebenermaßen bizarren Spiels noch Dritter wurde“), Sven: 6-7 (Planspiel ohne Glücksfaktor), Walter: 6 (enges symmetrisches Ausgangskorsett, hinterher entscheiden aggressive Kingmakerelemente über Sieg und Plätze).
4. “Bluff”
Aaron fand angesichts der 40% Minderheitsvorlieben für bestimmte Spieltypen eine neue, treffende Beschreibung für „Bluff“: „Es ist wie Axis & Allies: mit viel Würfeln!“
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

PS: Hallo Klaus, „Hansa Teutonica“ kommt bei uns bestimmt nochmals auf den Tisch. Deine und die bei BGG im Internet diskutierten vielfältigen Möglichkeiten zu Punkten zu kommen und ihre Effizienz gegenüber den verlockenden kurzfristigen Muß-Schnäppchen wird bei uns bestimmt noch einmal einer genaueren Analyse unterzogen.

27.01.2010: Der punische Krieg geht weiter

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwei willkürlich gewählte natürliche Zahlen gleich sind. Bei der unendlichen Anzahl natürlicher Zahlen ist die mathematische Wahrscheinlichkeit dafür gleich Null. Doch in der menschlichen Realität liegen die Verhältnisse ganz anders. Soll sich ein Mensch eine beliebige natürliche Zahl ausdenken, so wird er selten eine Zahl größer als Hundert wählen. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit für die Gleichheit zweier beliebiger von Menschen ausgedachter natürlichen Zahlen schon deutlich über 1 Prozent. Noch besser ist es, wenn die beiden denkenden Menschen nur bis 3 zählen können.
Walter machte mit Aaron und Günther das Experiment: Jeder sollte verdeckt auf einen Zettel eine beliebige natürliche Zahl schreiben. Haben beide die gleiche Zahl geschrieben, so bekommt jeder einen Euro, haben sie verschiedene Zahlen geschrieben, so muß jeder einen Euro bezahlen. Hättet Ihr bei diesem Experiment lieber die Wettposition von Walter oder von Aaron/Günther eingenommen?
Am Ende schrieben beide die Zahl 0 (Null) auf. Das ist zwar keine natürliche Zahl, aber immerhin waren sie auf dem richtigen Weg. Beide! Das Experiment stammt aus einem kleinen Büchlein von Fredick Mosteller über „Statistische Herausforderungen“. Über die Hälfte seiner Probanten wählten hier die Zahl 1; weitere Favoriten waren die 3 und die 7.
Macht dieses Experiment mal mit eueren geliebten Ehefrauen. Je nachdem, wie lange ihr verheiratet seid, wählen sie entweder eueren Hochzeitstag oder ihren eigenen Geburtstag! Bestenfalls!
1. “Porto Carthago”
Bernd Eisenstein’s Neuentwicklung für Essen 2010 wurde einem erneuten Beta-Test, diesmal in einer 4er Runde unterworfen. Drei Spieler wußten schon, worum es ging und konnten ihr Augenmerk voll auf inneren Abhängigkeiten des Spielablaufs richten.
Wir sind Händler im Hafen von Karthago, kaufen verschiedene Waren, stapeln sie in unseren Lagerhäusern und Speichern, führen Schiffe fremder Kulturen zu unseren Anlegeplätzen, stillen deren Warenbedarf und werden dadurch reich. Doch nicht das meiste Geld bestimmt den Sieger, sondern der größte Einfluß im Königshaus. Regelmäßig müssen wir für unsere Clanmitglieder Plätze im Palast erwerben. Die ersten sind noch relativ billig, die letzten kosten schon 50 % mehr pro Stück. Rechtzeitig zufassen bringt Vorteile. Allerdings werden damit liquide Mittel gebunden, und Spielerpöppel einem anderweitigen Einsatz entzogen.
Fünf Runden dauert ein Spiel. Jeweils 5 Aktionen darf jeder Spieler darin ausführen. Startspieler wird, wer zu Beginn einer Runde die meisten freien Clanmitglieder aufweist. Damit ist zugleich auch das höchste Rundeneinkommen verbunden. Seine Pöppel auf möglichst kurzfristige Aktionen auszuschicken, so daß sie bei Rundenende wieder im Pool zur Verfügung stehen, bringt also Startvorteile und Zusatzeinkommen.
Der letzte innerhalb einer Zugreihenfolge kann am besten abwägen, wieviel Mitglieder er noch im Leuchtturm zur Hafeneinfahrt unterbringt. Wer hier die Mehrheit hat, kann einem beliebigen Schiff die Einfahrt in den Hafen verwehren und so einem Mitspieler einen potentiellen Kunden vermaseln. Dieser Einsatz muß zwar teuer bezahlt werden, zahlt sich in der Regel aber vielfältig aus. Die verschiedensten Vor- und Nachteile aller Aktionen scharf abzuwägen, ist die Herausforderung in “Porto Carthago”.
Günther war Neuling und Startspieler. Er allein konnte sich bei der Startaufstellung keine Ware ergattern, die an seinen Speicherplätzen im Hafen benötigt wurde. Regelbedingt waren alle seine Lagerplätze belegt, so daß er keine neue Ware vom Markt kaufen konnte. Durch die zufällige Verteilung der Aktionskarten hätte er seine Lagerplätze ausgerechnet nur dadurch erweitern können, wenn er eine Ware vom Markte gekauft hätte. Doch genau das konnte er ja nicht. Für diese Dead-lock-Situation gibt es natürlich Ersatzlösungen, doch Günther setzte auf Aussitzen. Leider war ihm Hermes, der Gott der Händler und Diebe, ihm diesmal nicht gewogen.
Sven fuhr die Leuchtturm-Strategie. Er leitete jeweils die ersten einfahrenden Schiffe auf seine Handelspätze und schickte potentielle Kunden seiner Mitspieler brutal in die Unterwelt. Auch bei den Privilegien erfolgreicher Schiffsladungen suche und fand er seinen maximalen Vorteil. Es reichte trotzdem nicht zum Sieg, weil das Zufallsangebot an Waren und Kunden einen seiner Speicherplätze von Anfang an im Stich ließ und er damit nutzlos Ressourcen vergeudete. Außerdem konnte er als Hafenmeister zufallsbedingt gerade seinen schärfsten Konkurrenten am wenigsten schädigen.
Sieger wurde Aaron, der den sparsamsten Pöppel-Einsatz verfolgte, sich im Hafen nur mit wohldosiertem Risiko engagierte und von Sven – wohlkalkuliert oder zufallsbedingt – nur am wenigsten geschädigt werden konnte.
„Irgendwie hat man immer zu wenige Aktionen!“ „Das Spiel hätte eine Runde länger dauern sollen!“ Das waren die üblichen Klagen der Nicht-Sieger. Ein deutlicher Hinweis auf ein kurzweilige, spannende Unterhaltung.
WPG-Wertung: In Günthers 7 Punkten, 1 Punkt weniger als unser bisheriger Schnitt, drückt sich gewiß auch ein gewisser Frust des Neulings aus.
2. “Hansa Teutonica”
Günther hält dieses neue Spiel vom Argentum-Verlag für einen heißen Kandidaten zum „Spiel des Jahres 2010“. In einem kybernetischen Räderwerk mit Pöppeln, Geldmitteln und Privilegien müssen wir unsere Aktionen, bestehend aus Einnahmen kassieren, Pöppel requirieren und setzen, Strecken bauen und Prämien kassieren, so einsetzen, daß wir besser punkten als unsere Mitspieler.
Mit manchen Aktionen erweiteren wir unseren Handlungsspielraum für zukünftige Entwicklungen, oder, alternativ dazu, kassieren wir Siegpunkte. Trivial ist, daß es in der Anfangsphase die Erweiterung des Handlungsspielraums am wichtigsten ist. Die hier gewonnenen zusätzlichen Freiheiten zahlen sich im weiteren Spielverlauf exponentiell aus. Deshalb ist der Run auf die ersten, eindeutig besten Zugmöglichkeiten unumgänglich. Und leider auch ein bißchen determiniert, d.h. einseitig.
Das Hantieren mit dem Spielmaterial hat eine ähnliche therapeutische Wirkung wie das Setzen von Go-Steinen oder das Bewegen der Kugeln einer Komboloi. Das ist doch immerhin etwas.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wenigstens schnell, aber zu repetitiv), Günther: 8 (flüssig), Sven 4 (zu determiniert, zu billig in der Herausforderung), Walter: 7 (leicht und locker, das richtige Spiel für Willi’s Konsorten).
3. “Bluff”
Im ersten Spiel war Aaron im Nu ausgeschieden. Im zweiten Spiel stand er ebenso schnell mit 5:5 gegen Walter im Endspiel. Mit der taktisch richtigen Behandlung eines 5 mal die Fünf und 5 mal die Zwei konnte er als einer der seltenen absolut-ungeschorenen Sieger die Arena verlassen.
Frage an die Experten: Wie wäret ihr mit einem 5 mal die Zwei-Wurf im 5:1-Endspiel vorgegangen? Es gibt mehr als eine Lösung!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

20.01.2010: Machtspiele in Karthago

Das Gros der Westparkgamers liebt Spiele mit wohlproportinierten, strategischen Herausforderungen, das Thema ist egal, die Komplexität darf unbegrenzt sein, die Hauptsache ist ein funktionierendes Regelwerk. Abweichend davon ist für Moritz das Thema das wichtigste Qualitätskriterium. Wenn es darum geht, die Geschichte des zweiten Weltkriegs neu zu schreiben oder sogar im dritten Weltkrieg (oder ist es schon der fünfte?) die Weltherrschaft zu erringen, dann dürfen die Regeln auch schon mal windschief sein.
Mit Sven, heute zum ersten Mal am Westpark dabei, hat er jetzt einen Kampfgenossen gefunden. Dessen Lieblingsspiel ist „Axis & Allies“. Er hat eine eigene Spielrunde, die sich fast wöchentlich dieses Spiel reinzieht. Am Westpark lag es noch nie (?) auf dem Tisch, noch keine Rezension, kein Report und keiner von Moritz’ Quickies kündigt davon. Doch es ist ein wesentlicher Bestandteil von Moritz’ Aura. Vielleicht kann er dazu jetzt bei Sven seine ungestillten Gelüste befriedigen.
1. “Porto Carthago”
Bernd Eisenstein hatte uns schon zu seinem “Peloppones” als Beta-Tester eingeladen. Für uns ist es immer eine besondere Freude, Spiele nicht nur zu kritisieren (wenn man sie nicht uneingeschränkt loben kann), sondern auch dabei zu sein, ihnen den letzten Feinschliff zu verpassen. Diesmal ist es seine Neuschöpfung “Porto Carthago”, die in diesem Jahr in Essen erscheinen soll, zu der er uns um unsere Meinung gefragt hat.
Das Thema ist der Seehandel um Carthago, der einmals mächtigsten Handelsstadt am Mittelmeer. Wir erwerben, transportieren und verschiffen die geforderten Waren über die Schiffe der verschiedenen Anrainerstaaten, die in unserem Hafen liegen. Oder wir charten selber Schiffe und bringen unsere Waren irgendwohin in die Welt, wo es ständig Abnehmer gibt.
Abgeschlossene Lieferungen bringen uns Geld und Privilegien ein, die wir in politischen Einfluß umsetzen, um uns damit bei Spielende zum Sieger zu machen. Es gibt sehr viele Rädchen im Regelwerk, die wir in unseren Handelsaktivitäten beachten müssen, wollen wir erfolgreicher sein als unsere Konkurrenten. Alle sind dabei wohlbalanciert, viele Wege führen nach Karthago, keiner davon ist alleinseligmachend. Aber alle sind anspruchsvoll. Und ein bißchen wohldosierter Zufall ist auch eingebaut. Damit neben dem Tüchtigste auch der Götterliebling eine Chance hat.
Trotz intensivster Suche, trotz explizitem Auftrag fanden wir kein Haar in der Suppe. Sogar die Spielzeit ist für ein strategisches Mehrpersonenspiel absolut passend. Einleitung, Detaildiskussionen und philosophische Grundsatzbetrachtungen kosteten eine Stunde. Nach einer weiteren Stunde war das Spiel über die Runde gebracht. Mit Spannung und offenem Ausgang bis zum Schluß.
WPG-Wertung (für die aktuelle Version): Aaron: 7, Sven: 9 (einschließlich Sieger-Euphorie), Walter: 8.
Hoffen wir, daß die Veröffentlichung in diesem Jahr wie geplant stattfinden wird.
2. “Macht$spiele”
Das Spiel ist mit Aarons Rezension für uns am Westpark eigentlich schon abgehakt. Doch Sven kannte es noch nicht, und nach Meinungen im Internet sollte es seine Qualitäten zu dritt am deutlichsten offenbaren. Die ehemaligen Industiemanager und die noch aktiven Werktätigen mit Einblick in die Machtstrukturen von (mitteleuropäischen) Unternehmen amüsieren sich über die Ironie, mit der Firmenpolitik im Regelwerk karikiert wird. Nicht allein die Unvermeidlichkeit und Honorabilität von Bestechung, auch andere gereimte Ungereimtheiten darf man sich auf der roten Zunge zergehen lassen. Abteilungen funktionieren nur mit Mitarbeitern, Hauptabteilungen auch ohne. Da deckt ein Chef den anderen.
Durch kosteneinsparende Maßnahmen der Geschäftsleitung sinkt ständig die Motivation der Mitarbeiter, doch die Bereichsleiter profitieren davon. Je tiefer die Motivation, desto wirksamer die Macht-Privilegien der Manager. Von den geschmierten Bereichsleitern erst recht.
Vor einer Woche wurden Bestechungen um jeden Preis angenommen, weil wir die negativen Begleiterscheinungen der Ehrbarkeit vermeiden wollten. Diesmal wurde fast jede Bestechung abgelehnt, weil die Chefs in anderen Kategorien ihr materielles Heil suchten.
Jeder verfolgte eine eigene Schiene. Daß er es kann, ist einer der Vorzüge des Spiele. Daß wir dies auch taten, ist einer der Vorzüge von uns! Oder die große Chance einer Dreierrunde.
WPG-Wertung: Sven konnte mit seinen 8 Punkten den bisherigen Durchschnitt nicht wesentlich verändern.
3. “Bluff”
Schnell noch als Absacker auf den Tisch gebracht. Im ersten Spiel demonstrierte Walter im Endspiel gegen Sven, wie wichtig gutes Nachwürfeln ist, im zweiten Spiel zog Aaron im 5:4 Endspiel gegen Walter Zug für Zug die Daumenschrauben enger. Bis zur bitteren Neige.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.