Schlagwort-Archive: Tempel des Schreckens

30.08.2017: Oh du meine Güte

Das Sommerloch ist überwunden. Aaron hätte es fast verschluckt. Auf einer Almwiese kamen ihm und zwei Wandersfreunden fünf Jungkühe entgegen. Später identifiziert: eine junge Dame und vier halbstarke Burschen. Aus einer ursprünglichen Entfernung von vielleicht 100 Metern trotteten sie konsequent auf die drei Menschlein zu. Neugierig? Um gemolken zu werden. Das war weder der Dame noch der Burschen sichtliches Begehr. Zweifellos wollten sie die fremden Eindringling in ihr Rinder-Techtelmechtel aufs Horn nehmen.

Das Gelände war schwierig, eine Flucht nicht gut möglich. Was tun? Nur noch fünf Meter!

Es half nur noch ein Bluff. Die drei Männer stellten sich nebeneinander auf, und wie auf Kommando rissen sie die Hände nach oben und stießen einen lauten „Ohhh“-Ruf aus. … Glücklicherweise half es. Aus dem Rinderlauf wurde schlagartig ein bocksbeiniges blockierendes Stehenbleiben.

Nach ein paar weitern Annäherungsversuchen und wiederholtem Hände-Hochreißen und „Ohh“-Schreien verabschiedeten sich beide Spezies-Gruppen voneinander. Ohne Gesichtsverlust. Aaron wurde uns und der Welt wieder geschenkt. Der Name des Herrn sei gelobt!

1. “Oh My Goods – Du meine Güter!”

“Oh my Goods”-Szenerie

Ein kleines Kartenspiel um eine große Marktwirtschaft. Mit einer Köhlerei-Karte, einer Arbeiterkarte und 7 Euro-Karten Startkapital fangen wir an. Der Arbeiter in der Köhlerei produziert Kohle im Wert von jeweils wieder einem Euro, für unser Geld kaufen wir einen weiteren Betrieb, z.B. eine Sägemühle zu einem Preis von 2 Euro oder eine Nahrungsfabrik für 21 Euro. Na ja, für die Nahrungsfabrik reicht unsere Erstausstattung und die Einnahmen in den ersten 5 Runden wohl nicht hin, wir müssen kleinere Brötchen backen. Immerhin gibt es noch weitere 15 verschiedene Handwerkerbetriebe verschiedenster Preisklassen, in denen wir unseren Arbeiter werkeln lassen können.

Apropos Arbeiter: Zu Beginn haben wir nur einen einzigen, und dieser eine kann pro Runde auch nur in einem einzigen Betrieb arbeiten. Claro! Für jeden weiteren Betrieb brauchen wir also noch einen Gehilfen zum Werkeln. Gehilfen darf man sich kaufen. Leider nur anstatt eines Betriebes! So stehen wir in der Einschwingphase demnach vor dem Dilemma, uns Betriebe ohne Gehilfen oder Gehilfen ohne Betriebe zuzulegen. Doch dieses Dilemma löst sich sofort auf, wir müssen den Weg Betriebe-ohne-Gehilfen gehen, denn Gehilfen dürfen wir uns erst zulegen, nachdem wir bereits eine bestimmte Anzahl von Betrieben haben! Im billigsten Fall brauchen wir nur zwei Betriebe; diese Voraussetzung geht aber sehr schnell auf drei, vier oder gar fünf Betriebe hoch. In der Regel besitzen wir eine Menge Betriebe aber nur wenige Gehilfen; die Betriebe stehen still, weil kein starker Arm es will.

Das ist aber nicht weiter schlimm, die meisten Betriebe können wir ohnehin selbst mit Arbeiter oder Gehilfen nicht in Betrieb setzen, weil dafür die notwendigen Rohstoffe fehlen. Z.B. braucht eine Köhlerei der Startausstattung für ihre Produktion 2 Ziegel und 1 Holz, die Gerberei braucht 3 Getreide und 2 Wasser und die Nahrungsfabrik braucht 4 Holz und 2 Ziegel. Wo kommen die Rohstoffe her? Vom Markt! Pro Runde werden für den Markt eine zufällige Anzahl von Rohstoff-Karten gezogen. Im Minimalfall sind es nur vier Stück; wenn es gut geht, können es auch mal sieben oder mehr Karten sein; bei uns war das Maximum zehn. Diese Rohstoffe darf jeder Spieler für seine Betriebe nutzen. Sie werden dabei nicht verbraucht, sie müssen nur vorhanden sein.

Gehen wir mal davon aus, dass 8 Rohstoff-Karten auf dem Markt liegen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir unsere 2-Ziegel-1-Holz-Köhlerei in Betrieb nehmen können bei fast 20%. Falls alle Rohstoffe mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf den Markt kommen. Und falls ich mich nicht verrechnet habe.

Na ja, ganz so schlimm liegt die Sache nicht. Fehlende Rohstoffkarte können wir mit unseren Handkarten ergänzen. Dazu bekommen wir zum Start 5 Rohstoffkarten auf die Hand und dürfen pro Runde zwei Rohstoffkarten nachziehen. Und wenn unsere Köhlerei in der ersten Runde nicht produziert, brauchen wir auch nicht zu weinen; vom Startgeld können wir uns – meistens – gleich einen weiteren Betrieb leisten, so dass wir ab der zweiten Runde gleich mit zwei Betrieben in der Rohstoff-Lotterie mitspielen dürfen. Haben wir dann aber immer noch kein Glück, wird es eng.

Leider können wir nicht die vollständige Bestückung des Marktes abwarten, bevor wir uns für einen unserer Betriebe entscheiden, wir müssen das bereits nach der Hälfte der aufgedeckten Rohstoffkarten tun. Unsere Planung soll ja einem spielerischen Risiko unterworfen sein. Und falls ein Spieler vom Markt und von seinen Handkarten zugleich im Stich gelassen wird, dann gibt es innerhalb einer Viererrunde immerhin drei Spieler, die sich darüber freuen. Der Erwartungswert aller Freude ist diesbezüglich also deutlich größer als Null.

So traben wir durch das Spiel, ziehen neue Rohstoffkarten, warten die erste Hälfte des Marktes ab, positionieren Arbeiter und Gehilfen, warten auf das Ende des Marktes, produzieren (oder schauen in die Röhre), setzen Geld in Betriebe oder Gehilfen um, und warten auf das Spielende, das eingeläutet wird, sobald der erste Spieler seinen achten Betrieb in Besitz genommen hat.

Walter hatte bis zum Spielende keinen einzigen Gehilfen angeheuert, schwelgte in Handkarten, die er glücklicherweise in der letzte Runde fast alles loswerden konnte, und kam mit viel überflüssigem Geld auf 25 Siegpunkte. Aaran hatte einen einzigen Gehilfen, den er als Köhler anlernte und auch nicht mehr umschulte. Auch er kam auf 25 Siegpunkte. Günther hatte sich zwei Gehilfen geleistet und und sie ebenfalls fest in seinen Betrieben verankert; leider war der Markt so ungüstig, dass sie nur einmal produzieren konnten. Ohne viel Nachzudenken (ein sehr schlechten Zeichen für jedes Spiel) kam er auf 26 Punkte! Sieger! (Ein sehr gutes Zeichen für ein Spiel.) Horst verkackte mit drei Gehilfen. Er war auch mit Regelnachfragen und Regelauslegung ständig gefragt und in seinen Planungen gestört. Zudem verließ er sich recht leichtfertig auf das Gewogensein des Marktes und war damit, dem heiligen Stochastus sei es geklagt, oft genug verlassen.

Und wie lange dauerte der Spaß? Nach der offiziellen Beschreibung hätten wir in 30 Minuten ein Spiel über die Bühne bringen sollen. So lange dauerte allein Horsts Regeleinführung. Was bei der Erklärung für 110 verschiedene Multifunktionskarten ja auch verständlich ist. Mit dem üblichen WPG-Aufschlag von 50% schätzten wir a priori ein Spiel auf 45 Minuten Spielzeit. Im a posteriori hatten wir unseren Aufschlag um glatte dreihundert Prozent unterschätzt!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ich werde vom Spiel gespielt, solitär, keine Entscheidungsfreiheit, unnötige Glückselemente, für ein 30-Minuten-Spiel würde ich das alles akzeptieren, aber nicht für einen Anderthalbstünder), Günther: 4 ([seht, seht! unser Günther wird knickrig!] Produktionsketten werden zwar angepriesen, sind bei uns aber fast nicht vorgekommen; die passenden Karten sind einfach zu teuer; er entdeckte im post mortem übrigens noch eine Supercombo: Rinderfarm + Fleischerei); Horst: 5 (die Spielelemente greifen einfach nicht, z.B. das Prinzip „alles-oder-nichts“ beim Austauschen der Handkarten oder die Vorbedingungen zum Erwerb eines Gehilfen); Walter: 4 (schon fast zu viel der Punkte. Allein die Unstimmigkeit zwischen notwendiger Planung und vernichtendem Glück ist für mich ein untragbarer Qualitätsverstoß).

Für unsere englisch-sprachigen Freunde dürfen wir noch zwei paar Bewertungen von BoardGameGeek anführen:
1) One of the best game I know
2) The best pocket card game ever

Am Morgen danach erreichte uns Aarons Mail:
“Wir haben gestern übrigens mit der 2. Ausgabe der Regeln gespielt. In der 1. Ausgabe gab es den Komplettaustausch der Handkarten in Phase 1 noch nicht (d.h. man blieb auf schlechten Karten sitzen) und es gab die Aktivierung der Produktionsketten aller Gebäude in der letzten Runde nicht.
Die 2. Regelausgabe ist also deutlich besser als die 1. Mit einer 3. Ausgabe könnte das Spiel noch gut werden. Mein Vorschlag: statt Komplettaustausch auch Teiltausch erlauben und statt Auffüllen der Auslagen solange bis 2 halbe Sonnen ausliegen immer 4 Karten je Auslage aufdecken (also insgesamt 8 Ressourcen).“

Walters Kommentar dazu:
“Dass der Komplettaustausch einer Kartenhand das Spiel deutlich besser macht, solltest gerade Du, lieber Aaron, nicht so stark propagieren. Denn nach dem Gesetz der Großen Zahl sind die Würfel die Du gewöhnlich nachwürfelst und die Karten, die Du gewöhnlich nachziehst, noch schlechter als die vorherigen.
Und wenn wir anstelle einer zufälligen Anzahl zwischen 4 und 10 pro Runde eine feste Anzahl von 8 Rohstoffkarten nachziehen, dann verschieben wir den Glücksfaktor von „Goods“ von 0.93 auf 0.92. Hat das Spiel damit in strategischer Hinsicht irgendetwas gewonnen? Oder in irgend einer anderen Hinsicht?“

2. “Tempel des Schreckens”

Nachdem das Spiel bei uns in einer Dreierrunde ja überhaupt nicht angekommen war, wollte Aaron seinen Qualitäten in einer Viererrunde auf den Zahn fühlen. Bei der ersten Austeilung kommentierte Walter seine Hand sofort einschmeichelnd mit: „Ich bin Abenteuerer und habe nur gute Karten auf der Hand.“ Da er tatsächlich keine einzige schlechte Karte auf der Hand hatte, wollte er damit ganz klar eine Abenteurer-Rolle vortäuschen. Doch Günther, als echter Abenteurer, rechnete die neutralen Karten nicht zu den guten, unterstellte Walter damit eine Lüge und schob ihn lauthals auf die Seite der Wächterinnen. Nachdem sich Aaron durch treuherziges Mienenspiel – oder wie auch immer – ebenfalls als Abenteurer herausgestellt hatte, schoben sich Günther und Aaron drei Runden lang die Such-Karte zu, Horst und Walter mussten tatenlos zuschauen.

Wenn Walter nicht schon gewußt hätte, was er von dem Spiel zu halten habe, wäre er spätestens jetzt rabiat geworden. Nur Horst in seiner gewohnten, grenzenlosen Warmherzigkeit schaute dem bösen Spiel gutmütig zu und warf höchstenfalls hin und wieder seinen Mitstreitern und Kontrahenten einen sanften, emotionsgetränken Blick zu.

WPG-Wertung: Den bisherigen Schnitt von 5 Punkten unterbot Horst mit seiner Wertung gleich um 40 Prozent.

3. “Cartagena”

Kann es sein, dass die Erinnerungen an ein Spiel im Laufe der Jahre immer besser werden? Aaron legte „Cartagena“ mit dem Kommentar „gutes Spiel aus der Vergangenheit“ auf den Tisch. 17 Jahre ist es alt, da fängt manchmal das Leben an, doch für ein Spiel ist das schon fast ein Greisenalter. Insofern hatte er mit „Vergangenheit“ recht. Doch dass er selber und Günther damals nur 5 Punkte vergeben haben, scheint ihm entgangen zu sein. Gute Spiele fangen erst bei 7 Punkten an.

Jetzt aber, nach den „Goods“ und nach dem „Tempel“ erwies sich „Cartagana“ als wahre Wohltat. Blitzschnell erklärt, schnell verstanden und sofort spielbar. Lustig, locker, leicht. Interaktiv. Höchst spielerisch. Es gibt nur Gewinner.

Dabei haben wir Cartagena sogar falsch gespielt, einfältiger als vorgesehen. Horst informierte uns per Mail: „Man darf bis zu 3 mal ziehen (in beliebiger Kombination vorwärts und rückwärts ) – nicht nur einmal!“ Keiner hat diese Einschränkung als schmerzlich empfunden. Vielleicht unterstreicht das Nur-Einmal-Ziehen sogar den spielerischen Zufallscharakter des Spiels. Nicht groß planen. Vorwärts-Ziehen und Sich-freuen, Rückwärts-Ziehen und Sich-Ebenfalls-Freuen, die anderen Vorwärts-Ziehen-Sehen und Staunen oder Rückwärts-Ziehen-Sehen und Neue-Chancen-Taxieren, das ist Cartagena. Eine ganze Menge Qualität!

WPG-Wertung: Walter bleibt bei seinen 7 Punkten, erwartet aber sehr stark, dass sich Aaron und Günther noch aufrappeln.

02.08.2017: Garten, Tempel und Plünderer

Welches sind die bekanntesten Spieleautoren in Deutschland? Wenn man den ersten gefunden hat, findet man gleich eine ganze Reihe, denn Google referenziert auf seiner Trefferseite gleich drei bis fünf weitere Subjekte des Interesses. So kann man sich von einem zum anderen durchhangeln und ist gleich bei einer erklecklichen Anzahl bekannter Spieleautoren gelandet, von Antoine Bauza bis Hans-Jürgen Wrede.

In dieser Autoren-Referenzier-Matrix mit 17 Einträgen wird 9 mal Reiner Knizia erwähnt, 8 mal Uwe Rosenberg und je 6 mal Rüdiger Dorn und Michael Kramer. Wer von Google hier warum aufgeführt wird, bleibt deren Geheimnis. Es ist ein kleiner, feiner Kreis, aber so bekannte und erfolgreiche Autoren wie Franz-Benno Delonge, Alex Randolph, Michael Schacht und Martin Wallace kommen nicht vor. Fehler im Referenzierungs-Algorithmus?

Immerhin gibt es eine Seite im Internet, wo die „erfolgreichen Spieleautoren“, d.h. diejenigen, die schon einmal einen der begehrte deutschen Spiele-Preise bekommen haben, gleich alle (?) auf einem Schlag aufgeführt werden. Hier erfährt man auch, dass es einen Unterschied geben soll zwischen „Spiel-Autor“ und „Spiele-Erfinder“. Genaueres darüber kann man bei der SAZ (Spiele Autoren Zunft) erfahren. Bei Computerspielen heißt der Autor übrigens „Spiele-Entwickler“!

1. “Cottage Garden”

Szenerie in „Cottage Garden“

Uwe Rosenberg ist bei uns bekannt als Autor höchst komplexer Spiele mit einer ingenieurmäßig ausgetüftelten Balance. Im Gegensatz zu solchen teilweise „Spielemonstern“ hat er 2014 mit „Patchwork“ ein hübsches kleines 2-Personen-Spiel herausgebracht, in dem es ganz einfach darum geht, möglichst schnell ein 9 mal 9 Felder großes Quadrat mit einer Reihe von ausliegenden Tetris-artigen Bauteilen lückenlos zu füllen.

Auf dringenden Wunsch von Mehr-Personen-Spielgruppen hat Rosenberg diese Spielidee jetzt zu einem 4-Personen-Spiel erweitert. Hier liegen die angebotenen Tetris-Teile nicht mehr vollständig in einer Kette auf dem Tisch, sondern streng portioniert in einer 4 mal 4 Matrix, wobei jeder Spieler sein nächstes Bauteil aus genau einer wohldefinierten Spalte (oder Zeile) auswählen muss. Die Matrix wird auf dieser Weise von Zug zu Zug ausgedünnt, und erst wenn für einen Spieler nur noch ein einziges Bauteil zur Verfügung steht, wird die entsprechende Spalte (oder Zeile) wieder aufgefüllt.

Die Spieler müssen auch kein einzelnes großes 9 x 9 Patchwork-Quadrat auffüllen, sondern verschieden kleinere 5 x 5 Felder große Garten-Quadrate – jeweils zwei parallel – , die teilweise schon mit Siegpunkt-trächtigen Objekten (Blumentöpfen und Pflanzglocken) bedruckt sind. Ein gewisses Vorstellungsvermögen, welche Bauteil-Form am besten in die Garten-Quadrate eines Spieler passen, ist durchaus von Vorteil. Man darf aber beliebig lang probieren, d.h. jedes einzelne der zulässigen Bauteile auf die Hand nehmen und vor Ort im Garten drehen und wenden und einpassen, um zu schauen, ob es genehm ist. Passt keines der zulässigen Bauteile so richtig zu dem halbfertig angelegten Garten, so darf man sich auch einen simplen Blumentopf aus der Schubkarre holen und auf eines der verwaisten Felder legen. Das füllt zwar nicht besonders viel Gartenfläche, bringt aber wenigstens einen zusätzlichen Siegpunkt ein.

Rosenberg hat noch eine Anzahl kleinerer Effekte für Prämien, Zug-Varianz und Siegpunkt-Dynamik eingebaut, so dass „Cottage Garten“ einen lockeren, gefälligen, spielerischen Gesamteindruck hinterläßt. Keine Herausforderung für Nobelpreisträger im Gartenbau, aber genügend Spaß für angehende Enkel im schulpflichten Alter.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel ist schnell; 1 Punkt für die Niedlichkeit [in Thema und Ausstattung?]), Günther: 6 („Patchwork“ ist besser; das dortige Tableau ist eine größere topologische Herausforderung und der dortige Teile-Nehm-Mechanismus ist ebenfalls deutlich pfiffiger), Walter: 7 (Sympathiepunkte für ein auch am Westpark spielbares Familienspiel, Sympathiepunkte für einen lockeren Rosenberg).

2. “Tempel des Schreckens”

Ein kleines Kartenspiel, bei dem die Mitspieler in verdeckte Rollen von Abenteurer und Wächterinnen schlüpfen und nach einem definierten Schema die verdeckt ausliegenden Karten mit leeren, gefüllten und verzauberten Schatzkammern mehr oder weniger auf gut Glück eine nach der anderen aufdecken. Wurden am Ende zuerst alle gefüllten Schatzkammern aufgedeckt, so haben die Abenteurer (alle gemeinsam!) gewonnen, wurden zuerst die verzauberten Schatzkammern aufgefüllt, so haben die Wächterinnen (alle!) gewonnen. Wurden bis zu einem definierten Rest von Schatzkammer-Karten weder alle gefüllten noch alle verzauberten Schatzkammern aufgedeckt, so gewinnen wiederum die Wächterinnen. Ein höchst kooperativer Spielablauf zweier Parteien, von denen man a priori nicht weiß, wer zu wem gehört.

Na ja, bis jetzt ist ja noch gar kein Pfiff zu erkennen. Etwas davon ist aber doch enthalten. Jeder Spieler ist der Owner von einem Teil der Schatzkammern. Diese darf er sich anschauen und entsprechend seiner Rolle anpreisen. Ein Abenteurer kann also z.B. sagen: „In meinen Schatzkammern gibt es zu viele verzauberte! Schatzkammern, bitte die Finger davon lassen!“ oder „In meinen Schatzkammern gibt es keine einzige verzauberte Karte, Abenteurer, greift nur alle herzlich zu.“ Wenn der Spieler, der so spricht, allerdings eine Wächterin ist, dann wird wohl das Gegenteil davon wahr sein. Jetzt kann jeder Spieler darüber spekulieren, ob der entsprechende Aufklärer die Wahrheit gesagt oder gelogen hat, ob er Abenteurer ist oder Wächterin. Die Spielanleitung schreibt: „Der Spielspaß hängt stark von den Diskussionen im Verlauf des Spiels ab. Führt ruhig hitzige Diskussionen! … Blufft! Drängt die Mitspieler zu Entscheidungen, die sie hinterher bereuen.“ Natürlich, so etwas KANN Spaß machen, aber natürlich NICHT am Westpark!

Wir haben eine ganze Weile darüber diskutiert, ob es lohnenswert ist, die Wahrheit zu sagen oder zu lügen. Andeutungsweises Fazit: Die Abenteurer sollten von vorne herein die Wahrheit sagen. Es gibt viele davon, wenn man blind einem Mitspieler folgt, so ist er mit großer Wahrscheinlichkeit ein Abenteurer. Die Wächterinnen dürfen ihre Identität nicht verraten! Da es nur wenige von ihnen gibt, haben sie sofort verloren, wenn ihre Identität bekannt ist. Also sollten sie sich in den ersten Runden als Abenteurer gebärden und eine entsprechende Abenteurer-Auskunft über ihre Schatzkammern geben. Ein Argument mehr für alle Mitspieler, an die Wahrheit der Aussagen zu glauben. Erst wenn man (die Abenteurer) zum ersten Mal auf eine Wächterinnen-Lüge hereingefallen sind, heißt es aufpassen. Die entsprechende Wächterin ist aber für den Rest des Spiels (für die Mehrheit der Abenteurer) tabu. Wer trotzdem von ihr eine Schatzkammer aufdeckt, ist ebenfalls eine Wächterin. Es gibt keinen Grund für einen Abenteurer, eine Karte bei einer Wächterin aufzudecken. … Macht diese Logik Spaß?

In der dritten Runde versuchten wir, mit OFFEN ausliegenden Schatzkammern hinter das Geheimnis des Tempels zu kommen. Walter als ehrlicher Abenteurer nominierte sogleich eine gefüllte Schatzkammer. Aaron versuchte ein Versteckspiel mit einer leeren Schatzkammer. Das war aber nur ein Pseudo-Versteck. Bei dem reichlichen Angebot von gefüllten Schatzkammern würde kein wahrer Abenteuer eine leere Schatzkammer auswählen. Da hatte es Günther nicht schwer, seine ebenfalls Wächterinnen-Rolle durch die Wahl einer verzauberten Schatzkammer zu offenbaren. Anschließend konnte Aaron problemlos den Sack zumachen. Gegen zwei Wächterinnen hätte nicht einmal ein Old Shatterhand eine Chance gehabt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (zu dritt [am Westpark] funktioniert das Spiel nicht, ich habe aber schon viele größere Runden erlebt, in denen herzlich gelacht wurde), Günther: 5 (nichts für mich. „Ich bin der Papst und gebe meinen Segen anderen Spielen“), Walter: 4 (nichts für uns, wir können nicht wild herum argumentieren, uns dabei hinter Lügen und Wahrheiten verstecken, und uns freuen, wenn jemand auf unsere Demagogie hereingefallen ist).

3. “Gold West”

Eine Reprise beendete den heutigen Spieleabend. Ein „ordentliches“, konstruktives Spiel, dessen Vor- und Nachteile wir bereits vor ziemlich genau einem Jahr kennengelernt und konstatiert haben. Sehr hübsch ist der Kalah-artige Zugmechanismus, etwas problematisch die übergroße Fülle an Möglichkeiten, Siegpunkte zu machen:

• durch konstruktives Bauen (zusammenhängend oder in prämierter Formation)
• auf den vier Einfluss-Schienen
• über ausgelobte Investment-Karten
• über Prämierungen in der Goldgräberstadt
• durch Verschiffung von Rohstoffen

Günther als Gold-West erfahrener Spieler ging vom Start weg auf Plünderungen aus. Bauholz und Bausteine für den ehrlichen Hüttenbau ließ er links liegen, sondern griff auf Teufel-komm-raus bei den Edelmetallen zu, um die ausgelobten Investments zu tätigen. Er war damit nicht erfolgreich. Aber er hat dabei wieder etwas dazugelernt, was man nicht von jeder Art Spielen sagen kann.

WPG-Wertung: Trotz Lob und Kritik, trotz Fehlern und Erfolgen blieben alle Spieler bei ihren (relativ guten) 7 Punkten.