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07.03.2018: Durchs Loch rutschen

“Erfolg oder Mißerfolg hängt davon ab, ob man mit den ausgeteilten Karten so gut spielt, wie es nur geht. Zahlreichen Menschen geht im Leben so manches daneben, weil sie eine Karte spielen wollen, die sie nicht haben, nach ihrer Meinung aber hätten erhalten sollen.“
Unbekannt

1. “The Mind”

Zum Warming-Up zog Aaron ein kleines Kartenspiel aus der Tasche. Jeder bekam eine Karte mit einer Zahl zwischen 1 und 100 auf die Hand. Jetzt sollte jeder in beliebiger Reihenfolge seine Karte spielen, aber am Ende sollten alle Karten der Größe nach gespielt worden sein. Wenn das klappte, hatten wir alle gewonnen. Wenn es nicht klappte, hatten wir alle gemeinsam verloren. Ein kooperatives Spiel also. Dabei durfte aber keiner die Karten von einem Mitspieler sehen und keiner durfte durfte mit keinem reden! Kein Sterbenswörtchen!

Wie soll das funktionieren? Erste Näherung – aber vielleicht verrate ich damit schon zuviel von der Lösung – nach Gefühl. Wer eine niedrige Karte hatte, sollte sie halt relativ schnell spielen, wer eine Karte um die 50 herum hatte, sollte ein bisschen warten, und wer eine ganz hohe Karte sollte mit eisernen Nerven bis zum Schluss warten.

Moritz war schnell bei der Sache und spielt seine Neun. Da hatten wir schon verloren, denn Walter war mit seiner Sechs zu langsam gewesen. – Aber wir hatten glücklicherweise nur ein einziges Leben verloren. Vier Leben wurden uns zugestanden. Und für gutes Spiel bekommen wir ab und zu mal ein Leben dazu. Aber mit den vier oder mehr Leben müssen wir nicht nur die jeweils eine Karte in den Spielerhänden in der richtigen Reihenfolge spielen, sondern mehrere Runden und zwar mit jeweils steigender Kartenanzahl. Acht mal das Ganze! In der letzten Runde galt es also unter uns vier Spielern, vier mal acht, insgesamt 32 Karten, ohne jegliche verbale, mimische oder sonstwelche äußere Koordination einzeln in der richtigen Reihenfolge auf den Tisch zu legen.

Drei Karten lagen auf dem Tisch: 9, 15 und 17 (uff, gerade noch mal gut gegangen), da legte Aaron die 66 – und schon hatten wir wieder ein Leben verloren; entweder war Walter mit seiner 29 zu langsam oder Aaron mit seiner 66 zu schnell gewesen. Die beiden Kampfhähne konnten das nicht einvernehmlich entscheiden. Natürlich flogen wieder ein paar verbale Fetzen, und Aaron ließ es sich nicht nehmen, süffisant zu konstatieren: „Du hast das Spiel nicht verstanden.“ Nein, das hatte er nicht. Aaron wusste mehr, aber er war nicht bereit, mit der Lösung herauszurücken. Hallo liebe Leser, wisst Ihr jetzt schon, wie das Spiel funktionieren soll?

Wir müssen alle still vor uns hin im Sekundenrhythmus zählen! Und wer dabei gerade bei einer Zahl anlangt, die er auf einer seiner Karten hat, dann muss er diese Karte ausspielen. Dabei aber das Weiterzählen nicht vergessen. Wenn alle das gleichen Zeit-Takt-Gefühl haben, werden alle Zahlenkarten in der richtigen Reihenfolge gespielt. Leichte Unschärfen können durch die mehreren Leben und eine finale Lösungshilfe ausgeglichen werden.

Walter war erbost, dass Aaron schon wieder (siehe „Safehouse“ vom 21.Februar) die Lösung eines kooperativen Spiels kannte, sie seinen Mitstreitern aber vorenthielt. Er klinkte sich aus, auch nachdem Aaron die Sekundenzählerei propagiert hatte. Drei Spieler mühten sich noch einmal um den Sieg. Ich weiß nicht mehr, wieviele Runden sie geschafft haben, meinem Gefühl nach waren es höchstens vier. Danach wurde das Spiel abgebrochen oder verloren. – Obwohl sie so langsam das Motto des Spiels verinnerlicht hatten: „Lasst uns eins werden …“

Ein Party-Spielchen! Am Westpark! Unter lauter Männern! Von denen einer sogar nicht einmal gewinnen will! Das Warming-Up war restlos geglückt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich kein Spiel), Horst: keine Wertung, Moritz: kein Spiel, nur eine Party-Übung, Walter: kein Spiel.

2. “T.I.M.E Stories”

Noch ein Kooperationspiel, diesmal von Moritz auf den Tisch gelegt. Aaron war schon im Vorfeld davon begeistert und freute sich über die Qualen, die Walter dabei gleich auszustehen habe. Dieser gedachte an den Gleichmut, mit dem Sokrates den Schierlingsbecher getrunken hatte und gab während der gesamten folgenden zwei Stunden keinen Muckser des Unmutes von sich. Wir waren ja offiziell im Irrenhaus!

Am Ende des Spielabends nahm Moritz sein Spiel gleich wieder mit nach Hause, so dass ich jetzt nur aus der Erinnerung ein paar Worte darüber verlieren kann. Da ich dieses Spiel aber nicht lieben lernte, sollten alle, die dieses Spiel bereits jetzt schon mögen oder die Absicht haben, es demnächst zu mögen, über meine folgenden Zeilen lieber hinweglesen.

In „Time Stories“ sucht sich jeder Spieler einen Kampftypen nach optischem Gefallen oder nach dessen besonderen Fähigkeiten im Zuschlagen, Schläge aushalten oder Schläge verzaubern aus. Gemeinsam müssen wir uns dann durch eine Reihe von Kartensets von je 3 bis 6 Karten hindurcharbeiten.

Jedes Kartenset wird offen ausgebreitet. Die Vorderseite der Karten zeigt irgendwelche Raumausstattungen mit und ohne Personen darauf. Meist Irre mit oder ohne Pflegepersonal! Wir können bzw. müssen unsere Kampftypen nach Gutdünken darauf verteilen, jeder auf eine eigene Karten oder mehrere auf eine. Wie wir das machen und warum wir das gerade so machen sollen, dafür gibt es a priori keinerlei Hinweis, es ist aber entscheidend für den Erfolg.

Alle Karten, auf denen mindestens ein Kampftyp steht, werden umgedreht; eine Text-Seite kommt zum Vorschein und der Mitspieler darf allen den Text vorlesen. (Ursprünglich hatten wir sogar gedacht, der jeweilige Spieler müsse den Text heimlich lesen und dürfe den anderen nur so vage erzählen, was er davon verstanden hat. Aber hier hatte uns die gerade überstandene Begegnung mit „The Mind“ irre geführt.) Der Text ist zu 90 Prozent Flavour-Text, Walter hätte ihn am liebsten übergangen, aber Moritz pochte aufs Vorlesen und kam besonders in Stimmung, wenn wir alle mal wieder „durch ein enges Loch rutschen“ durften. Entscheidend waren aber nur jeweils die letzten beiden Zeilen in der Form von:

  • ”Du bekommst das Objekt xy.”

oder

  • Du musst gegen ein Arschloch kämpfen, d.h. würfeln. Entweder würfelst Du es sofort tot bzw. unschädlich oder es kostet Dich Zeit oder Leben oder beides.

Die Objekte brauchen wir, um in einem der nächsten Sets bestimmte Karten auswählen zu dürfen, oder sie helfen uns, die Arschlöcher zu bekämpfen. Moritz fand z.B. als Objekt eine Pistole mit zwei Kugeln, und piff-paff hatte er das nächste Arschloch, das ihm begegnete, gleich um zwei Leben kürzer gemacht.

Das Ganze ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Jedes Bearbeiten des nächsten Kartensets kostet 1 bis 3 Zeiteinheiten (wird ausgewürfelt). Jedes Verweilen auf einem Kartenset kostet eine Zeiteinheit. Und wenn Horst, der sich beim Startup in einen fußkranken Kampftypen verwandelt hatte, alleine auf einer Karte stand, kostete das ebenfalls eine Zeiteinheit. Haben wir in Summe 25 Zeiteinheiten verbraucht, sind wir alle tot.

Wir haben aber noch nicht verloren. Wir bekommen zwei weitere Leben, in den wir die Kartensets von Neuem auswählen und beackern dürfen. Von total Neuem! Es wird uns nichts geschenkt, alle Objekte müssen abgeliefert und an der alten Stelle neu gesucht und gefunden werden. (Moritz hätte z.B. seine Pistole mit allen restlichen Kugeln wieder hergeben müssen.) Wir hätten allein von dem Vorteil leben müssen, dass wir jetzt schon wissen, welche Arschlöcher in welchen Kartensets auf uns warten.

Walter hatte sich immer noch seinen Schierlings-Gleichmut bewahrt, dem heutigen Seltenheitsgast Horst aber war die Kinnlade aber schon ganz schön nach unten geklappt. Aaron und Moritz hatten ein Einsehen. Wir verzichteten weise auf einen weiteren Teil der Reise.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (es hat mir gefallen, eine kooperative Herausforderung), Horst: 3 (wenn das Spiel in einem Durchgang zu beenden wäre, hätte ich 7 Punkte vergeben, ich habe nichts gegen kooperative Spiele, „Time Stories“ ist von der Story her auch ganz interessant, stimmungsvoll, absolut spannend; es hätte aber einen besseren Lösungsweg geben müssen, als mehrmals ohne jegliche Vorteile (z.B. ersammelte Objekte) nur mit dem gemerkten Wissen um die bearbeiteten Kartensets jeweils wieder die gleichen Sets durchzuarbeiten), Moritz: 9 (ein super Spiel), Walter: 3 (nicht mein Fall, er mag es nicht, die Irrwege nachzuvollziehen, die sich ein Autorengehirn ausgedacht hat).

3. “Feuville”

Ein Famlien-Kinder-Würfelspiel. Wir erwürfeln uns Stadmauern, Wolkenkuckucksheime, Fahnen, Vögel und Wolken. Wir erwürfeln uns und allen Mitspielern Feuerkatastrophen, und zauberwürfeln den Schaden wieder heil. Wir erwürfeln uns Wertungsplättchen, die unser aktuelles Besitztum an immobilen Werk und mobilen Beiwerk in Siegpunkte ummünzen, und wenn wir genug gewürfelt haben, dann gehen wir wieder heim. – Moritz nahm längst nicht die vorletzte U-Bahn nach Hause.

WPG-Wertung: Aaron: 6, Horst: 7 (ganz sympathisch für ein Familienspiel), Moritz: 6 (eine Spur zu verzwickt für ein Familienspiel; die erwürfelbaren Rollen sind nicht ganz gelungen [ausbalanziert]), Walter: 5 (ist halt nur ein Würfelspiel).

Aaron hatte das Spiel mitgebracht, Horst bekam es geschenkt. Er nahm es auch sogleich mit nach Hause. Schon das zweite Spiel, über das ich jetzt ohne jegliches Material ein paar Sätze hinschreibe.

4. “AZUL”

Nein, das haben wir nicht gespielt. Wir wollten es spielen, konnten es aber nicht, denn Günther – und sein Spiel – war heute leider nicht dabei, und Aaron sowie Walter warten immer noch auf ihr Exemplar. Nur zur Information, was bei Buchungen im Internet offensichtlich gang und gäbe ist:

Happyshops schrieb am Freitag, den 12. Januar 2018 um 20:18 Uhr:
Am 12.01.2018 um 20:17 Uhr erhielten wir von Ihnen die folgende Bestellung:
1 x Azul (EP 38,99 EUR) = GP 38,99 EUR (wahrsch. lieferbar in 7-14 Tagen)“

Bis heute kein weiteres Lebenszeichen von Happyshops oder AZUL.

5. “Texal Showdown”

Horst war schon halb im Mantel, nahme aber noch an einer Runde dieses hübschen tricky Stichkartenspiels teil.

WPG-Wertung: Horst siedelte sich mit 7 Punkten am oberen Ende der WPG-Noten an (“witzig, möchte ich noch einmal spiele“).

21.02.2018: Safehouse

1. “Safehouse”

Hektische Planung im „Safehouse“

Walter hatte das Spiel von Steffi, der charmanten Tochter einer Bridgepartnerin zur Begutachtung am Westpark geliehen bekommen. Schon beim Lesen der Spielregeln kamen ihm die Zweifel, ob er dieses Spiel seinen WPG-Genossen überhaupt vorsetzen könne. Er fühlte per eMail vorsichtig vor („ziemlich ödes – kooperatives Karten-Auslege- / Anlegespiel“). Aaron erlöste ihn aus der Verlegenheit, einer jungen Dame einen Korb geben zu müssen: Er hatte das Spiel vor einem Jahr in Brixen als Prototypen kennengelernt und war „daran interessiert, was daraus geworden ist“.

Das eigentlich reine Kartenspiel ist in eine spannende Flucht-vor-dem-Mörder-Geschichte eingepackt, und es wird ein bemerkenswertes, aufwändig konstruiertes, mehrfach aufklappbares Spielbrett dazu geliefert, auf dem unser Fluchtweg eingezeichnet ist, sowie die Plätze für die verschiedenen Karten-Zieh- und Ablagestapel vorgegeben sind.

Aus einem Handset von jeweils acht Karten spielen wir reihum in beliebiger Reihenfolge und Quantität zwei Arten von Karten aus. Die „Bewegungskarten“ erlauben uns, mit dem einen, gemeinsamen Pöppel eine bestimmte Anzahl von Feldern vorwärts zu ziehen. Wir dürfen allerdings erst vorwärts ziehen, wenn wir die Bewegungskarte erfüllt haben. Dazu müssen wir ihr eine jeweils vorgebene Anzahl von „Erfüllungskarten“, zwei bis sechs Stück, in einer vorgegebenen Farbzusammensetzung beilegen. Mit aufsteigenden Zahlenwerten zwischen 1 und 15. Jeder darf bei jedem Mitspieler an die bereits ausliegenden Bewegungskarten anlegen. (Bei uns hatte jeder Spieler die von ihm ausgespielten Bewegungskarten vor sich selber liegen. Eigentlich hätten wir sie alle der besseren Übersicht wegen auch in die Mitte legen können.)

Warum ziehen wir eigentlich vorwärts? Wir wollen / müssen mit unserem Pöppel eine bestimmte Anzahl von Feldern zurückgelegt haben, bevor der uns Mörder einholt und abmurkst. Der Mörder bewegt sich auf dem gleichen Fluchweg hinter uns her. Er geht vorwärts, wenn wir beim Nachziehen von Erfüllungskarten auf dort in zufälligem Abstand hineingelegte „Mörderkarten“ stoßen. Die Mörder-Schrittweite liegt in der Regel zwischen 1 und 3, kann aber bei einer unglücklichen (bzw. blödsinnigen) Auslage von Bewegungskarten 5 und mehr Felder betragen. Mit solchen Riesenschritten hätte der Mörder in Windeseile den Start-Abstand Felder zwischen sich und unserem Pöppel bewältigt und das Spiel ist aus. Alle haben verloren. Wenn wir beim Anlegen unserer Erfüllungskarten in arithmetische oder farbliche Schwierigkeiten geraten und zu langsam spielen, holt uns der Mörder ebenfalls ein, er darf nämlich alle 2 Minuten ein Feld vorwärts ziehen. Für die Zeitmessung ist eigens eine Sanduhr mitgeliefert; aber selbstverständlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, die zugehörige Mördermusik aus dem Internet herunterzuladen und uns die 2-Minuten Zeitabstände per Hornsignal zuliefern zu lassen.

Zweimal versuchten wir, das „Safehouse“ zu erreichen. Beides Male ist es uns nicht geglückt. Warum?

Natürlich muss man die Tücken dieses Spieles einmal kennengelernt haben, um bestimmte Fehler zu vermeiden.

  1. Man sollte keine Bewegungskarte erfüllen, wo unser Pöppel auf einem Feld landet, das auch dem Mörder erlaubt einen Schritt vorwärts zu gehen. (Trivial! Aber beim ersten Versuch haben wir hier zweimal nicht aufgepasst.)
  2. Da der Mörder, egal, welchen Vorsprung unser Pöppel erzielt hat, viermal – bei jedem Kapitelende – wieder auf einen festen, von Kapitel zu Kapitel sogar abnehmenden Abstand zu uns wieder neu aufgesetzt wird, sollten wir nicht mit allzu überflüssigem Vorsprung das Kapitelende angehen. Dann lieber eine fast-erfüllte Bewegungskarte aufheben und damit beim Kapitelwechsel sofort unseren Abstand auf eine sicherere Größe erhöhen. Da muss man aber erst einmal draufkommen: Ei des Kolumbus. Aaron kam drauf, er verriet uns diese zündende Idee allerdings erst, als wir – partiell emotionslos – zweimal verloren hatten.
  3. Es gibt bestimmte Mörderkarten, nach denen der Mörder soviele Felder vorwärts – oder sogar noch ein Feld mehr – gehen darf, wie wir unerfüllte Bewegungskarten vor uns liegen haben. Vier Mitspieler, jeder wollte mindestens eine Karte vor sich liegen haben, da konnte der Verfolger beim Aufdecken dieser Mörderkarten gleich 5 Felder vorwärts gehen. Wenn man das begriffen hat – das ist ja nicht schwer – dann koordiniert man das Auslegen von Bewegungskarten, d.h. man fragt seine Mitspieler, ob man noch eine weitere solcher Karten legen soll. – Aber wann fragt man schon am Westpark sich gegenseitig, wie man spielen soll?!

Die Planungen nach Punkt 2 und 3 erfordern natürlich eine gewisse Abstimmungszeit. Eigentlich müsste man in Ruhe jede einzelne Bewegungskarte, ihre Erfüllungschancen, die aktuell verfügbaren Erfüllungskarten, den Abstand bis zum Kapitelende und den Abstand des Mörders von unserem Pöppel gegeneinander abwägen. Dagegen spricht aber die Uhr, der 2-Minutentakt, nach dem der Mörder automatisch vorwärts geht. Wer entsprechend veranlagt ist, genießt diese hektische Koordinationsplanung. Wir in Summe nicht.

Zu der knappen Zeit kam bei uns noch hinzu, dass Walter nicht die empfohlene Einführungsversion spielen wollte, sondern gleich den „Big Thrill“. Ihm war bereits nach dem Regelstudium klar geworden, dass er das Spiel nur ein einziges Mal am Westpark spielen würde. Da wollte er der charmanten Steffi doch schon ein etwas fundierteres Urteil über die Elemente und das Spielgefühl von „Safehouse“ mitgeben können.

In der „Big Thrill“ Variante haben die Spieler nicht nur die Aufgabe, das „Safehouse“ zu erreichen, sie müssen mit ausgespielten Erfüllungskarten auch noch 20 von 25 Chips verschiedener Typen jeweils genau eine ungerade Zahl oft umdrehen, bis von jedem Typ nur noch ein einziger nicht-umgedrehter (oder eine gerade Anzahl oft umgedrehter) Chip übrig ist. Die unterschiedlichen Chips sind sehr schwer zu erkennen, genauso die Angabe der Chips (1 bis 3 Stück), die pro Erfüllungskarte umgedreht werden müssen. Allein das Suchen und Finden der einzelnen Chip-Positionen hat uns mehr Zeit gekostet, als wir uns für eine zielführende Planung gönnen wollten.

Es kam ein aggressive Stimmung auf. Aaron hätte Walter fast die Augen ausgekratzt, als dieser eine rote 9 als die vorletzte Erfüllungskarte gelegt hat. Walter fühlte sich zu Unrecht angegriffen, denn wenn es noch 5 höhere rote Erfüllungskarten gibt als seine 9, und durchschnittlich jeden Moment ein Drittel aller Erfüllungskarten in den Händen der Spieler sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens ein Mitspieler eine der höheren Karten hat, doch deutlich über 60 Prozent.

Nach dem Spiel gab es einen weiteren aggressiven Disput zwischen Aaron und Walter, ob das Spiel jetzt trivial ist oder nicht. Aaron plädierte vehement für die Nicht-Trivialität, schließlich hätten wir zweimal verloren. Walter plädierte ebenso vehement für die Trivialität, schließlich geht es bei den einfachen Anlegeregeln nur um die Beherrschung des Zahlenraums von 1 bis 15. Erste Klasse Grundschule. Und schlussendlich ist auch Lotto unbestritten ein triviales Spiel, obwohl er noch nie dabei einen Sechser erzielt hat.

Um Walters Triviatäten-Aussage zu stürzen (mit „r“), berief sich Aaron auch noch auf Walters angeblich schlechte Benotung von „Hanabi“. Ein Blick in unsere Rangfolgetabelle konnte diese Aussage aber umgehend als verleumderische Unterstellung abschmettern.

Günther und Moritz hörten sich stillschweigend aber überrascht bis entsetzt diesen Disput an, bis Moritz dazu drängte, das nächste Spiel aufzulegen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (der Wiederspielwert ist gering; das Chips-Handling fummelig), Günther: 4 (das Spiel ist nix für mich), Moritz: 4 (spieltechnisch langweilig, die Musik dazu macht mich krank; lieber lege ich eine Patience), Walter: 3 (Kooperativ!! Zeitlimit!! Fieslig!! Trivial!!).

Am Tag nach dem Spielabend fand Günther im Internet eine enthusiastische Kritik zu „Safehouse“ und fragte sich und uns, ob wir wirklich dasselbe Spiel gespielt haben. Dazu kam dann von Aaron folgende Antwort:

Haben wir, und wenn ihr mich vorher um meine Meinung (allerdings zum Prototyp) gefragt hättet, hätte ich ähnlich reagiert. Im Westpark funktionieren mit ganz wenigen Ausnahmen aber keine kooperativen Spiele. Das wurde gestern durch Kommentare wie “Ich habe nicht gespielt um zu gewinnen” und “Die Spielzüge sind läppisch, da brauchen wir uns nicht abstimmen.” Wohl sehr deutlich. Zweimal gespielt und zweimal verloren war die Konsequenz.

Eine grundsätzliche Aussage zu kooperativen Spielen im Allgemeinen und Safehouse im Besonderen:

Kooperative Spiele sind, sollen sie gut sein, immer so angelegt, dass nur optimale Züge zum Sieg führen, Durchschnittszüge MÜSSEN zum Verlust führen sonst funktioniert das Spiel nicht, weil zu einfach oder zu schwer. Mit Statistik statt Absprache kommt man nicht weit (“Mit 70% Wahrscheinlichkeit hat jemand anderes noch eine passende Karte”), denn damit spielt man durchschnittlich und gewinnt oder verliert immer.

Safehouse ist da besonders knifflig, weil es zum Sieg notwendig ist, mit einem Minimum an Karten zu spielen. Das gelingt nur, wenn

  1. Die Spieler sich bei der Auslage von Kapitelkarten abstimmen. Karten mit hohen Anforderungen haben ein besseres Karten zu Schritte Verhältnis als solche mit niedrigen (Günther hatte das gestern als einziger bemerkt), sind also besser. Allerdings muss man sich hier vor dem Ausspielen absprechen, damit nicht zu viele davon offen liegen, denn sie brauchen ja länger, um erfüllt zu werden.
  2. Das Spielen von Karten auf den Kapitelstapel(?) braucht gutes Timing. Hier frühzeitig Karten zu spielen führt nur dazu, dass unnötigerweise wieder neue Karten (und damit potenzielle Täterkarten) ins Spiel kommen. Eigentlich bietet sich das nur für Notfälle an (auch hier biete sich eine Absprache an, wer denn gerade die notwendige Anzahl Karten auf der Hand vorhält, das können auch mehrere Spieler sein).
  3. Karten frühzeitig auf den Sonderstapel für die 2. Schwierigkeitsstufe zu legen, ist kontraproduktiv. Diese Karten sind aus dem Spiel und reduzieren damit die Anzahl der “guten” Karten im Nachziehstapel. Besser ist es, die auf der Hand zu halten und sich laufend darüber abzusprechen, wer welche Plättchen im letzten oder vorletzten Kapitel damit umdrehen wird.

Was haben wir gestern falsch gemacht:

  1. keinerlei Absprache
  2. gleich die 2. Schwierigkeitsstufe gewählt, obwohl wir noch nicht einmal die Mechanismen der 1. verstanden hatten
  3. unnötig viele Karten rausgehauen und damit nach dem Neumischen das Verhältnis guter zu schlechten Karten verschlechtert (Konsequenz von 2.)

Zeit hatten wir in beiden Spielen genug, d.h. wir hätten uns durchaus abstimmen können.

Ist alles meine Meinung und meine Interpretation von vielleicht 6 Spielen, die ich insgesamt gespielt habe. In anderen Runden funktioniert’s jedenfalls und macht auch Spaß.

Diese Positionierung kommentierte Günther mit folgender Stellungnahme:

Für kooperative Spiele der Art „optimale Lösung/Weg etc“ (wie bei Safehouse) gelten deine Aussagen auf jeden Fall! (Es gibt aber natürlich auch andere koop. Spiele).

Was aber nicht sein muss, ist die Hektik (insbesondere dann nicht, wenn die Zeit sowieso ausreicht). … Also Zeitbegrenzung weglassen!

Die unlesbaren Scheiben (2. Stufe) weglassen oder anders lösen (Da wurde wieder das Thema priorisiert und nicht die Spielbarkeit).

„Man darf nur ungenau über seine Karten reden“: ist generell ein Problem. Warum ist das überhaupt nötig?

Aber das ist nur meine Meinung/Geschmack – in anderen Runden mag das gut funktionieren.

2. “Texas Showdown”

In der heutigen 4er Runde haben die Strategen von letzter Woche ihren Frieden mit dem Spiel gemacht. Kartenpflege und Winkelzüge schienen ihnen in der größeren Runde leichter anbringen zu sein. In einer Statistik-Beziehung haben sie auf alle Fälle recht: Während in der 3er Runde der durchscnittliche Frustfaktor bei 33 Prozent liegt, ist er in der 4er Runde auf 25 Prozent gefallen. In einer 6er Runde, für soviel Mitspieler geht das Spiel nämlich, sind es sogar nur 16 Prozent, während 84 Prozent aller Spieler sich bei jedem einzelnen Stich, und dann auch noch einmal in der Gesamtheit der Stiche, darüber freuen, dass es einen anderen erwischt hat.

Wir haben zumindest viel gelacht und die aggressive Stimmung aus „Safehouse“ war wie weggeblasen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkt mehr als letzte Woche), Günther: 6 (2 (ZWEI Punkte mehr als letzte Woche), Moritz: 6 (das Spiel ist OK, die KI sollte leicht zu programmieren sein, es gibt immer wieder den besten Zug. [AbN: Hallo Moritz, kannst Du auch noch einen Satz über die Programmierbarkeit der KI für „Safehouse“ abgeben]), Walter: 7 (1 Punkt mehr als letzte Woche, das schnelle Spiel mit seinen pfiffigen Karten-Rangfolge-Regeln besitzt einfach eine recht hohe Spaß / Kosten Relation.)

3. “OTYS”

Moritz durfte heute auch dieses Spiel von letzter Woche noch kennenlernen. Wir anderen drei kannten uns schon mit dem Mechanismus aus und konnten eine Stunden lang unsere Taucher, den Fahrstuhl, mit dem sie sich zwischen Meer und Erdoberfläche bewegten, die Sponsoren und ihre Mitgifte, sowie die anderen rationalen Spielelemente von „OTYS“ planen und einsetzen. Moritz war aber schnell von Begriff und schaffte auf Anhieb den zweiten Platz.

Sieger wurde Walter, der durch eine günstige Start-Konstellation von seinen Tauchern und dem Upgrade-Sponsor sogleich seine Händlerin upgraden konnte, und damit auf dem Markt ohne größere Mühe seine Liquiditätsprobleme lösen konnte, während für alle anderen Mitspieler der Geldmangel stets ein Handicap blieb.

Was können wir allerdings zur die intellektuelle Herausforderung von „OTYS“ sagen, wenn Günther nicht aufs Treppchen kam? Und wenn alle Spiele bis zum Schluss dicht beieinander lagen?

WPG-Wertung: Moritz reihte sich mit seinen 6 Punkten in die Phalanx der anderen WPGler ein (das Spiel ist nicht schlecht, die Steuerung ist etwas mühsam, aber ich würde es – mit meinem jetzigen Know How – gerne noch einmal spielen).

4. “AZUL”

Als Moritz schon in der U-Bahn saß, gönnten wir uns noch eine Runde mit unserem neuen Absacker-Favoriten. Wieder bewies es sich als Gewinner-Stratgie, so schnell wie möglich die ersten Mosaiken aus der Tischmitte zu holen. Den dabei zugeschustert bekommenen einen Strafpunkt kann man beruhigt außer Betracht zu lassen. Der Vorteil, in der nächsten Runde als Erster, und statistisch gesehen auch am häufigsten, zugreifen zu können, wiegt den einen Strafpunkt bei weitem auf.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7 ½ Punkte Spiel.

14.02.2018: Tauchen im Meer, graben auf der Insel

Seit dem 10. Januar läuft in unserem Spielzimmer ein Luftbefeuchter. Heute hat Aaron bemerkt, dass bei unserer absolut normalen Zimmertemperatur die Fenster von innen beschlagen! Und das bei einer Warm-Wasserheizung ohne nennenswerten Alkohol- oder Wasserverbrauch durch die Anwesenden. – Ach richtig, der Luftbefeuchter! Wenn man ihm kein Limit vorgibt, dann spuckt er Wassertröpfchen und spuckt und spuckt, bis wir bei 100% Luftfeuchte wohl alle ertrinken …

1. “OTYS”

Die Spielregel malt eine düstere Szenerie: durch rücksichtslosen Kapitalismus haben wir (wer wir?) den Meeresspiegel so steigen lassen, dass alles Land überflutet ist. Wir verbringen unser Arbeitsleben mehr oder weniger als Taucher, um so vom Meeresboden die überlebenswichtigen Ressourcen zu holen. Metalle sind dabei, Treibstoff und Technologie: der Kapitalismus geht weiter.

Jeder Spieler ist Besitzer von acht „Tauchern“, von denen jeder eine eigene Aufgabe durchführt: Vier „Experten“ für das Erbaggern von je einer Ressource aus dem Meeresboden, einen „Händler“ zum Kaufen oder Verkaufen von Ressourcen im Laden um die Ecke, sowie einen „Ingenieur“, einen „Entdecker“ und einen „Spion“ für weitere technische Aufgaben.

Wir können unsere Taucher nicht in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit arbeiten lassen: nach jedem unter dem Meeresspiegel durchgeführten Auftrag muss ein Taucher auftauchen und sich mindestens 3 Perioden lang an Licht und Luft regenerieren. Zur Handhabung dieses Mechanismuses liegen Taucher in einer 8er Kette nebeneinander, fünf davon unter dem Meer, die jederzeit sofort eingesetzt werden können, drei davon über dem Meer, die müssen erst wieder Runde für Runde nach unten geschoben werden. Ein Taucher, der seine Aufgabe erfüllt hat, wird aus seinem aktuellen Platz in der Liegekette herausgenommen und am obersten Punkt wieder eingeklinkt, wo er also drei Runden lang nix tut. Fazit: „Ein Taucher, der nicht taucht, taucht nix!“

Je nach seiner Position innerhalb der Liegekette aktiviert ein Taucher vor Ausführung seiner Aufgabe einen der „Sponsoren“, die für Geld, Zusatz-Ressourcen, Batterien (das kriegen wir später) oder eine Verbesserung der Tauchausrüstung sorgen. Für ein gutes Spiel sollte man beim Einsatz seiner Taucher unbedingt darauf achten, welcher Sponsor ihm gerade zugeordnet ist, um so den optimalen Sponsoren-Beitrag abzugrasen. Diese Zuordnung ist nicht fest, sie ändert sich wrap-around bei bestimmten Tauchgängen der Spieler, sie ist also beeinflussbar, aber nicht so chaotisch, als dass man sie nicht gezielt einsetzen könnte.

Und wer gewinnt? Wer als Erster 18 Siegpunkte erzielt hat. Und wie macht man Punkte? Hin und wieder werden einzelne Siegpunkte als Nebenprodukt der Tauchtätigkeit ausgeschüttet, den größten Teil von ihnen erwirtschaften wir uns aber über Aufträge, d.h. über das Ertauchen und Abliefern einer vorgeschriebenen Menge und Auswahl von Ressourcen, die wir Stück für Stück in einer unserer fünf Lieferplattformen unter der Erde zusammengetragen haben. Die obersten Plattformen fassen nur drei Ressourcen, da muss man genau aufpassen, was man hier aus dem Meeresboden heranschafft, damit die Ware nicht auftragslos herumliegt und unsere Plattform blockiert. Die unterste Plattform fasst sechs Ressourcen, hier kann man schon mal auf Vorrat ansammeln, doch ist hier eine größere, vorgegebene Ressourcen-Lieferung auch am schwierigsten zu bewerkstelligen, weil z.B. ein Experte für eine bestimme Ressource am längsten braucht, zum nach dem Zwangsauftauchen wieder hierher zu kommen.

Hier setzte Günthers Skepsis ein, ob die Tauch-Plattformen 5 und 6 überhaupt funktionieren. Wir fanden aber eine ganze Latte von Nebenbedingungen, um auch diese untersten Plattformen zum Leben zu erwecken; z.B. kann man Nachbarschaftstaucher aktivieren oder mittels Batterien (voilà) Taucher für ein weiteres Arbeiten an der gleichen Stelle festhalten („mit neuem Sauerstoff versorgen“).

Noch ein Wort zu den Aufträgen: Drei Aufträge liegen öffentlich aus; wer die geforderten Ressourcen bereit hat, kann sich hier bedienen. Dieser Auftrag ist dann weg und es wird sofort ein neuer Auftrag öffentlich ausgelegt. Pech für den Mitspieler, der auch gerade auf diesen Auftrag spekuliert hat. Hoffentlich muss er seine gesammelten Ressourcen nicht in der Pfeife rauchen. Da zieht man sich doch besser Privat-Aufträge mittels „Spion“ an Land, die genauso viel wie öffentliche einbringen, aber langfristig zu kalkulieren sind.

So werkelt ein jeder lustig vor sich hin. Ins Gehege kommt man sich nur marginal im Tante Emma Lade für Ressourcen; das Wrap-around-Verschieben der Sponsoren-Zugänge ist eher nur ein geringes Hintergrundrauschen von Mitspielerchaos. Man kann „OTYS“ sehr gut alleine spielen. Mir hat es trotz seines starken Solitär-Charakters Spaß gemacht.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (obwohl es zu der von ihm ungeliebten Kategorie der Puzzle-Spiele gehört; es war besser als befürchtet, u.a. ist es angenehm kurz; den 7ten Punkte hat es wegen des Endekriteriums – Sudden Death nach Erreichen einer definierten Schwelle – NICHT bekommen), Günther: 6 (das Nicht-Zählen von Geld, Batterien und Ressourcen bei Spielende hätte besser gelöst werden sollen), Walter: 6 (viele verschiedene Spiel-Elemente, die bei der repetitiven Verwendung gut beherrschbar werden).

2. “Loot Island”

China hat geliefert, endlich konnte Aaron die deutsche Version seines jüngsten ausgetragenen Spielekindes vorlegen und jedem Westpark-Gamer auch ein eigenes Exemplar mit Autoren-Autogramm überreichen. Danke dafür.

22 mal lag dieses Spiel im Laufe seiner Entwicklung bei uns auf. Immer wieder wurden in einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“ Rädchen anmontiert, abmontiert oder verstellt. So lange, dass auch heute Aaron noch immer wieder im Regelheft nachschauen musste, wie jetzt dieses oder jenes Detail gehandhabt wird.

In jedem Fall 30 bis 60 Minuten intensivste Interaktion. Denken und Grübeln ist angesagt, aber immer nur kurzfristig, eher für den Augenblick als für eine mittelfristige Planung. Und weil jeder von jedem Zug seiner Mitspieler betroffen ist, geht auch bei längerem Nachdenken der Spannungsbogen nicht verloren. Die Auswertung der gesammelten und verfluchten Schätze am Spielende kann nochmals einige Überraschungen bieten. Spielerisch und kalkulierbar, aber mit einem wohldosierten Anteil für die Glücksgöttin Fortuna.

WPG-Wertung: Keine Änderung der bisherigen Notengebung, aber immerhin überlegt sich Walter, ob er seine 7 in Richtung WPG-Durchschnitt auf eine 8 anhebt.

3. “Texas Showdown”

Stichkartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Sie arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Jeder spielt reihum eine Karte zu einem Stich aus, alle ausgespielten Karten haben (pro Spiel oder pro Stich) eine wohldefinierte Rangfolge, die höchste Karte macht den Stich.

Für das Drumherum gibt es vielfältige Variationskriterien: einmal zählt der Inhalt (Skat), einmal nur die nackte Anzahl der Stiche (Bridge). Mal möchte man die meisten Stiche bekommen, mal die wenigsten und manchmal auch eine genau definierte Anzahl davon (Tarock).

Oft genug ist während des gesamten Ablaufs eines Spiels eine definierte Spielfarbe Trumpf, manchmal bestimmt auch die Farbe der jeweils ersten ausgespielten Karte zu einem Stich die Trumpffarbe. Der zuerst ausgespielten Farbe muss gefolgt werden; wer nicht bedienen kann, darf eine beliebige Karte zugeben. Die höchstwertige Karte in der Trumpffarbe macht den Stich.

In „Texas Showdown“ soll man die wenigsten Stiche bekommen. Die Besonderheit hierbei sind die Konsequenzen beim Nicht-Bedienen, d.h. beim Zugeben einer Karte, die nicht der ausgespielten Trumpffarbe entspricht. Die Farbe dieser Karte wird sogleich zu einer zweiten „Trumpf-Farbe“; die Mitspieler dürfen ab sofort zu diesem Stich auch Karten in dieser zweiten Farbe „bedienen“. Nachdem jeder Spieler eine Karte zugegeben hat, ist die Farbe mit den meisten Karten in diesem Stich letztendlich die ausschlaggebende Trumpffarbe. Die höchste Karte dieser Farbe bekommt den Stich. Man kann sich also nicht in Sicherheit wiegen und als „Kartenpflege“ irgendwelche unangenehmen Karten, d.h. solche mit hohem Stichpotential loswerden. Blitzschnell bedienen die restlichen Mitspieler in dieser Farbe und die leichtfertig losgewordene Karte entfaltet tatsächlich ihr unangenehmes Stichpotential.

Eine weitere hübsche Regel in „Texal Showdown“ ist, dass man dann, wenn man den Stich mit der höchsten Karte einer Farbe bekommen hat, wählen kann, wer zum nächsten Spiel ausspielen soll. In jeder Spielsituation kann das Ausspielen ein Vorteil sein, sehr oft ist es aber ein deutlicher Nachteil. Durch Kartenpflege, d.h. durch konsequenztes Zurückhalten (Nicht-Abwerfen) dieser Höchste-einer-Farbe-Karten kann man sich für das Endspiel, wenn die Kartenhände der Mitspieler ausgezählt werden können, eine Option offen halten, um den richtigen Spieler an den Stich zu bringen.

Es gibt viele Strategien (“Schienen”), eine Kartenhand optimal abzuspielen. Wenn wir zu Spielbeginn mit 15 Karten in der Hand anfangen, kann jeder zum ersten Stich durchschnittlich 3 Karten bedienen und, falls er nicht bedienen kann, durchschnittlich etwa 12 beliebige abwerfen. Wer den ersten Stich gemacht hat, hat für das Ausspielen zum zweiten Stich 14 verschiedene Möglichkeiten. Ist das keine Handlungsfreiheit?!

Günther hat hartnäckig behauptet, dass „Texas Showdown“ ein reines Glücksspiel sei. Das haben Westpark-Gamers auch schon bei anderen Stichkartenspielen behauptet, z.B. als sie die ersten (mehrere!) Male „6-nimmt“ gespielt haben. OK, das ist kein reines Stichkartenspiel, aber es ist damit verwandt. Aber auch beim reinen Stichkartenspiel „Flaschenteufel“ haben sich solche falschen Glückspiel-Ankläger gefunden. Dort würde das heute keine mehr behaupten wollen. Natürlich kann man nicht mit jeder Kartenhand gewinnen, aber auf die Dauer gewinnt der Beste. Frage ist: wie lange ist der Lernweg, wie lange dauert es, bis kluge Spieler alles verinnerlicht haben, was zu einem guten Spiel gehört, bis sie „der Beste“ geworden sind? Von und bis zu welcher Altersstufe funktioniert ihr Gedächtnis so gut, dass sie sich exakt merken können, welche Karten gefallen bzw. noch im Spiel sind, wer welche Farben nicht mehr bedienen konnte, und bei welchem Spieler notgedrungen die noch ausstehenden Karten einer Farbe sein müssen? Erst wenn alle Mitspieler in diesen Stichspiel-Kategorien den gleichen Genius-Level erreicht haben, wird „Texas Showdown“ wieder zu einem reinen Glücksspiel.

Zwischen Günther und Walter gab es auch unterschiedliche Auffassungen, ob das Spiel zu dritt besser beherrschbar ist als zu viert (oder zu fünft oder sechst). Günther glaubte im Mehr-Teilnehmer-Chaos an Durchsicht gewinnen zu können, Walter argumentierte strikt dagegen. Aber bis zu welchem Alter lässt man sich heutzutage noch bekehren.

Günther hat heute in drei Durchgängen nicht gewonnen. Ganz im Gegenteil. Doch dieses Faktum spricht keinesfalls dafür, das „Texas Showdown“ nur ein Dödelspiel ist. Ich bin gespannt auf die nächste Stichprobe.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich „sicherlich“ am schlechtesten), Günther: 4 (für die 3-Personen-Runde, bei mehr Spielern könnte das Spiel mehr Punkte bekommen), Walter: 6 (er liebt Stichkartenspiele jeglicher Art; dieses hier ist schnell und pfiffig, und in einer 3er Runde noch äußerst hoffnungsvoll zu kalkulieren).