02.01.2013: Einvernehmliche Abbrüche

In trauter Westpark-Gamers Runde feierten wir Aarons Geburtstag. Fast einen ganz runden. Er hat ihn aber auf 59’2 (Strich Zwei) abgebildet. Vorsicht: Liegt in dieser Notierung nicht eine sagenhafte Chance für die Renten-Politiker drin?

Vor ziemlich genau 10 Jahren durften wir alle an einer Geburtstagsüberraschung von Peter teilnehmen. Hier – mit freundlicher Genehmigung – sein Bericht von damals.

Heut’ morgen, ich dös’ im Bett, sieben war’s wohl, klingelt das Telefon (Festnetz).
Ich hatt’ den Dachauer Lampenverkäufer in Verdacht (“Bitte mailen Sie mir die Preisliste! Nicht anrufen! Mailen! B – i – t – t – e!”), aber als ich ans Telefon torkelte, war da eine Handynummer angezeigt. Naja, das hatte Zeit, ich ging zurück ins Bett.
Zwei Stunden später.
Abhören: “Sie haben eine Kurznachricht empfangen.” Aja. Festnetz-SMS. Ich erinnere mich, mal in einem Artikel vor ein paar Jahren geschrieben zu haben, dass die Nachts über nicht zugestellt werden, dafür am nächsten Tag ab 7. Ich glaub’, dass ich damals schon dazuschrieb, dass ich 7 asozial finde und 9 aufwärts fair sei. Ich hasse es, immer recht haben zu müssen.
Eine Frauenstimme flötet:
“Leider mag ich [unverstehbar] meine Email nicht verwenden. Deswegen Foto erst wenn ich wieder in B bin. Alrun.”
Tja, irgendein Berliner freut sich auf Alruns Foto, kriegt aber nicht, weil Alrun nicht mailen mag. Ob sie belästigende E-Mails erwartet? Und warum lässt sie dann ihre Handynummer anzeigen? Typisch Mädels, testen jeden Blödsinn wie Festnetz-SMS und wollen Fotos verschicken. Vermutlich schaut sie auch “Superstar”, die gute Alrun.
Und dann das ganze auch noch fälschlich an mich schicken und mich aus dem Bett holen. Grr…
Egal, alles nicht mein Bier.
Aber die Handynummer lässt mich nicht los. Verdammt, ich kenn’ die Nummer. Ich hab’ zwar eine Rückwärtssuche für ein paar Zehnmillionen deutscher Festnetznummern, aber nicht für Handynummern. Dennoch, ich kenn die Nummer.
Schnapp’ mir mein Notizbüchlein und werd’ auf Seite 1 bei “Aaron” fündig.
Moral von der Geschicht’:
1. Telekommunikationsdienste, die Aaron zu Alrun machen sind unbrauchbar.
2. Telekommunikationsdienste, die mich um 7:00 aufwecken, sind unbrauchbar.
3. Telekommunikationsdienste, die mich den ersten Satz auch nach 5 Abhören nicht verstehen lassen, sind unbrauchbar.
4. Meine Handynummer ist 017xxxxxxxx3. Nur, falls mal jemand SMSen will.

Ein paar Details zum besseren Verständnis:

Die Festnetz-SMS hatte Aaron aus Peking abgesendet. Er wollte eigentlich ein Handy-Bild versenden, doch die China Mobile erlaubte per Handy damals ausschließlich Anrufe und das Versenden / Empfangen von SMS.

Mit „B“ ist nicht „Berlin“ sondern ein „D“ wie „Deutschland“ gemeint. Aber was verstehen Chinesen schon vom deutschen Alphabeth? Oder umgekehrt?

1. “Qwixx”
Ein kleines, sauberes Würfelspiel nach Art von „Überbleibsel“ (Gott hab es selig), mit dem meine Eltern jahrzehntelang ihren Lebensabend verspielt haben.Quixx
Jeweils ein aktiver Spieler würfelt für alle. Die Augenzahl eines der vier Farbwürfeln (rot, grün, gelb und blau) wird zu der Augenzahl eines weißen Würfels addiert und die Summe in einer entsprechenden roten, grünen, gelben oder blauen Zahlenreihe notiert. Besonderheit: die Zahlen dürfen nur streng aufsteigend (bei rot und gelb) bzw. nur streng absteigend (bei grün und blau) eingetragen werden. Wer z.B. bei sich schon eine rote 9 angekreuzt hat, darf hinterher keine rote 8 (oder kleiner) mehr nutzen. Man sollte seine Zahlenreihe also möglichst ohne große Lücken füllen, denn desto mehr Einträge passen hinein, und desto höher ist hinterher die quadratisch steigende Siegpunkt-Prämie dafür.

Der aktive Würfler darf dann zusätzlich noch die beiden weißen Würfel nutzen, d.h. sie addieren und die Summe in einer beliebigen Farbreihe ankreuzen. Er ist auch der einzige, der pro Wurf mindestens eine Würfelsumme nutzen muss, entweder die aus den beiden weißen Würfeln oder die aus einem der weißen und einem beliebigen Farb-Würfel. Andernfalls bekommt er Strafpunkte. Die Mitspieler dürfen auf einen Eintrag verzichten.

Das alles läuft sehr überschaubar ab. Pro Wurf fallen ja nur wenige Einträge an. Wenn jeder noch laut seine gewählte Farb-Summe kundtut, können alle verifizieren, ob „man“ die Summierungsregeln verstanden hat. Diese Eintragungen sind deutlich weniger fehleranfällig als die unkoordinierten, und auch gegen absichtlichen oder unabsichtlichen Betrug nicht gefeiten Eintragungen bei „Überbleibsel“.

Nach dem ersten Spiel schlug Aaron eine sofortige Wiederholung vor. Unverzüglich wurde dem stattgegeben. Ein seltenes Ereignis am Westpark.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (etwas stumpfsinnig, zu wenig Taktik), Horst: 8 (spannend), Loredana: 8 (gefällig, schnell), Peter: 6 (hoher Glücksfaktor, dafür schnell), Walter: 8 (stimmig, locker).

2. “Libertalia”
Noch ein Spiel nach Vorschlag und Besitztum von Horst, der das Spiel auch erklären durfte.

Jeder Spieler bekommt das gleiche Kartenset von 30 „Piraten“, mit dem drei Kampagnen lang je sechs Schiffe gekapert, die dort vorhandenen Schätze unter den Piraten aufgeteilt und hinterher Beute und eingesetzte Mannschaft prämiert werden.

Pro Zug legt jeder Spieler verdeckt eine frei gewählte Piratenkarten in das Schiff. Es gibt

  • richtige Piraten-Nulliger wie z.B. den Schiffsjungen, der überhaupt nichts einbringt.
  • Raibacher wie den Koch, der bei der Beuteverteilung gleich zweimal zulangen darf, und damit mindestens einen der Mitpiraten leer ausgehen läßt.
  • einen Schläger, der andere Piraten auf dem Schiff in die ewigen Jagdgründe versetzt.
  • eine Piratenbraut Mata Hari, die zusätzliche Morgengaben einstreicht, aber nur, wenn sie die einzige Frau auf dem Schiff ist.
  • Schmarotzer, die für verschiedene Konstellationen von Piraten oder Beutestücken mit Dublonen belohnt werden.
  • einen absolut negativen Quartiermeister, der 8 Dublonen kostet, wenn er sich am Ende einer Kampagne noch in der Höhle vom Piratenboss befindet.
  • weitere ein- oder abträgliche Gesellen.

Nach dem Auslegen der Piratenkarten werden zunächst mal in aufsteigender Reihenfolge (der schwächste Pirat zuerst) die Sondereigenschaften wie Verdrängen und Abmurksen von Konkurrenten ausgewertet, dann dürfen sich die Überlebenden in absteigener Reihenfolge je ein (oder zwei) Beutestücke nehmen.

Die Beutestücke können positiv oder negativ sein, d.h. sich im Zuwachs oder im Abzug von Dublonen bemerkbar machen. Sie können aber auch einen direkten Eingriff in die Besitzstände der Mitspieler haben: „Töte einen Piraten in der Höhle deiner Nachbarn.“ (Ein großer Gänseschauer lief über Walters Rücken: „Meine Höhle gehört MIR!”)

In der zweiten Runde hatte Horst als erster seinen Schläger gespielt. Er tötete nicht Walters „Spieler“, der in der Kampagnenwertung 8 Dublonen wert war, sondern Aarons Ach-was-weiß-ich, weil Aaron in Führung lag. Peter ging dann mit dem zweiten Schläger doch noch auf Walters Spieler los, obwohl der immer noch am Schluss lag. Einsichtiger und konsequenter Spielzug eines Maximum-Damage-Strategen.

Wen zerstörte schlußendlich Walter mit seinem Schläger? Horsts Quartiermeister! Das ersparte dem Konkurrenten immerhin 8 Duplonen Abzug in der Kapagnenwertung, d.h. es brachte dem Gegner 8 Siegpunkte Gewinn! Warum diese Selbstlosigkeit? Hatte Walter das Spiel nicht verstanden? Nein! Wenn das Schlußergebnis ohnehin so stark zufallsabhängig ist und keinerlei Rückschlüsse auf Intelligenz, Planungssicherheit und Übersicht der Spieler zuläßt, konnte man sich schon mal zu Lebezeiten dankbar zeigen und Horsts ursprüngliche Solidarität honorieren.

Peter war sprachlos. Mehrmals versuchte er Walter auf das Widersinnige seines Schläger-Verhaltens hinzuweisen. Er hielt ihm die am Westpark verpönte Kingmakerei vor. Doch Walter lies sich nicht beirren. Bei so einem widersinnigen Spieler-Verhalten (in einem unberechenbaren Spiel!) schlug Peter einen Spielabbruch vor. Der Vorschlag wurde ohne jeglichen Vorbehalt einstimmig angenommen.
Die einzige gute Idee an dem Spiel ist die Auswahl der mehr oder weniger chancengleichen Piratenkarten: Jeder bekommt die pro Kampagne die gleiche Auswahl aus ursprünglich identischen Sets in die Hand. Nur durch den unterschiedlichen Gebrauch der Karten, durch unterschiedliches Zurückhalten, Töten und Wiederbeleben kommt in den letzten beiden Runde eine leichte Varietät ins Spiel. Doch das Design der unterschiedlichen Piratenkarten, ihre krassen unterschiedlichen Effekte, die beschänkte Auswahl unter den Beutestücken und ihre teilweise nichtsnutzigen Vorteile, unausweichliche Sachgassen und Dead-Horse-Mechanismen erschlagen selbst diese eine gute Idee.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (langes Denken wegen nix), Horst: 6 (atmosphärisch), Loredana: 4 (möchte es nicht noch einmal spielen), Peter: 5 (es gibt Schlimmers), Walter: 3 (Viel Brimborium und Pseudotaktik für reines Chaos).

3. “Evolution”
Das Spiel war letztes Jahr in Essen schon am ersten Tag ausverkauft und Aaron buchte zuversichtlich ein Exemplar der zweite Auflage.

Wieder ein Kartenspiel um den Kampf ums Dasein. Zu Beginn erhält jeder Spieler sechs Karten, die er mit ihrer Vorderseite als Tier (alle Tiere sind gleich) vor sich auf den Tisch legt, oder mit ihrer Rückseite als Spezialeigenschaft – Fleischfresser, Wassertier, Flieger, Schalentier (mit Rückzugsmöglichkeit), Parasit oder ähnliches – zu einem bereits ausliegenden Tier legt.
Anschließend wird gewürfelt, wieviel Nahrung ins Spiel kommt. Bei fünf Spieler werden dazu drei Würfeln benutzt: minmal kommen 3 Essensportionen auf den Tisch, maximal 18. Reihum nimmt sich jetzt jeder Spieler eine Nahrung und füttert die vor ihm ausliegenden Tiere. Oder er frißt mit einem seiner Tiere ein beliebiges offen ausliegendes Tier eines Mitspielers. Sofern er dazu berechtigt ist. Landtiere können keine Flieger fressen und zuweilen entpuppt sich das fremde Tier als „Anglerfisch“, der die Freßintentionen kurzerhand umkehrt.

Manche Tiere besitzen ein Fettgewebe und können übriggebliebene Nahrung dort für die nächste Runde aufsparen. Meist bleibt aber nichts übrig. Ganz im Gegenteil, die Nahrung reicht nicht für alle, der letzte beißt garantiert ins Gras. Und meist noch ein paar Vorletzte mit. Dieses blödsinnige Auslegen, Gefressen-Werden, Fressen-und-dennoch-Verhungern ging ganz schnell auf den Geist. Horst, der die Abwertung seines „Libertalia“ noch nicht ganz überwunden hatte, rief als erster (und wiederholt): „So ein Scheiß, ein 3-Punkte-Spiel!“. Sinngemäß schlossen sich in kurzer Zeit alle anderen diesem Refrain an.

Wir brachen ab. Die „Evolution“ hat keine Klientel am Westpark. Irgendwo auf der Welt könnte es die geben. Wenn man genug Memoiren von vor-napoleonischen Offizieren gelesen hat, ist das sofort einsichtig. Nach Horsts Meinung, könnte sich „Evolution“ mit hohen (realen Geld-)Einsätzen auch als als Turnierspiel eignen. Doch selbst bei Poker gibt es wenigstens noch ein bißchen Logik und Psychologie. Innerhalb der „Evolution“ leider nicht.

Nachträglich verriet Aaron, dass er heute nur verifizieren wollte, was sich bei seinem Probespielen in Essen auch schon herausgestellt hatte: Das Spiel funktioniert nicht! Damals wurde in einer Dreierrunde für den letzten Durchgang mit zwei Würfeln 2 mal die Eins gewürfelt. Nur zwei Mahlzeiten standen zur Verfügung, maximal zwei Tiere konnten überleben. Der Startspieler mit einem dicken Tier-Portfolio von Fleischfressern mußte alle seine Tiere zu Grabe tragen. Der Zweite in der Runde, der sich gerade erst ein einziges mickriges Tierchen zugelegt hatte, konnte es bescheiden durchfüttern und gewann. I like it!

WPG-Wertung: Aaron: 2, Horst: 2 (nachträglich reduziert, weil er nicht schon wieder über allen stehen wollte), Loredana: 2, Peter: 2, Walter: 2.

Zwei Spielabbrüche am Westpark an einem einzigen Abend. Ohne jedes böses Blut. Das gab es noch nicht. Peter bekannte am nächsten Tag sogar per Telefon, dass gerade auch die beiden einvernehmlich akzeptierten Spielabbrüche die Qualität der Runde am Westpark zeigte. Und dass es sich allein für ein Spiel wie „Quixx“ schon gelohnt habe, zum Spielabend anzureisen.

4. “Zoff im Zoo”
Eines von Peters Lieblingsspielen (nach „Tichu“), das fast immer als Absacker auf den Tisch kommt, wenn er in der Runde dabei ist. Horst war relativ neu und brachte nicht viel Boden unter seine Füße.

Peters Fazit nach dem Endstand: Das Ergebnis bestätigt die geistige Herausforderung, je größer die Erfahrung, desto mehr Punkte. Er wollte sich nicht als Klügster exponieren, sondern nur als der Erfahrenste.

Keine neue WPG-Wertung für ein gutes 8-Punkte-Spiel.

5. “Bluff”
Ein alter David gewann das Endspiel mit zwei Würfeln gegen zwei junge Goliathe mit je 4 Würfeln. Dabei wurde ihm kein einziges Haar mehr gekrümmt.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

4 Gedanken zu „02.01.2013: Einvernehmliche Abbrüche“

  1. Hi liebe Westpark Gamers,

    in Eurer Spielbeschreibung zu Quixx ist mir aufgefallen, dass ihr die bunten Würfel für alle Spieler benutzt, in der Spielregel werden aber die weißen Würfel für alle Spieler benutzt und die bunten nur für den aktiven Spieler.

    Stimmts?

    Spielerische Grüße

    Frank

  2. Hallo Frank,
    Du hast Recht, ich habe gerade nochmals in der Spielanleitung nachgeschaut: wir haben das falsch gespielt!
    War auch so interessant. Das Prinzip bleibt wohl erhalten.
    Wäre zu verifizieren, was sich durch die richtige Regelhandhabung an Detail-Unterschieden ergibt.
    Gruß Walter

  3. Eigentlich dachte ich, am Mittwoch auf dem gleichen Spieleabend gewesen zu sein wie Walter. Und dort haben wir Qwixx genau nach Regel gespielt, nämlich die weißen Würfel gelten für alle und der aktive Spieler darf zusätzlich noch einen weißen mit einem farbigen kombinieren. Ich hoffe mal, dass Walter das richtig gespielt hat und das nur vergessen hat.

  4. Aaron, Du hast auch Recht. Ich hatte also selbst beim Protokollschreiben die Regeln noch nicht intus. 66. Und alle meine – dank des gut kontrollierten Spielablaufs verteiltelbaren – Versuche, die bunten Farbwürfel ebenfalls zu nutzen, waren kein bewusster Betrugsversuch, sondern lediglich Anzeichen einer galoppierenden Demens.

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