“Gott hat weder einen Menschen noch ein Tier geschaffen, das nicht irgendwie seinen Widerpart hat. Dem Königreich Frankreich hat er als Gegner die Engländer gegeben; den Engländern die Schotten. In Deutschland sind sich zu allen Zeiten die Häuser Österreich und Bayern feind und besonders die Bayern untereinander und das Haus Österreich den Schweizern.
Weder die natürliche Vernunft noch unser Verstand, noch die Gottesfurcht, noch die Nächstenliebe hat uns davor bewahrt, gegeneinander aggressiv zu sein, dem anderen etwas vorzuenthalten, oder ihm auf jede mögliche Weise etwas wegzunehmen.” (Philippe de Commynes um 1490 in seinen „Memoiren“)
1. “Dominant Species”
In diesem Spiel um den Kampf aller gegen alle gehen wir gegenüber unserem guten Philippe noch ein paar hunderttausend Jahre weiter zurück und betreten die junge Bühne der Evolution, in der Spinnen, Insekten, Amphibien, Fische, Vögel und Säugetiere um Lebensraum und Überleben kämpfen.
Moritz hat das Spiel des amerikanischen GMT-Games-Verlag per Subscription erstanden. 28 € hat es gekostet. Die Frachtgebühren wären nochmals in etwa der gleichen Größenordnung, wenn man seine Bestellungen nicht bündelt. Für unseren Großabnehmer Moritz machen diese Nebenkonsten in der Regel nur ein paar Pfennige aus.
In „Dominat Species“ repräsentiert jeder Spieler eine der oben genannten biologischen Klassen und erhält jede Menge Spezies (kleine Holzwürfel), die er im Kampf gegen die Spezies anderer Klassen peut-a-peut auf geeignete Hexagons einer wachsenden Spielfläche mit unterschiedlichem Nahrungsangebot bringen muß. Pro Runde kann jeder Spieler vier Aktionen aus einer ganzen Reihe von Auswahlmöglichkeiten durchführen:
Alle diese Aktionen sind begrenzt. Wenn eine bestimmte Anzahl Spieler eine Aktion ausgewählt haben, ist sie für alle weiteren Spieler in dieser Runde gesperrt. Da ist es natürlich wichtig, möglichst früh am Zug zu sein. Diese Startspielerposition wechselt nun aber nicht reihum, sondern sie ist fest. Und lediglich ein Spieler kann mit der Sonderaktion „Initiative“ sich in der Zugreihenfolge um einen Platz nach vorne arbeiten.
Der Spielablauf ist ein unterhaltsamer Kampf um eigene Vorteile und um die Schädigungen der Gegner. Strategisch ist das Ganze nicht, nicht einmal taktisch, höchstenfalls opportunistisch: Aus den gerade angebotenen Möglichkeiten kann man die beste auswählen und innerhalb der gewählten Möglichkeit möglichst den schärfsten Konkurrenten schädigen. Doch zuweilen ist nicht einmal der nächste Zug vorhersehbar, vielleicht hat ein Gegner schon die Plattform versenkt, vor der aus man seine nächste Aktion starten wollte, bevor man dann am Zug ist.
Ein bißchen Prophylaxe gegen Unbilden von Natur und Gegnern ist vielleicht ratsam, doch wo die Lage am kritischsten ist, in welcher Richtung die Tundra wächst, welcher Gegner am aggressivsten ist, wo neue Nahrungsquellen entstehen oder existierende versiegen, das ist im Grunde nicht kalkulierbar.
Die unvermeidlich-gewollten Schädigungen der Gegner erzeugen Revanchegelüste. Dagegen verteidigte der spätere Sieger Moritz seine Aggressionen: „Ich mache alles mit Sinn, nicht aus Haß.“ Durch diesen Trost wurden unserer getöteten Spezies allerdings auch nicht mehr lebendig. Aber unsere Rachegefühle hielten sich in Grenzen. Wenn das Chaos erst einmal verinnerlicht ist, geht es nur noch um die spielerische Beschäftigung mit vielseitigen Ablaufmechanismen. Auch die Kingmakerei wurde akzeptiert. Wenigstens als praktische Beigabe, nicht als theoretisches Prinzip.
In „Dominat Species“ ist der Weg das Ziel. Es gibt jede Menge Weg und das ist die unbestreitbare Schönheit des Spiels. Dass man vor lauter Weg leicht das Ziel aus den Augen verliert, dass ein Kompass zum Ziel fehlt, das ist zweifellos seine Unschönheit.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (10 Punkte für das Spiel als solches, minus 1 Punkt für die krassen „Dominant Cards“ und minus 1 Punkt für jede Stunde, die wir gespielt haben), Günther: 6 (schöne Elemente, aber fehlende Gesamtlinie), Horst: 6 (zu viel Chaos), Moritz: 9 (alles funktioniert), Walter: 6 (die Spielelemente sind 9 Punkte wert, doch fehlen Planbarkeit und Steigerung).