Aarons Coming-Out (Oh Gott, ist dieser Begriff hier richtig verwendet?) als begnadeter Spieleautor übersteigt alle Erwartungen. Sein „Yunnan“ wird bei Argentum produziert und erscheint im Oktober in Essen. Auch beim Hippodice Autorenwettbewerb (dem traditionsreichsten deutschen Wettbewerb für angehende Spieleautoren) kam es in die Endausscheidung, wurde dann aber nicht mehr gespielt, weil es bereits einen Verlag hat.
Dafür kam jetzt sein zweites Spiel „Trawler“ bei Hippodice auf die Empfehlungsliste. Übermorgen werden die Entscheidungen bekanntgeben, die auch bei Verlagen höchste Beachtung finden. Vielleicht kommt dann mehr oder weniger zeitgleich noch ein zweites Aaron-Spiel auf den Markt. Und für seine dritte Erfindung, für das kleine Kartenspiel „Diggers“ habe sich auf der internationalen Spieleerfinder Messe in Haar auch gleich zwei Verlage eingehend interessiert.
Die tränenreiche Erfahrung, dass Spieleerfinden eine frustreiche und brotlose Freizeitbeschäftigung ist, bleibt Aaron in diesem Jahr glücklicherweise erspart.
1. “Dicht dran”
Wenn Aaron heutzutage ein Spiel auf den Tisch legt, wird am Westpark schon gefragt: „Ist das ein Spiel von Dir?“. War aber nicht. „Dicht dran“ ist vom Spieleautor Reinhard Staupe, der mit immerhin schon fünf seiner Spiele (Basari, Cincinatti, Edel, Stein & Reich, Shit! und Speed) auf unserer Internetseite vertreten ist. Aaron hat das Spiel auf der Messe in Nürnberg erstanden; ihm ging der Ruf voraus, „besser zu sein als 6-nimmt“!
Wir arbeiten ebenfalls mit Zahlenkarten, diesmal nur von 1 bis 100. Statt „Hornochsen“ sind darauf „Knallschoten“ abgebildet, als Hobbykoch würde ich sie für simple Pepperoni halten. Eine Karte liegt als Diskriminante in der Tischmitte, darum herum liegen kreisförmig angeordnet vier weitere Karten. In einem zyklischen Verfahren werden immer zwei Kreis-Karten ausgewählt und bilden die „Lücke“.
Aus seiner Kartenhand wählt jetzt jeder Spieler verdeckt eine Karte aus; alle Spieler decken gleichzeitig auf. Wer am nächsten an der Diskriminante ist, bekommt diese und die darauf abgebildten Pepperonis als Siegpunkte gutgeschrieben. Wer eine Zahl innerhalb der gegebenen Lücke spielt, darf die Karten sang- und klang- und straflos abgeben. Wer eine Zahl außerhalb der Lücke spielt, muss soviele neue Karten vom Stapel nachziehen, wie Pepperonis auf seiner ausgespielten Karte abgebildet sind.
Lustig, chaotisch, nicht unbedingt berechenbar, nicht so planbar, aber immerhin von ferne so etwas wie das geniale „6 nimmt“.
Unbefriedigend fanden wir den Spielablauf gegen Ende des Spiel. Wenn ein Spieler nur noch eine Karte auf der Hand hat, dann hat er keine Wahl, er muss diese eine Karte spielen. Wenn diese Karte nicht die Diskriminante gewinnt (was höchstwahrscheinlich ist) und die Zahl darauf auch nicht innerhalb der Lücke liegt (wofür die Wahrscheinlichkeit ebenfalls bei 75%liegt), so muss der Spieler diese eine Karte ablegen und dafür eine Karte nachziehen. Danach steht er vor der gleichen unbefriedigenden Spielsituation vom Freiheitsgrad 0. Hier hat eindeutig eine zündende Schlussidee gefehlt.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel hat einen negativen Spannungsbogen; das Endspiel ist nicht ausgereift), Günther: 4 (ein Um-die-Ecke-Denken, dafür [leider auch noch] zufällig), Walter: 6 (eigentlich spaßiger Ablauf, die Mechanik des Hinlegens und die Auswahl von Diskriminante und Lücke sind leicht unhandlich, gegen Schluß wird man gespielt).
Für „Dicht dran“ liegt unserer Wertung voll im Trend der Westpark-Noten für Reinhard Staupe. Deshalb wird Aaron vor seinem nächsten Spielekauf sicherheitshalber die Rezensionsliste auf unserer Internetseite bezüglich des Spieleautors konsultieren.
Günther fand diese Konstanter-Trend-Schlussfolgerung für „starken Tobak“, so leichtfertig sollte man keinen Autor diskreditieren. Doch immerhin schrieb Moritz schon vor acht Jahren in seiner Rezension zu „Edel, Stein & Reich“: “The basic mechanics are perhaps more fully realized in other games, and the draw of event cards introduces a high luck element that can either lead to incredible gains or totally useless cards.” Zumindest dieser Trend scheint immer noch beibehalten zu sein.
2. “Ruhrschifffahrt”
Ein großes Aufbauspiel um Kohleförderung und Abtransport entlang der Ruhr. Wir sind Kohlebarone und steigen mit unserem Schiffchen ins Geschäft ein. Die wesentliche Aufgabe pro Zug ist es, an einer beliebigen Stelle mit Kohleförderung an der Ruhr – derer gibt es auf dem Spielplan reichlich viele – anzulanden, die Kohle zu laden und zu einer Stadt oder einer Schmiede oder gar zum Exporthafen Duisburg-Ruhrort flußabwärts abzutransportieren. Dafür gibt es Geld entsprechend der Qualität der Kohle. Mit dem Geld bauen wir Schleusen (damit die Kohle beim dem mehrmaligen Umladen nicht an Qualität verliert), errichten Lagerhäuser oder beteiligen uns an neuen Kohlegruben.
Normalerweise können wir flußabwärts nur eine kurze Strecke treiben, dann muss ein Abnehmer gefunden sein. Doch mit einem Lotsen, den wir kostenlos engagieren dürfen, können wir jede beliebige Strecke flußabwärts zurücklegen. Um wieder ruhraufwärts zu kommen, müssen wir „treideln“ (ein hübsches, heute längst schon ausgestorbenes Wort, nach Wikipedia: „das Ziehen von Schiffen auf Wasserwegen durch Menschen oder Zugtiere“). Das kostet Geld. Und wenn flußaufwärts gerade keine Kohle zum Abtransport ansteht, müssen wir schnell noch welche fördern. Das kostet ebenfalls Geld. Mit ein bißchen Geld ist es nicht schwierig, die Wirtschaft in Gang zu halten, aber eigentlich wollen wir unser Geld ja für siegpunkt-trächtige Investitionen in Schleusen und Lagerhäuser ausgeben.
Sehr wichtig ist das richtige Timing beim Auswählen vom Zielort-Typ: Stadt, Schmiede oder Ruhrort. Wir erhalten dafür verschiedenfarbige „Entwicklungssteine“, die uns in bestimmten Kombinationen, z.B. 2 mal Schmiede + 1 mal Stadt, Privilegien gewähren, z.B. das Bauen von Lagerhäusern in der Stadt Essen oder die Kohleförderung in der Grafschaft Mark. Am schnellsten die richtigen Kombinationen erzielt zu haben, bringt uns nahe an den Sieg, denn die Privilegien sind (kostenlos aber) limitiert: wer sie nicht mehr bekommt, verliert leicht pro Privileg zwei bis drei Thaler, die den Gegenwert von ca. zwei Siegpunkten darstellen. Günther behauptet zwar, man könne auch durch Auslandsinvestitionen gewinnen, doch er selbst ist diese Schiene (zu seinem Kantersieg) heute nicht gefahren.
Einen klaren Vorteil hat der jeweilige Startspieler. Das ist derjenige, der sein Schifflein an der ruhrobersten Stelle eingesetzt hat. Hier langsam die lukrativen Kohlehalden abzugrasen, und dafür zu sorgen, dass die Kohlequellen nicht versiegen, das öffnet die günstigsten Gewinnmöglichkeiten in Gegenwart und Zukunft. Ein hübsch intergriertes Spielelement.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (viele nette Elemente, aber trockenes Denkerspiel, ein wenig wuselig; fürchtet die Wartezeit in einer 4er Runde), Günther: 6 (schwiegiger Zugang, es wird besser bei der Wiederholung. [AbN: Du hast es doch schon zweimal gespielt, warum nur 6 Punkte?]), Walter: 6 (hübsch, gut dosierte Interaktion, aber etwas zäh und keine Steigerung gegen Ende).
Das Spiel hat das Potential zu einem 9 Punkte Spiel. Die Geographie stimmt, das Thema stimmt, die Spielelemente sind hübsch und überschaubar, es ist konstruktiv und zielgerichtet. Aber irgendwann wird der Spielablauf zu repetitiv, unsere Aktionen und daraus resultierenden Siegpunkte pendeln sich auf einem konstanten Niveau ein, das wir dann über mehrere Runden bis zum Schluss durchhalten müssen. Noch ein bißchen Steigerung, noch ein bißchen Spannung gegen Spielende wären erwünscht. Aaron fragte ganz lapidar, nicht einmal provozierend: „Und warum ist das Spiel 12 Runden lang?“ Schon für das – identische! – 8 Runden-Spiel könnten die Noten durchschnittlich um 1 Punkt besser sein.
Ein weiterer Punkt wäre gewonnen, wenn die bösen Zufallseinflüsse bei den Sonderoptionen schlichtweg weggelassen würden. Warum muss mir hier ein zufälliges „Heute keine Lotsen“ die gesamte Rundenplanung überhauf werfen?!
Morgen kommt mein Lieblingsneffe mit seiner Familie aus Essen zum Fußballspiel Bayern – Fortuna an. Mal sehen, ob ich ihm hinterher noch die „Ruhrschifffahrt“ auflegen kann. Damit sie ihre „Bayern-Packung“ leichter nach Hause transportieren können.
3. “Diggers”
Nachdem Diggers bei zwei Verlagen auf dem Prüfstand steht, wollte Aaron ausprobieren, wie das Spiel mit weniger Karten (zur Reduktion der Produktionskosten) ankommt.
Es kam an, auch wenn in einer Dreierrunde andere Mengenverhältnisse herrschen als zu viert. Der Mechanismus ist jedenfalls sehr pfiffig und – wenigstens für uns – neu. Die Anfangsphase wird von Kartenpflege beherrscht; hier gibt es ein höchst spannungsvolles Lavieren und sich gegenseitig Beluren, auch wenn bewußt noch keine Siegpunkte eingefahren werden. Doch dann bricht der Damm und die Punkte purzeln nur so heraus. Vor allem für den, der in der Phase der Kartenpflege die richtigen Weichen gestellt hat.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
Beim Herumstreichen auf der Tee- und Pferderoute weit hinter der Türkei ist Aaron einer gut geschützten hinterindischen Erkenntnis auf die Spur gekommen: „Warum mögen Frauen so gerne Schokolade?“ Doch am hellerlichten Tage wird dieses Geheimnis hier nicht gelüftet.
Das mit der Schokolade und den Frauen stammt meines Wissens aus Clara Hitzels (alias Ada Blitzkrieg) Roman “Dackelkrieg – Rouladen und Rap” und kann dort nachgelesen werden.
Eine physikalischer Erfassung einiger zugehöriger Randbedingungen findet man in dem Physik-Lehrbuch von Christian Gerthsen im Kapitel “Mechanik d.st.K.” auf Seite 35.
Unsere aufmerksame und interessierte Leserschaft hat nach der Auflösung der Schokoladenfrage gefragt. Hier ist sie:
Schokolade befriedigt auch, wenn sie weich ist, und sie schreit nicht auf, wenn man auf die Nüsse beißt!