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29.06.2016: Punkte für Helmut

Woran erkennt man einen erfahrenen, guten Spieler?

  1. Er kennt viele Spiele, und er spielt ALLE Spiele, die man ihm vorsetzt. (Manche allerdings nur 1 mal.)
  2. Er kann unverzüglich von jedem Spiel die Charakteristika sowie Stärken und Schwächen benennen.
  3. Er kennt seine eigenen Spiele-Vorlieben und kann sie schnell und sicher in eine klare Relation zum aktuellen Spieleangeot bringen.
  4. Er versteht blitzschnell den Regelvortrag eines neues Spiels, kann bei Unklarheiten sofort einhaken, und äußert kompetente und konstruktive Kritik an Regelwerk und Ablauf.
  5. Er hält kontrolliert wie unkontrolliert alle Spielregeln ein, und hilft auch – locker und spielerisch – seinen Mitspielern die Regeln einzuhalten bzw. irrtümliche Regelverstöße zu vermeiden.
  6. Er übernimmt wie selbstverständlich anfallende Service- und Verwaltungsaufgaben des Spielablaufes (z.B. Bankhalter), und ist darin unfehlbar wie der Stellvertreter des himmlischen Vater.
  7. Er kann der Spielverlauf repetitieren, er merkt sich die Effekte der Züge seiner Mitspieler, und kann deren Besitztum und Potenz auch dann einschätzen, wenn sie hinter einem Sichtschirm verborgen ist.

Moritz hat heute einen neuen Spieler zum Westpark mitgebracht: Helmut heißt er. Nach wenigen Vorstellungssätzen war klar, dass Helmut ein Spieler von dieser guten, erfahrenen Sorte war. Das bewahrheitete sich während des ganzen Abends auch in jedem Detail seiner Präsenz. Daran konnte selbst der Satz nichts ändern, der ihn in mitten im Tor der Welt entfuhr: „Ich bin ein Idiot, meine Herren, bin ich ein Depp!“

Helmut hat auch noch Humor. Hoffen wir, dass er noch häufiger unser Gast am Westpark sein wird.

1. “The cursed loot – Die verfluchte Beute”

Loot Island Prototyp
Loot Island Prototyp

Dies ist zur Zeit der Titel, unter dem Aaron’s bisherige „Diggers“ dieses Jahr in Essen erscheinen soll. Gegenüber dem letzten Spiel keine grundsätzlichen Regeländerungen, lediglich am (nahezu nebensächlichen) Beiwerk wurden ein paar Blätter eingefügt. Statt abgeschnitten.

Alte Design-Frage: Wann sind genug Variation erzeugende Elemente enthalten, wann muss ich noch ein bisschen Pfeffer dazutun, damit das Gericht auch übermorgen noch nicht langweilig schmecken wird, wann ist zuviel Würze hineingelangt? Letzteres gilt vor allem, wenn diese Würze sich auch noch in einer Ausweitung des Regelwerkes niederschlagen muss.

Helmut’s Wertung: Mir gefällt es sehr gut; es enthält viele Elemente in einer eleganten Balance. In der Grundversion würde ich einige Elemente weglassen und erst als Experten-Regel oder als Expansion wieder in das Spiel hineinbringen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Die Tore der Welt”

Die Tore der Welt
Die Tore der Welt

Nicht zu verwechseln mit „Die Säulen der Erde“, beide nach Romanen von Ken Follett, beide von den Autoren Michael Rieneck und Stefan Stadler als Brettspiel umgesetzt, beides im Kosmos-Verlag erschienen, die „Säulen“ im Jahre 2006, die „Tore“ drei Jahre später.

Es scheint eine Menge Ähnlichkeiten in beiden Spielen zu geben, wobei wir uns an die „Säulen“ nicht mehr so genau erinnern konnten. Glücklicherweise helfen die Beschreibungen im Internet jedem Gedächtnis auf die Sprünge. (Hoffentlich auf die richtigen.) In den „Säulen“ produzieren unsere Handwerker Holz und Steine, in den „Toren“ nutzen wir dafür Aktionskarten, um diese Wirkung hervorzubringen. In den „Säulen“ errichten unsere Baumeister Bauwerke und unsere Händler verkaufen Fertigprodukte, In den „Toren“ haben wir auch dafür wiederum Aktionskarten.

Früher oder später werden ein paar Aktionen auch in Siegpunkte umgegossen. In den „Säulen“ hat uns das so gut gefallen, dass wir dem Spiel im Durchschnitt fast 8 Punkte vergaben, und es im Oktober 2006 sogar zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt haben. In den „Toren“ verläuft alles viel träger, gleichförmiger und spannungsloser. Alle müssen wir einen Teil unsere Zug-Energie in Getreide umsetzen, das wir nach jeder der vier Spielphasen nachweisen und abgeben müssen. Alle müssen wir uns in jeder Spielphase ausreichend „Frömmigkeit“ und ausreichend Geld zulegen, um damit die Pflichtabgaben bestreiten zu können. Man kann (fast) alle seine sechs Phasenzüge praktisch ohne Berücksichtung der zeitlichen Reihenfolge durchführen, ja sogar (fast) ohne die Züge der Mitspieler berücksichtigen zu müssen. Unglücklich ist nur der seltene Fall, wenn es am Ende wegen zufälliger Häufung bei einem oder zwei Spielern, kein Getreide und keine Frömmigkeit mehr auf dem Markt gibt. Ansonsten ist alles, was man macht ist richtig und gut. Bei manchen Mitspielern ist es halt ein bisschen richtiger und besser. Schön, wenn das bei einem selber der Fall ist.

Hübsch ist der Mechanismus mit den Ereigniskarten und der Bewegung des Gunststeines: der aktive Spieler schustert jedem Mitspieler unterschiedliche Güter zu, sich selbst aber am meisten. Hierauf freut er sich schon lange vor seinem Zug und kann hinterher im Guten schwelgen. Da das Spiel aber grundsätzlich nur Gutes vergibt (bis auf die jeweiligen Zwangsabgaben am Phasenende), verpufft dieser Güter-Segen unter den anderen Segnungen des Spiel. Mehr oder weniger vollständig.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt, auch nur 5 Pkt für die „Säulen“), Helmut: 6 (es fehlt die Aufregung, die Dramatik; nichts, was man macht, ist notwendig, keine Unterlassung führt in die Katastrophe), Moritz: 7 (bleibt, ebenfalls 7 Pkt für die „Säulen“), Walter: 6 (bleibt, ebenfalls 6 Pkt für die “Säulen”). Aber man beachte Günthers 8 und gar Loredanas und Peters jeweils 10 (ZEHN) Punkte für die Säulen, aber nur 6 Punkt für die „Tore“. Wäre das heute immer noch so?

3. “Bluff”

Nichts Neues im Westen. Im ersten Spiel machte uns Helmut als Neuling sofort die Fliege, während Aaron sich in einem zähen Ringen gegen Moritz durchsetzte (oder umgekehrt). Im Rückspiel machte uns Moritz recht schnell die Fliege, und Neuling Helmut setzte sich groß und breit gegen Aaron durch.

WPG-Wertung: Helmut vergab 7 Punkte („Da hätte ich doch lieber 2 Stunden Bluff gespielt, als 2 Stunden lang ’Die Tore der Welt’“). – Die NUR 7 Punkte für Bluff sind der einzige Minuspunkt, den Helmut sich heute am Westpark aufhalste.

08.06.2016: Haithabu

Über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten. Das gilt fürs Essen, für Spiele, und in der heutigen Zeit natürlich besonders auch für Kulturschaffende und ihre Konsumenten. Wer kommt schon damit zurecht, was in der Avantgarde an Bild, Text oder Musik geboten wird? Unser Moritz als herausragende Persönlichkeit im Musikschaffen Europas kennt die andere Seite der Medaille: die Kritik der Ahnungs- und Verständnislosen. Die Uraufführung seiner „terra nova oder das weiße leben“ Oper im Linzer Theater wurde vom Publikum mit gut zehn Minuten Standing Ovations gefeiert, doch der Kritiker (einer) erkennt im Bühnenbild nur eine „Latten-Architektur, die bestenfalls am benachbarten Busbahnhof Maß genommen hat“, und in Moritz’ Musik einen „frisch-fromm-fröhlich-kessen Pluralismus, … gnadenlos populistisch“, betrieben aus einem „pfiffiges Geschäftsmodell“ heraus. Nun ja, wenigstens griffige Formulierungen.

Letzten Samstag wurde im Herkulessaal der Münchener Residenz ein Konzert mit „The Desert Music“ des amerikanischen Komponisten Steve Reich und mit „Muzak“ von unserem Moritz gegeben. „Frenetischer Applaus“ und „minutenlange Standing Ovations“ berichtet Dominik Petzold darüber in der AZ. Über Moritz heißt es: „Komponist Eggert singt diese wilde Collage selbst, quer durch alle Stile und Oktaven, von Bariton bis Kopfstimme: viele Passagen karikaturesk verzerrt, andere mit authentischem Pop-Sentiment. … Die Passage, die an Bowie erinnert, … fügt sich zu einem fast kompletten, elegischen, sehr schönen Song zusammen. Davon hätte man auch noch mehr hören können.“

Und was schrieb Herr S. darüber in der SZ? Steve Reich wurde erwähnt, und sonst nix. Moritz’ Werk und sein Vortrag wurde schlichweg total ignoriert. Wurde Herr S. vielleicht unerwartet abberufen? War das Ignorieren bewußt? Boykottierend? Eine Rache der Seilschaften um Sigi Mauser? In jedem Fall eine eklatante Ignoranz, die der Verantwortung eines Redakteurs für sein Ressort und für seine Leserschaft nicht gerecht wird! Wegen ihrer penetranten politischen Einseitigkeit habe ich vor fünf Monaten mein langjähriges SZ-Abo gekündigt. Ich habe es noch keine Sekunde bereut.

1. “Haithabu”

„Gegen Ende des Frühmittelalters war Haithabu aufgrund seiner exponierten Lage das wichtigste Handelszentrum im Nord-Ostsee-Raum“. So fängt die Spielanleitung an. Wir schauten erst mal im Internet nach, ob die Autoren sich hier einen Namen aus den Fingern gesogen haben oder ob es „Haithabu“ tatsächlich einmal gegeben haben hat. Hat es!

Wir handeln also in Nord-Ostsee-Raum mit den sechs Handelsgütern Met, Tuch, Keramik, Werkzeug, Waffen und Gewürzen, oder sachlicher ausgedrückt, wir handeln mit Holzwürfeln in sechs verschiedenen Farben. Handeln heißt: Wir setzen einen „Arbeiter“ auf den Markt mit der entsprechenden Farbe und kaufen dann, solange Geld und Vorrat reicht, soviele Holzwürfel dieser Farbe wie uns Spaß macht und bringen sie in unser „Lagerhaus“. Im nächsten Zug setzen wir einen Arbeiter auf das Feld „Transportmittel kaufen“ und kaufen uns entweder einen „Karren“ und/oder ein „Schiff“ und stellen sie den noch leeren Hof unseres Fuhrparks. Die unterschiedlichen Transportmittel können jeweils eine genau definierte Menge von Holzwürfeln genau definierter Farben (Mehrzahl!) von unserem Lagerhaus zu unserem „Handelsposten“ transportieren. Im dritten Zug stellen wir einen Arbeiter auf das Feld „Transportieren“ und tun das denn auch. Im vierten Zug setzen wir einen Arbeiter auf das Feld „Auftrag“ nehmen. Damit bekommen wir einen Käufer, der bereit ist, von uns eine eine genau definierte Menge Holzklötzchen mit einer genau definierten Farbzusammenstellung anzunehmen. Falls wir diese Warenkombination in unserem Handelsposten haben, brauchen wir bloß noch im sechsten Zug einen Arbeiter auf das Feld „Auftrag ausführen“ zu setzen, und schon fließen uns neue Geldmittel zu. Vor allem können wir ein paar Siegpunkte auf unserem Konto verbuchen.

Die hier beschriebene Zugreihenfolge ist natürlich nicht notwendig. Wir können uns natürlich auch zuerst Aufträge aneignen, dann die geeigneten Transportmittel, und erst am Schluß der Zugkette die benötigen Waren erstehen. Oder wir immer wir das für sinnvoll halten. Überschüssige Waren bleiben im Lagerhaus oder Handelsposten, so dass wir beim Erfüllen des nächsten Auftrags und vielleicht den einen oder anderen dieser Schritte ersparen können. Das Transportmittel sind wir allerdings los, ob wir die dort vorhandene Transportkapazität vollständig ausgenutzt haben oder nicht. Unser Fuhrpark fängt wieder bei Null an.

HaithabuDieser Spielablaufes ist rund, übersichtlich, sauber beschrieben und erfolgt auf einer ganz klaren Linie. Mathematisch gesehen ist eine Linie allerdings eine eindimensionale Sache, und das ist auch der Spielablauf in „Haithabu“. Alles funktioniert, aber es gibt keine Ausbuchtungen, keine Umwege, keine Höhen und Tiefen, kein Aufbau, keine Dynamik, keine Spannung und kein Pfiff.

Das ist den Autoren nach vielen hunderten von Testrunden vielleicht ebenfalls aufgefallen. Deshalb haben sie dann ein paar zusätzliche Rädchen und Schräubchen angebracht, damit die Aktionismusmöglichkeiten der Spieler erweitert wird und sich und damit vielleicht ein bißchen Spannung einstellt. Zum Beispiel bekommt jeder gleich zu Beginn einen „Charaktermarker“, der ihm finanzielle Vorteile beim Kaufen und Handeln verspricht. Ein bißchen Asymmetrie in der Ausgangslage ist ja nie verkehrt. Man kann sich im Laufe des Spiels sogar weitere Charaktere zulegen, man kann sogar seinen Mitspielern besonders begehrte Charaktere abspenstig machen. Aber das kostet Züge und Zeit. Wieweit sich das wirklich lohnt, das haben wir uns nicht „erarbeitet“.

Ein Zusatzrädchen ist der Direkt-Verkauf auf dem Markt. Da die Preise auf dem Markt jedesmal um eine Stufe steigen, wenn wir dort einkaufen, können wir unsere Holzwürfel zu einem höheren Preis verkaufen, als wir sie eingekauft haben (falls sonst nix passiert), und machen damit einen gewissen Gewinn. Dieser Gewinn ist aber nur marginal, da wir ja davon auch noch die Kosten für das Transportmittel bestreiten müssen. Zudem macht in „Haithabu“ Geld überhaupt nicht glücklich! Siegpunkte müssen her. Die bekommen wir aber nicht über das Kaufen und Verkaufen am Markt.

Ein weiteres Zusatzrädchen ist die Preisentwicklung auf dem Markt. Nach jeder Runde bestehend aus drei Arbeiterzügen wird ausgewürfel, wieviel neue Waren auf den Markt kommt, und ob die Preise dort steigen oder fallen. Pro Warensorte kommt damit aber durchschnittlich nur ein (ein einziges!) neues Klötzchen dazu, und da wir im Notfall neue Waren nicht vom Markt, sondern auch direkt von der Bank kaufen können, ist die Ermittlung dieses Ein-Klötzchen-Nachschub eher eine Zeitverschwendung, genauso wie die ausgewürfelte Preisentwicklung: bei Umsätzen von 100 bis 200 Euro pro Runde sind Preisunterschiede von 2 bis 5 Euro pro Stück eigentlich vernachlässigbar. Vor allem bei Warenarten, für die sich (augenblicklich) kein Mensch interessiert.

Eine Beschleunigung des Spiels versprachen sich die Autoren durch Schwarzarbeiter, die ein Spieler für einen Zug zusätzlich erwerben kann. Es gibt drei Schwarzarbeiter für insgesamt vier Spieler. Ein Spieler geht immer leer aus. Welcher Spieler? Der letzte in der Zugreihenfolge, natürlich! Der darf allerdings einen Zug opfern, um ab der nächsten Runde selber Startspieler zu werden. Doch dann ist halt ein anderer der Dumme! Welch’ eine Konstruktion!

Ein echter „Spannungserzeuger“ ist die Einführung von „Tag“ und „Nacht“ für die Arbeitsplätze, über die unsere Arbeiter unsere Handelsaktivitäten abwickeln. Die Tagschichten dürfen alle belegt werden, ohne dass Nebenwirkungen zu fürchten sind; beim Einsatz in der Nachtschicht muss der Spieler jetzt noch würfeln, ob ihm jetzt ein wohldefiniertes Unglück zustößt oder ob ihn das Füllhorn des Schicksals mit gewissen Segnungen überschüttet. Instinktiv hatten wir zuerst die Nachtschichten vermieden, bis Günther auch dieses Element ausprobieren wollte und hier glatt zweimal mit Segnungen davonkam: Beim ersten Mal erhielt er von jedem Mitspieler eine Ware, beim zweiten Mal mussten alle Mitspieler eine Ware in den Orkus werfen. Letzteres war für Günther zwar keine Segnung, aber immerhin ein Fluch für jeden seiner Mitspieler.

Herrschaftzeiten, ihr Autoren, habt ihr immer noch nicht begriffen, dass meine Holzklötzchen mir gehören und niemandem anders! Da habe ich scharf kalkuliert, mir die richtige Anzahl und Art von Waren angeschafft, den gerade richtigen Karren zugelegt, die Waren zum Verkauf transportiert und dann kommt so ein komischer Nachtlümmel daher, nimmt mir ein Klötchen weg und ich kann Auftrag, Einnahmen und Siegpunkte vorerst in den Wind schreiben! Vorerst ist noch milde ausgedrückt. Es kann mich eine ganze Runde kosten, bis ich mich für diesen Auftrag wieder genügend aufgerappelt habe! Wer kann darüber lachen!?

Bei uns hätte dieses Schicksal allerdings keinen eine ganze Runde kosten können, denn da hatten wir das Spiel bereits abgebrochen. Walter machte nach zwei Runden eindimensionalen Spielens Vorschlag („Was kann denn noch Neues kommen?“), Aaron war zustimmend nickend und Günther stillschweigend dafür, nur Moritz zierte sich noch ein Weilchen. Eine Hämmerkonzert bricht man ja auch nicht ab. Aber nach zwei weiteren Spielzügen „dritte Wurzel aus Uwe Rosenberg auf Valium“ lenkte er ein.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (langweilig, nix Neues), Günther: 4 (ab 5 Punkte würde ich ein Spiel ja nochmals spielen wollen, da ist Haithabu halt knapp drunter), Moritz: 3 (langweilig,störende Zufallsmechanismen), Walter:3 (für Krämerseelen, die den Zahlenraum bis 250 beherrschen).

Aaron wollte seine Neuerwerbung von Essen-2015 kostenlos an Günther abgeben, doch der winkte ab. Qualitätszuwachs und Platzbedarf in seiner Spielesammlung standen in keiner positiven Relation.

„In Essen kaufe ich nichts mehr! Die Reinfälle häufen sich! Man braucht keine Angst davor zu haben, dass gute Spiele in Essen ausverkauft sind. Gute Spiele werden auf jeden Fall nachproduziert und sind auch später noch zu haben. Oft sogar billiger!“

2. “Codenames”

Ein Favorit für das Spiel-des-Jahres 2016. Bei uns letztens in einer Dreierrunde nur angetestet. Diesmal zu viert hatten wir die minimale Standardbesetzung. Und natürlich war das kreative, konstruktive Miteinander vom ersten Kennenlernen durch die übliche Gewinnen-Müssen-Wollen Stimmung am Westpark wie weggeblasen. Und natürlich gab es die für dieser Art von Spielen unvermeidliche negative Auseinandersetzung über die Zulässigkeit von Codewörtern.

Für die Begriffe „Bett“ und „Mini“ gab Moritz das Codewort „Schlafstättchen“ vor. Lautstarker Einspruch von Walter: „Das ist kein umgangsspachliches Wort!“ Natürlich gibt es „Schlafstädte“ und dementsprechend auch „Schlafstädtchen“ argumentierte Aaron, und fand diesen Begriff auch gleich im Internet. „Die Schreibweise spielt nach der Spielregel keine Rolle.“ Ein Argument für A & M. Doch Walter wollte grundsätzliche Klarheit: „Zugelassen sind nur Worte, die auch bei LEO zu finden sind!“ Mit dieser leicht und eindeutig zu handhabenden Regelpräzisierung blieb er der einsame Rufer in der Wüste. „Schlafstättchen“ (mit „t“) wurde schließlich 4 (VIER) mal bei Google angezeigt und blieb gültig. Mit einem rachevollen und heftig umstrittenen „Brotgrube“ für die Begriffe „Toast“ und „Loch“ (die „Muschel“ hatte Moritz schon vorher entschärft) konnten Günther und Walter wenigstens den zweiten Durchgang für sich entscheiden.

Übrigens: bei Google gibt es „Brotgrube“ 276 mal, also 69 mal so oft wie das „Schlafstättchen“!

WPG-Wertung: Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten, Moritz schloss sich an: 7 (als Idee schlüssig), Walter reduziert seine 7 Punkte auf 5 (wir spielen schließlich am Westpark und nicht in unter „spritzigen Schnell- & Schöndenkern“).

Eine sicherlich weniger umstrittene Codenames-Version wäre eine mit Bildern anstelle von Begriffen. Die gibt’s wahrscheinlich schon auf dem Markt.

3. “Diggers”

Aaron wollte seine immer noch ungetaufte Neuschöpfung in einer 5er Runde ausprobieren. Wir waren aber nur zu viert, und außerdem hatte er das Spielmaterial für den fünften Spieler zuhause vergessen. Das Spiel war trotzdem interessant und bemerkenswert anders als in den vorgegangen Dreierrunden. Das konsequente Nutzen des Schiffs, von Günther zum Verändern der Wertungsreihenfolge weidlich gehandhabt, schafft ungeahnte neue taktische Möglichkeiten.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

01.06.2016: German Railroads

Die Schleuder ist besser als das Ziel (Lettisch)
Das Halsband ist besser als der Hund. (Persisch)
Das Futter ist teurer als das Kleid (Türkisch)
Die Braut ist die Kosten der Hochzeit nicht wert. (Neugriechisch)
Die Brühe ist mehr wert als der Fisch. (Sardisch)
The play won’t pay the candles. (Englisch)

1. ” German Railroads”

Unser Freund Helmut Ohley (und Leonhard Orgler) als Autor, Hans im Glück als Verlag, Eisenbahnen, eine Erweiterung der „Russian Railroads“, die 2014 den deutschen Spielepreis gewonnen hat, bei diesen Tatsachen können wir doch nicht abseits stehen. Schon zu den letzten drei Spielabenden brachte Günther dieses Spiel mit, heute wurde es endlich ausgepackt.

Was ist anders gegenüber der „Russian Railroads“ (siehe Session-Report vom 21.11.2013)? Fragen wir lieber: Was ist gleichgeblieben? Geblieben ist die gewaltige Worker-Placement-Szenerie, in der wir unsere sechs (sieben oder acht) Arbeiter in Konkurrenz zueinander an 25 bis 30 verschiedenen Arbeitsplätzen unterbringen, um mit dem Ertrag ihrer Arbeit hinterher doch nur unser eigenes Süppchen zu kochen. Statt von Moskau nach Wladiwostok, Kiew oder Sankt Petersburg fahren wir von Nürnberg nach Fürth, München oder Dresden. Im Gegensatz zu den 18xx-Spielen geht es nicht darum, über ein großes Streckennetz möglichst viele lukrative Städte zu verbinden. Auch Geld spielt hier nur eine kleine Nebenrolle. Es geht darum, relativ kurze Strecken mit immer höherwertigeren Schienen auszupäppeln und allein für den Schienenluxus Siegpunkte zu erhalten. Von der „Russian“ ist auch übernommen, dass man auf den Gleisbau total verzichten kann und sich auf eine Industrielinie konzentriert.

RussianRailroadsAlles funktioniert, alles ist rund und schön. Es gibt viele verschiedene Entwicklungslinien, nach denen eine Spieler seine Siegpunktquellen erschließen kann. Vielleicht ist es sogar möglich, Gemischt-Strategien zu fahren und im Laufe der Spieles von einer Strategie auf die andere umzuschalten. Vielleicht. Wohl besser aber nicht.

Die Erträge verdoppeln sich mehr oder weniger von Runde zu Runde. Man könnte damit meinen, auch als Nachzüglicher am Ende noch einen gewaltigen Satz nach vorne machen zu können. Doch das trügt. Nach vorne kommt man wohl, aber die Führenden kommen noch weiter nach vorne. Die ersten Früchte sind nicht madig, sie füllen den Siegpunktmagen von Runde zu Runde mit wachsenden Genüssen.

Günther nahm sich aus Erfahrung und zu seiner Herausforderung wieder der Industrie an. In einer Dreierrunde bekam er dabei fast keine Konkurrenz. Sehr schnell zog er davon. Jetzt legte er seinen ganzen Ehrgeiz darein, seine Mitspieler (mehrfach!) zu überrunden. Für ihn war es spannend, die Mitspieler sahen es eher mit stoischer Gelassenheit. Sie freuten sich über ihre eigene Entwicklung, ohne mit viel Emotion auf die Kunststücke des Meisters zu schielen.

Es ist für die Mitspieler nur etwas lästig, zuzuschauen, wie sich ein Industrieller mit einem einzigen Zug weitere Züge freischaufelt und damit einen ganze Kette von Einzelzügen hintereinander ausführen darf. In der „German“ ist diese Technik noch ausgebaut. Das hätte es alles nicht gebraucht. Es verlangsamt nur den Spielfluss (für die Zuschauer) und es erhöht das autistische Element.

Das ist ja einer der Ansatzpunkte für Kritik an den „Railroads“, an den russischen wie an den deutschen: Jeder spielt viel zu viel für sich alleine. Man kann dem Führenden in seiner Privat-Schiene kaum an den Wagen pinkeln. Es gibt für ihn auch keine Herausforderung wie z.B. die Einführung der Dieselloks bei „1830“, bei denen der Monopolist gewaltig aufpassen muss, damit er trotz oder gerade wegen seines großen Imperiums nicht pleite macht. In den Railroads geht alles unaufhörlich nach oben. Schön, dabei zu sein, aber mit gebremster Spannung.

Natürlich sind es unbestritten große Werke. Großartige Werke. Im Verhältnis zueinander sind die „Russians“ so etwas wie der Dom zu Speyer und die „Germans“ der Dom zu Köln. Laienhaft ausgedrückt: an jeder größeren ebenen Fläche noch ein Häubchen draufgesetzt. Dabei kommen wir in unseren schnörkellosen Reihenhäuschen des 20. Jahrhunderts schon bei kleineren Sakralbauten nicht aus dem Staunen heraus.

Ein Schmankerl der „German Railroads“ muss aber unbedingt noch erwähnt werden. Es gibt eine Solo-Version. Ein Einzelspieler bekommt einen (primitiven) Gegenspieler zu Seite gesetzt, der seine Arbeiter nach einer einfachen Zufallsauswahl auf den verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzt und so dem Einzelspieler ab und zu mal Steine in seinen Idealweg legt. Offensichtlich gibt es heutzutage genügend Spielefreaks, deren Herz und Sinn nach der Auseinandersetzung mit solchen hübschen Brettspielkomplexen steht, die aber keine Mitspieler finden. Ja, die heutige Jugend, sie spielt lieber Poker oder schaut sich den Fussball vom FC Bayern bis zu Fortuna Düsseldorf an!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spielgefühl ist absolut das gleiche wie bei „Russian Railroads“; ich stimme der „Spielbox“ voll zu, die geschrieben hat: „das Spiel ist für Spieler, die Russian Railroads bereits einhundertmal gespielt haben, und hier mal wieder eine Variation aufgetischt bekommen möchten“), Günther: 9 (HiG minded, Railroad Freak), Walter: 7 (eine Super-Konstruktion, ohne Haken und Ösen; für mich reicht es aber, das Spiel kennenzulernen; für eine weitere Auseinandersetzung mit den tausend Rädchen fehlt mir einfach der Ehrgeiz)

2. “Diggers”

Nach dem ausgiebigen Schwelgen auf der Schwäbschen Eisenbahne legte Aaron nochmals seine Digger-Legende auf. In Zusammenarbeit mit dem Verlag wurde nur noch ein wenig an einzelnen Rädchen gedreht. Dreh- und Angelpunkt für den Sieg ist ja – vom Spieldesign her gewollt – der Zufall bei der Wertigkeit der Schätze, die ein jeder Spieler bei seinen Aktivitäten an Land zieht. Viele Schätze sind natürlich besser als wenige Schätze, doch ist hier die Klasse der Masse haushoch überlegen. Wertvolle Schätze sind leider alle „fluchbeladen“ und bei Spielende überhaupt nichts wert, wenn sie nicht durch aufwändige Zwischenzüge “entflucht” wurden. An der Balance innerhalb der Siegpunkte für die einzelnen Schätze, an der Anzahl von Flüchen, mit denen sie beladen sind, und an den Möglichkeiten, diese Flüche zu beseitigen, wird noch gearbeitet. Die Grundsubstanz des Spiels steht aber. Festgemauert in der Erden. Und er sah, dass es gut war.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

25.05.2016: Die Legenden von Karuba

Was kann man alles spielen?
Den strammen Max, den wilden Mann, den großen Herren, den Heiligen, die gekränkte Unschuld, den Anstandswauwau, die Vorreiterrolle, die zweite Geige, einen bösen Streich, eine Vermittlerrolle, die Hauptrolle, die beleidigte Leberwurst, den Verrückten.
Man kann mit dem Feuer spielen, mit dem Gedanken, mit jemandes Gefühlen, mit Worten und mit seinem Leben.
Spielen lassen kann man Beziehungen und seine Muskeln.
Das Ganze ergibt dann ein leichtes Spiel, ein doppeltes Spiel, ein falsches Spiel, ein abgekartetes Spiel. Ein gutes oder ein böses Spiel. Zu letzterem macht man dann eine böse bzw. eine gute Miene. In jedem Fall wird dabei viel aufs Spiel gesetzt.
Und daneben gibt es noch hunderttausend Brettspiele. Fangen wir an.

1. “The Legends of Helionoor”

In acht Schatzgruben wird nach Schätzen gegraben. Schätze sind Siegpunkt-Chips in einer Stückelung von 1 bis 10. Die höherwertigen Chips sind allerdings mit einen „Fluch“ belegt, wir müssen sie erst mittels niederwertigen „Heils-Chips“ oder durch andere aufwändige Prozeduren entfluchen, bevor wir ihre Siegpunkte aufs Konto kriegen.

Graben tun wir mit Grabkarten, die es in vier verschiedenen Farben und einer „Tiefe“ von 1 bis 10 gibt. Jeder Spieler hat acht Karten davon auf der Hand. Er „gräbt“, indem er eine oder beliebig viele Grabkarten zu einer der acht Schatzgruben legt. Die erste Karte dort bestimmt die Farbe, die alle weiteren Karten haben müssen, die er oder seine Mitspieler dorthin legen. Die „Tiefe“ gibt an, wie tief man bereits gegraben hat; alle nachfolgend angelegten Karten zu einer Grube müssen den gleichen oder einen höheren Tiefenwert haben.

In einer Runde dürfen wir alle acht unserer Grabkarten verspielen, wir dürfen uns aber noch welche aufbehalten und schon früher passen. Danach dürfen wir beliebig viele Karten abwerfen und für die nächste Runde unsere Kartenhand wieder auf acht Karten auffüllen.

DiggersGewertet werden in einer Runde zwei vorbestimmte der acht Schatzgruben. Es werden nur solche Gruben gewertet, bei denen mindestens vier Grabkarten angelegt wurden. Zur Wertung werden eine Anzahl Siegpunkt-Chips verdeckt aus einem Säckchen gezogen. Die Anzahl ist einerseits abhängig von der Anzahl der Spieler, die sich hier beim Graben beteiligt haben, und andererseits von ausgewählten Grabkarten, nach denen hier noch weitere „Schätze“ zutage gefördert werden. Von den ausliegenden Siegpunkt-Chips darf sich der Spieler, der als erstes hier zu graben angefangen hat, den ersten Schatz aneignen; dann kommt der zweite Spieler dran usw.; wenn alle Grabungsteilnehmer durch sind, und noch weitere Schätze offern liegen, darf wieder der erste Spieler zugreifen.

Nach sechs Runden ist das Spiel zu Ende, die verfluchten Siegpunkte sind geheilt oder nicht, je nachdem zählen sie zur Beute oder nicht. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen. (Wer hätte das gedacht?)

Allein dieser Ablauf ist schon taktisch genug. Doch das Spiel bietet ein ganze Reihe weiterer „nicht-linearer“ (euphemisch ausgedrückt) Elemente, die die taktische Ausrichtung aufweichen und das spielerische Element fördern. So kann man sich mittels bestimmter Grabkarten auch als Zu-Spät-Gekommener an einer Schatzgrube zum ersten Auswähler machen; man kann statt der beiden Schatzgruben, die für die nächste Wertung vorbestimmt sind, die nächsten beiden Schatzgruben werten lassen. Und ähnliches. Eine sehr gelungene Mischung von Zufallseinflüssen mit reichlich (aber nicht überreichlich!) gebotenem Denken und Taktieren in einem Höchstmaß an Interaktion und mit einem klaren spielerischem Gesamteindruck …

Was ich hier beschrieben habe, gibt es noch nicht zu kaufen. Wer feine Ohren hat, (mindestens so fein, dass er damit das Gras wachsen hört), konnte allerdings heraushören, dass es sich hier um Aarons „Diggers“ handelt. Schon am 30. Januar 2013 lag das Spiel in einem bereits spielbaren Zustand zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Schon damals war es reizvoll in Geschwindigkeit und Taktik. (OK, die Geschwindigkeit hat jetzt etwas nachgelassen, es ist ja jetzt auch ein ausgewachsenes Brettspiel und kein reines Kartenspiel mehr.) Jetzt hat es einen gut drei Jahre dauernden Reifeprozess durchgemacht. Aus der Urversion, einem reinen Planspiel war es in Kooperation mit nördlichen Glücksrittern zwischenzeitlich zu einem reinen Chaosspiel ausgeartet, bis es mit Hilfe von kompetenten Köpfen aus dem „What’s your game“-Verlag die heutige gelungenen Balance gefunden hat. In Essen 2016 wird es erscheinen! Der Name ist noch offen, „Diggers“ wird es nicht heißen, eher etwas wie „Die Legende von …“ Ich habe hier in eigener Regie ein Kunstwort aus dem sonnigen Helios und dem berühmten Koh-i-noor eingefügt. Viel Erfolg!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Karuba”

Ein realer Titel, ohne die fiktiven „Legenden“. Geschaffen von Rüdiger Dorn, ausgewählt unter die Kandidaten zum „Spiel des Jahres 2016“.

Jeder Spieler hat ein Dschungel-Areal aus fünf mal sechs wegelosen Rechtecken vor sich, durch das er vier Wege von jeweils einem Pöppel-besetzten Ausgangspunkt bis zu einem vorgegebenen Zielpunkt bahnen soll.

Karuba„Gebahnt“ wird, indem verdeckt Wegeplättchen gezogen werden, die entweder eine grade Strecke, eine Kurve, eine Wegegabelung oder eine Kreuzung beinhalten. Dieses Plättchen darf der Spieler auf ein beliebiges Rechteck in seinem Dschungel legen. Bestrebung ist es natürlich, die Plättchen so zu legen, dass ein möglichst effizientes Wegenetz entsteht, in dem auf möglichst kurzer Entfernung möglichst alle vier Zielpunkte angelaufen werden können.

Laufen muss man natürlich auch noch. Jeder Spieler darf das aktuell gezogene Wegeplättchen abwerfen und stattdessen mit einem seiner vier Pöppeln auf einem bereits von ihm gebahnten Wegstück ein paar Schritte in Richtung Ziel zurücklegen. Die Anzahl der erlaubten Schritte wird durch die Anzahl von Wege-Enden auf dem abgeworfenen Wegeplättchen bestimmt: eine einfache Strecke erlaubt 2 Schritte, eine Kreuzung deren gleich 4. Da heißt es ein bisschen abzuwägen, ob eine Kreuzung jetzt als ideal-passend für das Wegenetz eingelegt wird, oder lieber für vier Laufeinheiten abgeworfen wird.

Das ist aber noch nicht alles, was es zu bedenken gibt. Auf den Wegeplättchen sind Diamanten eingezeichnet, die ein Pöppel – als Siegpunkte – einsacken kann, wenn es daran vorbeikommt. Ein Argument mehr, das Plättchen für das Wegenetz und nicht für die Bewegung zu nutzen. Diamanten dürfen aber nicht „en passant“ einkassiert werden, auf ihnen endet die Vorwärtsbewegung eines Pöppel. Es nutzt also nichts, mit einer Kreuzung vier Schritte gehen zu dürfen, wenn nach einem einzigen Schritt bereits ein Diamant liegt, den man gerne auflesen möchte. Die Wegeplättchen mit Diamanten sollten also in solchen Entfernungen zueinander in das Dschungel-Areal gelegt werden, dass ein Pöppel effiziente Schrittfolgen zurücklegen kann.

Wer eine der vier vorgeschriebenen Strecken vollständig gebaut und mit seinem Pöppel durchschritten hat, bekommt eine erhebliche Siegpunkt-Prämie, die umso höher ist, je früher er vor seinen Mitspielern das Ziel erreicht hat. Es gilt also, ein ganze Reine von topologischen, metrischen und ökonischen Rahmenbedingungen unter einen Hut zu bringen.

Bemerkenswert ist, dass alle Spieler die gleichen Start- und Zielpunkte miteinander verbinden müssen, und alle bei jedem Zug das identische Wegestück nutzen müssen. Da könnte man doch vermuten, dass alle Spieler das gleiche tun. Damit würde sich das Spiel in einem total-symmetrischen Aktionismus verlaufen. Bei uns kam diese Symmetrie allerdings nicht vor, und auch der Autor Rüdiger Dorn hat uns glaubhaft versichert, dass er in seinen umfangreichen Testrunden „noch nie(!) am Ende des Spiels identische Wegenetze auf verschiedenen Spielertafeln gesehen“ hat. Offensichtlich sind die Menschen doch zu individuell in ihrem Denken und sehen gefühlsmäßig unterschiedliche Vorgehensweise als das für sie “Optimale” an. Zumindest liegt Plättchen-für-Plättchen die optimale Vorgehensweise nicht klar auf der Hand. Es gibt genügend Spielraum für ein gefühlsmäßiges bzw. spielerisches Optimieren. Dies ist einer der vielen Vorzüge dieses schnellen, kreativen, konstruktiven Spielchens.

Wir wünschen Rüdiger Dorn viel Glück in der Endausscheidung der Jury SdJ.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einschließlich 1 Rüdiger-Punkt, nette Taktik-Mischung für Risiko eingehen und Risiko auflösen), Günther: 7 (locker, leicht), Walter: 8 (einschließlich 1 Rüdiger-Punkt: rund und schnell, es gibt viele Schienen, große Zugfreizeit. Man kann immer denken, aber in einem so wohlabgesteckten Rahmen, dass daraus keine lästigen Wartezeiten entstehen. Zudem denken alle Spieler gleichzeitig.)

3. “3 sind eine zu viel”

Klingt auf den ersten Blick wie die Hälfte von „6 nimmt“, spielt sich auf den ersten Blick auch so. Jeder hat eine Anzahl von Handkarten mit Zahlen zwischen 1 und 89 auf der Hand. Jeder spielt reihum eine Karte davon aus und legt sie an die aus der Wertigkeit seiner Karte definierte Stelle in einer der drei offen ausliegenden Kartenstapeln auf dem Tisch. Enthält der betroffene Kartenstapel danach erst maximal drei Karten (plus die festbleibende Basiskarte 0, 30 oder 60), so passiert nichts. Ist die angelegte Karten die vierte Karte, so muss der Spieler von diesem Stapel alle Karten nehmen, die höher sind als seine Karte; ist die angelegte Karte die höchste Karte, so muss der Spieler die kleinste Karte nehmen.
Drei Unterschiede beim Kartenablegen im Vergleich zu „6 nimmt“

  1. Die Spieler ziehen und spielen reihum einzeln nacheinander ihre Karten, und ziehen sie nicht alle auf einmal.
  2. Kleinere Karten werden einfach an die zugehörige Position innerhalb eines Stapels gelegt, ohne dass man dafür gleich einen ganzen Stapel kassieren muss.
  3. Man “muss” (falls man muss) nicht den ganzen Stapel nehmen, sondern nur eine kleine, teilweise sogar auswählbare Portion davon. Es gibt kein Pulsieren zwischen total leeren und sich langsam füllenden Kartenstapeln auf den Tisch, die Stapel sind mehr oder weniger ständig gefüllt.

Die entscheidendsten Unterschiede gegenüber „6 nimmt“ ergeben sich aber aus der Siegpunkt-Wertung. Hier sind die Unterschiede allerdings so gravierend, dass sich ein total anderes Spielen und Spielgefühl ergibt:

  1. Die Spielkarten enthalten keine “Hornochsen” mit Strafpunkten, wenn man eine solche Karte abräumen musste
  2. Die Spielkarten sind in sieben verschiedenen Farben gehalten. Von jeder Farbe darf jeder Spieler straflos eine oder zwei Karten einkassieren. Sie bringen keine Minuspunkte, ganz im Gegenteil, sie sind 1 bzw. 5 Pluspunkte wert, wenn man sie bei Spielende besitzt.
  3. Wenn man von allen sieben Farben jeweils eine oder zwei Karten sammeln konnte, erhält man die gewaltige Siegpunktprämie von 10 Punkten.
  4. Erst wenn man von einer Farbe drei oder mehr Karten einstreichen musste, wird die gesamte Farbe temporär eliminiert, zählt auch nicht mehr für die Siegpunktprämie, und jede Karten bringt einen Strafpunkt ein. (Im weiteren Spielverlauf darf man natürlich wieder neu anfangen, diese Farbe zu sammeln.)

Alte „6-nimmt“-Hasen (wir) fangen „3 sind eine zu viel“ zunächst mal ganz falsch an. Sie versuchen auf Teufel komm’ raus zu vermeiden, dass sie überhaupt Karten einkassieren müssen. Erst nach einer Weile erkennen sie, dass einkassierte Karten ja zunächst mal Pluspunkte bedeuten. Dann versuchen sie auf Teufel komm’ raus möglichst viele Karten zu ergattern und damit verschiedene Farben-Pärchen zu bilden. Die Strafpunkte, die man bekommt, wenn ein Pärchen unglücklicherweise noch ein Kind bekommt, sind gering im Vergleich zu den Siepunkten für reine Pärchen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nette Alternative zu „6 nimmt“ oder „Abluxxen“, nimmt hier aber – wegen seiner lästigen Art zu denken – erst die dritte Stelle ein. Man hat immer das Gefühl, man kann etwas machen, aber eigentlich kann man nur Fehler machen oder Fehler vermeiden, und zwar triviale bzw. mechanistische Fehler.), Günther: 7 ([zwischen 6 und 7] man könnte es lockerer spielen [als wir es getan haben], das Verleiten zum Ausrechnen der nächsten Züge macht es verkniffen), Walter: 6 (man kann rechnen, man muss rechnen, aber das wird nicht unbedingt auch belohnt).

Nachdem bei „6-nimmt“ schon vor Jahrzehnten unser Thomas d.J. hartnäckig die These vertreten hatte, man kann dieses Spiel auch gewinnen, wenn man seine eigenen Handkarten blind auswählt, haben wir diese Technik sogleich auch mal bei „3 ist eine zu viel“ ausprobiert. Was steht zu erwarten?

Keiner bekommt eine Prämie für den Zwischenbesitz aller sieben Farben. Auch am Ende bekommt keiner eine Prämie für den Endbesitz von sechs oder sieben Farben. Aber erstaunlicherweise konnten ALLE Spieler jeweils ca. 10 ihrer 18 Karten spielen, OHNE dabei eine einige Strafkarte einstecken zu müssen. Erst danach hagelte es ins Kontor. Fazit: Überlegt nicht so lange, wenn ihr euere ersten Karten spielt. Erst nach der Halbzeit spielt das (beschränkte) Kartenmanagement eine Rolle.

18.05.2016: Codenames zwischen zwei Aarons

1. “Saami”

Gewogen und für gut befunden hatten wir vorletzte Woche Aarons neueste „Saami“-Version. Sogar für sehr gut. Doch die Geschmäcker im Norden der Republik sind anders. Wieder wurde von dort gefordert, an weiteren Rädchen zu drehen und neue dazuzubasteln. Heute stellte Aaron uns im Süden beide Versionen nebeneinander vor.

Mit der allerneuesten Nord-Version hatten wir viel Spaß, teils mit den Regeln, teils gegen die Regeln, teils über die Gereimtheiten, teils über die Ungereimtheiten im Spielablauf. Wir durften uns ja auch ungestraft über alles mokieren, was nicht in unsere WPG-Philosophie passte. Selbst Aaron vergeudete für Kritik und Lästereien nicht einmal ein halbes strafendes Auge. Günther gewann. Das spricht doch immerhin für die (immer noch) innewohnende taktisch-strategische Herausforderung.

In der Süd-Version fand sich Walter sofort wieder zurecht, es war ja exakt die Version aus der Duo-Session von vor zwei Wochen. Verständliche Mechanismen, einsehbare Aktionen, einfache Tabellen ohne fehleranfällige Handhabung. In Bayern wird die Schadensrechnung S = a + b – c – d mit Werten im Zahlenraum zwischen 0 und 10 ja problemlos beherrscht. Die ursprüngliche Idee mit dem Kampf der zwei Seelen in eines jedem Mitspielers Brust, sich einerseits für die Gemeinschaft einzusetzen und andererseits die Gemeinschaft aus Eigennutz scheitern zu lassen, diese Idee dominiert den Spielablauf. Einziges kritisches Indiz: Unser Chefstratege Günther hat nicht gewonnen …

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Codenames”

Ein Wort-Unterhaltungsspiel für intelligente Familien oder Freundeskreise. Auf dem Tisch liegen fünfundzwanzig Kärtchen mit einfachen deutschen Hauptwörtern. Davon sind vom Zufall acht Stück willkürlich einem Team (bzw. einem Einzelspieler) zugeordnet, wobei die Zuordnung nicht bekannt ist. Die Aufgabe besteht nun darin, die acht zugeordneten Wörter herauszufinden.

Wie geht das? Ein definierter Spieler des Teams (oder ein neutraler Mitspieler) kennt die Zuordnung und muss Hinweise auf einzelne Wörter geben, nach denen sein Team diese Wörter erkennt, benennt, und so Wort für Wort die Aufgabe löst.

Ein Hinweis darf nur aus einem einzigen Wort bestehen. Natürlich keines, das auf einem der Kärtchen steht. Im Idealfall kann ein einziger Hinweis auch für mehrer Wörter gelten. Gehören z.B. die Wörter „Hund“ und „Katze“ zu einem Team, dann wäre der Hinweis: „Tier, 2 Stück“ eine gute Idee. Vorausgesetzt, dass kein weiteres Tier-Wort mehr auf der Tisch liegt, das nicht zum Team gehört. Denn falls ein Team ein falsches Wort bezeichnet, ist der Rate-Zug zu Ende, und das nächste Team kommt an die Reihe.

Wir immer bei solchen Wort-Spielen müssen die Teilnehmer eine gewisse Disziplin beherzigen: Nicht vorsagen, nicht dreireden, keine Zusatz-Informationen geben und sich bei den Hinweisen genau an die vorgegebenen Regeln halten. Hier ein großes Lob an den Autor Vlaada Chvátil bzw. an den CGE-Verlag: Die Beschreibung der erlaubten bzw. nicht erlaubten Hinweise im Regelheft ist vorzüglich: exakt und doch offen, mit Freiheiten für Spielgestaltung, Humor und Kreativität entsprechend dem Horizont der Teilnehmer.

In unserer Dreierrunde war jeder einmal der Hinweisgeber und die anderen beiden mussten in Konkurrenz zueinander die ihnen jeweils zugeordneten Wörter finden. Zum Kennenlernen des Spiels ist dieses Vorgehen durchaus geeinet. Es funktioniert auch später noch in einer Dreierrunde und garantiert einen Unterhaltungsspaß für wortschöpferische Bildungsbürger.

Bei uns lag u.a. das Wort „Muschel“ auf dem Tisch! Welchen Spaß hatten wir allein mit den hier möglichen Assoziationen, nachdem erst einmal das Schlagwort „Muschi“ gefallen war! Welche der Wörter Wurm, Ritter, Laster, Nagel, Apfel, Horn, Mini kann „man“ damit in Verbindung bringen. Alle! Ja, fast alle der vierhundert mitgelieferten Wörter in der Erstausstattung. Die paar ganz einschlägige Sozis habe ich hier ja noch ausgelassen! Mehr als 180 Lebensjahre, verteilt auf drei Köpfe, konnte ihre Erfahrung und Phantasie ins Kraus schießen lassen …

WPG-Wertung: Aaron: 8 (ich spiele es richtig gerne), Günther: 7, Walter: 7 (aber nur unter spritzigen Schnell- & Schöndenkern).

3. “Diggers”

Einen Tag später kam Aaron nochmals am Westpark vorbei, um die aktuelle Version einer weiteren Eigen-Schöpfung vorzustellen, ebenfalls ein Kandidat für die Spiel-2016 in Essen.

Herausgebracht werden soll es bei „What’s your Game“, wobei Name und Thema noch nicht ganz feststehen. Der Verlag hat jetzt fast ein ganzes Jahr daran geknabbert und eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen angebracht. Aber er hat sie nicht nur skizziert und gefordert, er hat sie auch fein säuberlich ausgearbeitet, erfolgreich getestet, Material und Regelheft adaptiert, und darauf hingewiesen, wo noch die Balance einzustellen ist. Eine solch konstruktive Zusammenarbeit mit einem Verlag ist für jeden Autor ein Traum!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

07.09.2015: Nord im Gegenwind

Liebe treue Leser unserer Seite, Ihr braucht jetzt nicht weiter zu lesen, dies ist nicht einer unserer üblichen Session-Reports. Die Betreuung der Enkeltochte hat die normale Rentnerfreizeit für Spielkritiken erheblich eingeschränkt. Zudem hat Moritz die Beschreibung unseres spielerischen Hauptprogramms gleich wieder mit nach Hause genommen, so dass jede lustvoll-böse Kritik leicht ins Auge gehen kann. Nur damit die Kontinuität über die Berichterstattung zu unseren Spielabenden – wer war da und was wurde gespielt – gewahrt bleibt, hier eine kurze Zusammenfassung zum letzten Mittwoch.

1. “Nord”

„Nord“ : Kämpfe mit dem Aufbau, Kämpfe mit dem Kampf!
„Nord“ : Kämpfe mit dem Aufbau, Kämpfe mit dem Kampf!

Moritz hatte das Spiel schon im Vorfeld vorgeschlagen. In der Kronberger Spieleschmiede wurde es entwickelt. Unser Freund Christoph Tisch hat die Graphik gemacht. Der Autor (?) Roland Goslar hatte sich gewünscht, dass wir es einmal spielen. Was war seine Motivation? Sollten wir unsere Freude daran haben? Sollten wir unsere Kritiker-Meinung dazu abgeben? Sollten wir seinen Geschäftserfolg fördern? Wer weiß!

„Nord“ hat einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Erst rund und schön, dann unausgegoren und broken. Da, wie gesagt, Moritz vergessen hat, das Spiel hier am Westpark zu lassen, kann ich hier nur ganz oberflächlich darüber schreiben, was subjektiv in der Erinnerung hängen geblieben ist.

  • In 60 Minuten soll das Spiel über die Bühne sein. Solange brauchten wir allein, um das Spielbrett zusammen zu bauen! Eigentlich ganz einfach: Acht orthogonale Polygonflächen, die Feld, Wald und Wiese-Landschaften enthalten, sollen in beliebiger Ausrichtung aneinander gelegt werden. Eine Sekundenaufgabe. Doch die leichten lockeren Lösungen scheitern alle an den Randbedingungen, die so nach und nach auftauchen. Da müssen Mindestabstände eingehalten, Land- und Seegrenzen beachtet, und unklare Verteilungsvorschriften für „Schatzkästchen“ berücksichtigt werden. Ständig mussten wir unsere aktuelle Zusammensetzung modifizieren, um neu entdeckten Bedingungen zu genügen. (Oder war hier nur unser Moritz bei der Interpretation des Regelheftes überfordert?)
  • Ausgehend von frei gewählten Start-Städten bevölkert jeder Spieler sein Umland, zieht mit seinen Nordmännern zu seinem Nachbarn oder zu den neutralen Jarls, die wie die Moai-Köpfe auf den Osterinseln in der Landschaft herumstehen: zuerst friedlich und Wege bahnend, dann erobernd und Siegpunkte einheimsend.
    Theoretischer Konstruktionsfehler: Der Startspieler! Wer bestimmte Felder zuerst besetzt, mahlt zuerst. Er kann seinen Mitspielern ganz schön das Wasser abgraben. Wenn er dann noch als erstes genug Masse für seine Heldenkämpfe beisammen hat und eine Schlacht beginnt, löst er eine Wertung aus, bei der er natürlich am besten dran ist. Da der Startspieler dazu auch noch als Erster sich die strategisch beste Start-Stadt aussuchen kann, hat er von seinem Privileg ausschließlich Vorteile. Das dürfte bei einem “gerecht” ausbalancierten Spiel grundsätzlich nicht so sein!
  • ”Nord” ist ein Denkerspiel. Kronsberger behauptet sogar “ohne große Glückselemente”. Warum liegen dann die Schatzkästchen, deren passende Sortierung eine quadratisch steigende Punkteausbeute mit sich bringt, verdeckt auf dem Spielplan herum, so dass es reine Glücksache ist, ob man dreimal nur einen Punkt oder einmal gleich zehn Punkte dafür kassiert?
  • Bei einem Denkerspiel sollten der Aufbau und die Entwicklung des Spielgeschehens recht “stetig” von sich gehen. In “Nord” kann mit einem einzigen Zug die gesamte Position eines Mitspielers zunichte gemacht werden. So geschehen, als Moritz den ersten Kampf absolvierte, seinen hoffnungsvollen Nachbarn Horst dabei in jeder Beziehung übertrumpfe, gleich sieben Siegpunkte einstrich und Horst mit null Wertungspunkten in die Röhre schauen ließ. Das ist reines Mitspielerchaos und sollte durch einfache, lustige, zufällige Winkelzüge ausgelöst werden, aber nicht durch erzwungene Denkprozesse mit dem Pseudo-Eindruck von Planbarkeit.
  • Warum liegen eigentlich auf dem Walboot, das die erschlagenen Helden nach Walhall bringt, ständig ein paar Geister-Jarls herum? Zuviel übriges Spielmaterial oder haben wir da etwas falsch gemacht? Vielleicht steht darüber etwas im Regelheft.

Kurz und gut, nach der ersten Wertung bekundete Horst, dass er KEINERLEI Spaß an diesem Spiel habe. Unter Rücksichtnahme auf unseren Kriegerfreak Moritz gestanden wir noch eine Fortsetzung bis zur zweiten Wertung zu, dann brachen wir ab.

Das Kampfprinzip in „Nord“ ist zweifellos neuartig und bemerkenswert. Doch eine Balance von Aufwand und Nutzen, eine Stimmigkeit von Mitteln und Effekten ist nicht erreicht!

Die Spielregel empfiehlt drei Mitspieler. Eine bessere Formulierung: „Zu viert nicht spielbar“! Zumindest nicht am Westpark

WPG-Wertung: Aaron: 4 (bis ich wieder am Zug bin, ist so viel passiert, wogegen ich mich nicht schützen kann), Horst: 3 (ich hasse diese Art von Spielen, langweilig, ich habe keinerlei Motivation, hier irgend einen Zug zu machen), Moritz: 8 (fand das abstrakte erst Verbindungen-Schaffen dann Angreifen sehr gelungen), Walter: 4 (leider extreme Effekte in chaotische Richtungen)

Das nordgermanische Thema fanden wir nicht wieder. Horst erkannte darin eher die Rotten von syrischen (islamischen!) Flüchtlingen wieder, die das christliche Abendland (München) überrollen. Eine heiße Debatte über Gefahren und Gebaren der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik schloss sich an, die der Gastgeber mit einer Runde

2. “Looping Louis”

erfolgreich abkühlen konnte. Zehn Minuten mechanisches Tasten-Drücken, um zu verhindern, dass ein routierenes Flugzeug nicht die eigenen Chips abschießt, sondern eher die der Mitspieler, bringt selbst die erregtesten cholerisch angehauchten Hitzewallungen wieder in ein normales Mentalgleis.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,2 Punkte Spiel.

3. “Hamsterbacke”

Noch ein kleiner Absacker, diesmal nicht mechanischer Art sondern als richtig gehendes Kartenspiel. Letzte Woche zum ersten Mal gewogen und keineswegs für zu leicht befunden, sollte es diesmal den Trend der ansteigende Spiellust-Kurve weiter fördern. Was nur mit Einschränkungen gelang; die Notengebung der Neulinge konnte mit der Euphorie der ersten Nacht nicht mithalten.

WPG-Wertung: Die bisherigen unisono 7 Punkte von Aaron, Günther und Walter wurden um eine ganze Stufe nach unten gedrückt: Horst: 6 (es plätschert unkompliziert vor sich hin; es fehlt die Herausforderung; ragt aus der Masse der vielen konstruierten Kartenspiele nicht heraus), Moritz: 5 (nicht so prickelnd; zu eindimensional; die Spannung hält nicht bis zum Schluss).

4. “Diggers”

Aarons Eigenentwicklung ist unter Dach und Fach. Vertragsgemäß musste er bis Ende August alle Änderungswünsche des Verlags bedienen. Jetzt ist der Startschuss für Beschreibung, Design und Produktion gegeben. Im Januar nächsten Jahres auf der Messe in Nürnberg soll das Spiel der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Produktionsphase. Doch ganz gewiss wird Horst nicht sagen können, dass es nur eines der „vielen konstruierten Kartenspiele“ ist. Es enthält eine Menge Pfiff, ist spielerisch, gibt Raum für Planung und Kartenpflege, gewährt dem Zufall einen angemessenen Einfluss, und ist absolut stimmig in Zeit und Idee.

08.07.2015: Wir und die Welt

Es war nichts anderes zu erwarten, es war ja auch nichts anderes mehr im Angebot, zumindest nicht in den Regalen der Jury von „Spiel-des-Jahres“.

Kennerspiel des Jahres 2015 ist „Broom Service“. Bei uns mit Pauken und Trompeten durchgefallen, oder – mit anderen Worten – 85,0393701 Prozent der von uns gespielten Spiele sind besser bewertet! Immerhin, Moritz kann es nicht oft genug betonen: „Ich fand’s gut!“ Aaron gestand ihm dafür dann zu: „Okay, du darfst die Pauken und Trompeten dirigieren!“

Spiel des Jahres 2015 ist „Colt Express“. Am Westpark kannte es nur Günther. Sein Kommentar: „Hatte ich ja schon befürchtet … Thema total, reines Gaudispiel.“ Vorbei ist in Deutschland die stramme, antimilitaristische Haltung der Nachkriegszeit. Vorbei die Anti-Kriegs-Kampfzeit der Polit-68er. Vorbei die Warnungen von dem grauenvollen Waffenalltag in den USA. Heute kann man sich mit Schüssen auf den Sheriff selbst in Deutschland auf den ersten Platz schießen.

Die „Brettspielbox“ schreibt: „Ziel ist es, die meiste Beute durch Stehlen der Geldsäcke, Diamanten oder Geldkoffer zu erlangen. Wer am Ende die meisten Patronen abgefeuert hat, erhält einen Bonus.“ Fazit: Ein echtes Familienspiel für das Jahr 2015. Die Jury von SdJ hat so entschieden.

1. “Digger”

In seiner Neu-Entwicklung hat sogar der Autor Aaron letzte Woche die Regeln durcheinander gebracht: Nicht der dickste macht den Stich, sondern der längste! Eine Prioritätenreihenfolge, die im wirklichen Leben ebenfalls noch höchst umstritten ist.

Heute prallten die Meinungen über die Sonderzüge, mit denen ein Spieler die Wertungen vertauschen, verschieben oder verdoppeln kann, hart aufeinander. Damit wird die lineare, logisch-psychologisch-kartenpflegerische Taktik weitgehend ausgehebelt. Die Grundversion kommt ohne alle diese Zugeständnisse an den Zeitgeist aus, und ist ein rundes, volles, stimmiges, gelungenes Spiel. Peter als Verfechter von bewährten „älteren guten Spielen“ lobte:

„Wenn alle neuen Spiel so wären, bräuchte ich keine alten!”

Nach diesen überschaubaren Spielmechanismen würde er dem Spiel 9 Punkte geben; mit den Sonderzügen reduziert er seine Wertung allerdings um (oder auf, je nach Stimmung) ein Drittel. Bei Walter wäre die Tendenz ähnlich.

Aber Aaron und der Verlag werden sich einen Dreck um die Meinungen am Westpark scheren; der Markt zählt!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase..

2. “Fifth Avenue”

Beim Aufbau von „Fifth Avenue“. Peter trägt die besten Spielregeln des Jahres vor.
Beim Aufbau von „Fifth Avenue“. Peter trägt die besten Spielregeln des Jahres vor.

Günther wollte Peters Wunsch nach „älteren, bewährten Spielen“ nachkommen und hat ein zumindest „älteres“ Spiel mitgebracht, „Fifth Avenue“ aus dem Jahre 2004. Bewährt ist es bei uns noch nicht, keiner von uns hat es bereits gespielt, doch Aaron konnte immerhin beisteuern, dass das Spiel 2004 die „Essener Feder“ für die beste Spielregel erhalten hat. Peter durfte sie vortragen.

In einem klassischen Aufbauspiel bauen wir Hochhäuser in sieben New Yorker Stadtteilen plus dem Central Park, siedeln Luxus-Geschäfte in ihrer Umgebung an, und versuchen damit während des Spiels und in der Endwertung die meisten Siegpunkte einzuheimsen.

Als Standardzüge werden angeboten:

  1. sich mit Bauplänen für neue Hochhäuser zu versorgen.
  2. ein beliebiges Geschäft aus der offenen Auslage an einer beliebigen freien Stelle in New York zu plazieren.
  3. sich einen Joker-Geldschein von von der Bank zu nehmen.
  4. ein Stadtviertel werten zu lassen: Die vergebenen Siegpunkte ergeben sich aus der Anzahl vorhandener Hochhäuser multipliziert mit einem überproportional wachsenden Faktor für die Anzahl benachbarter Geschäfte.

Nach dem Standardzug darf sich ein Spieler noch zwei Nicht-Joker-Geldscheine von der Bank nehmen, und er muss einen der beiden “Kommissionssteine” versetzen. Innerhalb dieser Kommissionssteine liegt der (ganze!) Witz der “Fifth Avenue”.

  • Die Kommissionssteine wandern in einem ewigen Turnus von Downtown bis zum Zentral-Park und zurück.
  • Wenn man ein Stadtviertel werten lassen will, darf man nur solche Viertel werten, in denen ein Kommissionsstein steht.
  • Wenn ein Kommissionsstein im Central Park steht und versetzt werden soll (muss), fliegt er mit einem Satz zurück bis nach Downtown; anschließend wird in allen Stadtvierteln, die der Stein vorher auf seinem Weg in den Central Park berührt hatte, ein Bauplatz versteigert.

Zum Bieten auf die verkäuflich gewordenen Bauplätze werden die farbigen Non-Joker-Geldscheine und die schwarzen Joker-Geldscheine eingesetzt. Der Meistbietende darf je nach Stückelung seiner Geldscheine ein bis drei Hochhäuser seiner Geldschein-Farbe bauen, die anderen Spieler gehen leer aus, brauchen aber immerhin auch nichts zu bezahlen.

Aber warum erzähle ich das alles? Eine Menge Details habe ich hier sogar noch ausgelassen! Läuft denn ein Spiel wirklich nach diesen umfangreichen, ausgefeilten Regeln ab? Leider nein!

Warum soll ich mir Baupläne besorgen? Um Hochhäuser zu bauen! Wenn ich aber keinen Bauplatz habe? Dann brauche ich auch keine Pläne! Diese Zugmöglichkeit wird sinnvollerweise auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben.

Warum sollte ich ein Stadtviertel werten lassen? Weil darin meine Hochhäuser und die benachbarten Geschäfte für mich eine besonders günstige Konstellation haben! Darf ich solches Stadtviertel werten lassen? Leider nur dann, wenn ein Kommissionsstein darinnen steht! Wird ein Kommissionsstein in einem für mich günstigen Stadtviertel stehen, wenn ich am Zug bin? Nein, das wird er nicht! Meine klugen Mitspieler werden einen solchen Stein am Ende ihrer Züge gefälligst versetzt haben. Insofern bietet sich das Stadtviertel-Werten-Lassen höchstenfalls für altruistische Masochisten an.

Soll ich den Zug wählen, der mir einen Jocker-Geldschein in die Hand gibt? Nicht schlecht! Aber wie gut? Kein wirklich zählenswerter Vorteil, denn das Geld zählt nur, wenn man es ausgegeben hat. Ausgegeben beim Ersteigern des Bauplatzes für ein Hochhaus. Dafür sind die Gelegenheiten allerdings sehr selten, und Geldscheine gibt es auch in den Händen der Mitspieler massig, so dass der Biet-Vorteil kaum messbar ist. Und das Ansiedeln eines Geschäftes in der Nähe meiner Hochhäuser ist kostenlos, dafür brauche ich überhaupt kein Geld.

Fazit: Als weitaus bester, wenn nicht gar als einzig sinnvoller Spielzug stellt sich heraus, ein beliebiges Geschäft in der Nachbarschaft zu einem bereits bestehenden, eigenen Hochhäusern anzusiedeln. ALLE Spieler werden das tun. Und da bei Spielbeginn jeder Spieler bereits zwei solcher Hochhäuser auf dem Spielbrett verteilen durfte, hat auch kein Spieler Schwierigkeiten, eine solche Nachbarschaft ausfindig zu machen.

Wenn wir das zwölf Mal getan haben, bei vier Spieler also jeder genau drei Mal, ist das Spiel zu Ende. Es kommt zur Schlusswertung und es werden diejenigen Spieler gewonnen haben, die die meisten Hochhäuser im Central Park gebaut haben. Warum im Central Park? Weil dort automatisch mindestens ein benachbartes Geschäft, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar zwei bis drei benachbarte Geschäfte stehen. Unser Spiel war zu Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Anstelle der angegebenen 60 bis 100 Minuten Spielzeit waren wir in knapp 20 Minuten durch! Und das am Westpark!

Haben wir etwas grob falsch gemacht? Wir durchforsteten die beste Spielregel des Jahres 2004, und wir durchforsten die Einträge bei BBG! Dort fanden wir u.a. den Kommentar: “If you play it long, you play it wrong!” Nein, wir haben alles richtig gemacht, wir haben es nahezu in Rekordzeit über die Bühne gebracht. Das Spiel funktioniert schlichtweg nicht!

WPG-Wertung: Aaron: 3 (aus meiner Sicht broken; dazu – für die kurze Spielzeit – auch nicht ausbalanciert), Günther: 4 (komisch; Kooperation könnte das Spiel interessant machen, aber dazu bräuchte man eine Anleitung), Peter: 4 (weil es nicht so lang ist), Walter: 3 (eckige Mechanismen, habe das Schicksal nicht in meiner Hand).

Ein euphorischer 10-Punkte Kommentar bei BBG lautet: “Hurra, zum ersten Mal ein Spiel gewonnen!” Ist das der Geist, aus dem Qualität gemacht wird?

3. “Witches”

Letzten Monat lag das kleine, lockere Stichkarten-Spiel zum ersten Mal bei uns auf, und Aaron hat es bereits beschrieben. Diesmal waren Peter und Walter Neulinge, und sollten die positive Meinung („mehr Feinheiten als auf den ersten Blick erkennbar“) unterstreichen.

Walter kann dies aus voller (Bridge-)Überzeugung tun. Jeder Spieler erhält gleich zu Beginn seine vollständige Kartenhand und kann darüber grübeln, wie er sie am besten KOMPLETT abspielen wird. A la „Flaschenteufel“ darf er dann nach einer groben taktischen Vision drei „schlechte“, d.h. taktisch-unpassende Karten an einen Nachbarn weitergeben und bekommt entsprechend „unpassende“ Karten von einem anderen Nachbarn zurück. Jetzt macht sich bereits die Vision bezahlt, nämlich wenn man die empfangen Karten in seine Strategie (!) einbauen kann!

Merkt Euch die gefallenen Karten ALLER Farben! Wisst auf alle Fälle von jeder Farbe, ob (besser: wieviel) höhere oder niedrigere Karten, als ihr sie auf der Hand habt, noch im Spiel sind. Achtet auf die Exit-Karten, mit denen ihr sicher vom Stich gehen könnt! Macht auch mal einen unliebsamen Stich, nur damit ihr selber eure Problemkarten aus- bzw. wegspielen könnt, um hinterher in ein sauberes, stichfreies Endspiel übergehen zu können. All das ist in diesem Spiel drin, trotz oder gerade wegen der verklausulierten Bedeutungen der grünen Feuerkarten und der andersfarbigen Hexen und Zauberer.

Peter war nicht so sehr davon überzeugt: „Ich finde es nicht soooo unterhaltsam; zuviel entscheidet sich über die grünen Karten“!

WPG-Wertung: Aaron: hob seine bisherigen 6 Punkte auf 7 an, selbst Günther legte einen Punkt zu auf 7 („ich ändere äußerst selten meine Wertung“), Peter: 5, Walter 8 (einfach, stimmig, man macht Fehler, und das zeichnet doch ein großes Spiel aus!).

01.07.2015: Spielen und Wählen

SpielepreisEs ist entschieden: die drei Hände voll Erleuchteter der Jury „Spiel des Jahres“ haben gewählt und werden ihren Preisträger für das Jahr 2015 am kommenden Montag bekanntgeben. Dann werden einige Vielspieler sich wieder wundern, welch läppische Spielmechanismen die Jury glaubt, dem deutschen Wenig-Spielervolk maximal zumuten zu können. Und sie werden die Nase rümpfen und resignierend erkennen, dass sie an den Spiel-Entscheidungen genauso wenig mitsprechen können wie an den wirtschaftspolitischen Entscheidungen der drei Hände voll Politiker, die den minderen Regierungen den munteren Geldhahn offen halten, oder auch nicht.

Für die andere große Spieleauszeichnung in Deutschland, für den „Deutschen Spielepreis“ hält der Friedrich März Verlag, der Organisator der jährlichen „Spiel Essen“, eine demokratischen Abstimmung ab. „Demokratisch“ in einer historischen Auffassung dieses Prinzips: eine privilegierte Meute von Spielern erhält eine Einladung, an der Abstimmung teilzunehmen. Heute kam für mich diese Einladung. Dank Aarons „Spiele-Finder“-Implementierung auf unserer Internetseite hatte ich im Nu die fünf Spiele ermittelt, die in diesem und letztem Jahr eine erkleckliche Anzahl von Punkten wert war. Ich habe gewählt.

1. “Diggers”

Vor zweieinhalb Jahren lag diese Eigenentwicklung von Aaron zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Damals war die einhellige Meinung: „Es ist ausgereift, funktioniert super, könnte sofort in Produktion gehen.“ Dem war aber nicht so. Wenn wir am Westpark auch in den logischen Herausforderungen eines Spiels aufgehen können, braucht der Markt doch noch etwas Zufall, Chaos, Pfeffer, oder wie immer man die unberechenbaren Überraschungen im Spielablauf nennen mag.

In das kleine, hübsche, flotte Kartenspiel wurde Zusatzkarten eingebaut, die konsequent gegen die Berechenbarkeit gingen, und einen Spielablauf sogar fast auf den Kopf stellen konnten. Manche mögen’s heiß.

Vor drei Monaten hat Aaron für „Diggers“ einen Verlag gefunden, „What’s your game“. Jetzt geht es in die letzte Klärungsphase des Gärungsprozesses, und der Verlag hat auch schon ein paar Änderungen vorgeschlagen, die uns Aaron gestern testen ließ.

Alles wunderschön:

  1. Es gibt nur noch vier statt früher fünf Farben; dadurch haben die Spieler mit höherer Wahrscheinlichkeit Karten in der Hand, die sie an einen der sechs möglichen Wertungsstapel anlegen können.
  2. Jeder Kartensatz ist doppelt; dadurch gibt es deutlich mehr Möglichkeiten, sich an den verschiedenen Wertungsstapeln zu beteiligen.
  3. Die Wertungen steigen immer noch von Runde zu Runde an, aber nicht mehr so extrem progressiv wie früher, sondern nur noch linear. Für die kurze Spieldauer absolut ausreichen.
  4. Die Sonderkarten, mit denen man den überschaubaren Spielablauf krass unüberschaubar machen konnte, sind wieder weg. Dafür kann man jetzt mit bestimmten Kartenkombinationen in seiner Kartenhand den Wertungen eine leichte Richtungsänderung verpassen. Durchaus im Sinne von mehr Flexibilität.

Dann hat der Verlag aber auch noch eine Änderung vorgeschlagen, die gestern zur Katastrophe wurde: Wenn ein Spieler nicht mehr anlegen kann oder will, so passt er und wird neuer Startspieler. Früher kam dann jeder Spieler noch genau einmal dran, dann wurde gewertet. Nach dem neuen Vorschlag dürfen die anderen Mitspieler solange weiterspielen, wie sie wollen und ihre Karten reichen.

Da ein „reicher“ Spieler beim Legen einer Karte bis zu drei neue Karten nachzieht und sich die beste davon aussuchen darf, kann er das Spiel noch stundenlang weiterführen, währen alle anderen Spieler bereits passen mussten und nur noch zuschauen. Moritz praktizierte ausgiebig diese Solotechnik. Mit Überlegenheit und Überlegung spielte er Solo-Runde für Solo-Runde eine Karte nach der anderen, und wir mussten eine GEFÜHLTE halbe Stunde zuschauen, bis auch ihm endlich die Luft ausging.

Horst und Walter hatten für irgendeinen Coup ihre Kartenhand ausgedünnt und dümpelten nur noch so vor sich hin. „Ich fände es besser, wenn ich jetzt mehr Zugfreiheit hätte“ war eine Anregung an den Spieleautor. Der aber konterte mitleidslos: „Falsche Karten auf der Hand!“ Genau, das wars. Falsche Karten und zu wenig Karten. Runde für Runde. Dafür bzw. dagegen muss das Spieledesign eine Lösung haben. Aaron hat sie. Einfach diesen Vorschlag vom Verlag ablehnen!

„Diggers“ ist ein viel zu charmantes Spiel, schnell, klug, pfiffig und spielerisch, als dass es sich durch solche Sackgassen-Vorschläge abgewürgt werden könnte.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Kraftwagen”

Trotz nur 4 WPG-Punkten von Peter und nur 5 Punkten von Günther hielt Aaron mit seinen und Moritz’ 8 Punkten das Spiel einer Kandidatur zu unserer Wahl „Spiel des Monats“ wert. Aber bei so unterschiedlichen Wertungen ist das Spiel zweifellos nicht „konsensfähig“. Peter konnte es nicht nur nicht empfehlen, er warnte auch davor, dass „Kraftwagen außerordentlich polarisiert“. Das kam schon der Ankündigung eines Vetos gegen eine mögliche Wahl gleich.

Aaron wollte den heutigen Spielabend nutzen, die Wertungen für „Kraftwagen“ bei Horst und Walter auf den Prüfstand zu legen.

Worum geht es? In einem Aufbauspiel verbessern wir unsere Fähigkeiten, schöne und stärkere Autos zu bauen, bauen schöne und starke Autos, bringen sie auf den Markt, erzeugen die einschlägigen Kundenschichten, und freuen uns an Umsatz und Gewinn. Wer Lust (und Potenz) hat, kann sich als Steckenpferd auch noch auf Autorennen verlegen, und dort versuchen, an den Siegeslorbeer heranzukommen.

Die einzelnen Aktionen werden – wie wir bei „Glen More“ zum ersten Mal kennengelernt haben – über eine Aktionsrotunde gewählt, bei der jeweils der Letzte innerhalb des Rundkurses seine nächste Aktikon wählen darf, u.U. auch mehrmals hintereinander, wenn die anderen Spieler alle mit ihren Zügen sich Aktionen weit vorne ausgesucht, und dabei eine Anzahl weniger attraktiver Aktionen übersprungen haben.

Das Spiel ist hübsch konstruiert und enthält eine ganze Reihe honorierenswerter Spielelemente, alle einheitlich um das Kraftwagen-Thema. Es konnte Walter allerdings nicht überzeugen. Der Knackpunkt ist die Stimmigkeit im Verhältnis von Planungsaufwand gegenüber Planungssicherheit. Hier hapert’s. Planen kann (und sollte!) man viel. Jede Wahl, jeder Sprung, jede Knausrigkeit auf der Aktionsrotunde sollte genau abgewogen sein. Fortschritt in der Entwicklung ist lebensnotwendig.

Doch die Entwicklung ist nicht frei bestimmbar, sondern wird über „Fortschrittskarten“ gesteuert, von denen jedem Spieler nur eine ganz kleine Zufallsauswahl zur Verfügung steht. Flexibel auf die Gegebenheiten des Zufalls reagieren, das ist die Devise! Zweifellos ebenfalls eine intellektuelle Herausforderung! „Planung“ würde ich das allerdings nicht nennen, für mich ist das eher „Heuristik“. Auch gut.

Die gute Heuristik enthält aber zudem noch absolut unberechenbare Nebeneffekte. Welches Auto man auch immer auf den Markt bringt, es ist bis kurz vor Ende eines Runde nicht gesichert, dass man es auch verkaufen kann. Nur wenn alle Käufer einer Spielrunde bereits zur Stelle sind, und man zufällig das letzte Auto eine Runde produziert, kann man es so ausstatten, dass wenigstens dieses Auto auch verkauft wird. Der Effekt für den Spieler, der am Markt vorbei produziert hat, ist allerdings katastrophal: Er bekommt nicht die Hälte des Wertes und auch nicht ein Drittel, er bekommt gar nichts. Alles oder nichts! Ein Planspiel, bei dem die angestrebten Erlöse auf Grund von Mitspielerverhalten von Hundert auf Null absinken, das ist kein Planspiel, sondern ein Roulette. Dafür ist der benötigte Denkaufwand im „Kraftwagen“ viel zu hoch.

WPG-Wertung: Zu den bisherigen Noten von Aaron: 8, Günther: 5, Moritz: 8, Peter: 4 vergaben heute: Horst: 7 (viele planbare Strategien), Walter: 5 (neben dem zu großen Zufallseinfluss besitzt es noch erhebliche Kingmaker-Effekte und es verzeiht keine Spielfehler; dazu mag er diese Kartenaufbau-Menagerie nicht!)

3. “Verflixxt!”

Statt des gewohnten „Bluff“ ein anderes lockeres Würfelspiel als Absacker. Alle dürfen ausreichend würfeln, jeder darf ein bisschen denken, ansonsten aber locker drauflos spielen und sich über gute Würfelwürfe freuen. Wer verliert, war nicht der Dumme, sondern hat unglücklich gewürfelt. Aber trotzdem glücklich gespielt, denn „Verflixxt!“ ist ein „Klassiker, weil es immer wieder Spaß macht!“ (Originalton Moritz).

Moritz hat gewonnen. Nach der Basisversion. Nach Variante 4 wäre er Letzter geworden, aber dann hätte er anders gespielt. Und ganz sicher auch anders gewürfelt!

Keine neue WPG-Wertung für ein fast 8-Punkte-Spiel.

29.01.2014: Müh-seliger Bergbau

Ein den Westpark-Gamers nahestehender junger Mann arbeitet an einem Vertriebskonzept für ein neues Verhütungsmittel. Uns spielenden Laien fällt dazu nur eines ein: Vögeln, vögeln und nochmals vögeln.
Vielleicht hat unsere intelligente Leserschaft dazu noch weitere Ideen. Kluge Tips werden von unserem Web-Master empfangsfreudig entgegengenommen. Eine mögliche Prämierung ist noch offen.

1. “Kohle & Kolonie”
Unser Kohle-Meister von letzter Woche mußte diesmal wegen Überfüllung aussetzen. Moritz, der letzte Woche während Günthers Regelerklärung das englische Regelheft parallel-las, sprang diesmal ein, um die Neulinge Aaron und Horst in den Bergbau-Kapitalismus im Ruhrgebiet einzuführen.

Moritz erklärt „Kohle&Kolonie“. Such' die Andrea!
Moritz erklärt „Kohle&Kolonie“. Such’ die Andrea!

Sein didaktisch überaus wohlstrukturierter Vortrag dauerte ebenfalls eine Stunde. Dann ging es ans Werk. Den Neulingen war klar, dass sie allein aus der Theorie für K&K heute noch keineswegs den für einen Erfolg notwendigen strategische Ansatz finden konnten. Mitspielen und kennenlernen war die Devise. Das ging sogar relativ schnell. Sehr viel schneller (gefühlt) als beim letzten Mal, wo drei geborene Strategen noch die letzen Promille aus ihrer Zugplanung herausquetschen wollten.

Trotzdem brauchten wir zwei Stunden für die ersten drei der insgesamt fünf Runden. Andrea und Moritz hatten die Regeln konsequent verinnerlicht und freuten sich auf das dicke Ende. Walter hatte – von vorne herein – die Stimmung mitgebracht, seine bisherigen 6 Wertungspunkte geduldig über die Runden zu tragen. Horst wurde von den Grubenunglücken überdurchschnittlich oft (über die 3-Sigma-Grenzen hinaus) getroffen, jedesmal sogar als einziger. Seine Spiellaune sank unter den Nullpunkt. Aarons gebremste Begeisterung kann man an seiner Notengebung (siehe unten) ablesen. Wir brachen ab. Nicht ganz einvernehmlich aber friedlich. Mit einer Drei-Viertel-Mehrheit – bei einer Enthaltung.

Warum muss man in das Spieldesign so viel detaillierte Variation reinbringen. Z.B. bei der Versicherung gegen Grubenunglücke: Warum geht es zweimal nur mittels eines Arbeiters, zweimal nur mit Geld und zweimal alternativ mit Arbeiter oder Geld? Warum verdoppeln sich ab einem variablen, von den Mitspielern beeinflussten Zeitpunkt die Preise für das Einsetzen von Arbeitern oder Ingenieure? Durch das Spielmaterial sind diese Regeldetails zwar aufwändig und sinnvoll unterstützt, aber bringt das dem Spielablauf etwas? Wir haben unsere Zweifel. Nach Aarons Einschätzung ist „die Hälfte der Spielelemente überflüssig“. Obwohl er dahinter ein ausgiebiges Balance-Tuning vermutet.

WPG-Wertung: Der bisher gute Notendurchschnitt von 8,0 wurde von Aaron und Horst total verwässert. Aaron: 4 (zu viele Elemente, zu fummelig, alles mühsam und undurchsichtig, es fehlt das Spielerische), Horst: 5 (habe mich schon lange nicht mehr so gelangweilt, bezüglich der Spieleraktionen ein Mangelspiel; beim Warten auf den nächsten Zug keinerlei Interaktion, humorlos. In abgespeckter Version wäre das Spiel vielleicht der Renner der Saison, so nicht).

Christoph mag unsere Wertung hier wieder als „bescheuert“ einordnen. Wir stehen dazu.
Als Trostpflaster für Thomas Spitzer ein Kommentar von Moritz: „K & K ist ein wunderschönes Spiel mit vorzüglich ausgewogenen Mechanismen.“

Gerade als wir beim Abräumen waren, schoss Thiago das hinreißende Siegestor für den FC Bayern gegen den VfB. Horst war fast dazu geneigt, noch einen Wertungpunkt zuzulegen.

2. “Diggers”
Aaron hatte sein „Diggers“, ein schnelles Karten-Ablege-Spiel, bei dem man oft genug zur richtigen Zeit der Erste gewesen sein sollte, auf dem Spiele-Workshop in Ruppichteroth auf den Prüfstand legen lassen. Herausgekommen ist eine neue Progression in den Punkte-Wertungen, eine längere Rundendauer bis zur Abrechung eines Saison, vor allem aber die Einführung von „Schicksalskarten“, die etwas Unberechenbarkeit in den ansonsten weitgehend planbaren Spielablauf bringen.

Wie schon häufiger erfahren, scheiden sich hier die Geister der verschiedenen Spielertypen. Der chaotische Auto-Emphat freut sich, dass er mittels einer ihm zufällig zugeteilten Zauberkarte das Glück zu seinen Gunsten drehen kann; die Frustration der Mitspieler ist ihm dabei wurscht. Der linear ausgerichtete Psychotherapeut betrachtet bei jedem Zug die Summe allen Spielerglücks und ist keineswegs amused, wenn hier der Erwartungswert negativ wird. Man kann es nicht allen recht machen.
Noch keine WPG-Wertung

26.06.2013: Vorspiel beim Tycoon

Mit seinem ausgewachsenen Brettspiel „Yunnan“ war Aaron blitzschnell erfolgreich; schon wenige Wochen nach seiner Präsentation war der Argentum-Verlag davon überzeugt und bringt es dieses Jahr in Essen heraus. Mit seinem pfiffigen Kartenspiel „Diggers“ hingegen erlebte Aaron die übliche monatelange frustriende Warterei eines Autors vor den Eingangstüren eines Verlags. Mit anschließender Absage.

Zwei Verlage hatte das Spiel unter die Lupe genommen. Seine Kürze war positiv aufgefallen. Die Spielregeln ließen keine Frage offen (, was aber durchaus in den Aufgabenbereich eines Verlag fallen könnte), die Zugriffsprioritäten und der Alterungsmechanismus funktionierten „soweit ganz gut“. Doch das reichte den professionellen Testern nicht aus, um „das Spiel interessant zu machen“. „Der Spielspaß kam nicht richtig auf“. Es „funktionierte einwandfrei“, eine Formulierung, die auch wir gerne benutzen, wenn wir „keine konkreten Kritikpunkte nennen“ können.

Einer der Verlage „bevorzugt Spiele, die mehr taktische Möglichkeiten bieten“ oder solche, die – im Gegensatz dazu – einen größeren Glücksanteil besitzen. Geschmacksache! Massengeschmackssache! Irgendwie, irgendwo ist das Genie immer einsam.

1. “Diggers”
Unverdrossen versucht Aaron, immer weitere neue Schmankerl einzubauen, um damit auch einen mehr chaotisch-orientierten Markt zu erreichen. Weil wir schon dem Prototyp von „Diggers“ sehr positiv gegenüberstanden, lassen wir gerne auch die Modifikationen in Richtung Massengeschmack über uns ergehen. Das Spiel ist mit seinen robusten Talenten einfach nicht kaputt zu kriegen.
Diesmal spielten wir im Wesentlichen die Version von letzter Woche. Aaron hat sich dafür ein eigenes Kartenspielset herstellen lassen. Für 14,95 Euro bei http://www.printerstudio.de/fotogeschenke/spielkarten-unbedruckt.html.
Super gemacht; jetzt kommt das Thema mit den Zwergen und ihrem Goldgrubengraben auch gut rüber.

Heute fiel auf, dass die Punktewertung genau umgekehrt werden sollte: nicht die hohen Karten, mit denen man sich den Goldnuggets ergräbt, sollen die meisten Punkte bringen, sondern die niedrigen Karten. Das ist deutlich schwieriger, und hinterher im Erfolgsfall ist das Zuteilen der Siegpunkt-Karten ergonomisch günstiger. Ein kleine inhaltliche und eine große formale Verbesserung.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel im Reifeprozess.

2. “City Tycoon”
Jeder wählt sich nach dem 7-Wonders Auswahl-Prinzip in vier Runden je sechs Städtebau-Karten aus, die er nach und nach

  • als seine Bauteile in den gemeinsamen Städteplan auslegt
  • gegen „Kraftwerke“ eintauscht und baut
  • gegen Geld eintauscht

In der „Versorgungsrunde“ versorgt jeder Spieler seine Bauteile mit Energie oder Wasser aus den Kraftwerken und kassiert dafür Geld, Siegpunkte oder Allzweck-Rohstoffe, die sich früher oder später ebenfalls in Siegpunkte umwandeln lassen.

Stadtbild in "Tycoon"
Stadtbild in “City Tycoon”

Zur Versorgung können – vorzugsweise – die eigenen Kraftwerke herangezogen werden, aber auch das gemeinschaftliche Kraftwerk in der Mitte des Spielbrettes oder die Kraftwerke der Mitspieler. Allerdings kostet es Geld, wenn man fremde Quellen anzapft. Geld braucht man ebenfalls zum Bauen, es ist also ein wichtiger Motor, der das Spiel in Gang hält.

Dazu kommt noch der Energie- und Wasserbedarf aus den Kraftwerken. Schneller als man denkt, sind die eigenen (von den Mitspieler angezapften) Quellen, die privaten Quellen der Mitspieler oder die öffentlichen Quellen ausgebeutet und die wunderschönen Bauteile liegen unversorgt herum, werden damit zwar nicht abgebaut, aber bringen auch nichts ein.

Das Spiel ist hübsch ausgedacht, viele Elemente sind gut ineinander eingepaßt, aber irgendwie ist das alles zu viel. Von den 24 wunderschönen Bauteilen, aus denen jeder Spieler seine Auslage zusammenstellt (ach, es sind ja noch sehr viel mehr Bauteile, die in der Auswahlphase durch die Hände eines jeden Spielers gehen), muss er allein die Hälfte zur nackten Finanzierung seines täglichen Brots für die Trivial-Summe von 5 Einheiten pro Bauteil in den Orkus geben. Hätte man die Finanzierung nicht ohne soviel Ideen-Vergeudung handhaben können? Von den etwa 10 eigenen Bauteilen, die jeder Spieler hoffnungsvoll in das Stadtbild eingebaut hat, bleiben hinterher mehr als die Hälfte ungenutzt, weil keine Ressourcen für sie vorhanden sind. Wäre hier nicht eine Überbau-Technik effizienter gewesen?

Siegpunkte erhält man je nach Bauteil, das man gebaut hat, je nach Rohstoff, mit dem man es versorgt, und je nach der Umgebung, in der es liegt. Aus vielleicht 40 gemeinsame Bauteilen besteht die Stadt im Endausbau, und mühsam muß man die vielfältigen Querwirkungen bei der Prämienausschüttung zusammensuchen. Die daraus resultierende Spielfreude ist nicht im gleichen Maße vielfältig. Eigentlich schade.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (vor 2 Jahren wären es noch 6 Punkte gewesen, aber heutzutage ist zu vieles bereits bekannt, z.B. von „7-Wonders“ oder „Suburbia“), Günther: 5 (es funktioniert, aber das ist eine Mindestanforderung an ein Spiel, anstrengende Mechanismen [mit minimaler Vorteilsgewährung], Horst: 6 (unterhaltsames Städtebauspiel, aber die Symbolik ist anstrengend und Augenkrebs erzeugend), Walter: 5 (unübersichtlich, zu viele Elemente, die ungenutzt verpuffen).

3. “Hecht im Karpfenteich”
Aaron macht in Nostalgie. Letzte Woche brachte er den Oldtimer „Flußpiraten“ mit, diesmal war es das gleichaltrige „Hecht im Karpfenteich“. Schon vor 23 Jahren haben wir das Spiel oft (!) und gerne gespielt. Martin, unser Kinderarzt, war damals unbestrittener Favorit.

Jeder ist der Herr über einen Schwarm hungriger Hechte. Wir fressen Karpfen, um satt zu werden, und verschwinden dann in einem Hechtnest und warten, dass ein weiterer satter Hecht zur Vermählung vorbeikommt und wir mit ihm Nachwuchs zeugen können. Notfalls, sogar mit Vorliebe, können wir auch Inzucht betreiben, und unserem eingenesteten satten Hecht seine eigene satte Schwester zuführen.
Freßbare Karpfen schwimmen nicht beliebig herum, wir müssen sie züchten, indem wir ihnen Schnecken zu fressen geben, und sie dann ebenfalls in entsprechende Karpfennester zur Vermehrung schicken. Schnecken wachsen am Boden, jeder Spieler kann pro Runde zwei neue Schnecken als Karpfenfutter hervorbringen lassen.

Eine Herausforderung des Spiels ist die Planung der Reihenfolge der eigenen Züge. Wann vermehre ich die Schnecken (relativ harmlos), wann lasse ich die Karpfen vermehren (dann, wenn möglichst viele meiner hungrigen Hechte möglichst nahe sind und somit einen Großteil der frischen Brut gleich fressen können), wohin gehe ich mit der Hoffnung auf Fressen und Paarung, wann setze ich freiwillig aus, und wann nutze ich den einmal pro Runde gewährten Doppelzug.

Die Biologie des Spiels reizte den verbalen Spieltrieb der älteren Herren. Termini technici wie Poppen, Gruppensex, vernaschen, Vorspiel und Stundenhotel mit geilen Hechten machten lustvoll die Runde.

Doch der Spielspaß blieb begrenzt. Ein einziger falscher Fehler und der Hintermann schwelgt in freßbaren Karpfen, während die anderen weiterhin frustriert und hungrig ihr Dasein fristen. Bei vier Mitspielern ist das Spiel nach zwei Runden zu Ende. Blitzschnell. Leider! Einmal richtig gefressen und gepoppt, und man verläßt als Sieger das Spiel. Wie im richtigen Leben meistens der andere. Der andere ist bei uns immer der Günther.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (findet poppende Fische geil), Horst: 3 („Komm’ mal bei uns vorbei, da kannst Du poppende Vögel sehen!“ Das Spiel ist so ein Scheiß, langweilig, die Planbarkeit geht mir am Arsch vorbei), Günther: 6 (lustig, schnell, locker), Walter: 6 (Planung, Timing, das feine Spannungsgefälle: das alles hat mir früher besser gefallen.).

Horst war gesundheitlich nicht gut drauf und ging vorzeitig nach Hause. Was machte das restliche Trio, bevor es ans übliche intellektuelle Aufräumen ging? Gleich nochmal einen „Hecht im Karpfenteich“! Diesmal mit dem aufgefrischten Wissen um Timing und taktische Finessen. Und siehe da: Das Spiel erstrahlte auf einmal wieder im alten Glanz. Es war spannend, taktisch, kooperativ und interaktiv. Jeder versuchte unbedingt Fehler zu vermeiden. Jeder checkte seine Zugoptionen auf Fallstricke ab, keiner verschenkte freiwillig ein Tempo an seine Mitspieler. Es wurde wieder sichtbar, wie fein die Begrenzungen an eigenen Hechten, Karpfen, ja sogar an Schnecken ausbalanciert sind. Das Spiel wurde wieder planbar und beherrschbar. Aber es blieb spielerisch und bei allen Planungen noch locker. Und thematisch stimmig.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (zu Dritt spielt sich’s besser), Günther ? (nicht abgefragt), Walter: 8 (nur für die Dreierrunde, höchst spielerisch, hübsche, schnuckelige Spielidee, überraschende Wendungen).

4. “Diggers”
Richtig, wir haben nochmals „Diggers“ aufgelegt. Diesmal in der Dreierunde. Aaron ließ es keine Ruhe, vor den nächsten Design-Diskussionen mit seinem Co-Autor Frank Zurmühlen das Prinzip der umgekehrten Punkt-Wertung auszuprobieren. Und siehe, es fand Wohlgefallen.

Das Spiel wirkt jetzt spielerischer, lustiger, chaotischer als der Prototyp. Erneut kann die Masse (wer immer das ist,) darauf losgelassen werden. Doch das pfiffige, taktische Lavieren um die hohen Siegpunktkarten, die geduldige Kartenpflege, das spannende Lauern auf die zwei, drei große Raibache, mit denen ein Spiel entschieden werden kann, das ist entfallen.
Eigentlich sollte man Diggers, wenn es denn auf den Markt kommen sollte, gleich mit beiden Varianten anbieten: Die brave Jäger- und Sammler-Variante, mit den großen Störeffekten bei kleinen Punktprämien für Hinz und Kunz, und eine Experten-Version mit dem großen Kick bei Maximal-Umsätzen. Perlen und Säue!

Immer noch keine WPG-Wertung.