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02.09.2020: Verflixxt : Caylus 1303

1. “Caylus 1303”
„Caylus“, das „Produkt des Jahres 2005“ vom Ystari-Verlag, einem damals neu aufgestiegenen, hell leuchtenden Verlags-Stern am Brettspiel-Himmel. Seit wir auf diesen Verlag aufmerksam wurden, haben wir uns alle seine Y-Spiele zugelegt. Ein Jahr später wurde sein „Yspahan“ die Nummer 1 in unserer ewigen Bestenliste von über eintausend Brettspielen (berechnet nach dem Bayesschen Mittelwert unserer Notengebung).

Caylus 1303 – Szenerie


Jetzt, nach 15 Jahren, hat der Caylus-Autor Wiilam Attia sein Spiel noch einmal überarbeitet und als „Caylus 1303“ auf den Markt gebracht. Wir werkeln immer noch am Schloss von Caylus (gesprochen Kailüss), wir setzen unsere Pöppel auf Felder zum Gewinnen von Rohstoffen, wir erschließen neue Rohstoffquellen mit einer verbesserten Ausbeute, und wir überbauen weniger lukrative Quellen mit unseren Villen, aus denen später die batzigen Siepunkte resultieren sollen.

Das Geld wurde abgeschafft, jetzt läuft alles über die unterschiedliche Anzahl von Pöppel, die wir durch gezieltes (und ungezieltes) Vorgehen erwerben oder auch wieder loswerden. Auf den ersten Blick hat sich nichts Grundsätzliches geändert, der geschlängelte Weg unseres Straßendorfes mit den Rohstoffquellen ist immer noch vorhanden und der reitende Bote des Königs mit der Maßgabe, wie weit die vorhanden Quellen sprudeln dürfen, reitet ebenfalls noch die Straße entlang.

Das „Schloss“ mit seinen Segnungen wurde durch eine eigene Gunst-Mechanik ersetzt. Es gibt jetzt Privilegien-Plättchen, mit denen wir das Agieren in Caylus effizienter machen können: z.B. mehr Pöppel, höhere Erträge, manpowerfreies Engagement oder Übernahme der Startspielerrolle. Einige diese Privilegien werden zu Spielbeginn unter die Mitspieler verteilt, andere können später erworben werden. Doch auch durch entsprechende Spielzüge kann man jedem beliebigen Spieler dessen Privileg mir-nichts-dir-nichts wegnehmen. Ein gerade genommenes Privileg kann sogar vor der ersten Nutzung noch von weiteren Spielern geklaut werden. Hier setzt unser erster Kritikpunkt ein. Entweder ist das Spiel ein billiges Räuber-und-Gendarm-Spiel, oder die Privilegien gehören fest seinem Erstbesitzer. Zumindest hätte man nach den Konstruktionsprinzipien des begabten Spieleautors Rüdiger Dorn demjenigen, dem man ein Privileg wegnimmt, eine Entschädiung zahlen müssen. Frustminimierung nennt man das.

Auch die Startspieler-Regel hat man geändert. Wer zuerst passt, ist in der nächsten Runde Startspieler. Zugleich verteuert er für alle Mitspieler den Manpower-Einsatz: Sie müssen jetzt überall ein Männchen mehr berappen. Wer allerdings bewusst als Erster passt und hofft, damit Startspieler zu werden, hat sich getäuscht, denn der Spieler mit dem Startspieler-Privileg wird ihm diese Rolle sogleich wegnehmen. Jetzt ist es aber nicht der Fall wie früher, dass die folgenden Spieler in der Reihenfolge ihres Passen zum Zug kommen, sondern es geht streng im Uhrzeigersinn weiter. Der brave (oder auch unbrave) Erstpasser kann auf diese Weise sogar noch Letzter werden, genauso wie jeder andere, der früher die Hoffnung hatte, durch rechtzeitiges Passen in der nächsten Runde schneller zum Zuge zu kommen.

Das Original-Caylus fanden wir damals „eher konstruktiv. Es geht darum, aus den vielen gebotenen Möglichkeiten die jeweils beste für sich herauszusuchen … Einem feindlichen Mitspieler direkt zu schaden, ist nicht vorgesehen“. Das hat sich jetzt gründlich geändert. Caylus 1303 ist ein Spiel des permanenten Mangels. Um Holzhäuser zu bauen, braucht man Holz. Es gibt aber nur ein einziges Feld, auf dem man Holz bekommt, nur einer kann sich darauf setzen, die anderen gehen leer aus.

Um Steinhäuser zu bauen, braucht man Stein. Es gibt aber nur ein einziges Feld, auf dem man Stein bekommt, nur einer kann … Um Villen zu bauen braucht man Tuch … Um an die Baustelle zu liefern braucht man Schinken … semper idem. Im Original-Caylus konstatierten wir – ohne Punktabzug – ein begrenztes Maß an Interaktion. Dem ist jetzt entgegengewirkt: wir haben ein ständiges Gerangel um jeweils einzige vorhandene Quelle für die verschiedenen Rohstoffe.

Aaron betet um göttliche Quellen, Günther sucht sie hier auf Erden zu ergrübeln

Es ist aber noch schlimmer. Um ein Holzhaus zu bauen, der muss man einen Pöppel auf das Feld setzen, das dies erlaubt. Es gibt aber nur ein einziges solches Feld. Wer sich also zuerst Holz besorgt, um ein Holzhaus zu bauen, muss damit rechnen, dass ein anderer Spieler sich die Baugenehmigung dafür holt. Oder umgekehrt. Holzweg, Pech gehabt! Und weil die Spielerreihenfolge ja leider ziemlich unberechenbar ist, kann der Holzbesitzer u.U. auch in der nächsten Runde sein Holz nicht verbauen. Um ein Steinhaus zu bauen, muss man auf das Feld setzen, … es gibt aber nur ein einziges solcher … semper idem.

Kann es ein vernünftiges Spieldesign sein, dass ein Spieler in einer Runde überhaupt keinen Zug macht, nur um wenigstens in der nächsten Runde als Startspieler an das lebenswichtige Feld für Rohstoff oder Erlaubnis zu kommen? Kann es ein vernünftiges Spieldesign sein, dass ein Spieler diesen Null-Zug tut, um Startspieler zu werden, um sogleich von Startspieler-Privilegisten von dieser Position verdrängt zu werden? Für Leute, die Frust und Chaos lieben, mag das angehen. Für uns am Westpark ist das nichts!

Die Gunst-Regel, einem Mitspieler ein Privileg zu klauen, haben wir a priori ersatzlos gestrichen. Auch wenn das einen unverkennbaren Einfluss auf die Balance einiger anderer Spielzüge hatte. Auch sonst spielten wir – unabgesprochen – überwiegend „lieb“, d.h. ohne direkte miesnickligen (oder gar Kingmaker!) Aktionen. Wir spielten auch leidlich schnell. Trotzdem dauerte das Spiel in unserer 3er Runde geschlagene 160 (einhundertsechzig) Minuten. Ohne die Einführung für Walter, der im August beim ersten Spielversuch in einer 5er Runde (! zum Kennenlernen vom Verlag explizit nicht empfohlen !) bei Moritz nicht dabei war! Dabei rechnete heute keiner bis ins letzte Detail die sieg-notwendigen Spielzüge für die nächsten drei bis vier (!) Spielrunden voraus. Keiner schaute sich auch genau nach Möglichkeiten um, wo er einem Mitspieler am meisten schaden könnte. Sonst hätten wir leicht doppelt so lange kailüssen können.

Angeblich soll das neue Spiel „familientauglicher“ geworden sein. Ganz objektiv gesprochen: reine Fehlanzeige!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (überhaupt nicht mein Spiel, es hat absolut keinen Spaß gemacht, obwohl wir „lieb“ gespielt haben, zäh, unsicher, miesnickelig -> frustrierend), Günther: 6 (schlechter als das Original, die neuen Elemente machen des Spie nicht besser), Walter: 7 (in memoriam Caylusi. Und ist es auch Frust, so hat es doch Methode).

2. “Verflixxt!”

Wir brauchten für einen gelungenen Spieleabend noch einen aufmunternden Absacker. Walter fand in seinem beschränkten Repertoire ein „Verflixxt!“. Alle hatten noch vage in Erinnerung, wie das geht, alle waren sofort uneingeschränkt dafür.

Eigentlich nur ein unkompliziertes Würfelspiel, aber mit vielen Facetten, die ein gutes Spiel ausmachen: Zufall, Plan, Risiko, Freude und Schadenfreude. Und noch dazu geht alles gerade richtig schnell, aber nicht zuuu schnell, über die Bühne. An das erste Spiel schlossen wir unverzüglich und mit freudiger Überzeugung eine Wiederholung an. Da kommt am Westpark nicht so oft vor.

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 7,3 Punkte Spiel.