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26.02.2020: Die Macher

1. “Die Macher”
1986 hatte der Großvater von „Die Macher“ das Licht der Welt erblickt, und die Spielerwelt war überfordert: so viele geniale neue Erfindungen in einem einzigen Spiel hatte es noch nie gegeben. Aaron lernte 1986 die Mechanismen an einer Flipchart kennen, noch bevor Moskito Spiele die erste professionelle Produktion übernommen hatte. Sein damaliger Eindruck: „Was Autor Herr Schmiel da erklärte, ging in Bezug auf Komplexität weit über alles, was ich jemals in einem Spiel kennengelernt hatte.“ Zehn Jahre später schrieb der legendäre Brian Walker in seinem „Games International“: „’Die Macher’ ist in Bezug auf die Spielmechanismen unbestreitbar eines der raffiniertesten Spiele auf dem Weltmarkt“.

Milo sucht ein Land für sein Schattenkabinett

1997 – die geographische und politische Landschaft in Deutschland hatte sich geändert – kam bei HiG der Vater heraus. Mit welchem finanziellen Erfolg sei dahingestellt; Qualität und Verkaufszahlen in der Kunst waren ja noch nicht sehr eng miteinander korreliert. Jedenfalls verzichtete HiG auf eine weitere Generation und VAlley Games aus Kanada wurde 2006 der Geburtshelfer für das Kind dieser Adelsfamilie. Und letztes Jahr erschien bei Spielworxx  der Enkel. Alles immer noch reinrassig aus den Genen von Karl-Heinz Schmiel hervorgegangen.

Das Thema des Spiel ist das Gehabe in und um die politischen Parteien in Deutschland, bei vier sequentiellen Wahlen in verschiedenen Bundesländern als Bester abzuschneiden. Zu sieben vorgegebenen Themen (Bildung, Digitalisierung, Gentechnik, Innere Sicherheit, Soziales, Umwelt und Verkehr) gibt es je Bundesland eine öffentlich bekannte Volksmeinung im Schwarz-Weiß-Raster: das Volk ist also entweder dafür oder dagegen. In jedem Bundesland kann diese Meinung anders sein. Jede Parteien hat zu vier dieser Themen eine Parteimeinung, im gleichen Schwarz-Weiß-Raster. Um Wahlen zu gewinnen, braucht die Partei eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen Partei- und Volksmeinung. Dazu gibt es, wie im richtigen Leben, die beiden Möglichkeiten, nämlich das Parteiprogramm zu ändern oder die Volksmeinung.

Jeder Spieler kann pro Spielzug grundsätzlich zu zwei Themen die Meinung der von ihm geführten Partei ändern. Installiert er für teures Geld einen Fraktionsvorsitzenden, kann er auch noch zu einem dritten Thema die Parteimeinung ändern.

An die Volksmeinung kommt man via Medien heran. Hat man in einem Bundesland eine relative Mehrheit an den Medien erworben, kann man zu einem Thema die Volksmeinung ändern. Natürlich versuchen die anderen Parteien mit Energie eine solche Medienmehrheit zu verhindern, vor allem wenn die Gegenpartei sich politisch erheblich unterscheidet. Bei Gleichstand gibt es keine Mehrheit. Aber mit dem – versteigerten – Startspielervorteil und mit Hilfe eines installierten Pressesprechers oder Generalsekretärs im Schattenkabinett kann man hier der Konkurrenz unliebsame Überraschungen bereiten.

Die Anzahl von Wahlveranstaltungen, die eine Partei abhält, hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Stimmen, die sie bei den Wahlen bekommt hat. Diese Veranstaltungen kosten aber Geld. Alles in „Die Macher“ kostet Geld, und mit der Summe, die zu Spielbeginn ausgezahlt wird, und mit den Beträgen, die Runde für Runde zusätzlich ausgeschüttet werden, kann man lange nicht alles das bezahlen, was wünschenswert wäre. Dazu gehören auch Umfragen, die reihum versteigert werden, und deren Ergebnis den „Trend“ einer Partei fördern oder beeinträchtigen. Bei schlechten Ergebnissen für eine Partei kann man eine Umfrage auch lediglich deshalb ersteigern, um sie unter den Tisch fallen zu lassen und den negativen Einfluss auf den Parteitrend zu verhindern.

So werden reihum in den vier Bundesländern die Wahlen abgehalten. Die erzielten Stimmen bringen Punkte und – früher oder später – Geld; die Wahlsieger, vor allem bei Anteilen von über 50 Stimmen, erhalten auch noch erkleckliche Siegpunkte.

In den Beispielen der Spielanleitung gewinnt „die Linke“ mittels exakter Übereinstimmung von Partei- und Volksmeinung. Kann man daraus etwas über die Vorliebe des Autos ablesen? Bei uns gewann die FDP (gelb, na klar, der Günther) u.a. mittels großen Engagements in Umfragen und durch starke Medienbeeinflussung. Aber das waren wohl eher gute Spielzüge als politische Überzeugung.

Moritz hatte gleich zu Beginn ein Mitglied seines Schattenkabinetts irrtümlich falsch eingesetzt – ihm fehlte nach der Inthronisierung seines Pressesprechers das nötige Kleingeld, um hinterher auch noch den Medienvertreter der Gegenpartei herauszukicken -, ein Fehler, den ihn Walter nach dem Aufdecken und der Teilauswertung der übrigen Schattenkabinette nicht korrigieren ließ. Das warf ihn weit zurück und ließ seine Lorbeeren Trauer tragen. Dafür konnte er sich damit trösten, dass sein 12-jähriger Milo mit kluger Dominanz in Bayern nur von Günthers FDP knapp geschlagen worden war.

WPG-Wertung: Günther: 8 (bleibt, nicht mehr Punkte, weil der „Schmetterlingseffekt“ [eine einzige Einheit Differenz kann bei vielen Aktionen gewaltige Auswirkungen haben] zu groß ist), Milo: 9 (alle Aktionen einschließlich der Geldwirtschaft sind cool, ebenso die Interaktion, weil jeder jedem jederzeit an den Wagen fahren kann), Moritz: 9 (bleibt, es ist ein Klassiker, einen Punkt-Abzug wegen fast nicht nennenswerter Kleinigkeiten und wegen des starken Shifts), Walter: 8 (eigentlich ein 10 Punkte Spiel, doch die Zufallseffekte und das Mitspielerchaos beim blinden Bieten um den Startspieler sowie beim Versteigern der Umfragen mit unvorhersehbaren Umfrageergebnissen und ihren Effekten, sind zu krass für dieses überwältigende Planspiel).

2. “Bluff”
Nach der harten, dreistündigen Auseinandersetzung in der Politik waren alle mit „Bluff“, dem idealsten aller Absackerspiele, zufrieden. Seit über einem halben Jahr nicht mehr gespielt. Das letzte Mal, als Willi bei uns zu Gast war.

Im Endspiel 1:1 Moritz gegen Walter versuchte es Ersterer mit der Immer-4-Strategie. Man muss solche Strategien aber nicht nur in der Theorie kennen, man muss sie auch in der Praxis richtig anzuwenden verstehen. Das Ergebnis war für ihn aber weniger peinlich als für Günther, der mit seinem Setzen auf „5 mal Stern“ gleich alle seine (restlichen) 4 Würfel abgeben musste.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.