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07.11.2018: “18Lilliput” mit Dellen

1. “18Lilliput”

So wie die Brüder Dassler alias Adidas und Puma ein Markenzeichen für Sportartikel sind, so sind Ohley & Orgler ein Markenzeichen für die Produktion von 18xx-Spielen, einstmals vereint, heute getrennt.

Gleisbau, Gleise, Aktionskärten und (überflüssiges) Geld von „18Lilliput“

Mit „18Lilliput“ hat Leonard Orgler versucht, die gut 4 Stunden Spielzeit für unser „best ever“ Spiel „1830“ durch Beschleunigung mancher Spielabläufe, Einschränkung von Optionen und Kalamitäten, sowie durch Verkürzung der Rundenzahl zu reduzieren. 60 bis 90 Minuten sollen es sein.

Die wesentlichen Veränderungen seien hier skizziert und bewertet.

  • Geld: Wer will, kann zwar weiterhin mittels Geldscheinen sein Besitztum in Privatbesitz und Eisenbahngesellschaften durch die Finger gehen lassen, es wird aber auch ein bargeldloses Vorgehen angeboten: auf einem sinnfälligen Tableau kann jeder Spieler per Bleistift diese verschiedenen Konten führen. (Sehr gut!) Es beschleunigt den Geldverkehr, lässt Kontostand und Einnahmen jeder Linie auf einen Blick erkennen und vermeidet Fehler beim Vermischen der verschiedenen Geldbestände eines Spielers.
  • Einschwingen: Jeder Spieler ist gleich zu Beginn Präsident einer Gesellschaft mit einer Lok und einer einkommen-generierenden Strecke. Das beschleunigt zweifellos den Start (plus), geht aber auf Kosten der Spannung durch die Asymmetrie in “1830” (viel minus), wenn sich ein Spieler aufgrund seiner Barmittel bei Spielbeginn der Spiel keine eigene Linie leisten kann, sondern sich bei einem Mitspieler einkaufen muss / kann.
  • Floaten: Das erste Share einer Linie beinhaltet gleich 50% des Aktienbesitzes. Mit dem Kauf dieser ersten, einzigen Aktie wird ein Spieler bereits Präsident der Gesellschaft und die Gesellschaft wird handlungsfähig. Zweifellos eine Beschleunigung (halbes plus), allerdings geht damit das Lavieren und Feilschen um die Präsidentschaft neuer Linien verloren (ganzes minus)
  • Präsidentschaft: Es gibt keinen Wechsel der Präsidentschaft, die erste-einzige 50% Aktie einer Gesellschaft kann nie wieder den Besitzer wechseln. So ist weder eine feindliche Übernahme noch eine betrügerische Übergabe einer Gesellschaft möglich. Natürlich spart das Wegfallen der periodischen Bankrunden viel Zeit, aber auf Kosten eines der schönsten Spielelemente in “1830” (dickes minus).
  • Handlungsfreiheit: Es gibt kein freies Handeln der Spieler mehr, kein beliebig langes Aktien Kaufen oder Verkaufen, kein beliebiges Neue-Lok-Kaufen, Strecke-Bauen oder Token-Legen, alles wird über Aktionskarten geregelt und limitiert. Unter 3 mal eine Aktie kaufen (und beliebig viele verkaufen), 5 mal eine Strecke bauen, 2 mal eine Lok kaufen, 1 mal ein Token legen und ein paar marginalen Geldzuwendungen für Gesellschaft oder Privatvermögen muss man rechtzeitig seine Wahl treffen. Bei vier Spielern kann nur maximal die Hälfte von ihnen pro Runde eine Lok kaufen; ein Spieler kann in einer Runde überhaupt keine Aktie kaufen und 3 von vier Spielern können kein Token legen. Dieses Element kastriert die gesamte Freudenpotenz von “1830” und lässt das Spiel zu einem simplen Manpower-Placement verkommen (zwei dicke minus von der Hälfte der Westpark-Gamers).
  • Spielende: Nach fest vorgegebenen 8 Runden ist das Spiel zu Ende. In der letzten Runde wird nochmals doppelt ausgeschüttet. Das erspart die letzten, weniger spannungsvollen Betriebsrunden von “1830, wo dort zu diesem Zeitpunkt doch meist schon längst die Belegung des Siegertreppchens entschieden ist. (plus)
  • Streckenbau und Streckennutzung: Keine nennenswerten Vorteile bringt “18Lilliput” für das Gewusel beim Streckenbau sowie beim lästigen Ausrechnen der besten Streckenführung mit den höchsten Einnahmen. Hier wäre noch viel Optimierungspotential gewesen (null plus, null minus).

Bei all dieser Kritik wollen wir aber nicht vergessen, dass “18Lilliput” hier am besten aller Spiele dieser Welt gemessen wurde. Das es dabei Federn lassen musste, ist wohl unvermeidlich. Dass es Federn lassen wollte, ist verzeihlich, ja sogar ein Lob wert.

Die angegebenen Spielzeit ist am Westpark natürlich eine illusorische Zahl: Wir sind nicht unter 3 Stunden davongekommen. Plus Einführung!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (keine Aktionsvorteile, keine „schönen“ Verkürzungen, „18Lilliput“ ist schlechter als „1830“), Günther: 8 (der Mechanismus zur Aktionsauswahl ist gut, man hätte aber noch mehr vereinfachen sollen), Moritz: 6 (das Spiel ist „spielbarer“, die Abrechnung wurde erleichtert, der Aktienmarkt ist leider uninteressant geworden [WS: zumindest haben wir ihn absolut links liegen gelassen], die Aktionsauswahl ist ein Plus), Walter: 7 (viele Reduktionen sind ein direkter Angriff auf den Charakter von „1830“, dessen vorzügliche, geniale Dynamik ging nahezu vollständig vor die Hunde, die künstliche Konkurrenz bei der Aktionsauswahl gab ihm (mir!) den Rest.

2. “Dubbe”

Lieber Spieleautor Klaus Geis, ich muss mich bei dir entschuldigen. Letzte Woche haben wir dein „Dubbe“ an einer entscheidenden Stelle falsch gespielt: Wenn ein Spieler einen Stich in der Farbe macht, in der er den zugehörigen Farb-Charakter bereits besitzt, dann bleibt der Punkte-Zähler nicht konstant (wie wir es gespielt haben), sondern erhöht sich. Dadurch kommt viel mehr Umsatz und viel mehr Spannung ins Spiel: Man kann eine Minus-Farbe nicht risikolos bis zum Schluss auslutschen und man muss die potente Trumpf-Minus-Farbe weit vorausschauend behandeln. Ein hübsches Stichkartenspiel mit einem akzeptablen Chaos-Anteil.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (bleibt), Günther: 7 (bleibt), Moritz: 8 (auch wenn das Thema nicht überzeugt und in den Flaschen für die Punkte-Abrechnung die Linien fehlen), Walter: 7 (ein Punkt mehr).

31.10.2018: Dubbe in der römischen Expedition

1. “Dubbe”
Der Erfinder von „ebbes“ (siehe Spielbericht vom 13.11.2013) hat wieder zugeschlagen, und auch gleich wieder seinen pfälzerischen Sprachschatz umgegraben, um einen Namen für sein Spiel zu finden. „Dubbe“ heißen u.a. die „Noppen“ an Gläsern. Und damit der Name auch gerechtfertigt ist, ist die Spieleschachtel konisch wie ein Äppelwoi-Glas und hat auch die entsprechenden Dubbe aufgemalt.

Ansonsten bewegen wir uns im Dunstkreis vom Stichkartenspiel „ebbes“ mit den gewohnten und den ungewohnten Ausspiel- und Zugaberegeln.

Unsere größte (Bridge-Spieler-)Kritik an „ebbes“ ist in „Dubbe“ beseitigt. Dort wusste man während eines Großteils des Spiels nicht, ob ein Stich gut ist oder schlecht, da die Spieler mit den meisten und mit den wenigsten Karten einer Farbe jeweils leer ausgingen. Jetzt wird bei jeder ausgespielten Farbe sofort bestimmt, ob eine Karte plus oder minus zählt: Stiche in der ersten ausgespielten Farbe bringen Minuspunkte, die zweite Farbe bringt Pluspunkte usw., immer alternierend. 1:0 für „Dubbe“.

Weiterhin hat Dubbe einen besonderen, hübschen Zähleffekt eingebaut: Nicht jeder Stich einer Farbe zählt Plus oder Minus, sondern nur dann, wenn ein anderer Mitspieler einen weiteren Stich in der entsprechenden Farbe macht. Wir können also unbekümmert alle Stiche in einer Minusfarbe abziehen, es bringt nicht mehr Minus ein als nur ein einziger Stich. Umgekehrt lohnt es sich auch nicht, mit stolzgeschwellter Brust alle Stiche in einer Plusfarbe hintereinander zu kassieren. Solange kein anderer Spieler einen Farbstich dazwischen macht, bringt alles nur einen einzigen Punkt. Es kommt also im Wesentlichen darauf an, auch andere Spieler in den Genuss von Stichen in einer Plusfarbe kommen zu lassen. Je häufiger der Wechsel, desto höher der Lohn für alle Beteiligten. Richtig gut.

Der Spieleautor Klaus Geis konnte schlussendlich aber doch nicht seinen Hang zum Chaos vollständig zügeln. Er hat farbspezifische „Charaktere“ in sein Spiel eingebaut, die den Spielern zugleich mit dem Gewinnen eines Stiches zufallen. Wer den „Jo Lossen“-Charakter bekommen hat, braucht in den nachfolgenden Stichen nicht mehr die Farbe zu bedienen. Damit wird jede Fähigkeit eines guten Stichkarten-Spielers ausgehebelt, sich gleich nach der Kartenverteilung einen Vision über das mögliche Abspielen der gesamten Kartenhand zu machen, sich während des Spiels alle bereits gefallenen Karten zu merken, und eine jeweils angepasste Abspielstrategie zu verfolgen. Wird damit das Spiel grundsätzlich unkalkulierbar?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (man erkennt in jedem Spiel – post mortem – seine Fehler, und das spricht für das Spiel), Günther: 7 (originell, man muss nur das Timing in den Griff kriegen), Walter: 6 (kann man das Timing überhaupt in den Griff kriegen? Wir sind noch nicht dahinter gekommen. Wenn das möglich wäre, bekäme das Spiel 1 Punkt mehr, wenn es grundsätzlich nicht möglich ist, bekommt es 1 Punkt weniger).

2. “City of Rome”

Gebäudeauslage in „City of Rome“

Jeder Spieler ersteht Zug für Zug eine Gebäudekarte und legt sie in sein privates 4 mal 4 Felder großes Landschaftsquadrat (frei auf dem Tisch), um damit am Ende über die höchstprämierten Formationen die meisten Siegpunkte zu generieren.

Lukrative Formationen sind zusammenhängende Gebilde gleichartiger (hochwertiger) Gebäude, an denen auch noch möglichst viele Multiplier-Kärtchen angelegt sind. Einen hübschen Batzen Punkte gibt es für möglichst viele „Äquadukte“, die wir bei uns untergebracht haben, und „Tempel“ schütten jeweils für bestimmte Kartenzusammensetzungen in unserem Landschaftsquadrat Sonderprämien aus.

Bemerkenswert ist die Art und Weise, wie wir die Gebäudekarten erstehen. Beginnend vom Startspieler wählt jeder Spieler eine von fünf Positionen aus, die ihm Priorität bei Zugriff auf eine begrenzte Auswahl von öffentlich ausliegenden Gebäudekarten geben. Je höher die Priorität, desto weniger Zusatz-Material (Ziegel bzw. Produktions-Potenz) ist damit verbunden. Bei anderen Spielen muss man in der Regel für höhere Prioritäten etwas von seinem Besitztum abgeben, bis man nichts mehr hat, hier bekommt man entsprechend weniger, was aber im Grunde genommen den gleichen Effekt bedeutet. Also doch nicht so ganz bemerkenswert. Immerhin, das ist fast der ganze Witz des Spiels.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (nicht so prickelnd [wie erwartet]; man kann nicht planen), Günther: 7 (das Spiel ist kurz bis mittellang [positiv]; bei übersichtlichen Regeln gibt es viel Entscheidungsfreiheit), Walter: 6 (repetitiv; besitzt ein gewisses Maß an Interaktion, was aber vor allem im miesnickeligen Vereiteln glücklicher Kombinationen eines Mitspielers besteht).

3. “The Lost Expedition”

Ein kooperatives Spiel. Jeder Spieler bekommt pro Zug vier Karten in die Hand, von denen er am „Morgen“ und am „Abend“ jeweils 2 ausspielt. Mittels dieser Karten müssen wir unseren gemeinsamen Abenteurer eine bestimmte Strecke durch den Dschungel bewegen. Ist auf einer Karte ein Schritt aufgezeichnet, darf unser Abenteuer einen Schritt gehen. Meist aber muss er damit aber zugleich ein Stück Gesundheit opfern oder einen Schinken abgeben, oder ähnliche Kalamitäten auf sich nehmen. Es gibt auch positive Karten, z.B. dürfen wir eine Kugel abfeuern, um damit unseren Schinkenvorrat wieder aufzufüllen. Mit positiven Karten kommen wir aber keinen einzigen Schritt vorwärts.

Das Ganze läuft darauf hinaus, aus den jeweils vier ausgeteilten Karten das Beste zu machen und das Schlechteste zu vermeiden, nicht mehr Schinken zu verzehren, als wir haben, nicht soviel Gesundheit zu opfern, auf dass uns der Tod scheide. Ein Puzzle für einen Solospieler (claro, ein kooperatives Spiel kann man immer auch alleine spielen) oder für bis zu 5 Mitspieler. Vielleicht kann man diese Aufgabe auch als Patience ansehen. Dann wäre es natürlich besser, wenn das ganze per App ablaufen könnte. So, mit dem jeweils Vier-Karten-in-einer-akzeptabel-guten-Reihenfolge-Ausspielen – kann das SPIEL am Westpark aber nur ein Kopfschütteln ernten. Oh Peer, was hast Du uns angetan!

Bei BBG gibt es euphorische Kommentare: „Das Thema ist cool“ oder „Beautiful art“, das wollen wir nicht abstreiten. Allerdings auch nicht das weniger euphorische „no tricky choices“!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (einschließlich 1 Pluspunkt für Peer!), Günther: 3 (was kann man taktieren? [WS: nichts!], als App könnte es vielleicht lustig werden. [WS: vielleicht]), Walter: 3 (kein Spiel für den Westpark. Hallo Peer, hätten wir eine Wertung für Dein Spiel besser weglassen sollen?).