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06.12.2017: Gut und schlecht – mit Ausreißern

1. “Illimat”

Ein simples Kartensammelspiel, bei dem am Ende derjenige gewinnt, der im Laufe seiner Spielzüge die meisten Karten einsammeln konnte, unterwegs dabei auch noch ein paar assoziierte Prämien einstreichen und winterliche Minuspunkte vermeiden konnte.

Das Spielbrett ist ein quadratisches Spieltuch, das in vier Felder eingeteilt ist, auf der in variabler Anzahl und variabler Stückelung Zahlenkarten mit den Werten von 1 bis 14 liegen. Jeder Spieler hat 4 Zahlenkarten der gleichen Sorte auf der Hand, spielt reihum eine Karte und zieht anschließend vom Nachziehstapel eine Karte nach. Dabei kann er beim Ausspielen mit seiner Karte drei verschiedene Aktionen ausführen:

1. säen : Man legt die Karte aus der Hand auf eines der vier Felder auf dem Tuch.
Das ist die dümmste Aktion. Erstens bekommt man durch diesen Zug keinen einzigen Punkt, und zweitens reichert man mit seinem Saatgut nur die Ernte der Konkurrenz an: in weniger als einem Viertel aller Fälle – was der rechnerische Durchschnitt wäre – kann selber ernten können. Beweis? Drei Spieler dürfen vor einem zulangen, und angereicherte Saatfelder werden halt schneller und leichter abgeerntet als bereits an- oder abgegraste Saatfelder.

Leider läßt sich oft genug nicht verhindern, dass man säen muss; mit lauter niedrigen Karten in der Hand, die sich mit den in den vier Feldern ausliegenden Karten nicht kombinieren lassen – siehe unter „ernten“ –, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Und wenn die eine nachgezogene Karten ebenfalls niedrig ist, muss man in seinem nächsten Zug schon wieder nur säen!

2. ernten : Man nimmt sich beliebige Karten von einem der Felder, die einzeln oder deren Werte in Summe genau der eigenen gespielten Karte entsprechen, und legt sie auf seinem Erntestapel ab. Hurra, damit werden Siegpunkte gemacht. Der einzige lukrative Spielzug!

3. anfüttern : Man fasst beliebige ausliegende Karten eines Feldes zu einem Paket zusammen, und legt seine Handkarte, deren Werte genau der Wertesumme des Paketes entsprechen muss, noch dazu.
Dieser Zug ist fast noch dümmer als das säen, denn auf diese Weise hat man ein Paket geschnürt, auf das alle Mitspieler sogleich wie eine fette Beute lauern; das zusammengefasste Paket hätte man mit seiner Handkarte doch auch gleich ernten können, und zwar noch mit dem Vorteil, dass man bei seinem nächsten Zug nicht mehr oder weniger gezwungen ist, auf dieses Paket zu lauern – falls es nicht bereits ein Mitspieler abgeerntet hat – , sondern frei auf andere Beutezüge ausgehen kann. Oder haben wir hier ein Regeldetail nicht verstanden.

Bei uns hat im ganzen Spiel – zwei Durchgänge – nur genau einmal Moritz angefüttert, und er hatte Glück, das kein Mitspieler eine Karte auf der Hand hatte, mit der er ihm das geschnürte Paket hätte wegschnappen können.

Damit dieser triviale Karten-Aktionismus noch den Anstrich eines Spiels bekommt, treten beim Abernten eines kompletten Feldes Randeffekte auf: die „Luminaries“ erscheinen und verschwinden wieder. Durch ihr Auftreten werden die Felder mit zusätzlichen Zahlenkarten angereichert oder die Aktionsmöglichkeiten der Spieler werden temporär erweitert, z.B. dürfen sie auf dem vom „Changeling“ beleuchteten Feld eine Karte gegen eine Handkarte austauschen, bevor sie ihren Zug ausführen. Damit kann man immerhin kleine, weniger erträgliche Karten loswerden.

Freiheitsgrad in der Nähe von 0. (Nein, Entschuldigung, ein Mehrfaches davon!) Mittels einer einfachen EXCEL-Logik könnte man den jeweils besten Zug ausrechen. Eine solche Logik hat den Herausforderungsgrad eines „Nobrainer“, falls dieses Wort schon in die deutsche Sprache eingegangen ist.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (viel zu aufwendiges Regelwerk für den mageren Spielablauf; absolut unintuitiv; abgestrippt zu einem Mau-Mau hätte es wenigstens 5 Punkte bekommen), Günther: 4, Moritz: 6 (spielt sich relativ locker), Walter: 3 (sperrige Regeln – zumindest kam uns das so vor – für nix und wieder nix).

Vielleicht bekommt das Kartenspiel milderne Umstände, wenn man erfährt, wie es entstanden sein soll. Die Band „The Decemberists“ überbrückte die Auszeiten auf ihren Touren oft genug durch Brettspiele; dabei fassten sie eines Tages den Vorsatz, diesem „seltsamen brettspiellosen Brettspiel“ Leben einzuhauchen. Es sollte den Eindruck eines merkwürdigen, längst vergessenen Kartenspiels vermitteln, das selbst moderne Spieler noch zu fesseln vermag. Ist es ihnen gelungen?

2. “Les Poilus”

Nach dem Warming-Up mit einem 3-Punkte Spiel, waren wir alle innerlich gefestigt genug, uns noch einen weiteren 3-Punkte-Flopp anzutun, und damit etwas für Moritz’ Spielebildung zu tun. „Les Poilus“ hatten wir letzte Woche ohne ihn mit diesem mageren Ergebnis eingespielt, inzwischen war Aaron auf dem „DinxCon“ in Brixen eines Besseren belehrt worden und hat seine vergebenen Punkte glatt verdoppelt. Bei dreimaligen Spielen in 4er und 5er Runden war jedesmal ausreichend großer Spielespaß aufgekommen. Sind wir am Westpark alle so sauertöpfige Naturen, dass sich diese positiven Emotionen bei uns oft genug nicht einstellen?

Aaron durfte Moritz (und nach Möglichkeit auch unseren übrigen Teilnehmern) seine Südtiroler Euphorie rüberbringen. „Sieht nach Ersten Weltkrieg aus! Ist schon mal cool!“ war Moritz’ erster Kommentar. Damit war die Euphorie aber auch schon vorbei.

WPG-Wertung: Moritz siedelte sich mit 4 Punkten im heutigen WPG-Durchschnitt an (kein Schützengraben-Feeling; der Rückhalt ist langweilig; gegen Ende wird das Spiel immer beherrschbarer [: …, wenn, wie diesmal bei uns, sehr schnell der Boden auf dem Bedrohungsstapel sichtbar wird].)

3. “Azul”

Wir sind Fließenleger. Oder Kachel-Künstler. Auf dem Tisch liegen 9 Teller mit je 4 „Kacheln“ („azulejos“) in 5 verschiedenen Ausführungen. (Wirklich schönes Spielmaterial!) Jeder Spieler bekommt ein Tableau, das er im Laufe des Spiels mit den Kacheln füllen muss. Er wählt einen beliebigen der gefüllten Teller, nimmt daraus alle Kacheln einer bestimmten Ausführung und legt sie in sein „Lager“. Die nicht-gewählten Kacheln kommen in die freie Tischmitte. Diese Tischmitte wird danach wie ein Teller behandelt: man darf sich von ihr genauso bedienen wie von einem Teller, die hiervon nicht-gewählten Kacheln bleiben liegen.

In seinem Lager hat jeder Spieler 5 verschieden große Lagerräume: je einen mit den Kapazitäten von 1 bis 5. Passen die entnommenen Kacheln nicht alle in einen der Lagerräume, so müssen die überzähligen auf die „Schutthalde“ geworfen werden und geben beim Rundenende Minuspunkte.

Am Ende einer Runde wird jeweils eine Kachel aus vollständig gefüllten Lagerräumen auf ein definiertes Feld im 5 mal 5 großen Quadrat an der „Wand“ geklebt. Hier fließen dann die Siegpunkte: Jede geklebte Kachel bringt einen Siegpunkt, zusätzlich gibt es Siegpunkte für bereits geklebte Kacheln in der unmittelbaren Nachbarschaft waagrecht oder senkrecht zum neuen Stück.

Herausforderung des Spiels ist es also, die richtige Farbe aus dem richtigen Teller zu wählen, damit den richtigen Lagerraum – peu a peu – zu füllen, um bei Rundenende möglichst viele gefüllte Lagerräume und möglichst wenig Kacheln auf der Schutthalde zu haben.

Keine Angst vor der Schutthalde: die Siegpunkte, die beim Bekleben der Wand sprudeln, stehen in keinem Verhältnis zu den Strafpunkten auf der Halde. Aaron hatte das als erster begriffen und sah bald wie der sichere Sieger aus. Moritz konnte ihn aber noch in der Schlußrunde abfangen, weil er beim geklebten Wandmuster die meisten Zusatzprämien einstreichen konnte. „I had a plan!“

Hätte Walter in seinem letzten Zug nicht nur auf seine eigene Wand geschaut, sondern auch noch darauf, wieviele Siegpunkte die beiden nächsten Mitspieler mit den übrigen Kacheln einfahren konnten, hätte er den beiden erhebliche Prämien aus dem Rachen reißen, und insbesondere Moritz’ Plan durchkreuzen können. – Es ist doch nur ein Spiel.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einfache Regeln, schnell gespielt; am Ende ist [leider] Kingmakerei möglich und – für entsprechende Spieler – ein langes Ausrechnen ihres letzten Zuges geboten, ansonsten hätte das Spiel 8 Punkte bekommen), Günther: 8 (spannend, Mini-Interaktion [im Kampf um die besten Kacheln, akzeptabel mini]), Moritz: 7 (unterhaltsam, ein nettes Familienspiel, und trotzdem „deep enough“), Walter: 8 (leicht, spielerisch, angenehm in der Handhabung, der Umgang mit den Kacheln ist allein schon eine komboloi-artige psychische Beruhigung).

4. “The Pyramids Deadline”

Würfel und Bauteile in “The Pyramids Deadline”

Aus einfachen geometrischen Gebilden (Quadrat, Rechteck, Trapez, sowie großen und kleinen Dreiecken) mit Einheitsmaßen baut jeder an seiner Pyramide. Die Bauteile liegen zuhauf auf dem Tisch. Mit fünf Würfeln (einem mehr als Spieler), auf denen die Bauteile abgebildet sind, wird gewürfelt; der Startspieler wählt einen Würfel und das zugehörige Bauteil aus und fügt es unter Einhaltung bestimmter Bauregeln in seine Pyramide ein. Der nächste Spieler folgt, etc., bis jeder ein Bauteil eingefügt hat bzw. bis nur noch ein Würfel übrig ist. Dann wechselt der Startspieler und es wird erneut gewürfelt.

Wenn eine vorgegebene Anzahl von Quadraten verbaut wurden (abhängig vom Würfel und der Wahl der Spieler), ist das Spiel zu Ende und die Pyramiden werden bewertet. Pyramiden mit einem Stück „Flachdach“ scheiden aus, ebenso auch Pyramiden, die eine Steilwand von mehr als einer Einheit aufweisen. Es steckt also ein gewisses Risiko in zu üppiger Bau-Kreativität: wer am Ende nicht mehr die notwendigen Bauteile ausgewürfelt bekommt, um sein Dach dicht zu kriegen oder seine zu steilen Mauern abzuflachen, der hat mit 0 Punkten das Nachsehen.

Man darf jederzeit, wenn die eigene Pyramide eine gerade akzeptable Form und Größe hat, freiwillig passen, auf weiteres Bauen verzichten und die Würfel seinen Mitspielern überlassen. Die haben dann pro Würfelwurf einen Würfel, sprich ein Bauteil, mehr, das sie in ihre Pyramide einfügen können. Allerdings gehen dann meist auch schon die Quadrate aus und das Bauen wird ohnehin beendet.

In zwei Durchgängen wurden bei uns nur insgesamt zwei Pyramiden fertiggestellt. Lehre: „Bescheidenheit ist eine Zier, und bei Deadline kommt man weiter mit ihr!“

WPG-Wertung: Moritz: 2 (häßlich vom Material her, reines, witzloses Gewürfel), Aaron: 3 (ich stimme Moritz voll zu), Günther: 6 (als Bau-Geschichtl ganz nett), Walter: 7 (lassen wir das Material mal beiseite, die geometrische Herausforderung, zusammen mit der feinen Dosierung seiner Bescheidenheit schafft eine hübsche Spannung innerhalb einer konstruktiven Aufgabe.- [Welch ein Glück, wir können uns doch noch begeistern! Jeder für etwas anderes!)

29.11.2017: Eisenbahnen zum Überleben

Nochmals Bridge.
Da wurden vor etwa drei Jahren zwei deutsche Bridgespieler Senioren-Weltmeister. Anschließend hat man sie des Betruges überführt: Entgegen dem Regelwerk und entgegen jeglicher Sportsmoral habe sie sich mittels Hüsteln über die Screens hinweg unerlaubte Informationen über ihre jeweilige Kartenhand ausgetauscht. Motto: „einmal Hüsteln ist Karo, zweimal hüsteln ist Pik!“ Ein offizielles Video, das den gesamten Finalkampf festgehalten hatte, war der Beweis. Die World Bridge Federation (WBF) hat ihnen Titel aberkannt und sie lebenslang gesperrt, als Paar noch einmal zu einem Bridge-Turnier antreten zu dürfen. Zähneknirschend hat der Deutsche Bridge Verband (DBV) diese Sperre übernommen.

Die beiden Spieler sind sofort in die Revision gegangen und haben diese Urteile vor einem deutschen Gericht angefochten. Ein Spieler sei Asthmatiker, da sei das Hüsteln leider unvermeidlich. Zudem sei in Bali, wo das Finale ausgetragen wurde, die Luft so feucht, dass das Hüsteln quasi überlebensnotwenig sei. Und überhaupt: das Beweisvideo sei gefälscht.

Drei Jahre lang hat sich der Prozess hingezogen, jetzt wurden sie freigesprochen, ohne überhaupt auf das Video oder die Beweislage einzugehen. Ja sogar WBF und DBV wurden verklagt, den beiden Spielern alle ideellen und materiellen Verluste aus dem Verband-Vorgehen zu ersetzen!

Wie dieses Urteil gegenüber dem WBF durchgesetzt werden kann, das wissen die Juristen. Oder auch nicht. Der der DBV könnte dabei pleite gehen, zumindest wenn die Ersatzansprüche von einem amerikanischen Gericht festgesetzt würden. Oremus!

1. “Mini Rails”

Aktions-Auslage und Spielbrett in „Mini Rails“
Ein hübsches kleines Eisenbahn-Aktienspiel ohne Aktien und ohne Eisenbahnlinien. In 6 Spielrunden dürfen wir uns je eine „Aktie“ einer vor 6 Eisenbahngesellschaften kaufen, d.h. eine runde Holzscheibe in einer von sechs Gesellschaftsfarben von der offenen Auslage auf unser privates Kurstableau legen. Pro Runde dürfen wir außerdem einmal den Kurs einer Gesellschaft steigen oder fallen lassen. Dazu nehmen wir eine weitere Holzscheibe in einer der sechs Gesellschaftsfarben von der Auslage, legen sie auf das große gemeinsame Spielbrett, bedecken damit ein Feld mit Werten von 1 bis 5 im Plus- oder Minus-Bereich, und verändern damit entsprechend den Kurs der Gesellschaft.

In welcher Reihenfolge wir „kaufen“ oder „Kurs ändern“ ist frei wählbar. Geld fließt keines. Eine frisch gekaufte Holzscheibe kommt immer auf das Feld 0 in unserem Kurstableau. Beim Ändern des Aktienkurses müssen alle Spieler ihre Holzscheiben mit der betroffenen Farbe entsprechend dem überdeckten Wert eine Anzahl von Einheiten nach oben oder unten verschieben.

Und jetzt kommen die hübschen Knackpunkte des Spiel-Designs:

1. Beim Kaufen dürfen die Spieler sich nicht irgendeine beliebige Holzscheibe aussuchen, sondern sie müssen eine aus der offenen Auslage wählen. Genauso können die Spieler beim Kurs-Ändern nicht eine frei wählbare Gesellschaft fördern oder schädigen, sondern sie müssen dafür ebenfalls eine Holzscheibe aus der offenen Auslage hernehmen. Das Angebot ist klar begrenzt, und es wird enger und enger.

2. Zu Beginn einer Runde wird in die offene Auslage eine Holzscheibe mehr gelegt, als für die beiden Aktionen aller Spieler benötigt werden. Diese letzte, übrig bleibende Holzscheibe kennzeichnet eine Gesellschaft, die “ordentlich ihre Steuern“ bezahlt” hat. Hat eine Gesellschaft bis zum Spielende keine Steuern bezahlt, so ist ihr Aktienkurs nichts wert, die besitzenden Spieler erhalten dafür keine Vergütung. Hat umgekehrt eine Gesellschaft bis zum Spielende wenigstens einmal Steuern bezahlt, so werden etwaige Kursverluste neutralisiert, die besitzenden Spieler bekommen für Aktienwerte im Minusbereich nichts abgezogen.

3. Hübsch ist auch der Zugreihenfolge-Effekt: die Holzscheiben in der offenen Auslage geben auch die Reihenfolge an, in der die Spieler in der nächsten Runde ziehen. Zuweilen ist es hilfreich, der Erste zu sein, um das beste Stück zu erwischen; zuweilen ist es aber noch wichtiger, der Letzte zu sein, um eine definierte Gesellschaft als Steuersünder bzw. Nicht-Steuersünder ausweisen zu können.

Einfach aber tricky! In zwei Durchgängen wurde Walter zweimal weit abgeschlagen Letzter. Er war sich keines Spielfehlers bewußt. Die Züge waren einfach abgefahren, bevor er aufgesprungen war. Doch seine Mitspieler bescheinigten ihm jede Menge Fehler, die er gemacht haben soll.

Moritz hatte den Weg zum Sieg sofort durchschaut. Er wollte ihn sogar beweisen können. „Bei jedem Kurs-Änderungszug kann ich genau ausrechnen, welchen Effekt er in der gegebenen Situation auf jeden Spieler ausübt, d.h. welcher Zug mir selber die meisten Punkte bringt oder den Mitspielern die meisten Punkte wegnimmt. Und das ist der beste Zug!

Während beim ersten Teil dieser Ausführung die Mitspieler noch mit trivial-zustimmenden Gemütern zuhörten, erfolgte zu seiner abschließenden Behauptung ein allseitiger Einspruch. Walter, der als Mathematiker allergisch ist gegenüber falschen Behauptungen und noch fälscheren Beweisen, wollte Moritz beim Wort nehmen und vor dessen Beweisführung eine genaue Formulierung seiner Behauptung niederschreiben. Dies führte fast zu einem Eklat, weil der eine auf eine exakte Formulierung der ursprünglichen Behauptung pochte, der andere aber schon kalte Füße bekommen hatte und windelweiche Ausreden suchte. Schlußendlich einigten wir uns auf Moritz’ Aussage: „Wenn wir die Wahrscheinlichkeiten in Ansatz bringen, mit denen die verschiedenen Holzscheiben auf die Auslage kommen, welchen Einfluß sie damit auf die Zugreihenfolge ausüben, dabei auch noch berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die einzelnen Spieler für oder gegen eine Gesellschaft agieren, und dies alles noch in Relation zu den möglichen Wertefeldern auf dem großen Spielbrett sehen, dann sind wir mit großer Wahrscheinlichkeit klüger, als wenn wir das nicht tun.“

Welche Aussage er zur Auswahl beim Kaufen einer Aktie gemacht hatte, das habe ich vergessen.

Andere Zitate aus dem Spielverlauf:
„Ich muss jetzt einen fahren lassen.“
„Ich werden jetzt das Maximum an Punkten zerstören“
„Grau haben wir alle, bis auf NN, der hat zwei!“
„Ich nehme jetzt nur eine von den beiden mir-nichtsnutzigen aber NN-schädigenden gelben Scheiben, nimm’ du auch eine!“
„NN macht die ganze Zeit schlechte Züge!“
„Wenn NN nicht vorne ist, brauchst Du ihm auch nicht zu schaden.“
„Dieser Zug war die einzige Möglichkeit, nicht Dritter zu werden, sondern mit NN gemeinsam Zweiter.“

WPG-Wertung: Aaron: 9 (herrlich, ich wünschte, ich hätte das gemacht), Günther: 7 (erfordert eine Schach-ähnliche Berechnung [AbN: War das jetzt gut oder schlecht?]), Moritz: 5 (das Spiel funktioniert, man kann aber keine Strategien fahren, sondern nur taktisch auf die gegebene Situation reagieren), Walter: 7 (hat einige hübsche, neue Ideen umgesetzt und ist schnell, das sind eigentlich genau die Kritiken für gute neue Spieleerfindungen).

2. “Loot Island”

„Loot Island“ – Selbst der Autor muss im Regelheft nachschauen
Endlich lag Aarons Neuschöpfung als professionelles Produkt auf dem Tisch; 20 mal zuvor haben wir uns an den Prototypen versucht. Die jetzige offizielle Fassung war uns allen noch unbekannt.

Der ursprüngliche Dreh- und Angelpunkt, das Mitsetzen auf die Ausgrabungsstätte, in der nach Schätzen gebuddelt wird, ist geblieben und hat nichts von seiner Eleganz eingebüßt. Damit das Ganze aber nicht allzu denkerisch daherkommt, sondern ein spielerisch-chaotisches Element erhält, kann die Reihenfolge, nach der die Ausgrabungsstätten gewertet werden, per taktischem Spielzug verschoben werden. Wer sich zu solitär an einer Stelle engagiert, hat erhebliche Schwierigkeiten, hier seine Schäfchen ins Trockene zu bekommen.

Auch die Schätze, die jeweils gefunden werden, sind nicht mehr linear oder progressiv in ihrer Wertigkeit, sondern eine ganze Reihe von Sonderprämien sind damit verbunden, so dass jeder Spiele nach individuellen Prioritäten auswählen kann.

Jetzt sind die Schätze auch mit einer Unmenge von Flüchen versehen (das Spiel heißt ja auch nicht „Schatzinsel“ sondern „Insel der Flüche“), und es ist eine weitere Herausforderung des Spiels, diese bis zum Schluss alle wieder loszuwerden bzw. auf eine erträgliche Anzahl zu begrenzen.

Jede Menge spielerisches Beiwerk machte aus der ursprünglichen, höchst interaktiven Denkerarbeit eine höchst interaktive Spielerei. Für intelligente Familien durchaus geeignet.

WPG-Wertung: Aaron: (würde für sei eigenes Kind natürlich sehr gerne 10 Punkte vergeben, wollte sich diesbezüglich aber anders verhalten als Martin Wallace), Günther: 7 (hohe Interaktion, das Herzstück des Spiels, das gemeinsame Bauen, ist ein sehr gelungenes Element), Moritz: 8 (enthält viele ausgearbeitete Ideen, von den Rundenkarten angefangen, über die Auswahlkarten und die Spielkarten bis hin zu den Prämien, besitzt Dynamik und hohe Variabilität), Walter: 7 (sehr gute, spannende Interaktion, 8 Punkte für das gemeinsame und doch konkurrierende Bauen, 6 Punkte für die verfluchten Schätze und den darin ausgelobten Prämien.)

3. “Les Poilus”

Ein kooperatives Mau-Mau-Spiel mit Schikanen. In mehreren Runden müssen wir einen Vorrat von etwa 40 bis 60 Farbkarten loswerden. Mit 25 Karten fangen wir an, pro Runde kommen dann (mindestens) 3 weitere Karten dazu. Wieviele Karten pro Runde jeder Spieler auf die Hand bekommt, entscheiden wir von Fall zu Fall gemeinsam im Team. Zu Spielbeginn sind es 3 Karten pro Spieler.

Reihum wählt jeder Spieler jeweils eine Karte aus seiner Hand und legt sie entweder auf den gemeinsamen offenen Abwurfstapel oder in seine private Auslage.

Pro Karte ist vorgeschrieben, wohin sie abgelegt werden muss. Es gibt „Standardkarten“ in sechs verschiedenen Farben, die meisten davon sind zweifarbig, einige auch dreifarbig; diese Karten müssen auf den Abwurfstapel. Und es gibt „Sonderkarten“, diese muss ein Spieler nach dem Ausspielen in seine private Auslage nehmen. Zwei Grund-Abwurfregeln sind zu beachten:

1. Auf dem Ablagestapel dürfen kein drei Karten vorkommen, die die gleiche Farbe aufweisen, und

2. Kein Spieler darf vier Sonderkarten in seiner privaten Auslage haben.

Kann ein Spieler entsprechend diesen beiden Regel keine Karte mehr spielen, so muss er für diese Runde passen. Haben alle Spieler gepasst, so ist eine Runde „erfolgreich“ abgeschlossen: der offene Abwurfstapel wird beseitigt; die Spieler behalten die nicht gespielten Handkarten und bekommen dazu eine entsprechend der Team-Entscheidung definierte Anzahl neuer Karten. Zusätzlich kommen soviele Karten, wie die Spieler insgesamt nicht spielen konnten oder wollten, aus der Reserve in den Vorrat. Je mehr Runden wir spielen, desto mehr Karten müssen wir also insgesamt loswerden.

Eigentlich ganz einfach, und es sollte fast ein Kinderspiel sein, den Vorrat in 6 bis 7 Runden abgelegt zu haben. Aber jetzt kommen die Schikanen.

Auf den Sonderkarten stehen weitere Bedingungen für das Ablegen. Z.B. „Keiner darf passen, solange er noch eine Karte auf der Hand hat.“ Oder „der Spieler, der diese Karte in seiner Auslage hat, darf nur als Letzter passen.“ Was sind die Konsequenzen dieser Bedingungen? Die Grund-Abwurfregeln könnten verletzt werden. Z.B. kann ein Spieler dadurch gezwungen, die unerlaubte dritte Karte einer Farbe auf den Abwurfstapel zu legen. In diesem Fall ist eine Runde ebenfalls beendet, allerdings „ohne Erfolg“: der offene Abwurfstapel wird nicht beseitigt, sondern wird wieder in den Vorrat gemischt.

Falls ein Spieler über eine dieser Schikanen-Regeln sogar eine vierte Sonderkarte in seine private Ablage legen muss, so ist das Spiel aus und alle Spieler haben verloren. Gewonnen haben sie, wenn sie den gesamten Vorrat ablegen konnten ohne dabei gegen die Grund-Abwurfregeln verstoßen zu müssen.

Da mit dem gewöhnlichen Kartenmix ein totaler Abwurfsieg nur schwer zu erzielen ist, gibt es ein paar Warmduscher-Regeln:

1. Jedem Spieler ist eine definierte Farbe zugewiesen; er darf einmal pro Spiel eine Karte dieser Farbe vom offenen Abwurfstapel entfernen.

2. Die Spieler dürfen pro Runde einem beliebigen Spieler „Rückhalt“ gewähren, so dass er zwei Karten aus seiner privaten Ablage beseitigen darf.

Weil damit ein Sieg aber wiederum zu leicht würde, ist auf einigen Farbkarten noch ein „Handicap“ eingezeichnet. Wenn eine solche Karte gespielt wird, muss von der Reserve her eine zusätzliche Karte gespielt werden. Damit kann es passieren, dass damit bereits die dritte Karte eine Farbe auf den Abwurfstapel kommt und die Runde erfolglos beendet werden muss.

Sind wir den gesamten Vorrat losgeworden, so haben wir alle gemeinsam gewonnen. Sind alle Karten aus der Reserve ins Spiel gekommen, ohne dass wir den Vorrat abgearbeitet haben, so haben wir alle verloren. Aus die Maus.

Und warum heißt das Spiel „Les Poilus“? Nach Wikipedia (und nach dem Regelheft) bedeutet das französisch „der Behaarte“ und ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen französischen Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges. Und was haben die französischen Frontsoldaten mit Mau-Mau zu tun? Spieleautoren und Spielverlag entschuldigt meine „Übersetzung“ eueres Spiels. Die Karten in „Les Poilus“ sind nämlich keine Farbkarten, sondern „Bedrohungskarten“ auf denen anstelle von Farben die „Bedrohungen“ Giftgas und Granate, sowie Wetterunbilden abgebildet sind. Die Sonderkarten sind „Schwere Schläge“, und jedem Spieler wird keine Farbe zugewiesen, sondern ein definierter Soldatentyp, der einmal eine der zugewiesenen Bedrohungen abwehren kann.

In der neuesten Spielbox schreibt doch tatsächlich ein Kritiker: „Obwohl das Thema düster und grauenvoll ist, und wohl das Ernsthafteste, das jemals auf den Tisch kam, ist die Qualität des Spiels nichtsdestoweniger herausragend. Mit einfachen Mitteln eines Kartenspiels ist es gelungen, die harte historische Realität einfühlsam darzustellen!“ Die Spielautoren selber bekunden: „Wir haben uns entschieden, diesen Massenwahnsinn aus der Sicht des Einzelnen zu betrachten, durch die Brille seiner täglichen Sorgen und Ängste. Für diese Menschen war die einzige Erleichterung ihr Zusammenhalt, ihre Brüderlichkeit und ihr Vermögen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen, einzeln und gemeinsam.“ – Oh mein Gott, und dass alles sollen wir spielerisch nachempfinden? Für mich wird damit eher die Mentalität für den nächsten wahnsinnigen Weltkriegseinsatz vorbereitet. Schaut euch doch mal den Film „Kolberg“ von Veit Harlan an und vergegenwärtigt euch, wer diesen Film und warum finanziert hat! Hat Sylvie Goulard vielleicht einen großen Batzen Geld zur Entwicklung von „Les Poilus“ beigesteuert?

WPG-Wertung: Aaron: 4 (nichts, was ich noch einmal spielen möchte, auch nicht in einer größeren Runde), Günther: 3 (Ich bin am grübeln …, warum musste man ausgerechnet dieses Kriegs-Schlamm-Thema zugrunde legen; der ganze Gag sind die … Effekte, und über diese wird man gespielt), Walter: 3 (kein Verständnis für diese Art von Kooperation, das Spiel könnte man besser als offenes Knobelspiel abwickeln.).