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29.07.2020: Im Westen weinte er bitterlich

1. “Pictures”
Letzte Woche ohne große Euphorie aufgenommen, durfte heute auch Aaron das „Spiel des Jahres 2020“ kennenlernen. Die Idee ist nicht neu und nicht schlecht, die Ausführung hätte aber leicht etwas freudenreicher ausfallen können. Besonders die Aufgabe, ein Bild mit Symbolkarten darzustellen, hat unsere Kritik hervorgerufen. Mit Frust muss man sich zu aus einer Reihe von nicht-passenden Karten eine Bild-Assoziation aus den Fingern saugen, an die man selber auch nur halb glaubt, und vor der man trotzdem hofft, dass sie auch von den Mitspielern identifiziert wird. Mit erneutem Frust muss man anschließend notieren, dass unsere Gedankenverbindung von niemandem geteilt wird. 0 Punkte bekommt man dann für den geistvollsten Gehirnschmalz. Günther beschwichtigte: „Solche Gaudi-Spiele darf man nicht um der Siegpunkte wegen spielen“. Schwacher Trost am Westpark. Warum wurde dann denn eigens der aufwendige Zauber mit dem Siegpunkte-Wertungs-Formular dazugelegt? Ein bisschen Gaudi hätte man auch rein verbal abhandeln können.

WPG-Wertung: Den bisherigen Schnitt von 6 Punkten unterlief Aaron mit einer 5 (Nicht innovativ, solche Spiele gibt es oft genug. Noch dazu kann ich dieser Art von Spielen nichts abgewinnen).

2. “6 nimmt!” – mit einer Sonderkarte von Amigo
Aaron brachte eine Sonderkarte mit: die Gewinner-Einreichung vom letzten Amigo Wettbewerb. Diese Karte gibt vor, dass in einer bestimmten Reihe nur gerade resp. nur ungerade Karten angelegt werden dürfen. Diese Karte wird immer der Reihe mit der niedrigsten Anfangskarte beigefügt. Sobald ein Spieler eine Reihe nehmen muss, wird diese Sonderkarte entsprechend verlegt. Da das Nehmen von Reihen in der Regel eine der ersten Aktionen ist, dürfen wir Nachfolger unsere wohlüberlegt ausgewählte Karte plötzlich gar nicht mehr dort anlegen, wo sie uns mit hoher, ggf. sogar mit totsicherer Wahrscheinlichkeit ungeschoren gelassen hätte, sondern an eine andere Reihe, wo uns ggf. eine Schar von Hornochsen überfällt. Geil, was?! Zumindest für die anderen.

Schon vor 25 Jahren gab es bei uns eine heftige Meinungsverschiedenheit über die Einschätzung, ob „6 nimmt!“ planbar ist oder reiner Zufall. Die Planbarkeit hatte sich damals durchgesetzt, auch wenn es dabei natürlich eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten gibt. Einen ELO-Wert von über 300 bei Boardgame-Arena kann man bei einem rein zufallsbasierten Spiel aber nur weit außerhalb der menschenwürdigen Sigma-Grenzen einer Normalverteilung erzielen.

Manche Spieler mögen Zufall und Chaos; für diese wird der Charakter von „6 nimmt!“ mit dieser Sonderkarte in die gewünschte Richtung geschoben. Anderen, zu denen wir uns zählen, reicht der Zufall der Kartenausteilung. In diesem gegebenen Rahmen wollen wir unser Spiel gestalten: locker als Absacker, locker zum Warming-Up, oder auch locker als Mahlzeit zwischendurch. Aber wir wollen gestalten, planen, analysieren, schlussfolgern, riskieren, Mitspieler reinreiten und wenn möglich auch bluffen. Da kommt uns das in Zufall und Planung äußerst ausgewogen Basisspiel gerade recht.

Spieletest.at schreibt in einer Rezension zur 25-jährigen Jubiläums-Ausgabe:
“Diese Variante ist leider kompletter Mist. … Wer ’6 nimmt! ’ schon besitzt, braucht darüber keinen Schlaf verlieren – die neuen Sonderkarten sind es nicht wert.
Wer ’6 nimmt! ’ noch nicht besitzt, dem kann ich es auch 25 Jahre später sehr empfehlen. Der Klassiker hat nichts von seinem Charme verloren.“

Dieser Meinung können wir uns komplett anschließen.

WPG-Wertung: Von Walter bekommt ein „6 nimmt!“ mit dieser Chaoskarte glatte 2 Punkte weniger als das mit 9 Punkten sehr geschätzte Basisspiel.

3. “Sierra West”
Nach dem Regelheft sind wir Cowboys, reiten über die Prairie und übernehmen, von der Spielanleitung dringendst empfohlen, zwischen Texas und Kalifornien die Apfelernte! Wir könnten auch Goldgräber, Forellenfischer oder Banditen vs. Pioniere sein, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Wir Veräppelte (die anderen auch) planen mittels Aktionskarten unsere Züge: Wir bewegen unseren Pionier in selige Höhen, schieben unseren Wagen ins rechte Land des Profits, sammeln en passant Rohstoffe (Steine, Holz und Schinken) ein, um unsere Schritte finanzieren zu können, kämpfen notfalls dabei auch gegen Bären, bauen Hütten zur Verstärkung unserer Aktionen und kaufen Bergkarten zur Verbesserung unseres Kartendecks von Aktionskarten. Wenn wir innerhalb eines Reihenzuges alle unsere Aktionen abwickeln konnten (no brainer) und in geeigneter Zusammensetzung noch die richtigen Rohstoffe übrig haben (nicht ganz no brainer), dürfen wir sie auf dem Gipfel noch in Siegpunkt-trächtige Fortschritte auf dem Wertungstableau eintauschen.

Ach richtig: Wir haben ja die Apfelernte übernommen. In einigen unserer Aktionsschritten ernten wir Äpfel; alle zusammen solidarisch in einen gemeinsamen Korb. Gegessen werden sie allerdings einzeln und privat: wer Aktionsschritte zum Verbrauch von Äpfeln in seinem Zug ausgewählt hat, darf sich beliebig ausgiebig am gemeinsamen Korb bedienen und Äpfel in Rohstoffe, in Fortschritte auf dem Wertungstableau oder in bessere Faktoren auf der Profitleiste umäppeln. (Sind wir Fischer, so erfolgt der Apfel-Ablauf sinngemäß sehr ähnlich mit Fischen, die Goldsucher hingegen werden wohl mit Birnen abgespeist.)

Auf jeder Aktionskarte sind gleich 5 Aktionen angezeigt, die wir sequentiell durchführen. 3 Aktionskarten aus unserem Set werden pro Zug aktiviert – wrap around ohne Auswahl -, so dass wir in erster Näherung mit 15 Aktionen hantieren. Die Aktionskarten müssen wir allerdings in ein tricky Spielertableau einschieben, so dass insgesamt 6 Aktionen davon verdeckt und entsprechend nicht ausgeführt werden. Bleiben 9 Einzelaktionen, die jeder Spieler pro Zug 9 ausführt. Hintereinander, bevor der nächste drankommt.

9 Züge in 2 festgelegten Reihenfolgen auszuführen, dürfte ziemlich schnell erfolgen. Doch wenn es dabei innere Abhängigkeiten gibt, wenn erst die richtigen Rohstoffe eingesammelt werden müssen, bevor man einen Schritt tun oder einen Einkauf absolvieren kann, wenn zum Schluss für die Gipfelstürmer auch noch die richtigen Rohstoffe in den erforderlichen Quanten übrig bleiben sollen, und wenn man dabei auch noch die beste Verstärker-Hütte nutzen will, dann kann so eine Zugplanung und Zugausführung schon einigermaßen lange dauern. 5 Minuten für einen Zug war bei uns keine Seltenheit.

Damit sich die Mitspieler in dieser Zeit nicht langweilen, dürfen sie, abhängig von Details im Zug des agierenden Spielers, auch noch ein paar wenige Kinkerlitzchen mitagieren: 1 mal pro Runde eine Falle stellen und 1 mal pro Runde einen Rohstoff einheimsen. Nicht mit-agieren dafür aber schneller wieder am Zug sein, wäre besser. Viel besser!

Bei uns durfte Günther mehr als 1 Stunde lang das Spiel, seine Masse an Material und den Umgang damit erklären. Wohlvorbereitet und mit Erfahrung. Anschließend konnten wir die angegebenen 40-60 Minuten Spielzeit in gut 2 Stunden abwickeln. Schnell und unstrittig, denn jeder hatte sehr bald die Ambitionen auf den Sieg abgelegt und ließ jeden Mitspieler unkontrolliert in Stiefeln, Spaten und Schinken beliebig hantieren, während er sich schon Gedanken über seine nächste Zugfolge machte. Und dabei hoffte, dieses langweilige, lineare, repetitive Gebaren baldmöglichst hinter sich gebracht zu haben.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ich habe kaum ein Spiel gespielt, wo das Thema so völlig wurscht ist; ein Mix von lauter bekannten Mechanismen, fast eine Unverschämtheit; nicht nur die downtime ist eine Katastrophe), Günther: 4 (die Auswahl der Aktionskarten ist ein Maltraitieren der Spieler mit dem Zufall), Moritz: 4 (das Hantieren mit den Aktionskarten hat mir Spaß gemacht; für die Solovariante würde ich 7 Punkte vergeben), Walter: 4 (ohne jede Dynamik, es funktioniert, aber ich möchte es definitiv nicht noch einmal spielen.)

22.07.2020: Bilder die Geschichten schreiben

1. “Pictures”

Das nagelneue „Spiel des Jahres 2020“. (Nicht das „Kennerspiel“!) Ein Partyspielchen für phantasiereiche Spieler mit künstlerisch-geistvollen Ambitionen.

„Pictures“ – Welche 5 Bilder sollten wohl mit den 5 „Installationen“ a) bis d) dargestellt werden. Wer es herausfindet, bekommt eine Flasche Rotwein.

In der Tischmitte liegen 4 mal 4 (also 16) Bilder, die durch ihre Koordinaten A1 bis D4 eindeutig identifiziert sind. Jeder Spieler bekommt verdeckt eines dieses Bilder zugeteilt und muss versuchen, es anhand verschiedener, aber ziemlich archaisch daherkommenden Materialien darzustellen.

Als Materialien gibt es:

  1. Farbige Holzwürfel, von denen farblich passend 9 Stück ausgewählt und als 3 mal 3-Matrix in einem Rahmen präsentiert werden.
  2. 2 schwarze Schuhbandl (Schnürsenkel), mit denen sich eine Horizontlinie ziehen lässt.
  3. 19 Symbol-Karten mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen, von denen 2 bis 5 Stück auswählt werden müssen, die das betreffende Bild am besten charakterisieren. (Hier ist von allen Seiten der meiste Grips gefordert.)
  4. 6 Bauklötzchen, bestehend Quadern, Rolle, Dreickeck und Bogen
  5. Ein 8-teiliges Set aus Steinen und Stöcken.

Anschließend müssen alle Mitspieler raten, welches Bild wohl mit der jeweiligen „Installationen“ gemeint sein können. Jedes richtig geratene Bild gibt für Rater und Erratenen je einen Siegpunkt.

Diese Bild-Darstellungen werden fünf mal durchgeführt, bis jeder Spieler je einmal mit jedem Material zurechtkommen musste. Wer dann in der Summe am meisten geraten hat und erraten wurde, ist Sieger.

WPG-Wertung: Günther: 7 (für Kommunikationsrunden, nicht unbedingt für uns am Westpark), Milo: 5 (die Materialien sind dumm; von mir aus brauchen wir es nicht noch einmal zu spielen; höchstens mit der Oma), Moritz: 6 (ein Familienspiel für bestimmte Kreise, nicht unbedingt originell), Walter: 6 (die Rateidee ist vielleicht nicht originell und Aufgaben für figürliches Darstellen von Objekten gab es schon vor 32 Jahren mit dem SdJ „Barbarossa“, doch in „Pictures“ ist das vorgegebene Material für die Bild-Darstellung schon originell).

2. “History of the World”
„History of the World“ : die Gallier strecken ihre Hand nach Spanien aus

„History of the World“ : die Gallier strecken ihre Hand nach Spanien aus

Wir standen am Scheideweg, den spielkulinarischen Abend mit einer Reihe von hübschen kleinen, aber doch nur als Vorspeise geltenden Gaumen-Erfreuern (Abluxxen, Bluff etc. standen zur Debatte) über die Bühne zu bringen, oder uns noch einen gestandenen Hauptgang zu gönnen. Keine Partei kämpfte mit Leidenschaft für ihre Vorlieben, so dass sich Moritz mit seinem 10-Punkte-Genuss „History of the World“ problemlos durchsetzen konnte.

Schon vor gut zwei Jahren am Westpark gespielt und beschrieben, gibt es zum damaligen Spielbericht nichts grundsätzlich Neues hinzuzufügen. Ganz im Gegenteil, selbst der dort beschriebene Spielablauf wiederholte sich in groben Zügen.

Moritz als gewiefter Stratege und Taktiker ließ sich bis in die letzte Runde weit zurückfallen“. Wenn in der letzten Runde günstig gewogene Völker gezogen worden wären, hätte er „als Erstziehender einen Riesensatz bis weit vor alle anderen“ machen können. „Aber es reichte nicht. Günther [damals Aaron] als Letzt-Ziehender (und vor der letzten Runde Führender) konnte als Franzose [damals Japaner] seinen Vorsprung ins Ziel retten. Ja wenn Milo und Walter [damals Moritz selber] den Führenden bzw. seinen Besitzstand in ihren Zügen konsequent bekämpft und dezimiert hätten, … hätte es vielleicht noch zum Sieg gereicht.

Moritz verzichtete in der letzten Runde auf das erstziehene Volk: die Mughals erschienen ihm nicht schlagkräftig genug. Schweren Herzens schränkte er seine Wahl auf die potenten Franzosen oder Engländer ein. Die Franzosen zogen vor den Briten in den Krieg, aber 3 englische Krieger mehr gaben den Ausschlag für seine Entscheidung. So bekam Günther die Franzosen und konnte mit ihnen über normal-gute Spielübersicht und normal-glückliches Würfeln den Sieg nach Hause tragen.

Grundsätzlich: wie gewinnt man „History of the World“? Nehmen wir mal an, alle Spieler kennen die hier vorgegebenen geographischen Verbindungen gleich gut und alle wissen, in welcher Runde aus welchen Ecken die gewaltigsten (gewalttätigen) Völker hervorkommen. Alle wissen, wie man am besten Punkte macht und sichert. Dann sollte man in der drittletzten Runde hinten liegen. Für die vorletzte Runde wählt man dann das letzt-ziehende Volk und macht damit so viele Punkte, dass man danach immer noch Letzter ist, aber so dicht wie möglich aufgeschlossen hat an das Feld. Damit sollte man bereits einen erklecklichen Besitzstand aufweisen. Für die letzte Runde wählt man nun das erstziehende Volk, und mit den gerade eroberten Ländern aus der vorletzten Runde und den Neu-Eroberungen aus der letzten Runde – wobei man hierbei natürlich vorzugsweise gegen den bis dahin Führenden loszieht – katapultiert man sich an die Spitze.

Nebenbedingungen für dieses Vorgehen: Das Feld sollte dich genug beieinander liegen (was man nicht in der Hand hat) und in den beiden letzten Runden sollten genau die richtigen Völker angeboten werden, die große Umwälzungen gestatten (, was man ebenfalls nicht in der Hand hat). Und natürlich muss man bei alledem a) gut würfeln und b) die Mitspielern sollen sich möglichst selber zerfleischen. Den Rest hat man aber vollkommen in der Hand.

WPG-Wertung: keine neue Wertung, aber unsere Bemerkungen von damals sind wohl heute noch gültig: Aaron (heute nicht dabei): 7 (zu lang für das, was es ist, sehr glückslastig, zu viel Wartezeit zwischen den Zügen), Günther: 7 (die Wartezeit kann man sich durch interessiertes Zuschauen verkürzen, zudem wird man ja auch zuweilen in einen Verteidigungskrieg verwickelt), Moritz: 10 (diese Spiele sind alle 10 Punkte wert), Walter: 6 (bei der ganzen Kriegerei darf kein Herzblut fließen, dann kann man es aushalten; naturgemäß ist in solchen Eroberungsspielen die Kingmakerei nicht zu verhindern).

Dazu reihte sich Milo kommentarlos mit 4 Punkten am Ende ein. Moritz muss sich wohl noch einiges einfallen lassen, um aus seinem friedfertigen Sprössling einen gnadenlosen Militär zu machen.