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02.12.2015: Sprachverwirrung in New York

CEMS ist ein weltweiter Zusammenschluss von Universitäten zur Ausbildung von Führungspersönlichkeiten globale Unternehmen für künftige Generationen in einer mehrsprachigen, multikulturellen und vernetzten Geschäftswelt. CEMS fördert einen Kosmopolitismus mit Schwerpunktsetzung auf Spitzenleistungen unter hohen ethischen Standards, auf Verständnis und Unterstützung der kulturellen Vielfalt unserer Welt, sowie auf Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes.

Unser (Ex-)WPG-Kücken Basti hat jetzt auf dem CEMS Annual Events 2015 in einem Pulk mit 500 weiteren europäischen Studenten seinen Master entgegengenommen. Zusammen mit den Angehörigen, u.a. mit unserem Aaron, sind mehr als zweitausend Menschen zusammengekommen, um an der feierlichen Verleihung dieses Titels teilzunehmen. Im Mariinskiy-Theater von St. Petersburg (Hans-im-Glück lässt grüßen)! Jawohl, in Putins St. Petersburg. Die freundschaftliche Zusammenarbeit im univeritären Bereich klappt offensichtlich trotz politischer Hetze und wirtschaftlichem Boykott vorzüglich.

Warum sind denn die Spitzenpolitiker aller Staaten immer so bescheuert und glauben, mit Drohungen, mit Konfrontation und mit Bomben eine bessere, demokratischere, friedlichere Welt schaffen zu können. Und das setzen uns unsere obrigkeitsorientierten Journalisten und Medien auch noch täglich als der Weisheit letzten Schluss vor …!

1. “New York 1901”

Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Wolkenkratzer sind angesagt. Jeder Spieler beginnt mit einem kleinen Grundstück in Manhattan, zu dem er regelmäßig neue hinzukauft und früher oder später Wolkenkratzer (Papp-Plättchen) darauf baut, zuerst nur billige bronzene, später silberne und zum Schluss die siegpunktträchtigsten goldenen.

„Hinzukaufen“ ist zu kapitalistisch ausgedrückt, man bekommt sie kostenlos. Vier Gründstückskarten liegen jeweils aus; pro Zug darf ein Spieler sich eines davon nehmen. Die Grundstücke liegen in definierten, farblich unterschiedenen Gebieten. Um später goldene Wolkenkratzer darauf bauen zu können, muss man schon drei oder vier benachbarte Grundstücke erworben haben. Die bösen Mitspieler können die goldenen Träume allerdings vereiteln, indem sie sich selber die Nachbargrundstücke unter den Nagel reißen. Glücklicherweise hält sich diese Miesnickeligkeit in Grenzen, da jeder für seine eigene Entwicklung sich ja selber möglichst abseits gelegene Grundstücke aussucht.

Eigentlich ist der Spielablauf von „New York 1901“ ganz einfach; die Regel sind auf zwei, noch dazu bebilderten Seiten beschrieben. Doch der Teufel steckt im Detail. Beispiel: „Neue Wolkenkratzer können nur alte Wolkenkratzer einer älteren Entwicklungsstufe ersetzen“. Offensichtlich heißt das, dass neue Wolkenkratzer keine bestehenden Wolkenkratzer einer gleichen oder höheren Entwicklungsstufe überbauen dürfen. Heißt das aber auch, dass Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe nicht auf dem blanken Boder erbaut werden dürfen? Nichts Genaues weiß man nicht. Aaron suchte im englischen Regelheft (“Demolished skyscrapers can only be replaced by skyscrapers from a more advanced generation”) und Peter im französischen (“Les nouveaux gratte-ciel ne peuvent remplacer que de gratte-ciel d’une technologie plus ancienne”). Nirgendwo steht, dass höhere Wolkenkratzer nicht gebaut, sondern damit nur überbaut werden darf. “Replaced” schließt doch ein “placed” nicht aus, und “remplacer” kein “placer”. Diese Interpretation fanden Aaron und Günther, Walter enthielt sich einer Wertung, Peter aber, wie konnte es anders sein, pochte mit seinem französischen „Original-Regelheft“ auf sein besseres Wissen und minorisierte die Mehrheit!

Über eine Stunde zog sich die Diskussion über diese und weitere Regeldetails hin. Offensichtlich bringt das am Westpark nicht nur Frust, sondern macht auch Spaß, sonst würde wir ja uns ja nicht regelmäßig dieser Prozedur unterziehen. Trotzdem, liebe Verlage, ist es denn so schwer, in einfacher Sprache klare Abläufe eindeutig zu beschreiben. Die ganze halbe Seite mit den „Regeln für Wolkenkratzer-Entwicklungsstufen“ könnte auf den nackten Satz gebracht werden: “Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe müssen mindestens einen Wolkenkratzer der nächst-niedrigeren Entwicklungsstufe überbauen.” Oder, falls das Gegenteil gemeint ist: “Wolkenkratzer einer höheren Stufe dürfen auf den blanken Boder gebaut werden oder Wolkenkratzer von niedrigeren Stufen überbauen.”

Vorteile des Startspielers sind nicht wegzudiskutieren. Walter bekam als Startspieler in der ersten Runde sogleich den einzigen Drei-Felder-Bauplatz. Ebenso einen in der zweiten Runde. Damit erreichte er schnellstmöglich die 6-Punkte-Marke, womit er seine bronzenen 3er-Wolkenkratzer auch sogleich mit silbernen (vielleicht sogar mit goldenen!?) überbauen durfte. Außerdem schonte er damit seinen Vorrat von im Endspiel wichtigen 2er Wolkenkratzer. Er hatte als einziger keinerlei Engpässe bei der Auswahl seiner Gebäude in der Endphase des Spiels. Da Peter den Schluss einläutete, und Walter so auch noch den letzten Zug durchführen durfte, hatte er als einziger einen Zug mehr als allen anderen. Es reichte zum Sieg. Wer schon bestreiten will – was bei uns durchaus der Fall war -, dass der Startspieler einen Vorteil hat, der soll sich nur diesen Spielausgang vor Augen führen. Günther wurde Letzter; soviel zur intellektuellen Herausforderung von „New York 1901“!

Noch eine Kritik an den Aktionskarten, die Doppelzüge erlauben. Sie sind absolut überflüssig. Das Spiel läuft so überschaubar linear-stetig ab, dass der Durchbruch dieser Linearität durch Doppelzüge nur mehr Unberechenbarkeit, aber keine zusätzliche Spielfreude mit sich bringt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Spielspaß ist eher bescheiden. Was ist überhaupt die Herausforderung?), Günther: 6 (das Spiel besitzt keinen besonderen Clou, aber innerhalb der Spielzüge eine gewisse taktische Vielfalt), Peter: 5 (1 Punkt mehr aus Frankophilie, man hat sein Glück nicht selber in der Hand, weil jeder Mitspieler die trächtigsten Pläne vermaseln kann), Walter: 5 (das Spiel funktioniert und ist schnell [kann schnell sein], der Spielablauf ist allerdings ziemlich schlicht und [wahrscheinlich] schnell ausgelutscht).

2. “Regenbogen Schlange”

Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Alle Spieler verlangten nach unseren 45 Minuten allgemeines Anfangspalaver, 75 Minuten Kampf mit New Yorks Regelauslegung und 60 Minuten Immobilien-Management ein schnelles, lockeres Kartenspiel zur Entspannung. Walter fand in seinem Schrank eine noch jungfräuliche „Regenbogen Schlange“, im Jahre 1999 geboren und zehn Jahre später reinkarniert. Alle WPG waren sofort dafür, und Aaron durfte die Regeln erklären. Schon beim ersten Satz des Regelhefte fiel ihm die Kinnlade herunter: „Alle Spieler versuchen, möglichst lange Regenbogenschlangen zu bilden. Eine Schlange besteht immer aus einem Kopf, mindestens einem Mittelteil und einem Schwanz.“ Das ist exakt das Prinzip von seiner neuesten Neu-Entwicklung „Worms“, mit der er immer noch stark schwanger geht.

Der Rest der Regenbogen-Schlange ist allerdings grundsätzlich anders als seine Würmer. Jeder Spieler hat nur eine einzige Karte mit Kopf, Schwanz oder Mittelteil einer Schlage auf der Hand. Die Tierteile sind in den Farben des Regenbogens gestaltet, wobei in jedem Schlangen-Mittelteil eine Farbe in eine andere übergeht: grün in blau, blau in violett, violett in rot etc. Diese eine Handkarte muss der Spieler farbgerecht an eine der bestehenden Schlangen-Torsos auf dem Tisch anlegen oder damit einen neuen Schlangen-Torso anfangen. Freiheitsgrad Null. Da man allerdings u.U. ein zweifarbiges Mittelteil mit jeder seiner beiden Endfarben anlegen kann – auch wenn das für den Anleger selbst keinen erkennbaren Nutzeffekt hat – , ist der Freiheitsgrad leicht größer als 0.

Wer einen bestehendes Schlangen-Torso mit einem Kopf- bzw. Schwanzstück abschließen kann, darf alle Schlangenkarten als Siegpunkte an sich nehmen. Da man beim Legen eines Mittelstückes, wenn es denn farblich ausgeht, auch zugleich zwei passende Schlangen-Torsos verbinden kann, ist damit sogar eine gewisse optische Herausforderung bei der Betrachtung der Torso-Auslage auf dem Tisch gegeben. Für 4-Jährige gerade richtig.

Aaron muss glücklicherweise seine „Worms“ nicht einstampfen. Walter wird das Spiel hoffentlich in Erinnerung behalten, wenn seine jetzt zweijährige Enkeltochter im nächsten Jahr die Farben gelernt hat.

Keine WPG-Wertung für ein Klein-Kinder-Spiel.

3. “Hamsterbacke”

Ebenfalls ein lockeres Kartenspiel, immerhin für Erwachsene ab 8 Jahre. Der Zahlenraum von 1 bis 4 muss beherrscht werden.

Im September dieses Jahre lag das Spiel schon zweimal bei uns auf dem Tisch, das erste Mal mit Wohlwollen betrachtet, beim zweitem Mal mit leicht reduzierter Lust. In Session-Report vom 2. 9. steht schon genug über die Regeln, das können wir uns hier jetzt sparen.

Kontrovers war die Diskussion, ob „Hamsterbacke“ nach Peters Sofort-Einschätzung ein reines Glücksspiel ist, oder nicht. Nein, rein ist das Glück gewiss nicht, aber den Glücksfaktor für „Hamsterbacke“ genauso hoch einzuschätzen wie für „6 nimmt!“, das halte ich für ein reines Sakrileg!

WPG-Wertung: Peter vergab 6 Punkte (lustig, nett, daher mehr als 5, aber zu chaotisch, daher keine 7), Walter reduziert seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (man ist in seinen theoretischen Freiheitsgraden im Kartenmanagement durch das regelmäßige Schröpfen des Spielers mit den meisten Karten in der Praxis doch erheblich eingeschränkt), Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten.

4. “6 nimmt”

Da in der Diskussion um „Hamsterbacke“ das Stichwort „6 nimmt“ gefallen war, musste dieses Spiel gleich anschließend antreten, um seine Qualitäten zu zeigen. Es wurde viel mehr gedacht als bei „Hamsterbacke“, es wurde auch viel mehr gelacht, aus tiefstem Herzen der Erleichterung, wenn der Kelch an uns vorüber gegangen war, und ein anderer Spieler die Reihen mit den teuren Strafkarten an sich nehmen musste. Schadenfreude gab es bei „Hamsterbacke“ auch, aber keinesfalls diese Freude der Erleichterung!

In jedem Fall ist „6 nimmt“ ein taktisches Spiel. Kein Wunder, dass diesmal Günther mit hohem Abstand gewann. Ich will hier nicht schon wieder anführen, wo er bei „Hamsterbacke“ gelandet ist …

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel, in dem lediglich Peter mit 6 Punkten deutlich nach unten abkackt.

5. “Nobiles”

Peter war diesmal schon mit der fast letzten U-Bahn abgedüst, als Aaron die übrig gebliebenen Mitspieler um eine Begutachtung der allerneueste Version seines „Nobiles“ bat. Selbstverständlich waren alle zur Unterstützung einer Spielentwicklung bereit.

Neu wurde ein Würfel ins Spiel gebracht, um vordefinierte Kalamities in leicht randomisierte Kalamities zu verwandeln. Höfe, Deiche, Kreißsäle etc. wurden neu dimensioniert. Ebenfalls wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. „Viel Lob, großes Lob!“ – das hatte es gegeben, als die vorletzte Überarbeitung im Juni dieses Jahres für Moritz und Peter aufgelegt wurde. Diese Euphorie kam bei der diesmal aufgetischten Version nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

Keine WPG-Wertung für Spiel in der Entwicklungsphase.