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16.09.2009: Seltsame “Liberté”

Der Abend hatte etwas Seltsames. Unverkennbar waren die Entzugserscheinungen nach der Urlaubspause. Erbitterte Auseinandersetzungen um richtige und falsche Regelauslegungen. Erstmaliges Gefecht um die Ausrichtung des Spielbretts auf dem Tisch. Semiöde Spiele, die den Kopf wachhalten, doch den Fuß einschlafen lassen. Verbale Träume über die Einführung der Guillotine in der bundesdeutschen Politik.
Doch alles der Reihe nach.
1. “Tulipmania”
Zwei alte Hasen gegen drei Frischlinge. Aaron durfte erklären und wurde dabei mehrmals von Walter angezweifelt. Zu Recht und zu Unrecht. Am Ende hatten wir alle fünf ständig Merkprobleme zu den eigentlich ganz einfachen Regeln.
Reihum ist jeweils ein Spieler der “aktive Spieler”, der eine Tulpe an seine Mitspieler verkauft, eine Tulpen-Vorkaufskarte vom offenen Stapel zieht, und aus der Gärtnerei eine neue Tulpe erwirbt. Welcher Mitspieler die verkaufte Tulpe bekommt, entscheidet sich daraus:
a) wer sie überhaupt kaufen will (will ein jeder)
b) wer genug Geld dafür hat (hat ab der zweiten Runde ein jeder)
c) wer den Tie-Break gegen die Mitspieler gewinnt. Das entscheidet eine Tie-Breaker-Karte, die rund um den Tisch wandert.
Auf Grund dieser An- und Verkaufs-Aktionen ändert sich ständig der Preis der verschiedenen Tulpensorten. Erreicht dieser Preis einen Höchstwert, platzt die Spekulationsblase und holter-di-polter werden alle Tulpen dieser Sorte zu rapide fallenden Preisen verschleudert.
Man darf ein bißchen taktisch spielen. Man muß die Tulpenpreise vorsichtig in der richtigen Reihenfolge nach oben schrauben und darf dabei keinem Mitspieler freiwillig zu hohe Spekulationspreise zukommen lassen. Man kann dem schärfsten Kapital-Gegner sogar gekonnt den großen Reibach vermasseln. Vor allem mit vereinten Kräften. Und das ganze ohne direkte Kingmakerei!
Allerdings kann auch eine einzige mehr oder weniger zufällig erworbene Tulpen-Vorverkaufskarte einen Ertragsunterschied von 3000 Gulden nach sich ziehen. Das ist mehr als 10% des Gesamterlöses im Spiel. Gilt dieser Zufallseinfluß noch als ausbalanciert?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (ein Punkt mehr, Peter kommentierte das mit “Altersstarrsinn”), Loredana: 5 (“porcărie” – nicht was ihr schon wieder denkt!), Moritz: 3 (“öd, repetitiv, dumm”), Peter: 4 (“ziemlich Sch…”) , Walter: 7 (bleibt, “leider ist das Endspiel ziemlich einförmig”).
2. “Liberté”
Parteienkampf im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Es geht nicht um Schwarze, Rote, Grüne und Blaue, es geht um Royalisten, Bürgerliche und Sansculotten. Wir ziehen Einflußkarten, die es erlauben, mit 1,2 oder 3 Abgeordneten einer bestimmten Fraktionen auf ein bestimmtes Departement Einfluß auszuüben. Dieses Prinzip hat “El Grande” bereits vorexerziert. Die Auswirkungen sind hier allerdings etwas komplexer. Ein bißchen. Aber immer noch viel zu einfach, als daß man “Liberté” ein “Die Macher – light” nennen könnte.
Wenn alle Abgeordneten einer Fraktion in den Departements plaziert sind, kommt es zur Wertung. Der Spieler mit der relativen Mehrheit erhält einen Einflußstein. Wer von einer Fraktion die meisten Einflußsteine hat, bekommt pro Runde Siegpunkte.
Hat in einem Departement kein Spieler die relative Mehrheit, so bekommt keiner etwas und alle Abgeordneten werden entfernt. “Guillotiniert” nennt dies die Spielregel. Was wäre, wenn wir im deutschen Bundeswahlrecht eine ähnliche Regelung einführen würden. Hätten wir dann bald keine schlechten Politiker mehr?
Peter bekam gleich als Startausstattung drei tolle Einflußkarten, mit denen er pro Runde insgesamt 8 bürgerliche Abgeordnete in Frankreich verteilen konnte. Damit war er unangefochten Chef der Bürgerlichen und heimste die dickste Siegpunkt-Prämie ein. Walter hatte ein ähnliches Glück mit den Royalisten und kassierte die zweitdickste Prämie. Nachdem jeder Spieler seine besten Karten von einer Runde in die andere mitnehmen kann, wiederholte sich diese Reihenfolge in jeder Runde und Peter war schnell unangefochten an der Spitze.
Loredana fragte: “Bleibt das Spiel jetzt so?” Offensichtlich. Moritz versuchte zu argumentieren, daß es Sonderkarten gäbe, die die Siegbedingungen total auf den Kopf stellen würden. Doch das zog nicht. Denn das würde als Konsequenz bedeuten: Erst erkämpft man sich mit glücklichen Einflußkarten einen Vorsprung, und dann wird man durch unglückliche Einflußkarten vielleicht noch Letzter. Kann man das ein rationales Spieldesign nennen?
Es gibt Sonderkarten, mit denen man einem beliebigen Mitspielern eine beliebige Einflußkarte vernichten kann. Das ist hundertprozentige Kingmakerei, auch wenn es ein notwendiges Korrektiv gegen die Glücksausstattung des Führenden ist. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel. Durch ein verwerfliches Korrektiv kann man keine Fehler im Grundsätzlichen ausbügeln. Schon allein die 300% Effizienzunterschiede in den zufälligen Einflußkarten, ob ich z.B. nur einen einzigen Abgeordneten oder derer gleich drei in die Politik schicken darf, sind eklatante Verstöße gegen Moritz’ anerkanntes Cthulhu-Prinzip.
Zu einer genialen Erfindung gehören wie zu einem genialen Spiel 1 Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration. Martin Walace und Warfrog habe es sich etwas zu leicht gemacht. Peter konstatierte: “Bei Hans-im-Glück wäre das nicht passiert!”
Der Führende stellte den Antrag zum Spielabbruch und keiner erhob Widerspruch.
Nicht einmal die handwerkliche Produktion konnte befriedigen. Muß man denn unbedingt Spiele in einem Billig-Lohn-Land herstellen lassen, wenn man dort nicht mal in der Lage ist, die notwendige Farbübereinstimmung zwischen Einflußkarten und Departements auf dem Spielbrett zu gewährleisten?
WPG-Wertung: Aaron: 4 (“extremer Glücksfaktor durch die Karten”), Loredana: 5 (gutmütig, wollte keine Tulpen-Partei ergreifen), Moritz: 7 (“nicht das Beste von Walace, aber …”) Peter: 3 (“Null Inspiration, null Transpiration”), Walter: 4 (“Viel Lärm um Unberechenbares”).
3. “Bluff”
Neue Erkenntnisse:
1) Wer gut würfelt, braucht nicht zu bluffen.
2) Wer hinter einem nicht bluffenden guten Würfler sitzt, sollte nicht anzweifeln.
3) Den Nicht-Bluffer kennt man nach 10 Jahren Westpark-Gamers, den guten Würfler nicht. Das ist Stärke und Schönheit von von “Bluff”
Moritz wollte unbedingt eine Kostprobe davon sehen, wie man ein Endspiel mit 1:5-Würfelrückstand gewinnt.
Ganz einfache Demonstration: Der Dicke legt nach der bewährten Immer-4-Strategie 1 mal die Vier vor. Der Dünne hebt auf 3 mal die Vier. Der Dicke legt zwei Vierer heraus, hebt auf 4 mal die Vier und würfelt mit den restlichen 3 Würfeln nach.
Mit 70% Wahrscheinlichkeit hat jetzt der Dicke gewonnen.
Und wenn der Dünne auf 5 mal die Vier hebt? Ich kann um diese Uhrzeit nicht mehr die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg dieses Zuges ausrechen, doch heute war es erfolgreich.
Nur noch 4 weitere solche Streiche, und man hätte gewonnen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

01.09.2009: Mit “Tulipmania” aus dem Urlaub

Cannes, Malediven, Plattensee, wie reimt sich das zusammen?
In Cannes der Peter seine Loredana braucht,
auf den Malediven der Aaron in die Tiefe taucht,
am Plattensee der Walter sich sein Kreuz verstaucht –
so reimt sich das zusammen.
Die Urlaubssaison ist hoffentlich vorüber. Der Westpark ist wieder zum normalen Spiele-Alltag zurückgekehrt.
1. “Tulipmania”
Ein einfaches, hübsches Wirtschaftsspiel. Die einzige Schwierigkeit gab es am Anfang, als jeder Spieler 5 Hundert-Gulden-Scheine ausgeteilt bekommen sollte, im Spielmaterial aber insgesamt nur 24 Hunderter vorhanden waren.
Wir handeln und spekulieren mit Tulpen. Jeder Spieler muß reihum eine Tulpe aus seinem Besitztum verkaufen, in Konkurrenz zueinander bieten die anderem darum, sie zu kaufen. Entsprechend verändert sich der Kurs der gehandelten Tulpensorte. Bei einem “normalen” Kauf steigt der Aktienwert um ein paar Prozente an, bei einem “Spekulationskauf” vervielfacht sich ihr Wert.
Fünf verschiedene Tulpensorten gibt es; ihr Kurswert geht praktisch ununterbrochen nach oben, dynamisch und dennoch friedlich, folgerichtig und dennoch chaotisch. Bis der Kurs einen Höchstwert erreicht und die Spekulation platzt. Jetzt müssen alle Spieler alle Tulpen dieser Sorte auf den Markt werfen. Die Erlöse gehen dabei schrittweise drastisch in den Keller. Wer passende Marktkarten gesammelt hat, ist bei den Spitzenpreisen dabei, wer hier zu kurz gekommen ist, muß seine Restbestände für einen Appel und ein Ei verkaufen.
Bemerkenswert noch der Bietprozeß um die angebotene Tulpe: Jeder zieht verdeckt eine Aktionskarte über Kauf oder Spekulation, über Eigenerwerb oder Verkauf an die Bank. Wer die höchste Aktionskarte gezogen hat, macht den Deal. Bei Gleichheit entscheidet eine um den Tisch wandernde Prioritäts-Karte darüber, wer den Deal macht.
Am Anfang, wenn das Geld noch knapp ist, sind die Aktionen der Spieler recht zurückhaltend; da sind Interessen und Marktverhalten der einzelnen Spieler noch sehr unterschiedlich und die Aktionskarten mit ihren abgestuften Wertigkeiten machen Sinn. Doch unweigerlich schwimmen früher oder später alle im Geld. Dann spielt jeder zwangsläufig nur noch die höchstwertige Aktionskarte. In dieser Phase entscheidet allein die Prioritäts-Karte das Spiel. Schade.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“hat Potential”), Birgit: 5 (“nicht aufregend”), Günther: 6 (störte sich an der Ungerechtigkeit der Prioritäts-Karte), Horst: 7 (“hübsch, aber nicht planbar”), Walter: 7 (“interessant”).
2. “Adel verpflichtet”
Eigentlich war “Automobile” als Hauptspeise des heutigen Abends vorgesehen. Doch der Tulpenhandel hatte – einschließlich einleitendem Palaver – über anderthalb Stunden gedauert, und Birgit und Horst dürfen nicht mit der vorletzten U-Bahn nach Hause fahren, sondern müssen schon um halb zwölf im Bettchen liegen. So begnügten wir uns mit einem bewährten Gericht aus dem letzten Jahrtausend.
In “Adel verpflichtet” wählen wir mittels verdeckter Karten, ob wir ins Auktionshaus oder ins Schloß gehen. Alle Spieler, die in das Aktionshaus gegangen sind, wählen in einer zweiten verdeckten Entscheidung, ob sie dort einen Kunstgegenstand kaufen oder als Dieb den Kaufpreis klauen. Mehrere Diebe im Auktionshaus neutralisieren sich, keiner kriegt den Barscheck. Alle Spieler, die ins Schloß gegangen sind, wählen, ob sie dort ihre bisher ersteigerten Kunstgegenstände ausstellen, oder ob sie dort als Dieb die Ausstellungen beklauen, oder ob sie als Detektiv die evtl. vorhandenen Diebe ins Gefängnis bringen.
Für erfolgreiche Ausstellungen sowie für das Dingfestmachen von Dieben gibt es Siegpunkte. Am Ende bringen die wertvollsten Sammlungen nochmals Bonuspunkte ein. Wer dann die meisten Siegpunkte hat, ist Sieger.
Birgit und Walter kooperierten erfolgreich im Auktionshaus. Einer erwarb einen Kunstgegenstand, der andere klaute den Kaufpreis. Immer abwechselnd. Bis Günther dazwischenfunkte und mit seinem eigenen Dieb das Klauen neutralisierte und die Schecks in der Bank verschwanden. Birgit und Walter machten sich nun auf in das Schloß, um auch hier in Absprache zueinander abwechselnd Ausstellungen durchzuführen und dafür Punkte zu kassieren bzw. sich zu beklauen. (Daß sie beide davon hätten profitieren können, wenn jeder eine Ausstellung organisiert, das ist ihnen im Eifer des Gefechts entgangen.) Doch auch hier störte Günther wieder das einvernehmliche Techtelmechtel und zerbrach mit seinem Detektiv die schöne Harmonie.
Inzwischen hatte sich Aaron ganz klammheimlich eine unschlagbare Kunstsammlung zusammengeklaut, sattelte zielgerichtet in eine ehrbare Galeristenlaufbahn um und wurde unangefochten Sieger.
1990 wurde dieses Spiel zum “Spiel des Jahres” gekürt. Auch heute ist es in vieler Beziehung immer noch modern. Zumindest was seine Eignung als pfiffiges Familienspiel betrifft.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“ein Spiel der 80er Jahre” – Das gilt als Einschränkung!), Birgit: 7 (“lustig, aber geistig nicht besonders anspruchsvoll” – Halt wie ein Spiel des Jahres), Günther: 7 (“gelungenes Familienspiel”), Horst: 9 (“ein glatter Neuner”), Walter: 7 (“auf Dauer vielleicht etwas kantig”).
3. “Poison”
A la “6-nimmt” legen wir jeweils eine Karte aus der Hand an ausliegende Kartenstapel auf dem Tisch an: jede Karte (rot, blau, violett) muß zum passenden gleichfarbigen Stapel gelegt werden. Überschreitet die Summe der Kartenwerte eines Stapels den Wert 13, so muß der Spieler alle Karten dieses Stapels an sich nehmen.
Am Ende zählen alle kassierten Karten Minuspunkte, nur die Karten einer Farbe, von denen ein Spieler mehr als seine Mitspieler hat, sind kostenfrei.
Das Spiel ist ein schneller, gelungener Absacker. Wer glaubt, darf sich bei der Zugabe seiner Karten sogar tiefschürfende Gedanken machen. Wer weniger glaubt, lebt von der Hand in den Mund und hofft, daß ihm am Ende gar nichts oder die Mehrheit einer Farbe in den Schoß fällt.
Günther hatte eine Strategie. Verraten hat er sie allerdings nicht. Immerhin wurde er Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“6 nimmt” ist besser), Birgit: 7 und Horst: 8 (“perfekter Absacker”) konnten mir ihren Noten den bisherigen WPG-Durchschnitt nur um einen Zehntel Punkt nach unten drücken.
4. “Bluff”
Günther war in Zweifellaune. Aaron hatte das schnell durchschaut und Günther bekam Gegenwind. Bei insgesamt 12 Wertungswürfeln zweifelte er 9 mal die Fünf an. Zu früh. Jetzt wollte er mit dem Kopf durch die Wand und hob Aarons 4 mal Vier auf Fünf mal Zwei. Das war sein letztes Gebot des Abends.
Im Endkampf Walter gegen Aaron lies sich mit einer 5:1-Ausrüstung leicht Katz und Maus spielen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.