„Spielregeln: zählen letztendlich nur für den, der nicht mitspielt.“
Andreas Egert, Journalist und Aphoristiker)
„Es ist nicht alles wahr, was schöne Worte uns vorgaukeln.“
moi; das gilt gleichermaßen für Pfarrer, Politiker und Journalisten.
1. “Mexian Cartels”
Nicht erst seit „Loot Island“ in trockenen Tüchern ist, bastelt Aaron an seiner nächsten Spielentwicklung. Er hat ständig gleich eine Handvoll neuer Spielideen in seinem Brutkasten. Heute durften wir einen ersten Eindruck von seinem neuesten mexikanischen Abenteuer mitnehmen.
Thematisch geht es um Drogenkartelle, um den Anbau und Handel von Haschisch durch „Halcones“ hinter dem Schutzwall von „Sicarios“, die nicht nur die eigene Ernte schützen sollen, sondern auch die feindlichen Killer abknallen und nach Möglichkeit deren Anbaufelder übernehmen sollen.
Political correct könnte man die Szenerie auch als den Anbau von bravem Hanf zur Herstellung von Jute-Taschen ansehen. Oder als Reisanbau in Vietnam, der von Miss Saigon und ihren Konsorten geschützt bzw. vernichtet wird. Mal sehen, was der Zahn der Zeit aus dem Thema noch alles herausbringt.
Der Bandenkrieg ist noch nicht gelungen. Angreifer und Verteidiger, Gewinner und Sieger verlieren regelgerecht regelmäßig zuviel Potenz und werden anschließend unweigerlich eine Beute der bisher unbeteiligten Dritten. Es muss sich lohnen zu kämpfen oder alle Kämpfe müssen – analog wie bei Small Word – ein unumgänglicher Bestandteil des Spielgeschehens sein.
Konstruktives Bauen kombiniert mit destruktiven Erobern ist zweifellos eine hübsche Spielidee. Aber geschenkt wird dem Genie auch hier nichts. Die Balance im Spielmaterial (Engpässe verschiedenster Art), in der Effizienz von äußeren Bedrohungen durch Polizeit und Militär, sowie die topologische Chancengleicheit in den Anbauregionen benötigen noch massive Fortschritte in der Entwicklung. Das Dreimonatskind kann noch lange nicht aus dem Brutkasten heraus.
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklung.
2. “Wabash Cannonball“ alias „Chicago Express”
Das hübsche Spielgefühl beim Cannonball-Revival von letzter Woche wollten wir diesmal in einer Viererrunde wiederholen. Diemal gelang es nur mit gebremstem Schaum.
Der Aktienbesitz war zu symmetrisch verteilt: Wenn jeder ein Share einer Gesellschaft hat, lohnt es sich nicht, diese Gesellschaft zu fördern. So lohnte sich heute vieles nicht.
Beispiel für Walters Dilemma:
• Er besaß ein Drittel der roten Aktien (genauso wie Günther und Moritz), ein Viertel der blauen Aktien (Aaron besaß die restlichen drei Viertel) und ein Fünftel der grünen Aktien (Günther und Moritz besaßen je 40 Prozent).
• Bei der Entwicklung der roten Linie profitierte er zu 33 1/3 – 25 = 8 1/3 Prozent gegenüber dem Durchschnitt seiner Mitspieler. Hier ärgerte er sich aber darüber, dass ihm Günther und Moritz unisono die „Drecksarbeit“ überließen, nachdem die PRR Fort Wayne erreicht hatte und nur noch zwei Schritte zum profitablen Anschluss von Chicago fehlten.
• Die Entwicklung der blauen Linie war für ihn gewinn-neutral, wobei hier aber Aaron mit seiner 75 % Mehrheit der glückliche Absahner geworden wäre.
• Der Fortschritt der grünen Linie war für ihn kontraproduktiv; pro Punkte hätte er 25 – 20 = 5 Prozent an Boden gegenüber dem Durchschnitt verloren. Was lag näher, als den Ärger über das rote „Drecksarbeit Überlassen“ hier auszulassen und die grüne Linie zu schädigen Ein Gewinn von 5 Prozent pro miesnickeligem Verschleudern von Potential! Gesagt getan, Gegen-Argumentation und lange Gesichter bei G&M, Kingmakerei für Aaron! Auch das liegt in „Wabash Cannonball“ drin.
Neben heutigem langen Nachdenken, welcher Aktion wohl die beste wäre, gab es auch auch merklich langes Nachrechnen darüber, bis zu welchem Preis man beim Aktien-Versteigern wohl mitgehen sollte. Wobei Letzteres in jeder Versteigerungsrunde neu berechnet wurde, obwohl die Eingangsdaten sich nicht geändert hatten und eigentlich immer der gleiche Wert herauskommen sollte. Allerdings sollten alte Mehrheitsbesitzer hier offensichtlich noch einen Obolus mehr opfern, um miesnickelige Seiteneinsteiger draußen zu halten.
Keine neue WPG-Wertung; trotz der angeführten Kritikpunkte blieben alle bei ihren 8-Punkten.
Fast fünf Jahre ist es her, dass „Loot Island“ zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch lag. Damals lief es noch unter dem Titel „Diggers“. Das Spiel kam sehr gut an. An ein paar Schräubchen musste noch gedreht werden und es war reif für die Verlage.
Von wegen. Bald stellte sich heraus, dass der zentrale Mechanismus zwar Planer wie die Westpark Gamers begeistern kann, aber andere Spielgruppen erhebliche Probleme mit der Mischung aus vorausschauender Planung, Kartenglück und Spielerinteraktion hatten. Zu viele Runden arteten in Grübelei und Frustration aus.
Nach etlichen Diskussionen mit anderen Autoren und Spielern entstand eine Version, die zwar den Westpark Gamers wegen der Verwässerung des grundlegenden Mechanismus nicht mehr so gut gefiel, dafür aber dem Verlag What’s Your Game. Anfang 2015 wurde der Lizenzvertrag unterschrieben.
Die Zusammenarbeit mit dem Verlag war exzellent. Zwar entfernte sich das Spiel mit der Zeit deutlich von seinem ursprünglichen Ansatz, aber das Feedback der Spielgruppen wurde von Version zu Version besser. Mitte 2016 gab es dann eine Version, von der alle überzeugt waren und einem Release-Termin zur Spiel 2016 schien nichts mehr im Wege zu stehen.
Zweifel an der Balancierung und eine hohe Arbeitslast beim Verlag führten dann doch noch zu einer Verschiebung auf die diesjährigen Internationalen Spieletage in Essen. So bitter die Entscheidung vor einem Jahr erschien, im Nachhinein war sie richtig, denn die zusätzliche Entwicklungszeit hat das Spiel weiter verbessert: Es gibt neue taktische Möglichkeiten durch die „Bücher“, und das „Fluchsystem“ fühlt sich runder und thematischer an. Und last but not least: Die 2-Spieler-Regel wurde, dem Verlag sei Dank, noch einmal entscheidend verbessert.
Seit dieser Woche ist „Loot Island“ beim Verlag vorbestellbar, zur Abholung in Essen bzw. zum Versand danach. Obwohl das Spiel eher in die Kategorie eines „Oddville“ des Verlags passt und damit bei Weitem nicht den Komplexitätsgrad der „großen“ Spiele des Verlags erreicht, ist das Interesse bereits groß. Bei Boardgamegeek war es tagelang unter den Top 5 der „Hotness“-Liste obwohl die endgültige Version nur sehr wenige Spieler kennen, und Richard „Rahdo runs through“ Henn hat sich bereits äußerst positiv über den von ihm gespielten Prototypen geäußert.
In drei Wochen wird „Loot Island“ in Essen sowohl am What’s Your Game Stand (Halle 3, M100) und am Pegasus-Stand (Halle 3, M110) vorgestellt und gespielt. Wir sind gespannt.
1. “NMBR9”
Unser Repertoire an diesjährigen, noch ungespielten Spielen geht zu Ende. Es wird höchste Zeit, dass mit der Spiel 2017 in Essen wieder Nachschub kommt.
Aaron hat mit seinem „Spielefinder“ in unseren Listen geblättert und darin je zwei relativ neue, akzeptable Spiele herausgesucht, für die wenigstens Moritz noch keine Wertung abgegeben hatte.
„NMBR9“ kam als erstes dran. Dieses Jahr herausgekommen, am 25. Juli dieses Jahres zum ersten Mal bei uns gespielt. Idee, Form und (kurze) Spieldauer wurden damals honoriert, dazu ein Ausblick auf das potentielle Spielen mit Kindern und Enkeln.
Tetris-artige Formen der Ziffern 0 bis 9 müssen so ineinander und aufeinander gelegt werden, dass kompakte Flächen ohne Löcher entstehen, auf die ebenfalls Ziffernformen gelegt werden können. Nach Möglichkeit in mehreren Schichtungen nach oben, wobei die höchsten Ziffern möglichst ganz oben liegen sollten, weil sie dann ein Mehrfaches ihres Zahlenwertes an Siegpunkten bringen. Da aber der Zufall bestimmt, in welcher Reihenfolge wir die Ziffern legen müssen, kann es sein, dass wir die Achter und Neuer alle auf den null-wertigen Boden legen müssen, bevor wir auch nur die erste ausreichend große Bodenfläche für das nächste Stockwerk vorbereitet haben.
Igendwie möchte jeder Spiel die Ziffernformen gerne drehen und wenden, weil sie dann besser aneinander anschließen würden. Aber hier war der Designer gnadenlos, erstens bei der Ausformung der störgeligen Ziffernplättchen und zweitens durch das Verbot des Umdrehens der Plättchen. Spiel-psychologisch war das eher unglücklich: eine weitere Steigerung des Frustes bei jeder nächsten unpassenden, aber zwangsweise zu behandelnden Form.
WPG-Wertung: Moritz blieb mit seinen 4 Punkten glatte 2 Punkte unter dem bisherigen WPG-Durchschnitt. „Das Spiel macht mich überhaupt nicht an; es ist solitär, eine Strategie ist trivial, wir werden bei den Herausforderungen, die jeder für sich selber lösen muss, von Zufall schikaniert“.
2. “Cottage Garden”
Der nächste abstrakte Tretris-Verwandte für den themenverliebten Moritz. Aus Fehlern von der ersten Begegnung mit den „Gärtnern“ gelernt (siehe Spielbericht vom 04.08.2017) haben wir diesmal die Regeln alle richtig angewendet. Blumenrabatte in Tetrisform werden aus Zeilen bzw. Spalten eines Angebot-Quadrats ausgewählt und in unsere beiden Gartengrundstücke eingepasst, Katzen dürfen als kostenlose Zusatzzüge eingesetzt werden, und jeder Spieler bekommt sechs Zählsteine, mit denen er, je nach fertig bebautem Grundstück, auf zwei verschiedenen Siegpunkt-Zählleisten taktisch richtig vorwärts ziehen kann.
Nach dem ersten Durchgang war Walter sogleich zu einem zweiten Durchgang bereit. Schließlich hatte wir gerade wieder etwas Taktik dazu gelernt. („Mache deine beiden Beete nicht gleichmäßig voll, sondern versuche eines wenige Züge vor den Abschluß zu bringen, bevor du die nächsten dicken Blumenrabatten auf das noch ziemlich leere Beet pflanzt.“) Doch Moritz legte ein Veto ein: „Ich schlafe gerade ein! Keine Spannungskurve, keine Konkurrenz, keine Höhen und Tiefen. Ubongo ist besser!“
Und was haben wir über „Ubongo“ geschrieben? Die unter Zeitdruck zu erfüllenden Puzzle-Aufgaben ergeben schon eine lustig-hektisch-spannende Spielsituation. Doch die Siegerwertung toppt das Ganze noch: Mehr als 8 Punkte im WPG-Durchschnitt.
WPG-Wertung: Die bisherigen 6-7 Punkte & Sympathiepunkte am Westpark wurden von Moritz nahezu halbiert. 4 Punkte, genauso viel wie für „NMBR9“, und keinen Pfifferling mehr.
Der Siegpunkteinlauf bei „NMBR9“ war
Aaron vor Moritz vor Walter mit 60 : 57 : 52 Punkten. Der Siegpunkteinlauf von „Cottage Garden“ war
Aaron vor Moritz vor Walter mit 59 : 58 : 52 Punkten. Mediziner mit ihrem bekanntermaßen mangelhaften bzw. bestechlichen Verständnis für Statistik würden veröffentlichen: „Die beide Spiele sind nahezu identisch!“ Und diese Einschätzung trifft genau die heute etwas unwillige Abqualifizierung von Moritz. Dafür fand Moritz noch einen neuen – in unseren Augen durchaus zugkräftigeren – Name für „Cottage Garten“ : Was haltet Ihr von „Quer Beet“?
3. “For sale“
Das Spiel war als dritte Reprise für Moritz gedacht, und Aaron hatte es schon auf den Tisch gelegt. Doch bevor Walter mit Wein und Whiskey aus dem Keller zurück war und ein Veto einlegen konnte, waren auch schon Aaron und Moritz zur Einsicht gekommen, dass ein einstufiges (echte) „Hol’s der Geier“ wesentlich schneller, pfiffiger und frustgebremster ist als diese zweistufige, chaotische Versteigerung von Einkaufs-Potenz und Siegpunkten.
4. „Wabash Cannonball” alias “Chicago Express“
Moritz schaute sich im beschränkten Repertoire von Walters Spielen um und fischte “Chicago Express” (deutsche Ausgabe) hervor. Ausgerechnet Moritz, der für Spiele der 18xx-Familie auch mal nur 5 (für „1846“) und für das Best of all ever „1830“ nur 7 Punkte vergeben hat, suchte sich ein Eisenbahn-Aktienspiel hervor.
Doch „Chicago Express” hat nur auf den ersten Anschein hin Ähnlichkeiten mit den Mitgliedern der 18xx-Familie. Alles ist anders. Es gibt zwar Gesellschaften, Aktien, zu bauende Strecken und Dividenden. Doch jeder Spieler darf an jeder Linie herumbauen, im Guten wie im Schlechten, solange er auch nur eine einzige Aktie der Gesellschaft hat. Aktien sind am Ende überhaupt nichts mehr wert, es kommt also nur darauf an, für sein eingesetzten Geld möglichst viel Cash herauszuholen. Die Dividende einer Gesellschaft wird nicht auf alle existierenden Shares gleichmäßig verteilt, sondern nur auf die verkauften. Wer von einer Gesellschaft die einzige verkaufte Aktie besitzt, bekommt alles zu 100% ausgezahlt. Wer von seinen Mitspielern mehr oder weniger gezwungen wird, auch die zweite Aktie zu ersteigern, bekommt bei Ausschüttungen keinen Pfennig mehr. Dies erfordert eine absolut andere Strategie und Taktik auf dem Aktienmarkt.
Hier waren Aaron und Moritz in der Endphase zu gierig. Sie investierten hohe, zu hohe Summen in Aktien, die nicht annähernd mehr den Geldeinsatz als Dividende ausschütteten. Das Spielende kam einfach eine Runde zu früh. Walter war der lachende Dritte, er hatte ja auch das Spielende forciert.
Das Spiel ist äußerst interaktiv und enthält verschiedene Herausforderungen in Planung und Vorausdenken. Man kann viel rechnen; eigentlich ein Kritikpunkt, weil das trocken und auf Dauer anstrengend werden kann. Man kann aber auch auf das genaue Rechnen verzichten und sich mit dem Kampf um Einsatz, Strecken, Prioritäten und Aktionsauswahl begnügen. Schnell, spielerisch, herausfordernd und gelungen.
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