02.10.2013: Kleine Welt in Amsterdam

Nein, diesmal haben wir kein „Yunnan“ gespielt. Trotzdem hat uns Aarons Erstling mehrere Tage lang in Atem gehalten.

Yunnan : Laurant zieht einen gelben Händler und links unten hat Ludo de gars eine Menge Yüan gehortet.
Yunnan : Laurant zieht einen gelben Händler und links unten hat Ludo de gars eine Menge Yuan gehortet.

Eine französische Internet-Seite hat in einem sehr ausführlichen Session-Report (www.ludolegars.fr/28092013-yunnan) die Befürchtung geäußert, eine relativ einfache Händler-Bank-Strategie könne den sicheren Sieg bedeuten. Immerhin wurde im Konjunktiv gesprochen: «La stratégie banque + pions qui, je l’espère, n’est pas ultime car elle n’est pas très passionnante à mettre en œuvre.»

Im Zuge der umfangreichen Spieletests beim Argentum-Verlag hat Aaron schon häufiger ähnliche Befürchtungen zu hören bekommen. Mal waren es die Händler, mal die Teehäuser, mal die Pferde und mal das Geschirr, die einen schnellen Sieg bedeuten sollten. Alles hat sich als voreilige Schlußfolgerung herausgestellt. Weil ein Spieler mal zufällig gewonnen hat, kann er nicht automatisch daraus schließen, dass sein Vorgehen alleinseligmachend ist. Viele Wege führen nach Yunnan, aber – glücklicherweise – können die Mitspieler überall Steine in den Weg legen. Das ist eine der herausragenden Eigenschaften des Spiels.

Hat Ludo-le-gars eine ähnliche Selbstüberschätzung begangen oder konnte er wirklich das Geheimnis von Yunnan knacken? In einem längeren Briefwechsel hat er immerhin darlegen können, mit welchen Spielzügen er gewonnen hat: In der ersten Runde einen zusätzlichen Händler erworben und in zweiten Runde mit seinem letzten Händler in die Bank gegangen, als alle seinen Mitspieler schon kräftig auf der Entwicklungsleiste investiert hatten. Wie man dabei allerdings geschlagene 27 Yuan in die Hände bekommt, um in der dritten Runde mit Vollgas seine Entwicklung voranzutreiben, das ist uns immer noch schleierhaft.

In Essen geht die Aufklärung weiter, dort haben sich Aaron und Ludo zu einer Diskussion verabredet. Immerhin mit Ludos konziliantem Schlußwort: „It was a great game and hope to play it soon again.“

1. “Nieuw Amsterdam”
Moritz sollte unserem frischgebackenen „Spiel des Monats“ gleich noch einmal auf den Zahn fühlen. „Nieuw Amsterdam ist ein Workerplacement Spiel mit einem bißchen wie … Yunnan“. Wer sagte das wohl?

In einem einfachen Bietprozess ersteigern wir die Aktionen, die wir im nächsten Schritt ausführen wollen: Häuserbau auf der Südspitze des heutigen Manhattan, Landnahme (nennt man das so, wenn man ein Stück Land beansprucht und dort mir-nichts-dir-nichts eine Hütte errichtet?), Fellhandel mit den Indianern, Verschiffen der Felle und dafür Einstreichen von Geld und neuen Waren für den Tauschhandel.

Aus allen Aktivitäten sprudeln reichlich Quellen für Geld, Getreide, Waren und Siegpunkte. Anfangs muss man noch strampeln, um Holz für die Häuser, Waren für die Felle und Getreide für die Ernährung seiner Siedler zusammen zu kratzen. Wenn das Spiel aber in die Gänge gekommen ist, und man sich zielgerichtet eine Quelle für diese Rohstoffe zugelegt hat, dann fließt alles wie von selbst. Und wenn man erst einmal erkannt hat, dass jede Art von Überflußgut auch ohne Umtauschverlust als Geld im Bietprozess eingesetzt werden kann, dann läuft selbst das Bieten auf die bevorzugten Aktionen wie geschmiert.

Nur wer seine Quellen vernachlässigt und unverzüglich in Manhattan in die Politik geht, kämpft bis zum Schluss um die profanen Dinge zum Überleben. Allerdings sitzt er damit, wie in der richtigen Politik, direkt am Hebel für öffentliche (Siegpunkt-)Zuwendungen. Ohne sich seine Hände mit Handwerk und Handel schmutzig zu machen, kann er im Handumdrehen seine Taschen mit Siegpunkten füllen, die einfachen braven Bürger können darüber nur staunen. Moritz zog als Bürgermeister von Nieuw Amsterdam allen Mitspielern weit davon.

WPG-Wertung: Moritz blieb mit seinen 7 Punkten unterhalb des bisherigen WPG-Durchschnitts (das Spiel ist total OK, es gibt nichts zu meckern, fast ein Knitzia-Spiel: abstrakte Mechanismen mit einer bedingten thematische Linie, es ist aber nicht „mein“ Spiel. Als unser „Spiel des Monats“ akzeptiert).

2. “Small World – Realms”
Wir haben schon eine Menge „Small-World“ Erweiterungen gekostet. In allen spielen wir bestimmte reale oder virtuelle Spezies mit Sondereigenschaften, breiten uns in einer kleinen Spielbrettwelt aus und murksen uns gegenseitig ab, um dafür Siegpunkte zu bekommen.

In der heutigen Realms-Variante „A game of gods“ bekommt jeder Spieler von vorneherein drei feste Spezies zugeteilt, mit denen er zehn Runden lang das Sich-Ausbreiten und Andere-Abmurksen bestreiten muss. Außerdem bauen wir das Spielbrett erst nach und nach zusammen, und versuchen dabei, für unsere Völker topologische Vorteile herauszuholen. Doch im Wesentlichen ist die Kleine Welt sich gleich geblieben. Ein lockerer und – in der richtigen Stimmunge – unbeschwerter Spaß mit dem völkischen Totschlagen.

Gibt es strategische Überlegungen? Moritz, der online schon hunderte von Partien gespielt hat und alle Völker und Sondereigenschaften auf das Genaueste kennt, gewinnt im Zweikampf 98 von hundert Partien. Durch ein exaktes Ausreizen der angebotenen Völker-Kombinationen. Aber schon im Dreierspiel fängt Mitspielerchaos und Kingmakerei an. Locker bleiben! (Wir blieben locker!)

WPG-Wertung: Die neue Erweiterung bringt keinen neue Qualitäten ins Spiel. Weder nach oben noch nach unten. Nach Moritz’ Experten-Einschätzung ist „Small World – Underground“ die beste aller Kleinen Welten.

3. “Coloretto”
Ein lockerer Absacker war gefragt. Das wiederentdeckte Coloretto glänzt noch, aber sein Wiederspielreiz läßt schon etwas nach.
Moritz gewann mit der fundierten Post-Victoriam-Analyse: „Weil ich alles richtig gemacht habe.“

Keine neue WPG-Wertung für ein 7 Punkte-Spiel.

2 Gedanken zu „02.10.2013: Kleine Welt in Amsterdam“

  1. Ich verstehe nicht, warum es immer lange Diskussionen über solche Killerstrategien gibt: 
    Wer eine solche gefunden zu haben glaubt, kann sie dann auch auf einer halben Seite beschreiben (nachspielbar, programmierbar, nicht stark störbar durch Spielerinteraktionen, gegebenenfalls im 2-Personenspiel).
    Dann kann man es auch ( in einem Spiel ohne Zufallsmechanismus) leicht nachstellen und beurteilen. 
    Alles andere sind nur Gefühle oder Erfahrungen aus einer einzelnen Partie.
    Vielleicht gibt es ja eine Killerstrategie (das will ich gar nicht in Abrede stellen): dann aber bitte objektiv beschreiben!
    Guenther

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