19.10.2016: Exit aus der Rebellion

728, d.h. knapp 70% aller von uns bewerteten Spiele, haben wir am Westpark nur ein einziges Mal gespielt. Das wird von unseren Lesen zuweilen ja auch kritisch vermerkt. Doch damit haben wir nur einen Trend vorweggenommen, der brandaktuell auf dem Spielemarkt Einzug hält: Wegwerfspiele, die nur ein einziges Mal gespielt werden KÖNNEN, weil das Spielmaterial im Laufe eines einziges Spieles regelgerecht zerlegt werden muss: zerschnitten, zerrissen, verkrählert und durchstochen! Wirklich! Unweigerlich! Einem wahren Spieler zerreißt es das Herz, wenn er an sein nagelneues, bildschönes Spielmaterial Pinsel und Schere anlegen soll.

1. “Exit – Die Grabkammer des Pharao”

Exit – Grübeln im Quartett
Exit – Grübeln im Quartett

Genau dieses ist so ein Einmal-gebraucht-Wegwerf-Spiel. So steht es bereits klipp und klar auf der Schachtel: „Dieses Spiel kann nur 1 x gespielt werden.

Worum geht es? Vom Thema her sind wir als Reisegruppe in der Grabkammer des Tutanchamun eingeschlossen und müssen anhand von Hinweisen eines antiken Notizbuches den Stein von der Türe hinwegwälzen. Vom Spielablauf (euphemistischer Ausdruck) her müssen wir alle gemeinsam die sehr verdeckten und versteckten Rätsel eines Rätselheftes lösen, bis wir schlussendlich die richtige Lösungsnummer gefunden haben.

Die Aufgabenstellungen sind „geistreich“, nicht Bücherwissen wird abgefragt, sondern die Findigkeit, aus den vagen Andeutungen in der Spielanleitung und aus dem rätselhaftem Material, das wir uns im Zuge der Lösungsfindung angeeignet haben, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Exit – Die Lupe bringt es an den Tag
Exit – Die Lupe bringt es an den Tag

Zur Spielvorbereitung soll man das Rätselbuch und die Decodierscheibe auf dem Tisch bereit halten. Weiter heißt es in der Anleitung „Die seltsamen Teile lasst ihr zunächst in der Schachtel“. Einem findigen „Spieler“ sollte hier sofort das – nicht fett gedruckte – „zunächst“ auffallen. An keiner Stelle steht später, dass man weiteres, dringend gesuchtes Material aus der Schachtel holen soll. Aber wenn man das „zunächst“ im Hinterkopf behält – wenn ALLE Spieler diesen Text bedächtig und gedankenvoll gelesen und verinnerlicht haben – , dann fällt einem dieser Satz zu gegebener Zeit wieder ein, und man kommt auf den richtigen Gedanken.

Bei uns hatte zunächst nur Günther die Spielanleitung (vor)gelesen und von diesem Schlüsselsatz – einem von vielen – nur das Ende verinnerlicht: „Der Rest kommt in die Schachtel“.

Vehement stritt er später ständig ab, dass in der Schachtel vielleicht noch ein „blaues Original“ zu finden sein könnte. Erst nachdem wir uns zwanzig Minuten lang über dieses blaue Original vergeblich die Köpfe zerbrochen hatten, kam uns die Erleuchtung.

Exit – hier sieht man ihre Trümmer rauchen
Exit – hier sieht man ihre Trümmer rauchen

Überhaupt die Zeit! Es gibt eine Zeit-Tabelle, nach der jede Spielergruppe nach dem vollständigen Lösen der Exit-Regeln ihre eigene Leistung bewerten kann. Ein sehr anspruchsvoller Maßstab ist hier vorgegeben. Um die Höchstnote zu bekommen, müssen wir in 60 Minuten alle Rätsel gelöst haben und dürfen dabei keine einzige der 31 möglichen Hinweiskarten zu Hilfe genommen haben. Aber kann die Zeit überhaupt im Sinne des Erfinders sein? Sollen wir uns hektisch gegenseitig Anleitung, Regelheft und Zwischenmaterialien aus den Händen reißen, nur weil wir schneller als unsere Mitspieler den nächsten Lösungsschritt zu finden glauben? Ist es bei solchen Aufgaben nicht angemessener, sich in Ruhe und Kontemplativität hinzusetzen, die Aufgabenstellung als reizvolle, hübsche Gabe von Autor und Verlag anzusehen, und mit heiterem Genuss über der Lösung zu grübeln. Archimedes hat ja auch nicht mit Stress im Kopf und Stoppuhr in der Hand über den Auftrieb nachgedacht, sondern entspannt sein Bad genossen, bevor er mit seinem Heureka den betrügerischen Goldschmied an den Galgen brachte.

Unser superbegabtes, hochintelligentes fünfköpfiges Rateteam brauchte genau 2 Stunden und 8 Sekunden, um des Pudels Kern zu finden. Dabei benötigten wir 4 Hilfekarten: Note: 4 von 10 Sternen. Moritz war enttäuscht, Helmut erlöst, Aaron befriedigt, Günther erleichtert und Walter ging in den Keller, um eine neue Flasche Wein zu holen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (für den, der Knobeleien mag, ich mag sie nicht; ein „Spiel“ ist es nicht), Günther: 6 (ein unterhaltsamer Rätselabend; wenn das Spiel nicht meines, sondern Walters Eigentum gewesen wäre, hätte ich 7 Punkte vergeben), Helmut: 2 (schrecklich, grauenvoll, nicht zuletzt der zerstörerische Umgang mit dem Spielmaterial; da kaufen sich 5 gestandene Mannsbilder so ein Spiel, legen freiwillig alle Auflösungen unter die Kartenstapel und entscheiden gemeinsam, wann sie nicht mehr weiterwissen und drunterschauen müssen; in Zukunft können wir auch gemeinsam Kreuzworträtsel lösen), Moritz: 5 (als Rätsel-Kommunikations-Unterhaltung clever gemacht, unterhaltsam, aber kein „Spiel“; vermisst Konkurrenz; manches Spielmaterial sollte mehrfach vorhanden sein, damit es sich die Mitspieler nicht gegenseitig aus den Händen reißen müssen), Walter: 4 (1 Punkt mehr für die vielfältigen Design-Überlegungen, das Spielmaterial im Zuge der Lösung auch unbedingt kaputt machen zu müssen, 1 Punkt weniger, weil eine Lupe gefehlt hat).

Mit wachsender Skrupellosigkeit waren wir über das Spielmaterial hergefallen. Hammer, Schere und Dolch wurden immer unbedenklicher eingesetzt, bis am Ende von Seiten, Heft, Karten und Karton nur noch ein Schrotthaufen übrig geblieben war Der Seelenschmerz über die Zerstörung von nagelneuem, voll funktionsfähigen SPIELmaterial wurde mit den wachsenden Aufgaben und ihrer Endlösung immer geringer. Genauso wie beim Militär das Schießen auf Pappkameraden die Skrupel zum richtigen Morden abbaut. Oh KOSMOS, wieweit hast Du uns gebracht … ?

2. “Coup Rebellion G54”

Moritz begann aus der Spielanleitung vorzulesen: „Ziel des Spiel ist es, alle anderen Spieler zu eliminieren und als letzter Überlebender übrig zu bleiben.“ Aaron fiel erschrocken ein: „Noch ein Kooperationsspiel!“

Kooperation hin oder her, wir verdienen uns redlich Geld aus der Bank, rauben es unredlich von unseren Mitspielern, oder verteilen es auf gut christlich-kommunistischer Grundlage. Und wenn wir genug Geld beisammen haben, verdingen wir Mörder, die einen oder alle Mitspieler abknallen. Zwei Leben hat jeder Mitspieler, zweimal Geld gesammelt oder zweimal abgeknallt und schon hat die gute Seele ihre Ruh!

Die Effizienz unserer Geld-Sammel-Mörder-Aktionen wird durch Rollen bestimmt, in die wir dazu schlüpfen: Der „Banker“ bekommt gleich drei Geldeinheiten pro Zugriff, der gemeine Bürger nur eine. Ein „Guerilla“ muss mit vier Geldeinheiten bezahlt werden, er tötet auch nur das Leben eines einzigen Mitspielers. Der „General“ verlangt fünf Geldeinheiten, er verkürzt aber gleich alle Mitspieler um ein Leben.

Jeder Mitspieler bekommt zu Spielbeginn zwei feste Rollen zugeteilt, die kann ihm keiner streitig machen. Man darf allerdings auch bluffen und versuchen, in Rollen zu handeln, die einem nicht gehören. Die betroffenen Spieler dürfen sich auch wehren und bestreiten, dass man eine Rolle rechtens ausübt. Recht- und Unrechthaben wird ebenfalls mit Leben bezahlt. Zwei Leben sind schnell dahingegeben, das Spiel ist kurz.

Helmut hatte selber eine Banker-Rolle bekommen und bestritt sogleich die Banker-Rolle, mit der Moritz im ersten Zug drei Geldeinheiten einheimsen wollte. Moritz war aber tatsächlich ebenfalls Banker und Helmut war die Hälfte seiner Leben los. Gleich im nächsten, zweiten Zug schlüpfte auch Aaron in die Banker-Rolle und wollte drei Geldeinheiten auf seine Seite schaffen. Helmut zweifelte wieder an, doch auch Aaron hatte tatsächlich bei der Startaufstellung die dritte und letzte Banker-Rolle zugeteilt bekommen. Helmut war tot, bevor er auch nur einen einzigen Zug getan hatte. Darf so ein Verlauf in einem „vernünftigen“ Spieldesign enthalten sein?

Jetzt alle weiteren Aktionen aller Mitspieler anzuzweifeln und das Spiel schnellstmöglich zu beenden, wäre eigentlich spielerische Solidarität gewesen. Doch sowas ist heutzutage selbst am Westpark eine seltene Einstellung. Glücklicherweise ist das Spiel ohnehin schnell über die Bühne gebracht.

Moritz läutete eine zweite Runde ein, aber Walter war dagegen. Schneller Geld zu nehmen als die Mitspieler und sie schneller abzuknallen, das kann man doch keine abendfüllende Unterhaltung sein! Mit neuen, variableren Charakterkarten wurde die zweite Runde schmackhafter gemacht. Doch das Prinzip blieb unverändert.

Drei Wölfe waren im Nu erschossen, die Lämmer Aaron und Walter standen im Endspiel. Aaron war bekanntermaßen wieder Banker und bekam 3 Goldstücke pro Runde. Walter war nur Normalsterblicher mit 1 Geldstück pro Runde. Wer wird wohl schneller die nächsten Mörder bezahlen können? Alles nur eine Frage der Zeit. Aber wir waren ja klug und weise, wir konnten auch im Kopf extrapolieren und uns selbst diese kurze Zeitspanne noch ersparen.

Moritz war zwar der Meinung, durch legalen Rollentausch bzw. durch illegale Rollen-Usurpation hätte Walter noch eine Chance gehabt, doch darin hatte er ohne jeden Zweifel unrecht. Recht hatte er lediglich mit seiner Behauptung, dass Walter in solchen und ähnlichen Rollenspielen nicht lügen kann (Potenz-Defizit).

„Coup Rebellion G54“ ist nicht erkennbar anders als sein Vorgänger „Coup“. Es ist allerdings deutlich anders als „Hoax“ bzw. „Die Erben von Hoax“. Letzteres ist interaktiv, bluffig, kartenpflegerisch und man kann einen Gewinner-Coup vorbereiten, „Coup Rebellion G54“ ist so ziemlich das Gegenteil davon.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ein bisschen fehlt der Pfiff), Günther: 4 (fand „Hoax“ früher mal gut [7 Punkte], ob er es heute noch gut finden würde, weiß er nicht, auf jeden Fall war es besser als „Coup“), Helmut: 4 (eine vorschnelle Bewertung für seine 2 Sekunden Spielzeit), Moritz: 8 (nur „Hoax“ ist 10 Punkte wert [tatsächlich!]), Walter: 3 (ich wüsste nicht, wie und warum ich es noch einmal spielen wollte; für Deduktion bin ich zu alt, der Rest ist zu trivial).

3. “Abluxxen”

Nachdem Helmut neulich in der 3er Runde noch keinen Eindruck von dem überaus breiten Witz dieses Spiels hatte bekommen können, durfte er es heute in einer 5er Runde kennenlernen.

WPG-Wertung: Helmut blieb mit 7 Punkten einen ganzen Punkt unter dem bisherigen WPG-Durchschnitt (ich habe hier eine geistige Blockade, ich kapiere es [noch] nicht).

05.10.2016: Lieber bairisch sterben

Nein, der Titel ist kein Schlachtruf vom Oktoberfest. Und der Gegensatz zum Eigenschaftswort „bairisch“ wäre nicht „preußisch“ sondern „österreichisch“. Es geht um einen der vielen Kriege, den die beiden bluts- und seelenverwandten Volksstämme miteinander geführt haben, und zwar die einheimischen rebellierenden Bauern gegen die kaiserlich-österreichische Besatzungsmacht.

Der offizielle bayerische Herrscher war Kurfürst Max Emanuel, der zwar in der offiziellen wittelsbacher Hofgeschichtsschreibung als Eroberer von Belgrad auch heute noch eine gute Presse hat, im Grunde aber nur ein draufgängerischer Wein-Weiber-Waffenheld war (wie halt die Militärs dieser Welt) und nach seinen vielen Draufschlägereien Bayern finanziell ausgeblutet ver- und hinterlassen hat.

In der Szenerie von „Lieber bairisch sterben“ spielt er mit seinen blauen Truppen auch nur am Rande mit. Hauptfiguren sind die gelben Kaiserlichen und die aufständischen roten (!) Bauern. Als Bauernführer sind sogar explizit ein paar, durch Münchener Straßennamen wohlbekannte Namen wie „Kidler“ und „Plinganser“ erwähnt. Selbst der Schmied von Kochel spielt mit, dem hundert Jahre nach der Schlacht am Sendlinger Berg eine eindrucksvolle Statue errichtet wurde, obwohl diese Figur nachweislich nur eine erfundene Sagengestalt ist. Wasser auf Walters Gebetsmühle: Politiker lügen, Journalisten lügen, Historiker lügen! Alle!

1. “Lieber bairisch sterben”

Ein bewegender Kurfürst
Ein bewegender Kurfürst

Schon vor fast dreißig Jahren – nach Spiele-Lebenszeiten-Maßstab eine urdenkliche Zeit – hat Karl-Heinz Schmiel die wirklichen oder möglichen Abläufe des bayerischen Bauernaufstandes zum Vorbild für ein historisches Kriegsspiel genommen. Die drei Gruppierungen Kaiser, Kurfürst und Bauern rekrutieren Truppen, ziehen sich gegenseitig bekriegend durch ober- und niederbayerischen Gefilde, und bekommen in jeder Runde nach ihrem jeweiligen Eroberungsstand Siegpunkte.

Die Demonstration der Geschichte ist hier aber nur Hintergrund. Der schon damals erfahrene, um nicht zu sagen geniale Spieleautor Schmiel hat die Grundidee mit einer Fülle innovativer Spielemente angereichert, so dass wir hiermit nicht nur KRIEG spielen, sondern vor allem auch Krieg SPIELEN.

Motor des Ganzen sind Chips, die wir Runde für Runde von der Bank kostenlos bekommen. Die Chips gibt es in den Farben der drei kämpfenden Parteien, und wir können beliebig wählen, für welche Partei(en) wir unsere Chips haben wollen. Beliebige Chips können in bares Geld umgewandelt werden, das für den Truppenunterhalt benötigt wird. Partei-spezifische Chips werden zur Truppenbewegung und zum Erwerb von Kampfkarten benötigt. Wer zudem bei Beginn einer Runde von einer Partei die meisten Chips hat, ist ihr alleiniger Lenker und bestimmt alle Aktionen ihrer Kriegsführung:

  • Steuern eintreiben und Sold auszahlen (das geschickt noch automatisch)
  •  Truppen rekrutieren und Truppen hochrüsten
  •  Truppen bewegen und Kämpfe auslösen
  •  Strategie und Taktik innerhalb der Kämpfe steuern
  •  Kampfkarten erwerben, für gewaltige Vorteile beim Kämpfen

Die Kämpfe werden über Manöverkarten und Würfel abgewickelt. Die Manöverkarten bestimmen, welche Einheiten (Reiter, Schützen oder Bauernhorden) schwerpunktmäßig den Kampf tragen, und ob man stürmt, schießt, sturmläuft oder sich zurückzieht bzw. das gegnerische Manöver als „Finte“ neutralisiert. Innerhalb des Kampfes entscheiden Würfel über die Anzahl von erfolgreichen bzw. abgewehrten Treffern, wobei für die verschiedenen Einheiten und für die verschiedenen Manöverarten unterschiedliche Auswertungen des Würfelergebnissen zum Ansatz kommen. Bauernhorden ohne Anführer haben die geringste Wirkung und werden mehr oder weniger leicht weggehauen, Reiter im Sturm oder Hassard (was immer das ist, bei Wikipedia findet man lediglich den Beispielsatz: „die kosacken ham immer einen sog reiterhassard durchgeführt, der darauf abzielte, mit den langen säbeln die köpfe der zuschauer abzusäbeln“) sind am tödlichsten.

Ein wesentliches Merkmal des Spiels ist die Asymmetrie. Jede Partei besitzt unterschiedliche Kriegsziele, d.h. unterschiedliche Städte, deren Besitztum sich in Siegpunkten bezahlt macht. Jede Partei hat unterschiedliche Verfahren, sich aufzurüsten und zu bewegen.

Die bemerkenswerteste Erfindung des Spiels ist der Wechsel bei der Führung der Parteien. Es geht nicht allein darum, mit seinen Truppen eine hervorragende Position zu erringen, man muss auch noch in den nächsten Runden die meisten Chips ihrer Farbe haben. Wenn man nämlich aus einer hervorragenden Stellung heraus die Führung abgeben muss, übernimmt der Nachfolger mehr oder weniger kostenlos die gesamte Substanz, braucht sich kaum zu bewegen, d.h. kaum partei-spezifische Chips auszugeben, und kassiert für das gleiche Besitztum die nächsten und übernächsten Siegpunkte. Umgekehrt, wenn man als Lenker einer Partei kein weiteres Interesse mehr an ihr hat, und auch schon ahnt, dass ein anderer Mitspieler begierig ist, sie zu übernehmen, dann kann man sie noch schnell an die Wand fahren, und dem Nachfolger, der seine Chip-Anforderungen bereits eine Runde vorher anmelden musste, einen Schrotthaufen am Ende der Welt überlassen …

Wie verliefen die Kämpfe diesmal bei uns? In der ersten Runde sicherte sich Helmut den Kurfürsten; ihm genügte als einzigem erfahrenen Baiern fürs Erste die Randfigur; er wollte seine Mittel für seine Überraschungscoups im späteren Spielverlauf schonen. Das wäre ihm sicherlich auch gelungen, wenn Aaron mit den Kaiserlichen nicht einen schrecklichen Vernichtungskampf um Regensburg geführt hätte und damit die Königlichen in der Oberpfalz, weit weg vom Herz des Geschehens, abgesperrt hätte. Walter bekam zu Beginn die Bauern, entfachte mit Hilfe der Mönche großflächige Aufstände im ganzen Lande und konnte mit der Eroberung von Burghausen auch gleich seinen ersten Siegpunkt erringen. Allerdings hatte ihn das soviel Mittel aus seiner Privatschatulle gekostet, dass er in der zweiten Runde die Bauernführung nicht mehr halten konnte. Aaron übernahm sie und vermehrte mit deren vorzüglichem Eroberungsstand seine eigenen Siegpunkte.

Walter bekam auch nicht die Kaiserlichen in seine Hand, hier verlor er im Tie-Break das Bieten gegen Helmut, und da er auch keinen besonderen Anreiz darin sah, seine geschrumpften Mittel bei den Mönchen zu verpulvern, musste er nun verantwortungslos dem Kämpfen seiner Mitspieler zuschauen. Allerdings steckt im Eine-Runde-lang-nur-zuschauen-Müssen nicht soviel spielerischer Frust, wie man das vermuten könnte. Es ist schon sehr spannend zu verfolgen, was die Mitspieler da auf dem Spielbrett veranstalten. Die Bewegung der Truppen und der Ausgang ihrer Kämpfe hat in jedem Fall Auswirkungen auf die eigene zukünftige Planung.

Der Kurfürst marschierte konsequent auf München zu und vertrieb daraus die Kaiserlichen. Die Kaiserlichen zogen sich freiwillig bzw. aus Angst vor ein paar zusammengerotteten Bauern auch noch aus Straubing und Landshut zurück; sie punkteten nur noch in Regenburg. Ihre Lenkung anschließend zu übernehmen, bedeutete, gutes Geld dem schlechtem hinterher zu werfen. Schlecht getimed, Walter!

Ach was gäbe es noch alles zu erzählen über das bairische Leben und Sterben. Dreieinhalb Stunden währte das fröhliche Abmurksen, ohne jegliches Zeter und Mordio unter den Mitspielern. Hinterher waren wir nicht geschafft, dafür gab schon währende des Spielablaufes viel zu viel zu bewundern, zu diskutieren und auch zu kritisieren. Aber zweifelos ist „Lieber bairisch sterben“ ein Kunstwerk! Schon etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch unbestritten eine Großtat. Sollen wir bei der Venus von Milo monieren, dass sie keine Arme mehr hat, dass der Faltenrock verrutscht ist, und unter dem Kinn zwei Löcher sind. Schwamm drüber, genauso wie auch über die Ecken und Kanten in Schmiels „lieber bairisch sterben“! Für Beckmesserei ist das Spiel einfach zu genial.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (viele schöne Spielelemente, die auch heute noch beeindrucken; die Mechanismen sind locker, überschaubar, spannend und – überraschenderweise – nicht anstrengend; das Kampfsystem ist allerdings nicht stimmig, doppelt zufallsgesteuert mit zu vielen eingebauten Blockierungen; in dieser Beziehung ist „Friedrich“ sehr viel eleganter),
Walter: 7 (obwohl man eigentlich viele Dinge über mehrere Runden weg vorausplanen sollte, lässt es sich doch auch gut aus dem Bauch heraus spielen; für die grundsätzliche strategische Herausforderung sind leider zu viele, teils kleinlich-peinliche Zufallseffekte eingebaut),
Helmut: 10 (bei aller berechtigter Kritik besitzt das Spiel für den Jahrgang 1988 ein unglaublich innovatives Design, insbesondere der Wechsel in der Führung der Kriegsparteien. Dass wir manches für „unelegant“ halten, liegt einfach daran, dass wir 30 Jahre weiter sind. Es macht heute immer noch viel Spaß! Die vielen heterogenen Spielelemente greifen sehr gut ineinander. Meine Punkte enthalten auch einen Nostalgiebonus für das Lieblingsspiel aus meiner Jugend).

28.09.2016: Urlaub im Rokoko

Wir sind immer von Herzen froh, wenn wir ein schönes Spiel kennenlernen und in unserer Spielkritik eitel Lob und Honig fließen lassen können. Das Leben ist leider nicht immer so. Deshalb haben wir uns besonders gefreut, als uns vom urlaubenden Günther folgende Zeilen erreichten:

“Hallo, das diesjährige 2-Personenspiel Highlight in unserem Urlaub ist “7 Wonders – Duell”. Eine gute Prise Zufall, nicht zu lang, spannend. Schöne, auf das 2-Personenspiel angepasste Draftingmethode. Vorzeitige Gewinnmöglichkeiten durch Überlegenheit in Militär oder Wissenschaft erfordern ein ständiges Beobachten des Gegners.
Trotzdem genügend leicht und locker für ein gelungenes Urlaubsspiel! Ein echtes Highlight!

VIP Wilhelm schlug in die gleiche Kerbe:
Diese Einschätzung kann ich zur Gänze bestätigen. Auch ich halte “7 Wonders – Duell” für ein sehr gutes Zweierspiel – genau in der Art, wie Günther es beschrieben hast.
Und wo wir gerade dabei sind, kann ich meinerseits ebenfalls eine Empfehlung beisteuern, die mir und allen meinen (Viel-)Spielgruppen in letzter Zeit sehr positiv aufgefallen ist: “Costa Rica” (Lookout Games). Es ist ein glücksabhängiges Familienspiel (da höre ich den Münchner Westpark bereits kollektiv aufstöhnen), dabei aber spannend und ebenso kurz wie kurzweilig. Selbst in grübellastigen Runden sollte man nach einer halben Stunde fertig sein. Hauptspielprinzipien: Can’t Stop-Effekt und Set Collection. Auch gut zu fünft spielbar.

1. “Rokoko”

Szenerie im „Rokoko“
Szenerie im „Rokoko“

Als Deckbuilding-Spiel kündigte es uns Helmut an. Auch wenn dahinter Strategie stecken kann, was bekanntlich zu unseren Vorlieben zählt, ist es immer mühsam, in solche Spiele einzusteigen. Zu verstehen, welche Karten man aufnehmen und sammeln bzw. von welchen man sich zu welchem Zeitpunkt trennen soll, ist eine Wissenschaft für sich. Und ehe man dies halbwegswegs verstanden hat, ist ein Spiel schon vorbei. Und wenn man ein Spiel nur einmal spielt, was bekanntlich ja auch eine unserer Schwächen ist, ist das gesammelte Wissen höchstenfalls für eine post mortem Diskussion nutzbar.

Doch zum Glück ist „Rokoko“ kein „Deckbuilding-Spiel“. Wir fangen zwar alle mit einem Deck von Aktionskarten an und können es im Laufe des Spiel verändern, anreichern und ausdünnen, doch dieser Effekt geht im Grundrauschen der tausend Siegpunktquellen, die es an ungezählten Stellen im Spiel bereithält, völlig unter. Aaron assoziierte das Regelwerk nach Helmuts didaktisch vorzüglich aufgebautem Vortrag sogleich mit einer „Feld’schen Siegpunkt-Suppe“.

Drei Aktionskarten aus unserem Kartendeck dürfen wir uns für jede der sieben Spielrunden verdeckt auswählen. (Dabei müssen wir das Kartendeck wrap-around ausnutzen.) Reihum spielt jeder einzeln eine Karte aus und führt die entsprechende Aktion durch.

Alle Aktionskarten, selbst diejenigen, die wir uns im Laufe des Spiels erst aneignen, sind entweder Meister oder Geselle oder Lehrlinge im Schneiderberuf. Davon kann ein jeder:

  • auf dem offenen Markt Stoffe, Garn oder Spitzen einkaufen,
  • sind in den Ruhestand begeben, d.h. sich selbst aus dem Stapel der Aktionskarten eliminieren,
  • den Rokoko-Hof des Spielbretts gegen Geld mit Springbrunnen, Feuerwerk, Musikern oder Statuen beleben.

Der Geselle kann zusätzlich

  • Kleider schneidern und sie entweder verkaufen, um damit Geld zu machen, oder sie verleihen, um damit in den Sälen des Hofes auf Siegpunktefang auszugehen,
  • die “Gunst der Königin” empfangen, d.h. in der nächsten Runde Startspieler werden.

Der Meister kann weiterhin zusätzlich

  • Kollegen einstellen, d.h. eine der ausliegenden neuen Aktionskarten in sein Deck aufnehmen.

Jede einzelne der Aktionskarten hat noch weitere individuelle Nebeneffekte, wie Geldeinnahmen oder Zusatzaktionen. Nicht alle Meister sind gleich, genauso wenig wie alle Gesellen oder alle Lehrlinge.

Der Markt für Stoffe, Garne und Spitzen ist beschränkt, nicht alle Stoffarten stehen in unbegrenzter Menge zur Verfügung; vor allem unterscheiden sich die angebotenen Pakete auch in der Menge der zu kaufenden Objekte. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, muss allerdings auch mehr dafür bezahlen.

Die zu schneidernden Kleider sind in Stoffart und Appreturen genau vorgeschrieben. Außerdem liegen sie in einer fest vorgegebenen Reihenfolge vor. Wer ein Kleid aus den höheren Positionen dieser Reihenfolge fertigstellen will, muss zusätzlich noch eine Menge Geld dafür hinlegen.

Neue Kollegen einzustellen, ist (fast) in jedem Fall empfehlenswert. Wer zuerst tätig wird, muss auch mehr bezahlen. Alles ganz ausbalanziert. Der Vorteil, der Erste zu sein, ist mit feinen Sticheleien vergällt. (Nicht wirklich.)

Siegpunkte gibt es am Spielende

  • für die meisten und zweitmeisten verliehenen Kleider in jedem der fünf Säle des Hofes,
  • für die meisten und zweitmeisten veranstalteten Feuerwerke,
  • für verschiedenes Sonderbesitztum.

Wer sich in der letzten und vorletzten Runde mit der Aktion “Kollegen einstellen” einen der dort angebotenen “Prämien-Kollegen” zugelegt hat, bekommt zusätzlich massig (!) Siegpunkte

  • für sein übriges Garn und Spitze,
  • für bestimmte Kombinationen von verliehenen Kleidern,
  • für die Anzahl Aktionskarten in seinem Schluss-Kartendeck.

Alles liefert Siegpunkte, solange man bei einem Engagement der Erste oder der Zweite ist. Und weil alle Spieler nur eine begrenzte Aktionsreichweite haben, bleibt für jeden etwas übrig, wo er sich an die Spitze stellen kann.

Drei Mitspieler sahen vor lauter Siegpunktquellen kein Land mehr, nur Helmut hatte einen Peil und ging mit Strategie und Taktik seine Mehrheiten an. Nach drei (!) Stunden Spielzeit hatte er 83 Siegpunkte auf seine Seite gebracht, über 40% mehr als der Zweitplatzierte. Da er in jeder Runde auch mindestens einen neuen Kollegen eingestellt hatte und somit 4 Aktionen durchführen konnte, bekam er im Durchschnitt 3 Siegpunkte pro Zug. Viel oder wenig? Zumindest sollte man die kleinen Mehrheitsprämien nicht verachten und die großen Siegpunktquellen, vor allem diejenigen, die durch Prämien-Kollegen erst zu sprudeln beginnen, sich gezielt nutzbar machen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Spiel dauert viel zu lang), Helmut: 7 (das Spiel hält viele Taktiken bereit, die aber nicht alle in den Griff zu kriegen sind; die Bonus-Karten am Ende stellen ein Balance-Problem dar. Ein sehr gutes 2-er Spiel mit der spielbegeisterten [wo gibt’s das schon!] Ehefrau; der Deckbuilding-Mechanismus ist nur rudimentär umgesetzt), Moritz: 6 (eine individuelle Siegpunkt-Maximierung ohne viel Interferenzen, das Thema ist aufgesetzt; fraglich, ob ich es noch einmal spielen möchte), Walter: 6 (solide, alles rund und schön, aber – gerade deswegen – ohne den gewissen Kick).

2. “Abluxxen”

„Rokoko“ hatte Platz nur noch für einen Absacker gelassen. Da Helmut aber aus einem anderen Spielestall kommt, sollte er bei uns zugleich auch noch ein neues Spiel kennenlernen. Da kam „Abluxxen“ gerade recht.

Entweder wurden die Karten zu gleichmäßig gut / schlecht verteilt oder wir waren alle zu brav eingestimmt (kann eigentlich nicht sein), oder in einer 3er Runde spielt es sich halt zwangsläufig so: Mehr oder weniger linear spielte jeder seine eigene Kartenhand ab. „Abluxxen“ konnte nur ein Bruchteil seiner spritzigen Überraschungseffekte zeigen. So wie ein rassiges Rennpferd eingespannt vor den Ackerpflug.

WPG-Wertung: Unser „Spiel der Monats April 2014“ mit unisono guten Wertungsnoten zwischen 8 und 9 erhielt von Helmut „nur“ vorsichtige 7 Punkte („kein Kommentar“).

21.09.2016: Überall Mysterien

Wenn ein Piefke eine Omma im Ösi-Land hat und ihr die freudige Mitteilung machen will, dass er endlich von Viagra losgekommen ist (oder so ähnlich), so wird sie diese frohe Botschaft wohl nie erhalten. Ein Zerberus irgendwo auf der Strecke zwischen A und DE klassifiziert jede deutsche Mail mit dem Wörtchen „Viagra“ als Spam:

SMTP error from remote server for RCPT TO command, host: mx-in.cablelink.at (213.153.32.149) reason: 550 82.165.159.40 , https://www.spamhaus.org/sbl/query/SBL229648

Wenn man bedenkt, wieviel schuldige Spam-Mails uns trotz unserer potenten Spam-Filter doch noch zugestellt werden, dann ist es schon erstaunlich, welche Mails umgekehrt unschuldigerweise mit diesem Attribut versehen und zurückgewiesen werden.

1. “Mysterium”

Mysterium – Moriz bildet sich, Helmut demonstriert, Aaron staunt
Mysterium – Moriz bildet sich, Helmut demonstriert, Aaron staunt

In einer Mischung aus „Cluedo“ und „Dixit“ sollen wir in Mörder, Mordzimmer und Tatwaffe eines willkürlich zusammengestellten Kriminalfalles herausfinden.

Das Spiel läuft in zwei Stufen ab. Zuerst muss jeder Spieler („Spiritist“) den Verdächtigen herausfinden, der ihm persönlich zugeteilt ist. Gelingt das einem Spieler nicht, so ist das Spiel nach der ersten Stufe bereits beendet und alle haben verloren. Das Spiel ist nämlich ein Kooperationsspiel.

Wurden in der ersten Stufe alle Verdächtigen identifiziert, so müssen die Spieler jetzt in der zweiten Stufe herausfinden, welcher der Verdächtigen der wirkliche Mörder ist. Es wird mehrheitlich abgestimmt und wiederum haben alle gewonnen oder alle verloren.

Wie findet man was heraus? Mörder, Mordzimmer und Tatwaffe sind jeweils auf Grafiken abgebildet. Sechs Stück davon liegen von jeder Sorte in der ersten Stufe auf dem Tisch. Je eines von jeder Sorte ist jedem Mitspieler zugeordnet. Ein „Geist“ (zusätzlicher Spieler) arrangiert willkürlich diese Zuordnungen. Dann legt er jedem „Spiritisten“ ein oder zwei Bildkarten vor, die ihn auf die Spur seiner Zuordnung bringen sollen. Die Spur kann irgendein gemeinsames Detail, eine gemeinsame Farbgestaltung, eine gemeinsame Idee oder jedes beliebiges Hirngespinst sein, die im Kopf des „Geistes“ eine Verbindung schaffen. Diese Verbindung gilt es ausfindig zu machen. Das ist der Witz des Spiels.

Hier ist auch schon eine Herausforderung an den „Geist“ abzulesen: Der Geist darf nämlich nicht nur innerhalb seiner eigenen Assoziationspotenz schwelgen. Er muss sich auch darüber Gedanken machen, wes Geistes Kind seine Mitspieler sind. Er soll ihnen ja helfen, die Rätsel zu lösen, und er gewinnt ebenfalls nur dann, wenn sie den Kriminalfall erfolgreich lösen. Wenn z.B. Walter nur auf der primitiven Ebene von Farben denken kann, dann ist es kontraproduktiv, ihn Querverweise aus dem Reich futuristischen Monster finden zu lassen.

So war es zumindest im ersten Spiel. Walter schaffte die erste Stufe nicht und alle hatten verloren. Immerhin waren wir über den gesamten Hergang noch etwas unschlüssig und starteten sofort einen neuen Versuch. Diesmal war Aaron der Geist. Eine große schwarze Spinne über einer runde Lampe mit einer Näherin und Spinnrad-Utensilien zu assoziieren, das brachte diesmal sogar Walter fertig. Die erste Stufe wurde mit Bravour gelöst. Als es dann aber in der zweiten Stufe daran ging, eine düstere Londoner Straßenszene mit einem Kommissar und nicht mit dem Turmzimmer zu assoziieren, versagte die Mehrheit. 2:0 für das „Mysterium“. Nur Helmut hätte gewonnen, aber auch er musste mit uns ins Gras beißen. „Mysterium“ ist ja ein reinrassiges Kooperationsspiel.

Welche ideellen Verbindungen der „Geist“ schlussendlich mit seinen Helfer-Bildkarten verbunden hatte, das wird in „Mysterium“ leider nicht aufgeklärt. Er muss die ganze Ratephase über schweigen. Erst nach Ende des Spiels dürfte er reden, aber da sind die ca. 20 Karten, die er im Laufe des Spiels seinen Spiritisten aufgetischt hat, schon längst vergessen. Schade, der schönste Teil der Unterhaltung ist weggelassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist in allen Belangen schlechter als sein Vorbild „Dixit“), Helmut: 5 (Tendenz zu 4, das Spiel ist überhaupt nicht mein Ding, bekommt aber einen Pluspunkt für Design und Material; ich würde nicht schreiend davonlaufen, wenn es jemand noch einmal vorschlagen würde), Moritz: 7 (das Spiel funktioniert und hat Spaß gemacht; vom Thema ist nichts zu spüren, aber im Design steckt eine akzeptable kreative Leistung), Walter: 4 (das unterhaltsamste Element von „Dixit“, nämlich die Erklärungen von Erzähler und Erzählten, was sie in ihrem Bild gesehen haben und welche Assoziationen sie mit ihrer Aussage hatten, das ist in „Mysterium“ leider total untergegangen).

2. “Saami”

Weil die geplante Veröffentlichung von Oktober 2016 in Essen auf 2017 verschoben wurde, fand Aaron noch reichlich Zeit, an den tausend Rädchens seiner Neuerfindung zu drehen. Heute durften wir wieder unseren Senf dazu geben.

Die Siegpunkt-dominante Rolle des monarchischen Häuptlings ist abgebaut, der Segen fließt jetzt gleichmäßiger über alle oligarchischen Mitglieder des Rates. Und wenn sich dort keine Seilschaften bilden, haben sogar Krämerseelen noch eine Chance, in den Krümeln am Boden unterhalb des Tisches der Herren den Siegeslorbeer zu finden und davon zu tragen.

Moritz hatte den neuen politischen Wind noch nicht mitbekommen und setzte alles dran, die gesamte Saami-Politprominenz mit seinen Leuten zu unterwandern. Niemand vom Fußvolk holte für ihn die Kastanien aus dem Feuer. Mit wahren Sintfluten von ungeschützten Strafpunkten setzte er sich weit vom Feld ab. Leider in der falschen Richtung. „Ich sage definitiv nein!“ wetterte und zeterte er gegen den fassungslosen Aaron. Was konnte der denn dafür, dass Moritz die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatte, und es dem Spiel übel nehmen wollte, dass es ihn mit seiner todsicheren Siegstrategie im Stich ließ?

Das Spiel ist schnell, chaotisch, höchst interaktiv, es brennt an allen Ecken und Enden, jeder kann Druck machen, keiner kann in Ruhe und Überlegenheit seine Empire-Building-Potenz ausspielen. Und das ist auch gut so.

Nachdem Moritz mit seiner Ein-Mann-Partei gescheitert war, versuchten sich Aaron und Walter diesmal zu zweit in der Politik. Gemeinsam kann man schon mal die samische Welt aus den Angeln heben. Allerdings muss man sich das zuweilen auch das letzte Hemd kosten lassen. Das warf Walter in die Waagschale, schlug damit den letzten Piraten in die Flucht ab und verhalf somit seinem Mitstreiter Aaron auf das Pferd.

Wenn in der letzten Katastrophe nur ein einziger Pirat mehr aufgetaucht wäre – Zufallseffekt – , wäre die Rettungsaktion nicht erfolgreich gewesen, alle Herren im Rat wären leer ausgegangen, und der unpolitische Helmut hätte mit den Siegpunkt-Krümmelchen in seinen Fischerkaten den bescheidenen Sieg davon getragen.

Spricht das für oder gegen das Spiel-Design? Ja, wenn man stundenlang mit Geist und Verstand ein tausendjähriges Reich errichtet, und dann wegen eines lumpigen Zufalls im letzten Zug den zum Greifen nahen Sieg entrissen bekommt, dann wäre das Design verfehlt. Aber wenn man in einem schnellen Spiel voller Unwägbarkeiten einem höchst spielerischen Auf-und-Ab unterworfen ist, dann ist dieser Ausgang spannend und stimmig. Mit dieser Einstellung sollte man an „Saami“ herangehen, egal an welchen Schräubchen Aaron noch drehen wird. Helmut war’s zufrieden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Helmut meinte noch, wenn man die Holzklötzchen in Saami, die heute noch „Waren“ genannt werden, in „Rentiere“ umbenennt, würde das dem Spiel einen hyperthematischen Einschlag geben.

14.09.2016: Olle Camelen

„Sicherheit in der Kritik fordert uneingeschränkten Freimut. Die Liebe zur Wahrheit fordert als unerläßliche Pflicht unbestechliche Gerechtigkeit, und auch unsere Freunde werden darin keinen Grund zu Klage finden, weil die Kritik, die nur Gerechtigket und Wahrheit zum Gegenstand hat, und nicht von dem unheilvollen Streben besessen ist, schlecht zu finden, was gut ist, zwar einmal in die Irre gehen kann und sich zu einem Widerruf genötigt sehen kann, niemals aber jemanden verletzen wird …“ (Melchior Grimm)

1. “Camel Up”

Eine Dame, vier Herren und fünf Kamele
Eine Dame, vier Herren und fünf Kamele

Moritz kam pünktlich und wie erwartet um 18:43 mit dem Zug von einer Konzertreise aus Hannover an. Sabina, die Tochter des Hausherrn, kam zu einer Emergency-Übung aus Barcelona angereist und schloss sich spontan der Männerrunde an. Wir nutzten den letzten heißen Mittwoch, vor allem die letzte laue Mittwoch-Nacht dieses Jahres zu einer lockeren Runde mit lockeren Spielchen auf der Terrasse am Westpark.

Locker fing der Spielabend schon mal mit „Camel Up“ an, ein Spiel, das als ernsthafte Herausforderung von vier Spielhaien keine Chance gehabt hätte. Schon bevor dieses Spiel zum Sieger als „Spiel des Jahres 2014“ gekürt worden war, hatte Günther die Nase darüber gerümpft und wir haben das Rümpfen (fast) alle übernommen. Aaron hatte es sich damals nach seiner Siegerkür trotzdem zugelegt und gab es heute in der unerwarteten 5er Runde nochmals zum Besten.

OK, das Spiel wurde 2014 nicht um „Kennerspiel“ gewählt, sondern „nur“ zum „Familienspiel“ des Jahres. Diese Rolle kann es zweifellos ausfüllen. Günthers verbalisierte Unsicherheit: „Soll ich jetzt die blaue Farbe nehmen? Man weiß es nicht!“ steht über allen möglichen Zügen des Spiels. Man darf ein bisschen Wahrscheinlichkeiten üben, ansonsten aber locker drauflos spielen und sich von den Überraschungen des Würfels mitziehen lassen. Dafür ist es wenigstens schnell genug.

Zwei kleinere sachliche Kritikpunkte zum Design:

  1. Da es zulässig ist, dass alle Spieler ihr Oase-Plättchen während einer Epoche beliebig oft legen und verlegen dürfen, ist es – theoretisch – denkbar, dass ein Spiel nie endet. Eigentlich hätte eine solche Situation per Regel verhindert werden müssen.
  2.  Für ein Kamel zu würfeln und es vorwärts zu ziehen, schafft zuweilen ganz neue Klarheiten, und zwar absolut unvorhergesehene. Der Spieler nach diesem Kamelbeweger hat dann die größten Chancen, darauf gezielt zu reagieren und dicke Punkte einzuheimsen. Dem letzten Spieler, vor allem in einer größeren Runde, sind hingegen alle Felle weggeschwommen, bevor er wieder am Zug ist. Das könnte man als “ungerecht” bzw. als Schwäche in der Balance ansehen.

Aber das alles stört doch alles keinen großen Geist. Zumindest in einer fröhlichen Familie. Wir haben heute bei „Camel Up“ viel – positiv – gelacht. Sicherlich lag das nicht ausschließlich an Sabina.

WPG-Wertung: Der bisherige Schnitt von 5,6 Punkten wurde heute deutlich verbessert: Moritz: 6 (das Spiel ist gar nicht so schlecht), Sabina: 7 (nett durchdacht, schnell, knackig)

2. “Krazy Wordz”

Kein Familienspiel, besonders nicht in der Modifikation als Aufgabenstellung für Erwachsene. Aber vier Männer und eine Frau, da kann man doch über Liebesschwüre, sowie über reale Tatsachen wie Scheidenkrampf und „mal groß mal klein“ eine ganze Weile süffisant lachen oder lächeln.

Aaron: “Eines der besten Partyspiele, die ich kenne. Kommt in jeder Runde an.“ Nicht umsonst ist er mit 8 Punkten der Spitzenreiter in unseren Wertungsnoten. Allerdings nur bis heute.

WPG-Wertung: Sabina vergab mit 9 Punkten („lustiges Partyspiel“) gleich zwei Punkte mehr als der bisherige Schnitt. Sie ist ja auch nur halb so alt wie unsere Riege älterer Männer.

3. “Karuba”

Sabina zog ab und die verbleibende Viererrunde konnte sich einem Maximal-4er-Spiel zuwenden: „Karuba“ von Rüdiger Dorn.

Wie bisher bei jedem Auflegen am Westpark tauchte unverzüglich die verwunderte Frage auf: „Was passiert, wenn alle das gleiche tun?“ Das wäre ein äußerst trivialer Spielverlauf, und alle Spieler würden mit der gleichen Siegpunktzahl auf dem Treppchen landen. Unbefriedigend! – Rüdiger Dorn hat glaubhaft versichert, dass das nicht vorkommt. Es kam bei uns bis jetzt auch nicht vor, irgendwann setzt ein Spieler doch andere Prioritäten als seine Konkurrenz. Immerhin haben diesmal Aaron, Moritz und Walter die ersten drei Teile identisch verlegt. Rüdigers Versicherung schien schon ins Wanken zu geraten.

„Karuba“ ist ein konstruktives, höchst friedliches Spiel. Interaktion wird klein geschrieben. Sie besteht im Wesentlichen aus einem Blick auf die Konstruktionen der Mitspieler, um beim Wettlauf zu den vier Zielen nicht zu oft einem Mitspieler hinterher zu laufen.

WPG-Wertung: Moritz ging mit unseren bisher guten 7,5 Punkten nicht konform: 5 (eintönig, keine Spannung. [Ihm fehlen halt die Kanonen, mit denen man die Konkurrenten vom rechten Wege abbringen kann!].

Heute fiel uns erstmals auf der Spieleschachtel HABAs Qualitätssiegel „Spieleabend approved“ auf. Damit soll versichert werden, dass „die HABA-Familienspiele in Spielerunden von Freunden und Familien getestet“ wurden. Aber hallo, ist das nicht eine Mindest-Anforderung bei jeder Spiele-Entwicklung! Gibt es denn stubenhockerische Einzelgänger, die im stillen Kämmerlein ihre Spiele entwickeln und sie dann auf den Markt bringen ohne sie in vielen Runden mit verschiedenen kompetenten Spielern der jeweiligen Zielgruppe getestet zu haben? Seltsam, seltsam!

4. “Bluff”

Im ersten Durchgang gewann Günther mit 5:0 gegen Aaron. Im zweiten Durchgang traten die Loser Walter und Moritz gegeneinander an. 4:0 für den Sieger. Wenn man’s kann ungefähr, ist’s halt ein reines Glücksspiel … [Nicht im Ernst!]

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

07.09.2016: Mein Dorf in Karuba

Unser Aaron ist unter die Komparsen gegangen. Heute hatte er den letzten Drehtag für einen süßen, kleinen Reklamefilm. Anstatt sich in Rüdiger Dorns „Karuba“ Wege durch Wald und Flur zu bahnen, führte er reifere Damen auf verschlungenen Waldwegen durch die Niederungen des Memminger Flughafens. „Der Dreh heute dauert länger als geplant. Ich werde vermutlich erst so gegen 20:30 am Westpark sein“ lautete seine Hiobsbotschaft. Das Rest-Trio konnte nur hoffen, dass eine sechsstündige Vorausplanung am Filmset realistisch ist.

1. “Karuba”

Eigentlich wollte Horst gleich zu Beginn ein abendfüllendes „My Village“ auflegen. Von seiner Familie hatte er sich freigeben lassen, und mit seiner Anreise per Drahtesel hatte er sich auch von der vorletzten U-Bahn unabhängig gemacht. Aarons Komparserei machte jetzt einen Strich durch diese Rechnung. Schnelle, lockere Warming-Ups waren angesagt. Da kam „Karuba“ gerade recht.

Bis die Endausscheidung zum „Spiel des Jahres 2016“ hat es dieses leicht zu erklärende und locker ablaufende Spiel gebracht. Bei uns wurde es sogar „Spiel des Monats 2016“. Im Report vom 27.05.2016 habe wir es beschrieben.

40 Minuten soll die Spieldauer sein. Wobei wir am Westpark in der Regel noch 50% drauflegen müssen. In „Karuba“ aber nicht. Einschließlich Vorgeplänkel und Erklärung waren wir in der angegeben Zeit durch. Horst war so begeistert, dass wir mit allseitigem Einverständnis gleich noch einen zweiten Durchgang anfügten.

WPG-Wertung: Zum bisherigen Schnitt von 7,3 vergab Horst 8 Punkte (mit einer Tendenz für 9, „so eine Spannung in einer so kurzen Zeit!“ Er wird es sich umgehend für seine eigene Spielrunde zulegen)

2. “My Village”

Großer Platzbedarf für „My Village“
Großer Platzbedarf für „My Village”, kontemplative Mitspieler

Aaron war noch nicht da, hatte aber auch nichts darüber verlauten lassen, dass seine Dreharbeiten noch länger dauern würden. Volles Risiko bauten wir schon einmal „My Village“ auf; das nimmt ja schon mal zehn Minuten in Anspruch. Als erstes brauchten wir einen Zusatztisch für Getränke und Gummibärchen, die Menge an Landschafts-, Produktions- und Verwaltungskarten, mit denen jeder Spieler in „My Village“ seine eigene Kolchose aufbaut, nimmt eine gewöhnliche Tischfläche voll in Anspruch.

In diesem üppigen Aufbau-Optimierungsspiel erweitern wir pro Zug unseren Betrieb um eine neue Wirtschaftsfläche, oder wir nutzen die vorhandene Produktionskapazität für die Erzeugung von Gütern, Geld oder direkten Siegpunkte.

  • Kornfelder produzieren Geld. Wofür wir das brauchen, das kriegen wir später.
  • Handwerkliche Betriebe produzieren fünf verschiedenen Güter, mit denen wir später Kunden oder Kirche bedienen können.
  • Kundenaufträge listen die Güter auf, für deren Produktion und Ablieferung wir Siegpunkte erhalten.
  • Reisen bildet! Für Reisekarten erhalten wir direkte Siegpunkte, sonst allerdings nichts.
  • Geld- und Güter-Investitionen in den kirchlichen Bereich liefern überproportional wachsende Siegpunkte und weitere kleine Vergünstigungen im dörflichen Leben.
  • Rathäuser generieren Geld, indirekte Siegpunkte oder Joker-Güter.
  • Versammlungsplätze erzeugen W-Potenz. Was das ist, das kriegen wir gleich.

Für jeden der verschiedenen Züge, den wir tun wollen, müssen wir eine vorgeschriebene Zweier-Kombination von Würfeln vorweisen, von zweimal die Eins bis zweimal die Zwölf. Damit kommen wir zum Knackpunkt des Spiels. Pro Zug würfelt der Startspieler elf Würfel aus. Reihum reserviert sich dann jeder Spieler zwei davon aus, mit denen er seinen Zug bestreiten will. Eine hübsche Konstruktion.

Klar ist, dass der Startspieler bei der Würfelauswahl erhebliche Vorteile hat; deswegen darf jeder Spieler auch einen Zug opfern, um in der nächsten Runde selber Startspieler zu werden. Doch dieser Vorteil wird durch eine ganze Reihe von Möglichkeiten entwertet.

  1. Es gibt oft mehrere gute Züge, die man auch noch in verschiedenen Reihenfolgen durchführen kann, so dass man nicht streng von einer einzigen vorgegebenen Kombinationen abhängig ist.
  2. Der letzte Spieler eine Runde kann immer noch aus fünf Würfeln wählen; damit stehen oft genug noch ausreichend viele „natürlich gute“ Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung.
  3. Es gibt auch einen durchaus akzeptablen Zug, nämlich die Bewegung des Oberhauptes, den man mit jeder beliebigen Würfelkombination ausführen darf.
  4. Mit Geld, der Frucht unserer Kornfelder (siehe oben) können wir einzelne Würfel modifizieren, d.h. die Augenzahl um eins nach oben oder unten drehen.
  5. Mit W-Potenz (siehe Versammlungsplätze) können wir gar einen Würfel auf eine frei wählbare Zahl drehen.

Fazit, wenn man bei der Übernahme der Startspielerposition nicht noch weitere Vorteile einheimsen könnte, würde sich dieser Zug nicht lohnen.

Was lohnt sich dann? Das ist die Crux des Spiels. Es lohnt sich zuviel! Zuerst muss man sich natürlich die “richtige” Produktionsmaschine zurechtlegen. Ein bißchen W-Potenz, ein bißchen Geld-Potenz, dann aber eine optimale Anzahl von Produktionsfeldern mit der gleichen Würfelkombination. Mit einer bestimmen Würfel-Kombination darf man nämlich nicht nur ein einziges seiner Felder aktivieren, sondern alle Felder, für die diese Kombination vorgeschrieben ist.

Da steht der Startspieler vor geschlagenen elf Würfeln, von denen er nur zwei braucht, die er aber ggf. noch modizifieren bzw. auf beliebige Werte drehen darf. Er hat eine Menge zu denken. Vor allem am Anfang, wenn er beim Aufbau seiner Maschine noch als dem Vollen schöpfen kann. Jeder Spieler darf dabei auch noch überlegen, ob er mit bestimmten Würfeln, die er für sich reserviert, seinen Mitspieler die Kombinierbarkeit unter den Restwürfeln erschwert. Kurz und gut: es muss gedacht werden. Leider viel zu lange. Eine überschlägige Rechnung zeigt: Wir haben in drei Stunden Spielzeit (ohne Erklärung) das Spiel über die Runden gebracht; dabei war jeder Spieler etwa 20 mal an der Reihe. Alle langen und breiten 9 Minuten durfte ein Spieler also einen Zug ausführen. Ziemlich kontemplativ!

Günther baute sich eine hübsche Handwerkersiedlung, über die er später am laufenden Band (d.h. immer wenn er dran war) Kundenaufträge realisierte. Mit 68 Siegpunkten (Erster) bekam er ein Drittel mehr als Walter (Letzter), der nach ca. 60 Minuten resigniert hatte und mit seinen W-potenten Zügen lediglich Bier braute, neue W-Potenz erzeugte, und sich um Fürbitter bemühte. Dafür war Günthers Vorsprung doch noch recht erträglich.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel dauert doppelt so lang, wie ich diese Art von Spiel ertragen kann), Günther: 6 (kürzer wäre besser), Horst: 7 (die Spieldauer ist für diese Art von Spiel angemessen; wenn ich mit Würfeln optimieren kann, möchte ich dazu Zeit bekommen; ich liebe Würfel-Aufbau-Optimierungsspiele), Walter: 5 (saubere Konstruktion, gute Balance, leider ohne jegliche Interaktion, nicht einmal beim Zugriff auf die Felder gibt es eine nennenswerte Konkurrenz; zu lange Wartezeit; als Solitärspiel würde ich ihm 8 Punkte geben).

31.08.2016: Plündern, einstreichen, abkassieren

Nein, die Westpark-Gamers sind noch nicht tot, nur weil sie im Monat August nichts von sich haben hören lassen. Lediglich ihre einleitenden Gesprächsthemen bewegen sich langsam auf das übliche Rentner-Niveau zu: Bandscheiben, Galle, Herzinfarkt, grauer Star und Rheuma. Alles nur körperlich, der Geist bleibt fit!

1. “Loot Island”

Balance, Balance, immer noch kein Ende mit dem Feilen an der Balancierung in Aarons Eigenentwicklung:

  • Die Schatzkarten wurden noch “gleichwertiger” gemacht, so dass der Sieg weniger über die zufällig aufgedeckten Super-Schätze errungen wird, sondern über die Menge der mit ehrlicher Taktik erworbenen Schätze. Das soll doch wohl das Herzstück des Spiels sein und bleiben.
  • Die Schätze sind hochwertiger geworden, so dass ihr Erwerb noch mehr Freude auslöst.
  • Es gibt keine “nutzlosen” Schätze mehr, die besonders gegen Spielende hin für Frust sorgen konnten; jeder Schatz kann zumindest zum Beseitigen eines Fluches herangezogen werden.
  • Es wurden mehr Flüche unter die Schätze gemischt. Es bleibt eine der entscheidenden Herausforderungen des Spieles, die richtigen Flüche loszuwerden.
  • Die General-Joker-Karten mit ihrer extremen Potenz wurden zugunsten von farb-spezifischen Jokern mit gebremstem Schaum abgeschafft. Auch diese Maßnahme zielt gegen Zufallseffekte und fördert das taktische Element.

Wir haben den Eindruck, wie immer, dass das Spiel so, wie es ist, in Produktion gehen könnte. Allerdings hat „What’s your Game“ entschieden, dieses Jahr in Essen nur einen Prototypen davon vorzustellen. Auf den Markt gebracht werden soll es jetzt erst auf der Spielwarenmesse 2017 in Nürnberg.

Ach ja: gewonnen hat Günther mit der Strategie, sich die höchstwertigsten und höchstverfluchten Schätze an Land zu ziehen, und jede freie Aktion dazu zu nutzen, die Flüche auch alle abzubauen. Aber garantiert ist das keine Universal-Gewinnstrategie. Man kann dagegenarbeiten, denn Interaktion steht in „Loot Island“ an erster Stelle.

Noch keine WPG-Wertung, aber Horst würde das Spiel bei 7 Punkten ansiedeln.

2. “Visby”

Aktionskarten und Zählerkarten von "Visby"
Aktionskarten und Zählerkarten von “Visby”

Horst war unschlüssig, ob er das Spiel zum Westpark hätte mitbringen sollen. „Ich bin mir nicht sicher, ob und wie das Spiel funktioniert.“ Dafür ist „Visby“ aber ein schnelles Spielchen, und zwanzig Minuten Lebenszeit opfern wir alle sehr gerne, um eine neue Idee kennenzulernen.

Ganz neu ist die Spielidee von Visby natürlich nicht, nur neu verpackt. Jeder Spieler hat (die gleichen) acht Aktionen zur Auswahl, die er in beliebiger Reihenfolge zur Ausführung bringen darf. Verdeckt wählt er jeweils eine Aktionskarte aus, danach decken alle Spieler gleichzeitig die gewählten Aktionen auf und führen sie der Reihe nach durch.

  • als “Truppe” oder “Ritter” bekommt ein Spieler Siegpunkte, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
  • als “Flotte” oder “Schiff” bekommt man Waren, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
  • als “Zöllner” bekommt man unbegrenzt Siegpunkte von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Flotte” oder “Schiff” gewählt haben.
  • als “Schmied” bekommt man unbegrenzt Waren (abstrakte Zähleinheiten) von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Truppe” oder “Ritter” gewählt haben
  • als “Kaufmann” tauscht man seine Waren gegen Siegpunkte ein.
  • als “Bettelmönch” bekommt man Waren, u.a. auch für Mitspieler die gerade “Kaufmann” gewählt haben. Zusätzlich darf man danach alle bis dahin gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand nehmen. Man muss also nicht alle der möglichen acht Aktionen ausgeführt haben, um wieder aus dem Vollen schöpfen zu können.

Der Spielwitz besteht darin, die Aktionen der Mitspieler vorauszuahnen und die besten Gegenaktionen zu wählen. Doch aus welchen Indizien heraus soll man seine Mitspieler einschätzen? Ein gutes Gedächtnis über die bereits abgelegten Aktionskarten der Mitspieler ist zwar von Nutzen, doch es bleibt ein Stochern im Nebel. Ein Um-die-Ecke-Denken bei illusionsgenährter Intuition bestimmt den Ablauf.

Zu Logik und Psychologie des Spiel gilt sinngemäß das, was Wikipedia zu den Prinzipien der uralten „Stein, Schere, Papier“-Knobelei schreibt:
Wenn der Mensch rein zufällig eine der acht Aktionen auswählen könnte, wäre das Spiel ein reines Glücksspiel. Da sich der Mensch aber immer von seinen Gedanken beeinflussen lässt, kommt als psychologisch-taktische Komponente hinzu, dass man versuchen kann, die Verhaltensweise der Gegner einzuschätzen und darauf zu reagieren. Um seine eigenen Gewinnchancen zu erhöhen, muss man verhindern, dass die Gegner die eigene Wahl erahnen können. Beispielsweise könnte man seine Aktionen zufällig auswählen. Professionelle Spieler legen deshalb vor Spielbeginn die Reihenfolge ihrer Aktionen fest und merken sich diese Listen, sogenannte Gambits, die sie dann konsequent durchspielen.

Die Logik dieser “Gambits” seit dahingestellt. Ich agiere damit nach reinem Zufallsprinzip, aber ich REagiere dann auch so. Zudem wäre damit der Spielspaß “total im Arsch”!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (repetitiv, wenig Spaß, es fehlt irgendwas), Günther: 5 (zu unübersichtlich, zu anstrengend, wenn man hier etwas ausrechnen wollte), Horst: 5 (es gibt sicherlich Spielerrunden, in denen das Spiel besser ankommt), Walter: 5 (würde sich hier gerne das Denken ersparen und sich auf die Gambits verlegen; mit dem entsprechenden Spielspaß, leider).

3. “Tiefe Taschen”

„Junta light“! Ein Präsident verteilt die Einnahmen des Staatshaushaltes willkürlich unter seinen Mitspielern. Die Spieler stimmen geheim darüber ab, ob sie die Verteilung annehmen oder nicht. Wird sie angenommen, so wird das Geld entsprechend verteilt, wird sie nicht angenommen, so scheidet der aktuelle Präsident aus dieser Runde aus, sein Nachfolger unternimmt den nächsten Verteilungsversuch.

Bei Gleichheit ist die Verteilung angenommen, beispielsweise auch dann, wenn kein einziger Spieler dafür oder dagegen stimmt.

Wofür kann man sonst noch stimmen? Man kann die Verteilung einen guten Mann sein lassen und sich stattdessen aus der Staatskasse einen weiteren Geldschein aneignen. Man kann einen Mitspieler erpressen – das muss öffentlich angekündigt werden – , und ihm im Erfolgsfall einen Geldschein wegnehmen. Man kann eine angekündigte Erpressung abwehren und bekommt dann vom Erpresser einen Geldschein. Aber nur dann, wenn der vorgebliche Erpresser auch wirklich die geheime Erpressen-Aktion gewählt hat und nicht nur die öffentliche Ankündigung beim Mitspieler platziert hat.

Zusätzlich zur Abstimmung kann man auch noch einen Mitspieler bestechen, d.h. ihm einen Geldschein für sein „Ja“ oder „Nein“ anbieten. Den Geldschein erhält er nur dann, wenn er so abstimmt, wie wir es von ihm fordern.

Der Prozess von geheimer Abstimmung, Erpressung und Bestechung kann von allen Spielern beliebig lang umgemodelt werden, bis alle mit ihrem definierten Verhalten zufrieden sind. Man kann sich lange den Kopf darüber zerbrechen, was für den Augenblick wohl die lukrativste Vorgehensweise ist. Nach Horsts Heimgang haben wir auch im post mortem noch stundenlang über eine optimale Strategie diskutiert. Das Bestechen haben wir dabei erst gar nicht tiefer in Augenschein genommen; am Westpark wird das als reines Verlustgeschäft abgetan. Der Präsident wird in erster Näherung wohl den gesamten Staatshaushalt in die eigene Tasche räumen und zusätzlichen noch einen Griff in die Staatskasse tun. So erhält er mehr Geldscheine als jeder andere Spieler, selbst wenn diese alle bei ihm als Erpresser aufträten!

Der Spieler zu seiner Linken wird in der Regel gegen die vorgeschlagene Verteilung stimmen, denn falls sich eine Mehrheit für die Ablehnung ergibt, wird er selber Präsident und kann nun versuchen, den großen Präsidenten-Reibach zu machen. Oder sollen die Mitspieler, die bei der Verteilung mit großen Anteilen bedacht wurden, ihn etwa bestechen, damit er stille hält?

Ach, es gibt wohl keine eindeutige Gewinnstrategie. In jedem Fall aber fehlt für ein echtes „Junta“ und Junta-Gefühl noch das Militär, das den Präsidentenpalast stürmt, und es fehlen die Mörder, die die Junta-Mitglieder in der Bank beim Einzahlen ihrer Gewinnsummen auf ihre Schweizer Konten ermorden.

Günther kam in den ersten Verteilungsrunden wohl zufällig sehr kurz weg und fühlte sich schon auf der Verliererstraße. Außerdem gefiel ihm das Spielprinzip überhaupt nicht. Kurz entschlossen wählte er jetzt für sein Abstimmungsverhalten absolut „unlogische“ (wenn es das hier gibt) und unvorhersehbare Aktionen. In der Regel unterstützte er den Präsidenten, damit die Verteilung durch- und das Spiel schneller zu Ende ging. Wer das erkannt hatte, musste nur noch einmal an die Präsidentschaft herankommen, um ewig Präsident zu bleiben und Krösus zu werden. Gäbe es dagegen in einer 4er Runde eine Strategie?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (vielleicht ist es mit acht Spielern lustig), Günther: 4 (Chaotenspiel, nix für mich), Horst: 5, Walter: 4 (schnell ausgelutscht).

20.07.2016: Summenraterei plus „Gold West“

Für die „spielerische Linie“ eines Spiels gibt es wohl keine eindeutige Messlatte. Zu stark gehen hier die Vorlieben und sogar die Charaktereigenschaften eines Spielers ein. Um hier wenigstens annähernd einen sachlichen Anhaltspunkt dafür zu haben, möchte ich hier mal anführen, was das Internet hierzu liefert:

Synonyme für „spielerisch“ sind:
lässig, locker, leicht, sorglos, problemlos, zwanglos, unbekümmert, entspannend, unbeschwert, unernst, ungezwungen, unverkrampft.

Weiteres siehe unten.

1. “Delta Sigma”

Das ist noch kein fertiges Spiel, vielleicht wird es auch nie eines. Auch der Spiel-Name ist nur eine Hilfskonstruktion. Aaron wollte uns lediglich die Idee eines jungen (?) Autors vorsetzen und pries dieses Vorkosten nicht als „Prototyp testen“ an (eingedenk von Wilhelms Aussage: „Mein Leben ist zu kurz, um Prototypen zu testen“), sondern als einen „Test“. Was jetzt getestet werden sollte, die Spielidee oder unser Geisteszustand, das ließ er offen. Aber Tests des Letzteren sind ja allgemein beliebt, und für Ersteres sollte eine 30 Minuten-Lebenszeit-Investition auch für Prototyp-Verächter zumutbar sein.

Auf einer karierten Fläche mit einem definierten Ausgangsquadrat legen die Spieler reihum jeweils ein quadratisches Plättchen an. Das Anlegen ist reglementiert: die Plättchen müssen im Uhrzeigersinn und benachbart zum Vorgänger-Plättchen angelegt werden. Das Vorgänger-Plättchen darf ganz oder teilweise überdeckt werden. Jeder Spieler legt insgesamt zwei Plättchen, dann ist das Spiel zu Ende. Wer hat gewonnen?

Bei Spielende liegen an jeder Seitenkante des Ausgangsquadrates unterschiedlich viele Plättchen. In jeder Ecke jedes Plättchens steht eine unterschiedliche einstellige Zahl. Diese Zahlen sind eindeutig einer Ecke des Ausgangsquadrates zugeordnet. Aufgabe ist es, für jede des Ecke des Ausgangsquadrates zu schätzen, wie hoch die Summe dieser anliegenden Zahlen ist. Diese Schätzung wird aber nicht erst jetzt, oder irgendwann mal im Laufe des Spiel abgegeben, sondern alle Spieler müssen ihre vier Summen-Schätzungen bereits zu Spielbeginn geheim in ein Tableau eintragen. Wer hier dann am Ende nach einem oder mehreren Durchgängen die geringsten Abweichungen aufweist, hat gewonnen. Ein bisschen Kokolores mit Zahlen-Verdopplern und Minuspunkt-Erlassen ist auch bereits angedacht.

Ist das Spiel beherrschbar, im Sinne von berechenbar? Wer’s glaubt wird selig! Welche Ambitionen die Mitspieler für die vier Eck-Summen haben, ist a priori unbekannt, und wenn man nach dem ersten gelegten Plättchen zum ersten Mal ahnen kann, ob ein Mitspieler hier auf „hoch“ oder „niedrig“ gesetzt hat, ist der Zug bereits abgefahren. Der letzte Spieler kann die Bilanz für zwei Eckpunkte sowieso noch einmal massiv verändern, ohne dass die Mitspieler hier noch reagieren könnten.

Aaron ließ uns erst drei Durchgänge lang das erste von zwei Anlege-Reglements testen, dann das zweite. Hier warf sich aber bereits nach dem ersten Durchgang Wilhelm auf die Knie und flehte: „Mach’ End’, o Herr, mach’ Ende, mit aller dieser Not!“ Der Herr hatte ein Einsehen: alle waren mit einem Abbruch einverstanden! Soviel zu Aarons zweiter Frage, ob das Spiel Spaß gemacht hat und einen Wiederspielreiz besitzt. Das Spiel ist nur dann spielerisch, wenn man jegliche ernsthafte Ambitionen für treffende Vorhersagen aufgegeben hat, für alle Schätzwerte die leicht zu ermittelnden durchschnittlichen Zahlenwerte ins Tableau einträgt und den Rest abwartet wie den nächsten Regenschauer im deutschen Sommer.

Im innersten Kern dieser Spielidee liegt vielleicht noch ein gewisser Pfiff, doch das Drum-Herum ist mehr oder weniger reine Lotterie. Selbst für einen Aprés Ski an der Hotelbar ist es nicht geeignet. Da gibt es erstens keine karierte Fläche, und zweitens kann man im erforderlichen angesäuselten Zustand die jeweils zwei bis vier zugehörigen Plättchen-Zahlen auch nicht mehr sicher zusammenzählen. Ach ja, für Erstklässer-Übungen im Zahlenraum von 0 bis 50 durchaus geeignet.

Keine WPG-Wertung für ein Noch-Nicht-Spiel.

2. “Gold West”

Gold West – Wilhelm demonstriert seine überlegene Nischen-Strategien
Gold West – Wilhelm demonstriert seine überlegene Nischen-Strategie
Boomtown irgendwo im Wilden Westen. Donald Trump war schon da und hat sein Wahlversprechen eingelöst, die Gegend stolz zu machen. Und reich! Überall sprudeln reiche Siegpunktquellen und schütten ihr Füllhorn über uns aus. Überall lauern Früchte, die mit ehrlicher Hände Arbeit geerntet oder ganz selbstverständlich gestohlen werden wollen.

Offiziell sind wir “Prospectors”. Mein LEO übersetzt das mit „Goldgräber“, aber wir sind garantiert keine dreckigen Burschen, die 20 Yards unter der Grasnarbe ihre Schaufel schwingen. Wir sind Unternehmer und bauen Siedlungen, bescheidenerweise auch mal nur Zeltstädte, deren Schönheit in Länge und Breite und Lage bei Spielende prämiert wird. Falls wir dafür optiert haben. Wir lassen unsere Postkutschen auf den Linien Gold, Silber oder Bronze um die Wette fahren, und bekommen unterwegs abhängig von unserer Rennposition große Zwischenlorbeeren und/oder kleine Trostpreise. Wir bauen unseren Einfluss innerhalb der vier Goldgräber-Gewerkschaften aus und kassieren dafür bei Spielende dicke Diäten. Alles bringt Siegpunkte, manches mehr, manches weniger.

Der große, und sehr hübsche Motor des Spiels ist ein Kalah-artiger Zugmechanismus. Die Früchte (Baustoffe und Erze), die uns nach jedem Zug als Nebenprodukt regelmäßig in den Schoß fallen (wir können aus ca. 20 Arrangements – mit gewissen Nebeneffekten – beliebig wählen), müssen wir auf einem von vier Feldern unserer privaten Zugbahn ablegen. Beim nächsten Zug räumen wir ein beliebiges dieser Felder ab, laden auf jedem Feld der Zugbahn bis zum Ziel eine Frucht ab, und bestreiten mit den am Ende überschüssigen Früchten die Kosten unseres Zuges. Die Art der überschüssigen Früchte entscheidet auch darüber, ob wir unsere nächsten Früchte ehrlich erwerben oder stehlen. Stehlen wird am Ende bestraft. Aber nur ganz milde. Es scheint sich zu lohnen, grundsätzlich auf Ehrlichkeit zu verzichten, wenn man damit in Anzahl und Art der neu hinzukommenden Früchte Einbußen hinnehmen muss. Zumindest lagen unsere beiden Meisterdiebe Moritz und Wilhelm bei Spielende weit vorne. Wer von beiden schlussendlich gewonnen hat, hängt davon ab, ob wir einem der beiden Sieger erlauben, einen Spielzug, der mangels Regelverständnis nur suboptimal gemacht wurde, nachträglich durch einen optimalen Spielzug zu ersetzen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (es hat gefallen, ist aber zu fummelig; mit seinen vielfältigen siegpunkt-trächtigen Konstruktionen spielt es sich ähnlich wie „Russian Railroads“), Moritz: 7 (gutes Design, leider viel Rechnerei, man muss die gegebenen Gelegenheiten für eine Nischenstrategie nutzen), Wilhelm 8 (fast neun, man muss/kann überlegen, entscheiden, hat einen großen Handlungsspielraum mit mehreren möglichen Gewinnstrategien; eine anspruchsvolle Aufgabe, die in relativ kurzer Zeit – 90 Minuten – erledigt wird), Walter 7 (runde Ingenieursleistung mit einer üppigen Fummelei um Punkte, nicht sehr spielerisch [leichter Einspruch von Wilhelm]).

Hallo Wilhelm, welche der oben aufgeführten Synonyme von spielerisch würdest Du für „Gold West“ vergeben? Wer hier lässig, locker, leicht und unbekümmert vorgeht, wird garantiert Letzter. Es sei denn, alle gehen so vor.

3. “Divinare”

Vor gut drei Jahren, am 8. 5. 2013 haben wir das Spiel zum bisher ersten und einzigen Mal gespielt und allesamt einen sehr guten Eindruck gewonnen. Im damaligen Session-Report steht:
„Von den vier Farben rot, grün, gelb und blau gibt es insgesamt 36 Karten. Die Karten werden gemischt und 12 davon zur Seite gelegt. Jetzt gilt es zu erraten, wieviele Karten von jeder Farbe übrig geblieben sind.“
Im Grund ist die Vorhersage einer zukünftigen mathematischen Gegebenheit ganz ähnlich wie im obigen „Delta-Sigma“, aber welch ein Unterschied in der Präsentation und der daraus resultierenden Spielfreude!

  • Wir müssen nicht nur einmal und zwar gleich zu Spielbeginn die finalen Werte raten, sondern wir dürfen unseren Schätzwert im Laufe des Spiels je nach den Geboten der Mitspieler anpassen. Zwischendurch dürfen wir auch einmal bluffen.
  • Die möglichen Zahlenwerte besitzen nicht die enorme Schwankungsbreite zwischen 0 und ungefähr 50, die noch dazu der Spielerwillkür überlassen ist, sondern sie bewegen sind selbst im extremsten Extremfall nur zwischen 0 und 11, und liegen in der Regel nahe an wohlbekannten Mittelwerten mit geringen statistischen Schwankungen.
  • Wir erfahren im Laufe des Spiel immer mehr über die tatsächliche Kartenverteilung, es kommt nicht so sehr darauf an, die richtigen Zahlen zu wissen, sondern den richtigen Zeitpunkt für seine endgültige Vorhersage zu wählen.
  • Mit den letzten zu verteilenden Karten wird an den ausliegenden Stimmkarten nicht mehr viel verändert, aber man kann einen Mitspieler noch zwingen, eine supergute Schätzwert-Position aufzugeben. Eine hübsche Quelle spielerischer Schadenfreude. Wobei jeder Spieler aber auch gewisse Möglichkeiten hat, sich hiergegen noch abzusichern.
  • Das Spiel ist an keinem Punkt eine öde Rechnerei, sondern immer nur ein lustiges Erahnen und Auszählen.

Garantiert gibt es noch viel mehr Unterschiede zugunsten der spielerischen Qualitäten von “Divinare”. Diese aufzuzählen wird unsere Leserschaft hiermit aufgerufen.

WPG-Wertung: Der bisherige Durchschnitt von 7 Punkte blieb erhalten, Moritz war mit 8 Punkten dabei (locker, spannend), während Wilhelm mit 6 Punkte Anstoß an der Glückslastigkeit nahm. Walter ist eher geneigt, wegen der absolut spielerischen Linie von „Divinare“ einen Punkt zuzulegen, aber dafür ist das Spiel wohl doch nicht „füllig“ genug.

13.07.2016: Beute und Maschinen

Wilhelm aus Unna, Vielspieler, Gutspieler, Allesspieler, hat uns nach zwei Jahren Abstinenz mal wieder am Westpark besucht. Als eifriger Leser und sporadischer Kommentierer unserer Berichte konnte er nur sein Bedauern darüber ausdrücken, dass wir spielerisch nichts Lokales auf dem Markt finden. Wir hier im Süden quälen uns über die „Peloponnes“ durch „die Tore der Welt“ bis in die „Galaxis“, er als Nord-Ruhrgebietler kann allein mit den drei Thomas-Spitzer-Produkten „Ruhrschifffahrt“, „Kohle & Kolonie“ und „Haspelknecht“ nächtelang im Heimatkolorit schwelgen.

FCBayernBluffZum Ausgleich hat er uns als Gastgeschenk das besten Spiel der Welt als einen kleinen, unsere Defizite vermindernden Eigenbau mitgebracht (siehe Foto). Um welches Spiel handelt es sich? Wieviel würde es kosten, alle Würfel auch noch stilgerecht durch die Orginalwürfel eines autorisierten Suppliers zu ersetzen?

1. “Loot Island”
Aaron Eigenentwicklung hat schon viele Metamorphosen mitgemacht. In den Regeln und im Titel. Wilhelm hatte es schon vor Jahren als kleines, feines, logisches „Ur-Diggers“ kennen und sogar schätzen gelernt. Jetzt ist eine Menge italienische Familienspiel-Substanz hineingekommen, und Wilhelm war sehr interessiert daran, die aktuelle Fassung kennen zu lernen. Trotz seines Outing: „Ich habe schon so viele Prototypen getestet, ich habe heute dazu keine Lust mehr“.

Das Spiel hat was. Auch wenn es ganz leicht aussieht und eine gehörige Portion Zufall eingebaut ist, schälen sich in Laufe einiger weniger Spiele immer mehr taktischen Finessen heraus, mit denen man dem Glück doch noch ein Schnippchen schlagen kann. Zumindest kann man es zu versuchen. Die intellektuellen Herausforderungen des Spiels bestätigten sich heute allerdings nicht: Walter gewann, Günther wurde Letzter!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase. Wilhelms Schlusswort: „Ich habe gut mitgespielt, aber es hat mich nicht gepackt“ und „Für ‚What’s your game’ ist es ein erstaunlich eingängiges, d.h. ein überschaubares und nicht das übliche komplexe bis hoch-komplexe Spiel.“

2. “Steam Works”

Steam Works : Aaron nutzt eine Maschine, Günther studiert den Maschinenpark.
Steam Works : Aaron nutzt eine Maschine, Günther studiert den Maschinenpark.

Eines der Spiele, mit denen Wilhelm uns hier am Westpark mal wieder auf den Zahn fühlen wollte. „Ein Worker-Placement-Spiel bei dem die Spieler die Placements erst im Laufe des Spieles zusammenbauen.“ Aaron war begeistert, er brütet auch gerade über einer solchen Spielidee. Aber wahrscheinlich hat er sich im Endeffekt doch etwas ganz anderes darunter vorgestellt.

Jeder Spieler bekommt eine private Tafel mit den ersten drei Basis-Arbeitsplätzen für seine Mitarbeiter:

  • sich aus einer offenen Auslage ein neues Komponentenplättchen zulegen
  • sich ein neues Energieplättchen vom Typ Mechanik, Dampf oder Elektrizität zulegen
  • aus einem Komponentenplättchen und einem Energieplättchen eine primitive erste Maschine bauen

Energie ist notwendig, um eine Maschine zu betreiben, was dabei herauskommt bestimmen aber ausschließlich die Komponenten, aus denen sie zusammengesetzt ist. Die ersten, den Spielern in der Grundausstattung mitgegebenen Komponenten können gerade mal eine zweite primitive Maschine bauen oder eine primitive Maschine zu einem Dreiteiler upgraden. Mit fortschreitendem Spielverlauf kommen immer mächtigere Komponenten ins Angebot, die dann erlauben:

  • sich gleich mehrere Komponentenplättchen aus der offenen Auslage zuzulegen
  • sich gleich mehrere Energieplättchen zulegen
  • Maschinen mit gleich mehreren (passenden) Komponenten zu bauen
  • Maschinen um immer mehr (passende) Komponenten zu erweitern
  • Maschinen gleich zweimal auf einmal zu betreiben
  • Maschinen zu bauen und im gleichen Atemzug auch sofort zu betreiben
  • Geld zu generieren
  • Siegpunkte zu generieren
  • Besitztum in Siegpunkte zu verwandeln
  • und vieles mehr. Neben der Anfangsausstattung gibt es 32 verschiedene weitere Komponenten.

Beim Bauen und Upgraden ist darauf zu achten, dass die Komponenten zur Energiequelle passen und dass die Stückelung stimmt. Wenn man nämlich z.B. eine drei-teilige Maschine zu einer vier-teiligen erweitern darf, dann muss man genau das tun (falls man alle notwendigen Teile passend hat), und darf nicht eine kleinere zwei-teilige Maschine zu einer drei-teiligen erweitern. Das klingt vielleicht logisch, in Sinne von einfacher Inklusiv-Potenz muss man sich aber erst daran gewöhnen.

Um eine Maschine zu betreiben muss der Spieler einen seiner Mitarbeiter auf das zugehörige Energieplättchen setzen. Jetzt darf er alle daran angeschlossenen Komponenten in beliebiger Reihenfolge nutzen. Das Besondere dabei ist, man darf auch die Maschinen der Mitspieler nutzen. Kostenlos! Der benutzte Mitspieler bekommt dann – von der Bank – einen Siegpunkt zugeschustert und ggf. komponente-abhängig noch weitere Vorteile. Jede Maschine darf pro Runde nur einmal genutzt werden, nur der Benutzer darf sie ggf. ein zweites Mal nutzen. Hier ist also eine gewisse Konkurrenz gegeben. Manchen nennen das sogar schon Interaktion.

Und jetzt fängt die Krux von „Steam Works“ an: Im Laufe des Spieles liegen auf dem Tisch um die zentrale Auslage herum immer mehr (zwischen zehn und zwanzig!) private Maschinen mit lauter unterschiedlichen Effekten. Die Maschinen liegen bis zu zwei Metern auseinander, und es gilt, sie alle mit allen ihren Effekten und Nebeneffekten abzuchecken, und die für die eigene Entwicklung augenblicklich beste Maschine herauszufinden. Dabei ist ggf. noch zu berücksichtigen, ob andere Spieler auf diese Maschine ebenfalls scharf sind, und ob die von der Bank ausgezahlten Vorteile an den Maschinenbesitzer die Fremdnutzung wert sind.

Wilhelm kannte das Spiel. Er baute sich in den letzten zwei oder drei Runden eine umwerfende Siegpunkt-Generiermaschine, und war damit auch von unserem Optimierungs-Maschinen-Optimierungs-Crack Günther nicht zu schlagen. Knapp nicht! Das spricht für die geistigen Anforderungen an das Spiel. Zweifellos ein Qualitätskriterium (westpark-scher Art), aber solche Anforderungen sind zweifellos ja nicht die einzigen Qualitätskriterien eines Spiels. Hier ist jetzt noch genügend Platz für Wilhelms Elogen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (ein reines Puzzle, ich mag diese Art von Spielen nicht), Günther: 7 (die Maschinen und ihre Komponenten sind überschaubar, aber es sind zu viele), Wilhelm 8 (fast 9, vor über einem Jahr zum letzten Mal gespielt, bin ich schnell wieder reingekommen, alles passt zusammen, die Aufbau-Idee ist hübsch, Übersichtlichkeit und Komplexität sind noch OK, es artet nicht in Arbeit aus), Walter: 6 (empfand das Spielgeschehen mit der gnadenlosen kalkulatorischen Optimierungsaufgabe doch als schweißtreibende Arbeit; schöne, gelungene, fehlerlose Ingenieur-Leistung des Autors, doch das Spielerische kommt zu kurz).

Aaron fand bei Boardgamegeek einen Kommentar, für ihn wie auf den Leib geschrieben: „Not unpleasant, not broken, not problematic, just not my kind of game.“

3. “Flaschenteufel”

Nein, wir haben es nicht gespielt. Walter schlug es in der seltenen Viererrunde als Vor-Absacker vor, aber Wilhelm war dagegen: „Es ist ein gutes Spiel, aber es liegt nicht in meiner Geschmacksrichtung.“ Sinngemäß das gleiche wie der BGG-Kommentar. Vielleicht werden wir alle älter, die Weichteile verkalken und die freie Auffassungstoleranz wird enger. Vielleicht waren wir aber schon immer so.

4. “Bluff”

Im ersten Spiel war Wilhelm als erster ausgebootet, es gewann Walter im Endspiel gegen Aaron. Im zweiten Spiel war Walter als erster ausgebootet, es gewann Wilhelm in Endspiel gegen Günther. Ein reines Glücksspiel … :-)

06.07.2016: Karten, Sex, Krieg und ein Lux

Deutschland hat gegen Italien einen Bann gebrochen. Oder nüchterner ausgedrückt: die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat in den statistischen Tabellen eine gezählte Null durch eine Eins ersetzt. Vier Tage später hat Frankreich gegen Deutschland ebenfalls einen Bann gebrochen. Die Welt der Statistik ist wieder in Ordnung. Aber das war sie immer.

1. “Parade”

Sonnenschein Andrea hatte sich angekündigt, war aber noch mit ihrer frisch-neu-früh-geborenen ersten Nichte zugange, deshalb vertrieben sich die vier Restmänner ihre Wartezeit mit einem Warming-up-Spiel, das vor gut einem Jahr zum ersten und einzigen Mal bei uns auflag. Keiner (!) wusste mehr, wie es geht, Aaron durfte fast ungestört die Spielregeln vortragen. Der Session-Report vom 1.4.2015 offenbarte mit Aarons Eindruck vom „mühsamen Kartenhandling auf dem Tisch“ und Walters Klassifikation als „pseudo-intellektuell“ das, worauf wir uns jetzt einließen.

In einem Aufnehme- und Ablege-Prozess von Handkarten versuchen alle Spieler mit abnehmender Leidenschaft und zunehmendem Erfolg, 1) keine, 2) wenige, 3) nur niederwertige 4) von einer Farbe die meisten Strafkarten zu bekommen.

Seine abwertende Klassifikation möchte Walter nach dem heutigen Durchgang (leicht) einschränken. Das Spiel ist vielleicht doch nicht so ganz pseudo-intellektuell (, womit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass alles menschliche Überlegen im natürlichen Zufall der nachgezogenen Karten sowie im real existierenden Mitspielerchaos total untergeht). Zumindest gibt es zwei Elemente, bei denen der Intellekt eines Mitspielers von Vorteil ist:

  1. beim Merken, welche Karten in Farbe und Höhe bereits gespielt sind. Wofür auch immer das gut sein mag,
  2. beim Auswählen und Zurückhalten der beiden Karten, die man bei Spielende zwanglos zu den eigenen Strafkarten dazugeben darf.

Wer bei 1. gut aufgepasst hat, ist bei 2. weniger überrascht.

In der bisherigen WPG-Wertung zwischen 6 und 7 Punkten reihte sich Moritz am oberen Ende ein.

2. “Krazy Wordz”

Krazy Wördz - Andrea denkt sich einen „Italienischen Liebesschwur“ aus.
Krazy Wördz – Andrea denkt sich einen „Italienischen Liebesschwur“ aus.

Andrea war angekommen, und wir stürzten uns sofort auf ein angemessenes schlüpfriges Party-Spielchen. Freigegeben für Jugendliche ab 16 Jahren.

Jeder Spieler bekommt je 9 Buchstaben-Plättchen zugeteilt und verdeckt je ein Kärtchen mit einem Begriff, z.B. „Französische Weinsorte“, „Südafrikanisches Gemüse“ oder „Das achte Weltwunder“. Aus seinen Buchstaben muss jeder Spieler jetzt ein Wort bilden, aus dem der vorgeschriebenen Begriff erkenntlich wird. Besonderheit beim Wortebilden: das präsentierte „Wort“ darf eine beliebige Zusammenstellung von 1 bis 9 Buchstaben in beliebig vielen Wort- oder Silben-Paketen sein, aber KEIN Wort der deutschen Sprache. Positiv: die leidige Diskussion über die Zulässigkeit eines Wortes fällt schon mal weg: Wenn man das Wort kennt, ist es nicht zulässig! Auch deutsche Wörter mit hineinkonstruierten Rechtschreibfehlern sind nicht zulässig.

Jetzt werden die Begriffskärtchen eingesammelt, gemischt und auf dem Tisch ausgebreitet. Die Mitspieler müssen nun erraten, welches „Wort“ für welchen Begriff gebildet wurde. Z.B. wäre mit „O la la“ wohl die französische Weinsorte und mit „Kaptom“ eher ein südafrikanisches Gemüse gemeint. Oder ist „O la la“ doch das achte Weltwunder?

Für richtig herausgefundene Zuordnungen von Aufgabe und Wort bekommen der Wortbilder und der Rater je einen Siegpunkt. Immerhin keine Hirnverdrehung bei dem Versuch, seinen Begriff erkennbar aber doch nicht zu leicht zu machen, wie es vor Jahrhunderten bei “Barbarossa” gefordert war. – Soweit ist das Ganze absolut brav, linear, wohlbekannt und vielfach ausgereizt.

Die Würze des Spiels liegen in den Begriffsbildungen zu Thema Nummer 1, z.B. „Sexspielzeug“ oder „Anderes Wort für Oralverkehr“ oder „Anderes Wort für Morgenlatte“. Was natürlich auch verklausulierter geht: „Ist mal klein und mal groß“ oder „Ist kurz und dick“. Über die kreativen Lösungen lässt sich herzlich lachen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (in der richtigen Runde [wobei ziemlich klar angedeutet wurde, dass die Westpark-Gamers das nicht sind]), Andrea: 6 (kurzweilig, aber auf Dauer nervig. Die geforderte Kreativität beim Bilden der Wörter [plus] wurde leider wieder zu stark eingeschränkt [minus]), Günther: 8 (hübsches Gaudi-Spiel. Ohne die etwas sperrige Siegpunktvergabe wäre es noch schöner. [Aaron hat das Spiel in einer Spielrunde in Brixen gespielt, da wurde am Ende nur noch gelacht und keiner hat mehr auf die Siegpunkte geachtet]), Moritz: 6 (hübsch, aber praktisch designed es sich von selbst. [Heftiger Widerspruch]), Walter: 7 (hübsches Party-Spiel, am Westpark einen Punkt weniger).

3. “Eight-Minute Empire: Legends/Lost Lands”

In acht Minuten sollen wir ein Imperium aufgebaut haben. Wer am Westpark das glaubt, wird selig. Obwohl die Voraussetzungen eigentlich gegeben sind: Einfache Regeln, einfache Mechanismen, wenige Zugoptionen, wenige Spielrunden.

Aber wer entsprechend veranlagt ist, wird auch innerhalb der geringsten Krämerwirtschaft noch eine kalkulatorische Herausforderung sehen.

Fünf Aktionskarten liegen offen auf dem Tisch. Jeder Spieler sucht sich reihum eine davon heraus und nutzt sie. Sie erlaubt ihm:

  • zwei bis vier neue Armeen aufzustellen
  • zwei bis fünf existierende Armeen zu bewegen
  • ein oder zwei Städte zu bauen. (Darin dürfen wir unseren neuen Armeen aufstellen, damit sie nicht so weit zum nächsten Einsatzort laufen müssen.)
  • eine fremde Armee zu zerstören
  • Und das alles in verschiedenen “UND” und “ODER” Kombinationen.

Die Aktionskarten kosten 0 bis 3 Silberlinge, je nach Position, auf der sie liegen. Wird eine Karte gewählt, so werden die übrigen zusammengeschoben, und an die teuerste Stelle kommt eine neue Karte vom Nachziehstapel. Das kennen wir schon irgendwoher.

Startaufstellung sind für jeden Spieler fünf Armeen auf zwei verschiedenen Inseln eines größeren Archipels. In sieben Runden vermehren wir uns, bevölkern die nah- und fernliegende Gebiete und kicken einen oder zwei Armeen der Gegner in die ewigen Jagdgründe. Wer danach in den meisten Gebieten die Mehrheit an Armeen stehen hat, ist Sieger.

Ein bisschen komplizierter ist das Ganze dann doch noch. Die Aktionskarten bleiben bis zum Spielende jeweils im Besitz des Spielers, der sie genutzt hat. Sie bieten kumulative Vorteile: Zusätzliche Armeen, zusätzliche Bewegung, zusätzliche Siegpunkte, zusätzliches Zerstörpotential, zusätzliche Silberlinge. Ob man allerdings in sieben Runden mit solchen Marginalien eine effiziente Siegpunkt-Generier-Maschine aufbauen UND NUTZEN kann, bleibt zweifelhaft.

Moritz brachte gleich auch noch eine Expansion mit: „Eight-Minute Empire – Lost Lands“. Hieraus begann er die Regeln vorzutragen. Anstelle der fünf offen ausliegenden Aktionskarten bekommt jeder Spieler vier private Aktionskarten zugeteilt. Die darf er weder ansehen noch in ihrer Reihenfolge vertauschen. (Die gleichen Fehlerquellen wie bei „Bohnanza“!) »Der älteste Spieler zählt [laut!] bis drei. Bei „Drei“ schauen sich alle Spieler gleichzeitig ihre Karten an. Jeder Spieler wählt so schnell wie möglich eine Karte daraus aus; die Kosten dafür sind je nach laufender Position 0 bis 3 Silberlinge. Dann schreit er laut seine Wahl hinaus: z.B. ‚zweite Karte!’ Wer zuerst seine Wahl verkündet hat, wird Startspieler.« – Diese Prozedur ließen wir uns auf der Zunge zergehen, und kehrten dann (fast) einmütig zum Vorgehen der Basis-Version zurück.

Günther fand eine Insel, sogar mit einer kleinen Nachbarinsel, die ihm – aus Versehen oder Absicht – niemand streitig machte. Er gewann. Insgesamt hatte er sich pro Runde zwei Siegpunkte zulegen können. Aaron, Andrea und Walter brachten es nur auf (gut) einen Siegpunkt pro Runde.

Ein ganz normales „Civilisation“ ohne Pfiff und Triff. Aaron monierte, dass zu Beginn des Spiels ein Spieler evtl. nach langer Überlegung für teures Geld die Startspielerrolle erkauft, und dass dann der im Uhrzeigersinn folgende Spieler die ebenfalls noch vorteilhafte Zweiter-Spieler-Rolle kostenlos bekommt. Das hätte man doch mit unterschiedlicher Geldausstattung ausbalancieren müssen.

Walter monierte NICHT, dass man ihm eine Armee wegnehmen durfte, auch nicht, dass die Banditin Andrea ihm damit zugleich auch noch einen seiner kostbaren Silberlinge wegnehmen durfte. Aber er monierte, dass ein Spieler beim Zerstören und Wegnehmen sich jeden beliebigen Mitspieler als Opfer aussuchen darf. Zum Kriegspielen kommt also auch noch unausweichliche Kingmakerei hinzu. Oder ist das bei solchen Spielen selbstverständlich?

WPG-Wertung: Aaron: 3 (Glück pur, es werden kaum Siegpunkte verteilt), Andrea: 5 (man kann es so wenig beeinflussen), Günther: 5 (man lebt von der Hand in den Mund), Moritz: 8 (einfache Regeln, Interaktion und Konkurrenz, ja sogar Krieg [offensichtlich positiv]), Walter: 4 (Punktekrämerei, viel Hü um wenig Hott, 1 Punkt weniger wegen der Kingmakerei).

In den Tagen nach dem Spielabend fand ein reger Briefwechsel darüber statt, was wir bei dem Mittelding zwischen „Legends“ und „Lost Lands“, wie wir es gehandhabt haben, alles nicht beachtet oder sogar grob falsch gehandhabt haben. Es gipfelte in Aarons Erkenntnis:

„Das Spiel dreht sich um zwei Dinge: 1. mittels der Karten eine Engine bauen, die Siegpunkte, Geld und/oder Vorteile beim Kampf bringt. 2. sich auf den Inseln Mehrheiten schaffen, indem man sich geschickt ausbreitet und/oder kämpft.

Jetzt haben wir also mit einer Kartenauslage gespielt, die so für die von uns gespielte Expansion-Zusammenstellung nicht vorgesehen ist. Außerdem haben wir für diese Zusammenstellung nicht mit den richtigen Charakteren gespielt. Und jetzt stellt sich heraus, dass wir auch die Startaufstellung unserer Leute auf den Inseln falsch gemacht haben, die ja nicht ganz unwesentlich ist. Kurz und gut: wir haben ein Spiel gespielt, das der Autor so nicht vorgesehen hat (und das wahrscheinlich so auch nie getestet wurde). Ich ziehe damit meine Punktewertung aus Fairness ggü. dem Autor zurück.“

4. “Abluxxen”

Schon 10 mal am Westpark gespielt, davon 8 mal mit einem eigenen Report-Anteil. Jetzt reicht’s. Ein wunderschönes Absackerspiel.

WPG-Wertung: Andrea schwamm mit ihren 8 Punkten mit der Mehrheit der Westpark-Gamers (kurzweilig, interaktiv, mit Pfiff und nicht bombastisch. [Letzteres gilt als positive Wertung]).