04.03.2009: Ingenieure im “Im Wandel der Zeiten”

Hans schläft wie gewöhnlich vor dem Fernseher, Peter schläft irgendwo ganz ungewöhnlich mit seiner Loredana, Moritz treibt als Battlestar durch die Galaxis, ganz relaxed, weil die Vorsehung freundlicherweise keinen einzigen Kyklopen rausgelassen hat, und die sonstigen Schläfer unter den Freunden und Landsleuten haben wir diesmal nicht geweckt. Nur die rationalen Triolen Aaron, Günther und Walter sind heute zusammengekommen, um rational und sachlich den Wandel der Zeiten zu analysieren.
1. “Im Wandel der Zeiten”
Ein komplexes Aufbau- und Kampfspiel, das der junge Spieleverlag Czech Games 2007 nach Essen mitbrachte und das dort damals schlagartig ausverkauft war. Pegasus Games hat 2008 eine Neuauflage herausgebracht: Umfangreiches, gediegenes Material, unendlich viele Aktionskarten, endlich viele Rohstoffe und Nahrung, an zwei Händen abzählbare Marker und Pöppel.
Politisch korrekt sind die Arbeiter durch gelbe Pöppel dargestellt, und nicht wie im kritisierten “Puerto Rico” durch schwarze Pöppel. Chinesen kann man offensichtlich durch Arbeit nicht diskriminieren!
Die Spieler müssen in einem kybernetischen Räderwerk aus Fortschritt und Entwicklung die optimale Balance innerhalb von Produktion, Investition und Ressourcen-Management finden. Viele Gegensteuerungsmechanismen sind eingebaut, um einen führenden Spieler nicht davonziehen zu lassen: Arbeiter werden immer teuerer, ihre Ernährung immer aufwendiger und Strafen für zu extensive Betriebsauslastung immer höher. Diese Bremsklötze gehen zu Lasten der Dynamik. An keiner Stelle gibt es ein Schwelgen im Überfluß. Nicht nur Aaron war zumute: “Ich könnte heulen”, wenn die Ressourcen für die nächste Bauphase eines Weltwunders wieder gerade nicht mehr ausreichten.
Mittels Theologie müssen die Spieler für die Glückseligkeit ihrer Bevölkerung sorgen. Im 21. Jahrhundert hat man deren Basisforderung nach “Heulen und Zähneklappern” total ad acta gelegt. Als Alternative wird dafür das sich Ergehen in den “hängenden Gärten der Semiramis” angeboten. Da gab es doch noch etwas für die Wonnen des Alltags! “Im Wandel der Zeiten” scheint das verloren gegangen zu sein.
Aaron hatte sich die Neuauflage sofort zugelegt, weil dem Spiel der Ruf eines schnelleren “Civilization” vorausging. 8 Stunden Spielzeit sind auch für einen Freak keine Selbstverständlichkeit. Wir brachen nach knapp 2 Stunden Spielzeit friedlich und erwartungsgemäß ab, und hatten da vom ersten Stapel Aktionskarten gerade mal die Hälfte verbraucht. Insgesamt wären drei Stapel Aktionskarten zu bewältigen gewesen. Selbst wenn wir unsere jeweiligen Denkzeiten um 50% reduziert hätten, wäre dabei immer noch eine Gesamtspielzeit von über fünf Stunden herausgekommen. Für die gebremste Dynamik des Spielablaufs ist das entschieden zu viel.
Es gab lange Diskussionen (nach dem Spiel), ob die Vorteile von Fortschrittskarten einmalig oder jedesmal pro Runde gelten sollen. Erklärungen und Piktogramme waren nicht immer eindeutig. Vor allem war es nicht einsichtig, daß ein billiger Caesar, den man sich für einen einzigen Aktionspunkt zulegen konnte, zwei Siegpunkte pro Runde einbringen sollte, während der Koloß von Rhodos für den gleichen Ertrag vier Aktionspunkte und zusätzlich eine Menge Ressourcen kosten sollte. Die Entwicklung einer tollen Militärtheorie bringt sogar 10 Siegpunkte pro Runde ein. Ist das wohlproportioniert? Oder ist das ein verdecktes Moritz-Prinzip?
Eigens für die Mitspieler, die regelmäßig vorzeitig zur vorletzten U-Bahn abdüsen müssen, gibt es noch folgende Spielregel: “Zu Beginn Ihres Zuges haben Sie die Möglichkeit, das Ende Ihrer Zivilisation zu erklären und aus dem Spiel auszuscheiden!” Als Letzter! Die anderen dürfen dann noch stundenlang weiterspielen. Das ist wenigstens mal ein sehr bemerkenswertes Peter-Prinzip!
WPG-Wertung: Haben wir vor lauter Diskussion vergessen, wird nachgereicht. Walter vergibt schon mal 7 Punkte für Design und Ablauf, zieht davon aber wieder 2 Punkte ab, weil die Spielzeit im Verhältnis zur gebotenen Dynamik einfach viel zu lang ist.
2. “Flaschenteufel”
Zum ersten Mal zu dritt gespielt. Eine ganz andere Kartenpräsenz als zu viert. Noch durchsichtiger, noch berechenbarer. Man hat das Timing beim Stiche-Machen besser in der Hand, und jeder weiß von jedem Mitspieler mindestens eine Karte, auf die er seine die Verteidigung aufbauen kann. Ungewöhnlich oft war der spontane Satz zu hören: “Jetzt habe ich einen Fehler gemacht!”.
Natürlich gibt es wie im richtigen Leben auch beim Flaschenteufel Kartenhände, die den Besitzer zum Verlieren verurteilen. Doch dann kann man zumindest noch versuchen, den Schaden zu begrenzen.
Aaron kündigte gleich im ersten Spiel an: “Ich bleibe auf dem Teufelsstich sitzen”. Mit welcher Begründung? Er hatte keine einzige gelbe Karte auf der Hand und fürchtete, mit der gelben 1 und 2 beschenkt zu werden und diese Karten nicht mehr loswerden zu können. – So kam es dann auch.
3. “Bluff”
Walter hatte zum ersten Mal in seinem Bluff-Leben 5 Sterne unter seinem Würfelbecher. 7776 mal muß man für diesen Superstwurf würfeln. Es reicht, wenn man sich fünfzig Jahre lang jede Woche einmal zum Bluff-Spiel zusammensetzt und dann pro Tag jeweils drei Runden absolviert. Im Durchschnitt. Da wurde es auch höchste Zeit.