15.07.2009: Spielen mit Willi

Willi ist ein begnadeter Viel- und Alles-Spieler aus dem hohen Norden (Deutschlands). Seine Spiel-Vorlieben decken sich nicht hundertprozentig mit den Schwerpunkten am Westpark. Dann gibt es harte Diskussionen über die weichen Formulierungen in unseren Spielberichten und Kritiken.
Willi vertritt mehr die schweigende Mehrheit der Spieler und hat auch für Wenig- und Gelegenheitsspieler immer einen guten Kauftipp auf Lager.
Sein größtes Verdienst um die Welt des Spiels ist sein konsequentes Bemühen, allen seinen Schülern vor dem Abitur wenigstens die Grundzüge vom “Doppelkopf” beizubringen. Wenn er sich mit der gleichen Leidenschaft auf die Einführung in das Bridgespiel verlegen könnte, wäre ihm gewiß schon das Verdienstkreuz des Deutschen Bridgeverbandes verliehen worden.
Alle paar Jahre wagt er sich in den Freistaat am Fuße der Alpen und kommt dann auch für einen Abend am Westpark vorbei. So auch heute.
1. “Automobile”
Das Thema ist der Automobilbau mit seinen Problemen von Weiterentwicklung, Produktion und Absatz. Wir bauen Fabriken, engagieren Manager mit unterschiedlichen Vertriebskompetenzen, heuern Verkäufer an, produzieren Wagen und setzen sie ab. Wer am Ende das meiste Geld damit verdient hat, ist Sieger.
Aaron und Günther hatten letzte Woche schon eine Proberunde gedreht, heute durften sie die Neulinge mit den Geheimnisse der Globalisten vertraut machen. Aber ganz vorsichtig, den kleinen Wissensvorsprung darf man ja nicht so leichtsinnig herschenken. Auf die Frage nach dem besten Manager rückte keiner mit der Sprache heraus. Doch als sich Willi intuitiv für Mister Howard entschieden hatte (“sells two cars”), tönten sie sofort: “Den hätte ich auch genommen!”
Es ist eine ziemliche betriebswirtschaftliche Herausforderung, den wechselnden Marktbedarf (zufallsabhängig) und die unterschiedlichen Produktionskapazitäten und Produktionsambitionen der Mitspieler mit seinem eigenen Potential unter einen Hut zu bringen. Jeder Zug bietet einen riesigen Handlungsspielraum, bei jedem Zug könnte man unendlich rechnen, um Kosten und Gewinne zu optimieren. Oft genug wird die Produktion nicht voll ausgereizt, weil man Absatzschwierigkeiten fürchtet, oft genug hat man Überkapazitäten nicht berücksichtigt und bleibt unter hohen Verlusten auf seiner Produktion sitzen. Das richtige Timing ist alles.
Die Zugreihenfolge wechselt nach strategischen Überlegungen. Der Startspieler hat bei allen Zugalternativen den Vorteil der freien Auswahl, die nachfolgenden Spieler können dafür schon leichter den Trend erkennen und Marktnischen erspähen. Die wirtschaftlichen Überlegungen sind ähnlich vielschichtig wie bei “1830”. Was an Streckenbau verloren geht, wird an Warenumsatz gewonnen.
Wir brauchten einschließlich der halbstündigen Einführung knappe drei Stunden für ein Spiel, das nur aus vier Runden von etwa zehn Aktionen pro Runde besteht. Solange die neu zu entdeckenden Abläufe fesselnd sind, ist das tragbar. Später könnten ungeduldige Spieler schon mal ihre Probleme damit bekommen. Damit das ganze ein Spiel bleibt und nicht in eine Übungsaufgabe für BWL-Studenten ausartet, sollte man unbedingt die Denkzeit limitieren und alles, was darüber hinausgeht, durch Geldbußen bestrafen!
Willi dachte garantiert nicht am längsten nach, aber durch eine harmonische Investitions-, Produktions- und Absatzpolitik wurde er – als Neuling! – Sieger. Ein Kompliment an den guten Geist des Nordens! Allerdings wäre er nicht auf das Siegespodest gekommen, wenn Fortuna in der letzten Runde für den Absatz von Mittelklasselimousinen nicht einen Wert nahezu beim Minimum vorgegeben hätte. Das stimmt natürlich bedenklich: Sollte ein dreistündiger Wirtschaftskampf durch einen einzigen zufälligen Würfelwurf entschieden werden? Dabei gäbe es dafür leicht Abhilfe: Warum werden die zufallsbestimmten Absatzzahlen einer Runde nicht schon aufgedeckt, bevor man mit Managern und Verkäufern in die Marktsituation eingreift? Damit die geborenen BWLler bei ihren Zügen nicht noch länger nachdenken?
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 7 (“hätte auch 8 sein können”), Walter 7 (“8 Punkte mit Schachuhr und eingeschränktem Zufall”), Willi: 5 (“habe 3 Stunden meines Lebens geopfert”)
Die Rotweinflecken auf dem Spielgeld stammen nicht von der heutigen Runde am Westpark, sondern von letzter Woche in Aarons Hauptquartier.
2. “Flaschenteufel”
Die alte Diskussion, ob Flaschenspiel nur ein Chaos-Spiel ist, wurde durch Willi wieder neu angefacht. Doch wie fast immer, mußte der Vertreter der Chaos-Fraktion einsehen, daß das hier dominierende “Größte-Kleinere”-Prinzip durchaus eine Logik besitzt. Wenn etwas schief geht, liegt es nicht an der Unberechenbarkeit des Spiels, sondern am falsch zugrunde gelegten Axiomensystem.
WPG-Wertung: Willi: 4 (“ich möchte es nicht nochmals spielen”. Kein Kommentar vom Rest der Westparker.)
3. “Bluff”
Willi demonstrierte, daß man selbst beim Bluff lange nachdenken kann. Manchmal sogar mit Erfolg. Das hätte er mal beim “Flaschenteufel” tun sollen. Und zwar im richtigen Axiomensystem!
WPG-Wertung: Willi lag mit seinen 10 Punkten voll im Trend.