29.09.2010: Abenteurer und Planer

Das Leben hat nur einen wirklichen Reiz, das ist der Reiz des Spieles. Aber wenn es uns gleichgültig ist, ob wir gewinnen oder verlieren? Charles Baudelaire, Tagebücher
1. “House of Spirits”
Moritz hat dieses kleine Monster-Bekämpfungs-Kartenspiel aus seinen reichhaltigen amerikanischen Quellen herausgefischt und durfte es präsentieren.
Pro Runde wird jeweils eine neue Karte als Abenteuerspielplatz aufgedeckt, und wir würfeln reihum, ob und wieviele Monster unterschiedlicher Angriffs- und Verteidigungskraft hier erscheinen. Gemeinsam müssen wir sie nach einem eleganten Kampfwürfelmechanismus bekriegen, und wenn wir alle ihre Lebenslichter ausgepustet haben, streicht der letzte Puster die Siegpunkte ein. Insofern ist das Spiel kooperativ und kompetitiv.
Solange die Monster aber noch Lebenslichter haben, pusten sie zurück und blasen – nach einem analogen Kampfwürfelmechanismus – dem jeweiligen Angreifer ein Lebenlicht aus. Keine Angst, wenn wir tot sind, werden wir unverzüglich wieder lebendig und müssen nur einen kleinen Wiederbelebungsobolus entrichten.
Einen ganzen Schwung von Sonderkarten gibt es auch, die unsere Kampfkraft in Angriff und Verteidigung erhöhen. Anstatt Monster zu bepusten, können wir uns auch erst mit genügend Wunderwaffen ausstatten.
Noch während Moritzens Einführung drückte Walter sein Gefühl aus, so ein ähnliches Spiel schon einmal gespielt zu haben. Hans bestätigte: „Das ist ungefähr das hundertste Spiel dieses Genre“. (Von dem kleinen Ausschnitt an Spielen der Welt, die er selber kennt!)
Moritz fand schnell heraus, daß das Spiel „eigentlich funktioniert“. Auch Aaron attestierte dem Spiel einen gewissen Familienspielwert. Nur Walter beklagte sich über den Freiheitsgrad 0 (in Worten: Null). Als Gegenargument wurde ihm dazu das „Chairman of the Board“ vorgehalten. Es scheint offensichtlich auch einen Freiheitsgrad von unter Null zu geben.
Halt, halt: Natürlich hat das „House of Spirits“ für einen INTELLIGENTEN Spieler einen Freiheitsgrad im positiven Bereich. Er kann sich überlegen (zumindest manchmal), ob er sich eine Sonderkarte zulegt oder lieber ein Monster anpustet. Er wird ein Monster nur dann anpusten, wenn es nur noch genau ein Lebenslichtlein brennen hat und wird nicht das vorletzte Lichtlein für den endgültigen Exodus durch und für den kompetitiven Siegpunktzuwachs seines Nachfolge-Spielers ausblasen. (Außer wenn er dies den Regeln nach muß; so groß ist der Freiheitsgrad auch wieder nicht!) Wenn er in der nächsten Runde aber Startspieler wird, dann sollte er als Letzter einer Runde auch das vorletzte Lichtlein angehen. Dann kann man – mit eleganten Würfelwürfen plus Sonderkarten – zwei Lichtlein in zwei Streichen erledigen. Solche Siegpunktzuwachschancen hat ein intelligenter Spieler natürlich alle in seinem Plan.
Wir spielten munter mit unterschiedlichen Motivationen anderthalb Stunden die Monsterkarten und Plot-Karten runter. Den fehlenden Startspielermarker ersetzten wir durch den Deckel einer Mineralwasserflasche, die fehlenden Zählmarker für eigenes und monsterhaftes Leben und Tod markierten wir durch Mühle-Dame-Steine und Siegpunkte zahlten wir in Industrie-Dollars aus. Schließlich ist „House of Spirits“ nur ein Kartenspiel.
Irgendwann im fortgeschrittenen Mittelspiel entfuhr Aaron der Seufzer „Das ist Schwachsinn!“. Er wurde aber nicht hinterfragt, gegen welchen Regelmechanismus dieses Seufzer gerichtet war.
Moritz gewann durch zwei Plot-Karten, die ihm 6 Siegpunkte zuschusterten. Daneben war er natürlich auch beim Monsterausblasen erfolgreich gewesen. Hinterher mußte er sich für diesen heutigen Spielvorschlag verteidigen. Aber ganz friedlich. „Wir sind Dir jetzt nicht böse!“. Schließlich hatten wir ja alle unsere Motivation.
WPG-Wertung: Aaron: 4 („Das Spiel hat überhaupt keinen Pfiff!“), Hans: 3 („Stupides Abarbeiten von Karten. Es fehlt ein Lustigkeitsfaktor.“) Moritz: 5 („Das Spiel ist relativ OK. Der Lustigkeitsfaktor war gerade das einzige, was mir an dem Spiel gefallen hat.“ Beim Nachhaken gab er zu, daß für ihn der Wiederspielwert eines Spieles erst ab 6 Punkten beginnt, seine 5 Punkte also einen deutlichen Dämpfer enthielten!), Walter: 2 (Harte WPG-Note . Für chaotische kooperative&kompetitive Familienrunden könnte man eine 4 geben. Aber nicht in unserer Rangliste.)
2. “Age of Industries”
Die Einschätzung vom Autor Martin Wallace als „Brass light“ wird von Kommentatoren im Internet nicht bestätigt. Auch die Spielzeit ist nicht wesentlich kürzer. Aber das Spiel funktioniert.
Wir bauen Eisenbahnlinien, Industrien, Hafenanlagen und verdienen Geld und Siegpunkte durch eine florierende Infrastruktur. Kartenmanagement, Finanzpolitik, Industrieentwicklung, Transportmanagement, Manipulationen um die Zugreihenfolge und Resourcenmanagement geben jedem Mitspieler genügend Stoff, „to have a plan“. Alles funktioniert, alles ist ausbalanciert, alles ist konstruktiv. Bis zur umfangsreichen Schlußwertung kann jeder Spieler hoffen, mit seiner Strategie den Sieg davon zu tragen.
Auch wenn man dem vermeintlich Führenden nicht direkt an den Wagen fahren kann (keine direkten Kingmaker-Möglichkeiten) gibt es im Belegen von Feldern, beim Erzeugen und Verbrauchen von Rohstoffen, beim Ausbau des kompetitiven Schienennetzes und auf der Startspielerleiste reichlich Interaktion.
Moritz trug (schon wieder) den Sieg davon. Er hatte sich darauf spezialisiert, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Rohstoffe zu liefen. Walter kam mit seiner Netzausbau-Strategie auf den zweiten Platz. Hans hatte sich durch leichtfertigen Umgang mit Krediten den zweiten Platz verscherzt, und Aaron zog konsequent die schlechtesten Entwicklungskarten.

WPG-Wertung: Hans hat vergessen sich zu einer Erstnote äußern, aber 7 Punkte werden es mit Sicherheit sein. Walter hob seine bisherigen 7 Punkte auf 8 Punkte. Moritz liegt mit seinen 4 Punkte ganz abgeschlagen zurück. Irgendwie ist es dem Rest der WPG nur schwer zu vermitteln, wie dieses Spiel mit „ein abstraktes Rumgewixe“ (siehe Session-Report vom 14. Juli dieses Jahres) abgekanzelt werden kann.
3. “Bluff”
Im Endspiel mußte Moritz als David mit einem Würfel gegen vier Würfel vom Goliath Aaron antreten. Durch zielgenaue Vorgaben konnte er noch auf 2:1 verkürzen, aber bevor er den heutigen Hat-Trick vollenden konnte, pustete ihm Aaron mit einem Pasch das letzte Würfellicht aus.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

21.09.2010: Buße für den Dammbruch

Andrea ist katholische Kölnerin und assoziiert mit Protestanten (igitt!) die sauertöpfischen Nichtlacher aus Europas Norden. Walter stammt aus protestantischem Hause in Franken und assoziiert mit Katholiken die Drauflos-Lebenden, die sich niemals um die (In-)Konsistenz zwischen Lehre und Leben geschert haben: Wallfahrten und sündigen, in jeder beliebigen Reihenfolge.
Warum diese Einleitung? Nun ja, das Schlüsselspiel des heutigen Abends drehte sich um das Gut- und Böse-Sein. Und auf diesem Gebiet besitzen die Vertreter der beiden großen deutschen Volkskirchen garantiert keine gemeinsamen Gene.
1. “Das kalte Herz”
Moritz’ aktuelle Spielentwicklung hat die nächste Umdrehung in einer nach oben offenen Spiralbewegung zurückgelegt und wurde erneut zur Begutachtung aufgetischt. Wir sind immer noch Holzfäller und Flößer frei nach Wilhelm Hauffs gleichnamiger Erzählung.
Wesentliche Änderungen gegenüber der Vorgängerversion (siehe Spielbericht vom 8. September diesen Jahres):
a) In der Startaufstellung gibt es bereits ausreichend Holz vor der Hüttn bzw. in der Nagold.
b) Alles Holz gehört jedermann und kann von allen für den gleichen Erlös bewegt, entstaut und geflößt werden.
c) Geld und Siegpunkte sind während des Spiels nicht ineinander konvertierbar. Nur am Spielende liefert das Restgeld einen additiven Siegpunkt-Betrag.
d) Die individuellen Ereigniskarten sind verschwunden. Dafür gibt es jetzt für alle Mitspieler gültige Saisonkarten, die den Spielraum innerhalb der Aktionen einer Runde bestimmen.
e) Die Arbeiter können an jeder beliebigen Stelle des Spielbrettes eingesetzt werden.
f) Alle Aktionen (Holz fällen, Stämme bewegen, Staudämme öffnen, Flöße binden und Flöße verkaufen) können jetzt auch ohne Arbeiter ausgeführt werden.
g) Man kann immer noch beten. Doch steigt man dafür nicht linear auf der Frömmigkeitsskala, sondern bekommt Ablaßzettel, die erst als Bündel in Frömmigkeit umgesetzt werden können.
Nach der Quintessenz von Hauff’s Märchen sind wir sind immer noch gut und böse und können böse Aktionen durchführen, die uns in den Sündenpfuhl drücken, oder Ablaß erwerben, um uns wieder daraus zu erheben.
Dieser typisch katholische Mechanismus löste zwischen Andrea und Walter eine fortwährende konstruktive Diskussion aus, welche Spielzüge protestantisch und welche katholisch sind. Buße tun, um das kalte Herz zu erwärmen, ist protestantisch. Buße tun, um in der Frömmigkeitsskala nach oben zu steigen, ist katholisch. A priori Buße-Tun ist protestantisch, hat doch schon Luther in seiner ersten These formuliert, daß das ganze Leben der Gläubigen eine stete Buße sein soll. Hingegen aus einem wohldefinierten Grund Buße zu tun hat, ist katholisch. Schließlich hat man bei Spiel und Tanz, wenn nicht gar auf dem Oktoberfest, erst einmal gehörig gesündigt. Und schließlich will man sich damit einen klar quantifizierten und ausgewiesenen Zeitanteil Seelenpein im Fegefeuer ersparen. Katholiken tun Buße, weil sie gut werden wollen. Protestanten tun Buße, weil sie gut sind. Oder weil sie böse sind von Jugend auf. Usw.
Auch wenn diese Diskussion nur ganz leise und in einer abseitigen Tischecke geführt wurde, wurde sie von Aaron deutlich kritisiert. Als Unhöflichkeit gegenüber dem Autor. Walters Einwand: Das Spiel bietet zu wenig Motivation etwas zu tun. Alle Aktionen, die man tun darf, kosten a) Geld und b) bringen vor allem unmittelbar dem Nachfolger etwas ein. Ein eigener Nutzen ist erst mit weiterer unfreiwilliger und nicht vorhersehbarer Anschiebhilfe durch die Mitspieler zu erzielen.
Moritz sah das sofort ein: Er schlug einen neuen Spielanfang vor mit einer ad hoc-Modifikation der Spielregeln.
a) Die einzelnen Aktionen dürfen (wieder) erst nur dann getan werden, wenn man einen Arbeiter zur Stelle hat. (Allerdings ist die Beweglichkeit der Arbeiter noch sehr hoch. Diese Einschränkung des Aktionsspielraums muß noch weiter verstärkt werden.)
b) Die Baumstämme in den Flüssen bewegen sich automatisch, d.h. jeder Spieler darf / muss standardmäßig pro Zug eine Portion Stämme bewegen.
(Frage: Warum bilden die Holzstämme immer noch so dicke Pakete. Warum schwimmen auf den einzelnen Flußabschnitten nicht immer nur einzelne Baumstämme die Nagold hinab?)
Jetzt war die allgemeine Dammbewegung gestoppt und jeder Spieler mußte Arbeiter bringen, um aktiv ins Spielgeschehen eingreifen zu können. Dammbrüche erfolgten nur noch mit manuellem Zutun. Auch die Buß-Diskussion war unverzüglich gestoppt. Schließlich gab es jetzt genug eigene Züge zu planen und fremde Züge zu beobachten, um am Damm zu bleiben. Doch noch immer ist man nur begrenzt seines eigenen Glückes Schmied. Immer noch braucht man die Hilfe der Mitspieler um die Dämme oder die Flösselände voller Baumstämme zu bekommen und damit lukrativ handeln zu können.
Doch immerhin gab es zum ersten Mal, seit wir am kalten Herzen operieren, reichlich Flöße mit üppigen Erträgen, die strahlende Mienen bei den glücklichen (oder fähigen) Holzhändlern hervorriefen. Doch es gibt noch viel zu balancieren. Nach 4 Stunden eifriger Holzfällerei waren wir alle erst einmal gründlich geschafft.
Fazit:
Moritz war mit der Spiellänge zufrieden. Es hat sich viel bewegt und alle Spielelemente waren angesprochen worden.
Aaron vermißte noch eine gehörige Portion Interaktion. Streckenweise war die unvermeidliche Denkzeit auch über Gebühr lang.
Andrea war mit der gelungenen Themenumsetzung beim Gut-Böse-Prinzip zufrieden. Ihr gefiel auch das Kosten-Steigerungsprinzip bei den Saisonkarten.
Hans setzte seine Kritk an den Geschwindigkeitsverhältnissen im Spieldesign an: z.B. sind die Arbeiter zu langsam und die Flüsse zu schnell.
Walter spielte nicht gerne den Schmied vom fremden Glück.
Noch keine WPG-Wertung.
2. “R-Öko”
Die mentale Energie reichte mit „R-Öko“ nur noch zu einem leichten Absacker-Kartenspiel, das am Westpark schon zweimal gefallen konnte.
Jeder hat 1-5 Karten in den Farben rot-grün-gelb-blau der Hand und legt davon pro Zug 1-5 Karten einer Farbe an die „Müllseite“ des passenden gleichfarbigen Stapel in der Mitte des Tischen und bekommt dafür die Karten von der „Recycling“-Seite dieses Stapels. Liegen mindestens 4 Karten auf der Müllseite, bekommt man die oberste Karte des Stapels, die Plus- oder Minuspunkte in der Endabrechung bedeuten.
Kartenpflege (durch Ablegen am „richtigen“ Stapel zum Aufnehmen der „richtigen“ Recycling-Karten) ist durchaus interessant, doch was letztendlich in der Auslage geboten ist, wird stark vom Kartenzufall bestimmt.
Moritz schätzte den „Glücksfaktor“ auf 60-70%. Womit er sicherlich ganz gut liegt. Wobei wir aber immer noch nicht wissen, wie der „Glücksfaktor“ überhaupt definiert ist.
WPG-Wertung: Andrea (7), Hans (6) und Moritz (6) blieben mit ihrern Noten ganz nah am aktuellen Notendurchschnitt.

15.09.2010: Räder rollen in die große weite Welt

Ganztägiger Streik in der Münchener U-Bahn plus Champions-League-Spiel der Heimmannschaft: Zwei gewichtige Gründe für Moritz, zuhause zu bleiben. Doch pünktlich stand er auf der Matte am Westpark. Das Fahrrad macht’s möglich.
1. “Aarons 18xx”
Aaron ist mit seiner 18xx-Eisenbahnspiel-Entwicklung wieder ein paar Monate weiter. Inzwischen gibt es keine Aktien mehr, keine Gleise, keine Bahnhöfe und keine Züge. Wir leben ja auch bereits im 21. Jahrhundert, und heute ist der Weltraum unser Zuhause . Hier fahren wir mit unseren Raumschiffen zu den Planeten auf ihren Kreisbahnen um die Sonnen. Die Planeten bringen unterschiedliche Erträge in Geld oder Siegpunkten. Wir finden Schutzschilde für den unvermeidlichen Krieg im All, Treibstoff für größere Beweglichkeit und Eisen zur Steigerung der Erträge. Den aktuellen Stand von Aaron’s Design wollten wir heute mal wieder unter die Lupe nehmen.
Herzstück des Spiels ist ein Verdrängungs-Versteigerungs-Tableau a la „Amun-Re“, in dem wir uns das Gebiet ersteigern, auf dem wir uns entwickeln wollen: Mehr Raumschiffe, größere Reichweiten oder stärkere Schutzschilde stehen zur Auswahl. Wer aus allen Gebieten heraus in astronomische Höhen verdrängt wird, begibt sich in die Bank und kassiert dort als Trostpreis die Hälfte der eingezahlten Gelder. Man braucht dafür aber nicht erst zu warten, bis die Gebote der Mitspieler unsere pekuniären Mittel überschreiten, man kann auch sofort in die Bank gehen und dort warten, bis der Geldsegen früher oder später herabfällt. Und dabei ist jede müde Mark einen ganzen Siegpunkt wert. Diese geldige Strategie unterläuft den harten Kampf um die optimale Ressourcen-Entwicklung, die scharfe Planung der optimalen Routen und die tödlichen Auseinandersetzungen auf den Planetenbahnen. Analog zu unseren Erfahrungen mit dem „kalten Herzen“ von letzter Woche bekam dieses passive Vorgehen den Namen „Bethaus-Strategie“.
Walter fing mit dieser Strategie an, und Moritz äußerte sofort und lautstark die Vermutung, daß dies wieder eine uneinholbare Siegesstrategie werden könnte. Günther lies sich dies nicht zweimal sagen; unverzüglich ging er ab sofort mit seinem jeweils ersten Zug zur Bank und überließ den Kriegern Aaron und Moritz den Weltraum, sowie Walter das Nachsehen. In Minutenschnelle hatte er auf der Siegpunktskala schwindelnde Höhen erklommen und die Siegbedingungen erfüllt.
Aaron hätte gerne noch ein bißchen länger gespielt und getestet; dafür wollte er jetzt die Siegpunkt-Bedingungen in die Höhe schrauben. Dazu schlug Günther vor: „Wir spielen so lange, bis Moritz mich überholt hat!“ – Schallendes Gelächter. Die Bethaus-Strategie war einfach nicht zu überbieten. Die fehlende Balance war nicht zu übersehen. Unverzüglich machten wir umfangreiche Änderungsvorschläge.
a) Das Geld aus der Bank darf nur innerhalb von Versteigerungen eingesetzt werden, aber nicht in Siegpunkte umgewandelt werden. Zumindest nicht im Verhältnis 1:1.
b) Die Raumschiffe müssen nicht in jeder Runde vom Nullpunkt aus eingesetzt werden, sondern sie behalten nach jeder Runde ihre aktuelle Position und können sich so Schritt für Schritt den lukrativen Zirkeln um das Schwarze Loch nähern.
Alle hatten Lust zu einem neuen Versuch.
Jetzt fing blitzschnell der Verdrängungskampf um die besten Plätz an. Nicht mehr das Geld aus der Bank und nicht mehr die Reichweite waren gefragt, jetzt zählten die Schutzschilder, die – wie in der richtigen Militär-Terminologie – weniger der Verteidigung dienten, sondern viel mehr dem Angriff. Mit einer entsprechenden Stärke konnte man leicht die inneren Planetenbahnen von allen Gegners leerfegen.
Doch auch viele schwächere Raumschiffe auf den billigen Plätzen konnten reichlich Siegpunkte einbringen. Ganz unvermutet hatte sich eine zweite Schiene für den Sieg aufgetan. Und sicherlich gibt es noch mehr davon. Das Spiel gewann an Farbe und Dynamik. Es gab einen Blick auf seine Potenz frei.
Natürlich gibt es noch genügend zu feilen. Das Amun-Re-Verdrängungstableau braucht eine quadratische Skala, damit der Versteigerungsprozess nicht so lange dauert. Die Weltraum-Topologie ist zu durchlässig. Jeder kann jeden erreichen und – sofern stärker – vernichten. Jeder Spieler sollte um sein Startfeld herum eine Heimat-Zone haben, in die kein anderen Spieler hineindarf, sonst könnte einem ins Hintertreffen geratenen Spieler vorschnell der Lebensfaden abgeschnitten werden. Hier sollte er auch ganz private Verteidigungschilde auflesen dürfen, um eine Mindestausrüstung zu haben, wenn er hinaus muß ins feindliche Leben.
Das größte Problem ist allerdings noch die Tendenz zur Kingmacherei. Jeder kann sich gegen jeden wenden und damit ganz willkürlich entscheiden, welcher der Gegenspieler eine Menge Siegpunkte verliert. Das konterkariert eine gute strategische Planung. Doch auch dafür werden wir, vor allem Aaron, noch eine Lösung finden.
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
2. “Small World”
Es war schon 23 Uhr und eigentlich mußte Moritz schon auf die vorletzte U-Bahn schielen. Doch weil gestreikt wird, war dieses Kriterium heute nicht relevant. Wir konnten uns problemlos noch mit den allerneuesten Expansions zu diesem von uns hochbewerteten Spiel um Völkerschlachten beschäftigen.
Es gibt ein paar zusätzliche Rassen und Eigenschaften, und vor allem gibt es Ereigniskarten, die in jeder Runde die vorhandene Szenerie beeinflussen: z.B. dürfen bestimmte Landschaftsfelder nicht erobert werden, Pöppel sterben oder kommen hinzu, und dergleichen Schnickschnack mehr.
In der Startaufstellung lagen die Ghouls, die auch als sterbene Rasse ein erhebliches Punkte-Potential in sich tragen, gleich auf dem vordersten Platz, und die erste Ereigsniskarte lautete: „In der nächsten Runde bringt das aktive Volk nichts ein.“ Was lag für den Startspieler näher, als sich die „Ghouls“ unter den Nagel zu reißen und sie in der zweiten Runde gleich sterben zu lassen? Zwei Fliegen mit einer Klappe! Gedacht, getan. Jetzt lagen die „Kobolde“ im Angebot, die mit ihrer enormen Population ein hohe Überlebensdauer haben. Noch dazu waren sie mit „Geschichtsschreibern“ kombiniert, die für jedes sterbende Volk pro Runde einen zusätzlichen Siegpunkt einbrachten, in der Regel also fünf Stück. Das war ein Anfangsreibach, den sich der Startspieler natürlich nicht entgehen lassen konnte. Und der auch sofort die Neider auf sich zog.
Nach unserem WPG-Kodex ist es zwar verpönt, gegen den Führenden zu stänkern, doch in „Small World“ muß dies zweifellos erlaubt sein. Wenn man nicht lautlos und verbissen um seine zeitlichen Jagdgründe kämpfen will, dann ist doch grade die Demagogen-Diplomatie eine wesentliche Freudenquelle des Spiels. Nicht selber gegen den Führenden zu kämpfen, sondern die anderen gegen ihn kämpfen lassen, und sich selber wie ein unschuldiges Lamm auf den fetten Weiden zu tummlen, das bringt die entscheidenen Pfunde. Walter war der glückliche Startspieler, der meilenweit davonzog, vom Unschuldslamm Moritz aber auf der Zielgeraden noch überholt wurde.
Fazit: Neue Rassen und die Ereigniskarten erhöhen zwar die Vielfalt der Spielausprägungen, doch sie bringen keine neue Qualität. Eigentlich müßten sie ganz scharf mit ALLEN anderen Rassen und Eigenschaften ausbalanciert sein, damit das Spiel nicht aus dem Ruder laufen kann, insbesondere zu Gunsten des Startspielers. Diese Balance scheint nicht sicher gewährleistet.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel.
3. “Bluff”
Nein, kein Bluff mehr. Die vorletzte und die letzte U-Bahn wären ohnehin schon abgefahren gewesen, wenn sie nicht wegen des Streiks überhaupt ausgefallen wären. Aaron brachte Moritz mit dem Auto nach Hause. Dort kann er sich im Internet noch die Traumtore von Müller und Klose anschauen. Gegen Roma.

Influential Game Companies of the Past, Part 5: Hexagames

Transcript of the podcast published on July 16th, 2010.

This time I am going to talk about a German game company that few of you will know, but which was extremely influential in the rise of the Euro Game phenomenon in Germany. The company was called… Hexagames.
For 10 years, 1982 to 1992 – which seems to be the lifespan of many game companies – Hexagames was an independent voice of quality in the German gaming scene.
It was founded by L. Hensley to promote his stock market game “Long Short”. I say L. Hensley because nowhere on the web could I find his first name, not even on Boardgamegeek.
There is actually an interesting story behind this game: L. Hensley was not a gamer but a business man who did something that today would probably be called “Day Trading”, meaning that he bought the rights to buy and sell shares only to wait until the shares had fallen before actually buying them, then selling them for the old price making a profit.
This activity – which regularly brings on financial breakdowns until today – was regarded as highly dubious in Frankfurt at the time, so L. Hensley actually went to prison in Frankfurt. There he had 7 months and 1 day of leisure time which he used to create this stock market trading game. Hagedorn met him and became his business partner after his release from prison. The resulting publicity about the “stock market game that was invented in prison” fired up the company that was Hexagames. It was Hagedorn’s idea to create a special hexagonal game board that could be looked at from each side and give the same information to everybody, because he was annoyed with the usual boards where some players always have to read everything upside down. As he used the hexagonal board design for several games in a row it gave the early games of the company a distinctive look and the name Hexagames was born and quickly became a trademark.
At it’s time “Long Short” was regarded as something of a hit, and if one believes the comments at the Geek it still can be regarded as a business game of high quality, simulating the turns and tides of the stock market quite well. Together with Juergen Hagedorn Hensley wanted Hexagames to publish further new games, but quickly they found themselves as the inheritors of the Buetehorn games line instead, a company that went bankrupt roughly the year Hexagames started business. Buetehorn had several beautifully produced games in its line, most notably the strategy game “Conquest” which still exists in one form or another until today. Buetehorn games had a specific box design – a sturdy cardboard box that opened and closed with a button that was also used by many of Hexagames’ games.
Hexagames was quickly recognized for their design quality. First was “Uisge” by Roland Siegers, which garnered the special “beautiful game” or “Schoenes Spiel” prize at the Spiel des Jahres 1984. Already their next big game, the fabulous “Abilene”, also by Roland Siegers, made it on the selection list of the same prize a year later.
I still have a special place in my heart for “Abilene” – it was an unusual design for the time: a fun Western game that was specifically designed to be only played by 3 players, something that is still a rarity and difficult to pull off. Sadly it fell under the curse of the Western game genre – always a difficult sell in Germany – and is now mostly forgotten. But I can only recommend it to anybody interested in unusual games.
Also in later years Hexagames always was a contender for the Spiel des Jahres, but it unfortunately never won the coveted prize. But the company attracted top game designers like Sid Sackson (who did “Die 1. Million” for them) and especially the young Reiner Knizia, who did one of his first and some may argue still best card game design for them, “Res Publica”, a very good civilization light card game that is in print until today.
Like many game companies Hexagames also specialized in bringing interesting games over the pond. They were the first German company to produce a German version of “Cosmic Encounter” for example, still a rarity among collectors. “Cosmic Encounter” had attracted them because of their similar use of a hexagonal game board, so it was a perfect fit to them. Alan Moon did “Black Spy”, a game that was also published by Avalon Hill.
Other games in their very varied line were for example:
“Choice” – an interesting dice game by Sid Sackson which can be seen as an influential multiplayer solitaire dice game, later known as “Einstein”:
“Gimel” – a 2 player abstract game influenced by Egyptian designs.
“Indiana Jones And The Temple Of Doom” – an unsuccessful movie tie-in attempt.
“Karriere-Poker” – a wonderful card game that later became “The Great Dalmuti” and which can be seen as the direct predecessor of the wonderful “Zoff im Zoo”, sharing some of its mechanics.
One of the most legendary games ever produced by Hexagames must certainly be “McMulti” by James St. Laurent, though, a game that still is held in high regard in German gaming circles. This is an economic game that has some design similarities to the much later “Settlers of Catan” and which has been published in the US under the name “Crude: The Oil Game”.
Another notable Hexagames game is “Showbiz” by Derek Carver, a game that bears a not too slight resemblance to “Modern Art” in a way and which has players manage stars with varying success levels.
Many of Hexagames’ games may seem as if they haven’t aged that well, but in their time they were highly influential. One impressive aspect of Hexagames output was a great variety of games with a preference for simple and non-convoluted designs paired with good production values.
The end of Hexagames was a prolonged one. First Hagedorn left the company and was replaced by Joe Nikisch who later founded “Abacus-Games”, a company that is still going strong today. Hexagames was dissolved in 1992, but was taken over by the Berlin company “Sala Games” which published the best of Hexagames under their brand name. But also Salagames went down, only 2 years later, in 1994.
Today Hexagames’ games are sought-after collector’s item – their legacy is not forgotten and they have shaped many designers that still are successful today.
Moritz Eggert

8.9.2010: Hotel am Plattensee

Auch wenn es nach den ausgebliebenen Session-Reports so aussieht, als hätten wir vier Wochen pausiert, waren die Westparker doch auch in der Zwischenzeit aktiv. Allerdings mit bereits bekannten und beschriebenen Spielen, einmal direkt bei Hans-im-Glück, vor allem aber ohne den Gewohnheitsschreiber Walter.
Walter durfte einige Wochen lang am Plattensee den Geburtstag der besten aller Ehefrauen feiern, und mußte sich in der dortigen Spielewüste mit „Hotel“ begnügen. Einem Westpark-Strategen kann diese Monopoly-Variante zunächst nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Doch wenn man von vorneherin davon ausgeht, keine konsequente Gewinnstrategie verfolgen zu können, sondern mit einer demütig-gelösten Kismet-Einstellung die Gaben des Würfels hinzunehmen, dann kann man unter netten Menschen auch mit einer „Hotel“-Runde zwei Stunden Spaß haben.
„Und was gefällt Euch daran so besonders?“ war hinterher die obligatorische Westpark-Gamers-Frage. „Daß man nicht denken muß!“ antwortete ein frisch gebackener Mediziner, Freund der Nichte. Und was sagte die Nichte selber zum Abschluß: „Mama, zu Weihnachten wünsche ich mir ein NEUES Monopoly.“
1. “Das kalte Herz”
Vor einem halben Jahr haben wir die Neuentwicklung von Christof und Moritz noch im Embryonalzustand in Augenschein nehmen können. Wir sollen als Flösser im Holzhandeln unsere täglichen Siegpunkte verdienen (siehe Session Report vom 17.März). Damals hieß der Arbeitstititel noch „Holzhacken im Schwarzwald“. Jetzt gehen unsere Spiele-Väter schon sechs Monate lang mit ihrem Kind schwanger und haben eine Menge zusätzlichen Pepp hineinentwickelt.

Das fängt schon mit dem Namen an. Aus den „Holzhackern“ ist „Das kalte Herz“ geworden, nach einem Märchen von Wilhelm Hauff, das den Holzhändlern in Schwarzwald gewidmet ist. Hier ein Ausschnitt aus der Hauff’schen Einleitung:
„Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen … Dort beschäftigen sich die Leute gewöhnlich mit Glasmachen; auch verfertigen sie Uhren und tragen sie in der halben Welt umher. Auf der andern Seite des Waldes wohnen andere Menschen desselben Stammes, die handeln mit ihrem Wald; sie fällen und behauen ihre Tannen, flößen sie durch die Nagold in den Neckar, und von dem obern Neckar den Rhein hinab, bis weit hinein nach Holland. Am Meer kennt man die Schwarzwälder und ihre langen Flöße; sie halten an jeder Stadt, die amStrom liegt, an, und erwarten stolz, ob man ihnen Balken und Bretter abkaufen werde; ihre stärksten und längsten Balken aber verhandeln sie um schweres Geld an die Mynheers.“
In dem Märchen kommt der kleine Kohlemunk-Peter vor, der auf seinem Abenteuer vom guten Glasmännlein beschützt und vom bösen Holländermichel bedroht ist. Dieser mythische Gut-Böse-Kontrast hat es den Autoren angetan. Zur soliden Holzhandwerksarbeit haben sie phantastische Aktionskarten gestellt, die ständig unseren Charakter verderben und uns Minuspunkte zuschustern. Zu unserer Seelenrettung müssen wir regelmäßig beten und dabei eine ständig wachsende Anzahl von Scherflein in den Opferstock geben. Wer allerdings von Haus aus zur Frömmigkeit neigt, geht überhaupt nicht mehr in den Wald, sondern schickt seine Leute ständig ununterbrochen ins Bethaus, und sammelt sich so nicht nur Schätze im Himmel, sondern auch Siegpunkte auf Erden.
Diese Strategie verfolgte Walter, wobei ihm zugute kam, daß er durch seinen zu Spielbeginn verteilten Sondercharakter von vornerherein für jede Frömmigkeitsstufe zwei Scherflein weniger zahlen mußte als im Standard-Tarif. So konnte er als Heiliger den Sudden Death herbeiführen und sich dabei noch zum Sieger küren lassen.
Es gibt noch viel zu feilen am kalten Herzen. Auch muß noch einiges vereinfacht werden. Die vielen Grübelmöglichkeiten über die effizientesten Züge für die einfachen Holzhacker und Holzhändler kosten (am Westpark) eine viel zu große Menge Denkzeit. Und warten ist lästig. Besonders für Walter, der noch dazu für seine Bete-und-Faulenze-Strategie überhaupt keine Denkzeit benötigte. Zum Glück konnte er sich den Hauff vornehmen und „Das kalte Herz“ lesend bewältigen, während seine Mitspieler Holz hackten, Baumstämme anschoben, Staudämme fluteten und Flöße zusammenzimmerten.
Ein Neunmonatskind wird „das kalte Herz“ bestimmt nicht.
Noch keine WPG-Wertung.
2. “Chairman of the Board”
Das Brettspiel wurde uns vom irischen Verlag Peca-Games zum Testen zugeschickt, mit den besten Referenzen im Internet.
Beim Auspacken erinnerte das Spielbrett eher an „Monopoly“: Um den Spielfeldrand herum sind farbige Felder gruppiert, auf die je eine Karte gelegt wird. Bei „Monopoly“ sind das Straßen, im „Chairman of the Board“ (deutscher Titel: „Der Vorstandsvorsitzende“!!) sind das Aktienanteile.
Doch es gibt keine Würfel, die Bewegung um das die Aktienfelder am Spielfeldrand erfolgt mitttels Karten. Der Mechanismus ist hier ganz ähnlich dem eines Kartenspiels, das ich als Kind unter dem Namen „Schnauz“ kennengelernt habe: Jeder Spieler erhält 3 Karten eines „normalen“ Kartendecks (Rommé, Canasta, Bridge), darf jeweils eine davon mit einer Karte vom übrigen Stapel tauschen und muß damit möglichst schnell die höchstwertige Kartenkombination erzielen. Wem das gelingt, der darf sich einen Aktienanteil nehmen. Wer dann die niedrigstwertige Kartenkombination in seiner Hand hält, muß dem Gewinner zusätzlich eine gewaltige Stange Bargeld zuschustern. Für die anderen Mitspieler tut sich gar nichts.
Moritz erklärte diese etwas seltsame Karten-Brettspiel-Nichts-Rührt-Sich mit „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Auch bei diesem absurden Stück des irischen Autors wartet man ebenfalls vergeblich darauf, daß irgendwann mal irgend eine Aktion geschieht. In „Chairman of the Board“ erhält dazu noch jeder Spieler eine „Vetokarte“, mit der er verbieten kann, daß sich ein Spieler nach der oben beschriebenen Regel einen Aktienanteil nehmen kann. So ist der Stillstand gleich doppelt gesichert.
Natürlich löste dieses vermurkste Design sehr bald ausschließlich Gelächter aus. Zumindest bei ¾ der Teilnehmer. Walter „fand es überhaupt nicht zum Lachen“, doch für Moritz war es „eines der besten Spiele, das mit je untergekommen ist“. Doch trotz diese Qualifizierung brachen wir ab, bevor auch nur der ersten Spieler einen Aktienanteil erworben hatte. „It’s not a game, it’s a joke!“ (Hallo Peca-Games: Falls Euch dieser Session-Report zu bösartig erscheint, dann könnt Ihr wenigstens noch das Moritz-Zitat in Euere Internet-Präsentation übernehmen!).
WPG-Wertung: Aaron: 2 (für das schöne, qualitativ hochwertige Spielmaterial), Günther: 2 (für die Veto-Karten), Moritz: 2 (Spielmaterial), Walter: 2 (Als Reverenz für die vielen Schnauz-Runden aus seiner Jugend)
3. “Schnauz”
Zur Demonstration eines funktionierenden Spiels mit dem oben erwähnten Kartenkombination-Tausch-Mechanismus schlug Walter ein Spielchen vom Original-Schnauz vor. Im Internet ist es mit dem Namen „Schwimmen“ geführt und hat die weiteren regionalen Bezeichnungen Knack, Wutz, Bull und Hosn obi …
Unter der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Schwimmen_(Kartenspiel) findet man die Ablaufbeschreibung:
„Der Kartengeber teilt beim offenen Spiel jeweils drei verdeckte Karten einzeln an alle Spielteilnehmer aus, an sich selbst jedoch zwei Päckchen mit jeweils drei Karten. Er sieht sich die Karten eines Stapels an und entscheidet, ob er mit diesen Karten spielen möchte, oder nicht. Will er mit den Karten des ersten Stapels spielen, so muss er den zweiten Stapel offen in die Tischmitte legen. Will er die Karten des ersten Stapels nicht behalten, so legt er diese drei Karten offen in die Mitte des Tisches und muss die Karten des zweiten Stapels aufnehmen. Die übrigen Karten werden beiseite gelegt.
Der Spieler links vom Geber beginnt das Spiel. Er kann entweder eine Karte oder alle drei Karten aus der Hand mit Karten in der Mitte tauschen – jedoch nicht zwei. Möchte er nicht tauschen, so kann er entweder schieben, d. h. keine Karte tauschen, oder aber das Spiel schließen, indem er klopft (meist mit den Fingerknöcheln auf den Spieltisch).“
Logisch, stimmig, ausgewogen, unterhaltsam. Auf keinen Fall krass.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (auch Jugenderinnerung), Günther: 5 (warum eigentlich?), Moritz: 5 (funktioniert), Walter: 7 (schnell und gute Kosten/Nutzen-Relation im Material).
4. “Flaschenteufel”
Moritz wurde ungedultig: „Jetzt laßt uns endlich nochmal ein gutes Spiel spielen!“ 23 Uhr war schon vorbei, da standen nur noch Absacker zur Auswahl. „Flaschenteufel“ ist immerhin einer von den besten.
Aaron schlug Günther gleich eine Allianz gegen Moritz und Walter vor, doch Günther hatte eine bessere Idee: „Alle drei gegen Moritz! Wenn er schon mal da ist!“
Allerdings lassen sich aggressive Allianzen in Flashenteufel kaum umsetzen .Am Ende ist jeder doch nur darum bemüht, sein eigenes Schäfchen ins Trockene zu bringen. Selbst beim Schieben von Karten in der Startaufstellung kann jeder nur an seinen eigenen Vorteil denken: Die niedrigere Karte an den rechten Mitspieler, die höhere Karte an den linken Mitspieler. Die Begründung dafür und eine Reihe weiterer Ratschläge findet man unter der Flaschenteufel-Rezension auf unserer Seite.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
5. “Bluff”
Walter stand mit 3 Würfeln im Endspiel gegen Günther mit 1 Würfel. 1 mal die Vier war Pflichtvorgabe im Kampf der 1-mal-Vier gegen 1-mal-Fünf-Kontrahenten.
Günther hatte eine winzige Eins unter seinem Becher. Wie sollte er kontern?
Er versuchte es mit 2 mal die Eins. Doch Walter, der eine Eins und zwei Zweien unter dem Becher hatte, konnte mit 2 mal die Zwei den Sack zumachen.
Günther bekam hinterher natürlich den Vorwurf zu hören, warum er die 1-mal-Vier-Vorgabe nicht angezweifelt habe. Dafür bekommt er jetzt als unser Chefmathematiker folgende Hausaufgabe aufgedrückt;
a) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, unter 3 Würfeln keine Vier zu haben.
b) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit 3 Würfeln (einschließlich der Nachwürfelmöglichkeit) besser als 2 mal die Eins zu würfeln. (Unter der Voraussetzung, dass unter unter dem Becher des Gegners eine Eins vorhanden ist.)
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

Our Game of the Month July 2010: Fresko

Games with artists as protagonists have a good tradition in European gaming, if one thinks of classics like ‘Princes of Florence’ or ‘Leonardo da Vinci’. There are also many games, in which artists (or at least artistically ambitious craftsmen) play an important role, like in ‘Pillars of the Earth’. It’s a well-liked theme, which perhaps can be explained by the special role of art itself in European history.

In ‘Fresco’ players emulate Michelangelo and mix their colour pots to create a huge ceiling painting. Important for this is not only good action management but also to keep one’s artist happy and inspired (that one cannot be happy and inspired with too little sleep should be common knowledge). ‘Fresco’ is one of those rare games in which theme and mechanics blend well. In fact the game is explained very easily because everything is logical and clear. In a wonderful way it is equally good as a family game (buying and mixing colours is fun) but also as a freak game (action optimizing) – therefore it can be wholeheartedly recommend to all kinds of gamers.

Unser Spiel des Monats Juli 2010: Fresko

Künstlerspiele haben im Euroraum eine gute Tradition – man denke an den Klassiker ‘Fürsten von Florenz’ oder auch an ‘Leonardo da Vinci’. Hinzu kommen zahllose Spiele, in denen Künstler bzw. künstlerisch ambitionierte Handwerker eine entscheidende Rolle spielen, zum Beispiel in ‘Säulen der Erde’. Ein beliebtes Thema also, was vielleicht mit der besonderen Rolle der Kultur in der europäischen Geschichte zu tun hat.

In ‘Fresko’ darf jeder mal Michelangelo sein und seine Farbtöpfe mischen, um ein großes Deckengemälde fertigzustellen. Wichtig ist dabei nicht nur ein gutes Aktionsmanagement sondern auch, seinen Künstler zufrieden und inspiriert zu halten (dass man bei zu frühem Aufstehen nicht kreativ sein kann, wird jeder Künstler bestätigen können). ‘Fresko’ ist eines der seltenen Spiele, in denen Thematik und Mechanismen wunderbar einhergehen. Tatsächlich ist das Spiel leicht zu erklären, weil eben alles so schön logisch und klar ist. Auf wundersame Weise ist es durch sein attraktives Thema sowohl als Familienspiel (Farben mischen und kaufen macht Spaß) wie auch als Freakspiel (Aktionsoptimierung) geeignet. Ein absoluter Wurf also, den man bedingungslos jedem empfehlen kann.

28.07.2010: Chaos und Planung

“Brettspiel sowie Malerei verlangen ein außerordentliches Maß natürlicher Begabung und liefern uns darin auch die seltsamsten Überraschungen; so mancher offenbar halb-gescheite Zeitgenosse, der zu einer nützlichen Tätigkeit unfähig zu sein scheint, kann sich als Genie im Brettspiel oder der Malerei erweisen.”
Aus “Die Geschichte vom Prinzen Genji” – aufgeschrieben vor ziemlich genau eintausend (!) Jahren.
Apropos „Genji“: Seit ich seinen Lebensroman gelesen habe, muß ich mich über unser leichtfertiges Herangehen an das gleichnamige Brettspiel (23.09.2009) schämen. Gedichte und Halbgedichte zu schreiben, die vom Empfänger mit Gedichten und Halbgedichten beantwortet werden, war in Japan eine tief verwurzelte höfische Sitte. Es gab keinen gebildeten Liebhaber, der in der Morgendämmerung das Haus seiner Liebsten verließ, ohne ihr unverzüglich ein selbstverfaßtes Gedicht zu schicken, und der daraufhin nicht ebenso unverzüglich ein Gedicht zurück bekommen hätte. Mit diesem Wissen muß man am Brettspiel “Genji” wenigstens den kulturellen Hintergrund würdigen. Verzeihung, verehrter Dylan Kirk!
1. “Mega Corps”
Andrea rümpfe die Nase, als Moritz dieses „Wirtschaftsspiel“ auf den Tisch legte. Aber er konnte sie sofort beruhigen: „Keine Sorge, es gibt auch Aggressionen. Es wird allerdings nicht gewürfelt.“ Ist das jetzt eine Einschränkung unseres kriegerischen Austobens oder eine Verstärkung?
In einem Schachbrettmuster liegen auf der X-Achse die verschiedenen Nationen (Europa, Russland, China, Japan usw.) und auf der Y-Achse die verschiedenen Industriezweige (Software, Öl, Metall, Medien, Verteidigung, Biotech usw.). Die hauptsächliche Tätigkeit der Spieler besteht darin, beliebige X-Y-Punkte zu besetzen, d.h. z.B. eine Biotech-Industrie in Rußland zu errichten.
In unregelmäßigen Abständen werden bestimmte Industriezweige gewertet, dann bekommen die beteiligten Mitspieler für jeden Standort eine Summe von Siegpunkten. Je weniger Mitspieler sich hier engagiert haben, desto höher ist der Ertag pro Standort. Besitzt ein einziger Spieler alle 5 Standorte eines Industriezweiges, so bekommt er ganz allein stolze 50 Siegpunkte. Sind die Standorte dagegen auf 5 verschiedene Spieler verteilt, so bekommt jeder nur 4 Siegpunkte.
Die Nationen sind ebenfalls in der Hand einzelnen Spieler, doch deren Besitz ist nur von untergeordneter Bedeutung. Zu Spielbeginn werden einige Nationen asymmetrisch an einige Spieler verteilt, andere gehen leer aus und werden dafür mit Ereigniskarten abgespeist. Man freut sich, wenn man ein paar Nationen geschenkt bekommen hat und man heuert ggf. Söldner an, um die Nationenverteilung zu verändern. Doch hinterher muß man sich fragen, ob das den Einsatz wert war. Denn bei Spielende ist der Nationenbesitz keinen Pfifferling mehr wert. Als Regierungschef kann man lediglich einen Zug opfern, um ein Unternehmen aus dem eigenen Lande zu weisen (in einer Demokratie), um es zu verstaatlichen (in der Diktatur) oder um es selbst in Besitz zu nehmen (in einer Kleptokratie). Doch diese Besitzwechsel-Effekte bringen einem Spieler nicht viel mehr ein, als wenn er auf friedliche Weise einen beliebigen freien X-Y-Punkt auf dem Spielbrett belegt.
Was sich hier noch ein bißchen planbar liest, ist in Wirklichkeit absolutes Mitspielerchaos. Dazu tragen besonders die Ereigniskarten bei. In jeder Runde darf der Startspieler eine davon ziehen und zu einem beliebigen Zeitpunkt einsetzen. Z.B. darf man damit einem Mitspieler einen Industriestandort ersatzlos wegnehmen (was dem Opfer natürlich sehr peinlich ist), oder man kann für einen Industriezweig eine Sonderwertung auslösen (was für den Auslöser natürlich sehr erfreulich ist), und ähnliche starke bis krasse Effekte. Damit wird die konsequente Planung von Industriemonopolen nahezu torpediert.
Unser heutiger Sieger konnte kurz vor Schluß mit einer Ereigniskarte einen ganzen Industriezweig an sich reißen und zweimal dafür abkassieren: einmal regulär und einmal in der Schlußwertung. Allein mit diesen zwei Wertungen machte er ungefähr sowie Punkte, wir alle anderen Spieler am Ende jeweils aufwiesen.
Doch dieser unberechenbare Ablauf war vom ersten Augenblick an vorhersehbar. Wir ließen uns schnell auf das Chaos ein und füllten Haus und Garten des öfteren mit schallendem Gelächter. Zumindest die erste Stunde lang. Dann wurde das Lachen schlapper. Es ist nicht so leicht, anspruchsvolle Kunstgenießer zweieinhalb Stunden bei Laune zu halten.
WPG-Wertung: Aaron: 3 („Das Spiel ist nicht ausgegoren.“), Andrea: 5 (fand es ganz lustig. „Das Spiel hat einige gute Ansätze.“) , Hans: 4 („Man kann (immerhin) verschiedene Schwerpunkte setzen. Offensive Aktionen sind aber nicht kalkulierbar, zu teuer und zu wenig lohnend.“), Moritz: 4 („Die Ereigniskarten sind ein totaler Scheiß. Der Sieg sollte nicht nur über die Industrien, sondern auch über den Nationenbesitz vergeben werden.“), Walter: 4 („Ein Zeitvertreib im Sinne von Zeit Totschlagen, keiner im Sinne von Vergnügen und Zerstreuung.“)
2. “Glen More”
Ein Kontrastprogramm zu „Mega Corps“: alles ist planbar, jeder Spieler hat mit jedem Zug sein Schicksal selber in der Hand.
Auf einer Rundlaufbahn liegen Landschaftsplättchen aus (Dorf, Wiese, Wald etc.) und jeder Spieler darf sich jeweils ein beliebiges davon nehmen und in seine eigene Landschaftsauslage einfügen. Jedes Plättchen bringt Vorteile, entweder an Resourcen (z.B. Stein, Holz, Getreide, Fleisch) oder an Produktionsstätten (Jahrmarkt, Krämerei, Metzgerei, Destille), wo Rohstoffe in Geld oder Siegpunkte verwandelt werden.
Die Spieler sind aber nicht reihum am Zug, sondern nach einem sehr interessanten Mechanismus darf jeweils der Letzte innerhalb des Rundkurses ziehen. Wenn z.B. noch Landschaftsplättchen zwischen ihm und dem vorletzten Spieler liegen und er mit minimaler Schrittweite vorwärts geht, darf er sogar mehrmals hintereinander ziehen.
Hier herrscht also für jeden Spieler das gegenläufige Interesse, sich das beste Plättchen ganz vorne unter den Nagel zu reißen gegenüber einem langsamen Abgrasen vieler mäßiger Plättchen am Ende des Rundlaufes. Doch damit das Abgrasen nicht allzu ausufert, wird jedes Plättchen a priori mit 3 Minuspunkten bestraft. Man sollte demnach seinen Plättchenbesitz möglichst minimieren und sich nur solche Plättchen zulegen, die es auch bringen. Dieses Spannungsfeld macht den ganzen Reiz des Spiels aus.
Es gibt sehr viele Siegpunktquellen und entsprechend viele Spielweisen, sie sich zu erschließen. Fitzelig ist die Planung, fitzelig die Einnahmen und die Wertungen, und fitzelig die Von-der-Hand-in-den-Mund-Optimierung. Erst das Spielende zeigt, wie gut man im Rennen liegt bzw. gelegen hat. Aber spielerisch-konstruktiv war es auf jeden Fall ein Vergnügen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 („Man wird gespielt,“), Andrea: 6 („Caylus ist ähnlich in der Entwicklung, aber anspruchsvoller und planerischer“), Hans: 5 („Die verschiedenen Strategien ermöglichen keine grundsätzliche Differenzierung. Jeder spielt so vor sich hin.“), Moritz: 6 („Das Spiel enthält viele hübsche Ideen.“), Walter: 6 („Es fehlt eine dynamische Steigerung der Wertungsefffekte zum Spielende hin.“)
3. “Bluff”
Gleich als erste Vorgabe begann Andrea mit 5 mal Stern. Das ist bei 25 Würfeln unter den Bechern von 5 Mitspielern deutlich über Schnitt. Moritz zweifelte an und mußte 2 Würfel abgeben. Andrea begann wiederum mit 5 mal Stern und Moritz sprang diesmal gleich auf 7 mal Stern, ohne einen einzigen Stern und dem Becher, und obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür doch geringer war als vorher. Warum das?
Er wollte die vorletzte U-Bahn erreichen! Was ihm auch auf Anhieb gelang.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

"Was lag auf den Tisch?"