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16.10.2013: Götter und Gelehrte

Alle Schaltjahre schaut der Millionenspieler Michael Andersch mal bei uns am Westpark vorbei. Heute war es wieder soweit.

Seine Einschätzung zum Trend auf dem Spielemarkt:

  • Es gibt mehr Kooperationsspiele als früher.
  • Crowd Funding bringt einschneidende Bewegungen in die Spiele-Herstellung. Allerdings kann er diesem neuen Markt-Verfahren überhaupt nichts abgewinnen. Er hat in diesem Genre noch kein einziges Spiel gefunden, das ihn überzeut hat. (Wir übrigens auch noch nicht.) Nicht umsonst haben die Götter vor den Preis den Schweiß gesetzt.

1. “Numeris Romanis”
Aarons Drei-Wochen-Embyro zur Einstimmung. Wir würfeln mit altrömischen Ziffern neurömische Zahlen und müssen dabei vorgegebene Zielwerte erreichen.

Die Verblüffung über das einfache und eigentlich jeden Berufs-Kniffler überzeugen müssende Prinzip hat nachgelassen. Wir warten noch auf den entscheidenen Kick, der dieser Spielidee in bezug auf Spannung, Variabilität, Spielwitz und Nachhaltigkeit zum Durchbruch verhilft.

Noch keine WPG-Wertung.

2. “Noblemen”
Die erste Freude am Spiel entsteht beim Zusammenstecken der Sichtschirme. Peter forderte Aaron auf, bei seinen Spielen auch mal etwas zu Stecken zu erfinden. Hier bleibt Aaron aber lieber beim Altbewährten. Peters Rat, den oberen Querstab doch besser hinten rein zu stecken, weil man da tiefer komme, wurde hingegen gerne angenommen. Adel verpflichtet.

In einem sehr vielseitigen Entwicklungsspiel erweitern wir unseren Grundbesitz an Feld, Wald und Wiese, bauen Burgen, Schlösser und Kapellen, reißen uns die Königin unter den Nagel, treiben Steuern ein und stiften der Kirche, um aus all diesen Aktivitäten zu mehr Geld, mehr Immobilien, mehr Prestige und finalmente zu mehr Siegpunkten zu kommen.

Michael durfte Peter das Spiel erklären. Ruhig, überlegen, gekonnt. Er ist halt ein Profi und „Noblemen“ ist eines seiner (vielen) Lieblingsspiele. Das Spiel ist ein Kampf gegen die vielfältigen eigenen Engpässe an Entwicklungsresourcen; doch wenn man die Linien erkannt hat, wird aus dem Darben schnell ein Schwelgen.

Michael zog auch siegpunktemäßig gleich allen davon. Schnell eine Wiese angelegt, Burg und Kirche gebaut, die Königin becirct (ständig), die Grundstücke so geformt, dass sich keine fremden Ritter darauf tummeln konnten, umgekehrt aber seine Ritter schnell auf die Kirschbäume in Nachbars Garten gescheucht. Seine 81 Siegpunkte gegenüber den 65 von Günther und Peter – von Aaron und Walter ganz zu schweigen – kamen schon fast einer Deklassierung gleich.

Das Ritter-Prinzip wurde als nach allgemeinem Empfinden als negatives Spielelement („Designfehler“!) eingestuft:

  • Der Ritter schadet einem willkürlich wählbaren Mitspieler.
  • Ein Hintermann profitiert von den Spielfehlern seines Vorgängers; die anderen Mitspieler sind gegenüber diesen unverdienten Profiten machtlos.

WPG-Wertung: Zum bisherigen guten Durchschnitt von 8 Punkten vergaben Michael 9 und Peter 7 Punkte (weniger Zufallseffekte wären ihm lieber).

Gelehrtendiskussion
Nach jeder Dekade erhält jeder Spieler eine „Skandalkarte“. Er nimmt sich dazu drei Karten vom Stapel, wählt davon eine aus und gibt die anderen zurück. Frage: Unterscheidet sich die Auswahl an Skandalkarten, unter denen jeder Spieler wählen darf, wenn man

  1. die zurückgelegen Skandalkarten vom Vorgänger zur Seite legt, oder
  2. die zurückgelegen Skandalkarten vom Vorgänger in den Reststapel wieder einmischt?

Anachronistisch
Wer eine Kapelle baut, erhält zur Belohnung ebenfalls eine Skandalkarte! Hört, hört! Der Autor Dwight Sullivan hat während der Entwicklung von „Nobleman“ garantiert noch nix von Limburg und Tebartz-van-Elst gewußt!

3. “Tutanchamun”

Michael und Peter beim Tutanchamun
Michael und Peter beim Tutanchamun

Was spielen wir als nächstes? Michael war für Aarons „Yunnan“. Er wollte das Spiel nicht erst auf der Spielermesse in Essen kennenlernen. Doch Peters Mienen legten ein Veto ein. Er geht bei der Spielauswahl die wenigsten Kompromisse ein. Und seine Mienen besitzen ein erhebliches Gewicht bei der Entscheidungsfindung – nicht nur wegen der Seltenheit, mit der er in den letzten Jahren am Westpark erscheint.

So durfte Günther die wohlerhaltenen Knochen von „Tutanchamun“ auftischen, ein Knizia-Spiel, das vor ca. dreitausend Spieljahren auf der Auswahlliste zum „Spiel des Jahre 1993“ stand. Ziemlich genau vor 10 Jahren hat unser Hans seine erste Rezension verfasst – über „Tutanchamun“.

69 „Schatzkärtchen mit verschiedenen Schatzarten“ liegen in einer langen Schlange auf dem Tisch. Die Spieler müssen diese Schlangen-Strecke einmal von vorne bis hinten durchlaufen. Jeder darf so schnell – soviele Schatzkärtchenschritte – vorwärts gehen, wie er will, rückwärtsgehen ist nicht erlaubt. Das Kärtchen, bei dem er einen Stop einlegt, gehört ihm. Sobald das letzte Kärtchen einer Schatzart aufgenommen wurde, gibt es Punkte für die Mehrheiten daran.

Spielende ist, wenn entweder alle Schätzkärtchen aufgenommen wurden, oder wenn ein Spieler die geforderte Summe an Siegpunkten beisammen hat.

Peter versuchte schnell zu punkten, um die zweite Endbedingungen zu schaffen, doch ein bis zwei Punkte vor dem Ziel verließen ihn seine Kräfte. Michael verlegte sich auf hochwertige Schätzkärtchen, unterschätzte dabei aber ihre Verteilung innerhalb der Schlange: Drei von acht Kärtchen seines „Pharaonenklaviers“ lagen ganz am Ende der Strecke, sie wurden nicht mehr gewertet! Da hatte er einem Menge Ambitionen in ein gewichtiges Objekt investiert, das aber keine einzigen Tropfen Milch und Honig gab.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt), Günther: 8 (bleibt), Michael: 4 (doofes Gelatsche. Objektiv ist das Spiel besser als es meine subjektive Punktevergabe aussagt), Peter: 6 (bleibt), Walter: 7 (ein Punkt mehr als bisher. Honorar für die kurze Spieldauer angesichtes der zu erwartenden Restlebenszeit).

4. “Bluff”
Michael gelang es, Moritzens schon einmal vor Jahren praktiziertes Kunststück zu wiederholen, auf Anhieb fünf Sterne zu erwürfeln. Problemlos konnte er damit mit einem Schlag unseren Günther rauskicken. Nachdem er sich auch gegen die drei anderen Westparker schadlos durchsetzen und mit fünf jungfräulichen Würfeln trimphieren konnte, gab es zunächst betretene Mienen am Westpark.
Eintagsfliege! Über sein Abschneiden im zweiten Durchgang schweigt des Sängers Höflichkeit. Die Welt war wieder in Ordnung.

Nach Michaels sorgsam geführter Statistik über alle gespielten Spiele, alle Sieger und alle Resultate konnte er den zwingenden strategischen Charakter von Bluff einwandfrei nachweisen: Bei insgesamt fünf Durchgängen hatte jeder einmal gewonnen.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Noblemen” ist unser Spiel des Monats

NoblemenDwight Sullivan ist einer von uns: ein Hobby-Spieler, der lange und intensiv für sich an einem Spiel gearbeitet hat (nachzulesen hier: http://noblemenboardgame.blogspot.de/) , ohne je ernsthaft an eine Veröffentlichung zu glauben. Dann reichte er sein Design beim Hippodice-Autorenwettbewerb ein, gewann die Aufmerksamkeit des immer besser werdenden Pegasus-Verlags, und nun ist es fertig: sein erstes veröffentlichtes Spiel, und es ist wirklich gut geworden!

Wir sind Adelige die versuchen die Gunst des Königs zu gewinnen, und bauen dazu Kirchen und Schlösser und erweitern unsere Ländereien. Bei den fast rund um die Uhr stattfindenden Maskenbällen benutzen wir unseren Besitz, um in der Adeligen-Rangliste aufzusteigen. All das bringt natürlich Siegpunkte.

„Noblemen“ ist eine wirklich runde Sache geworden – die geografische Platzierung der Ländereien ist ebenso anspruchsvoll wie das sorgfältige Haushalten mit den sehr flüssig zu spielenden Aktionen. Und ein weiterer echter Hit für Pegasus-Spiele!

“Noblemen” is our Game of the Month

NoblemenDwight Sullivan is one of us: a hobby gamer who has worked intensively on a game design without ever believing it would be published (read about it here: http://noblemenboardgame.blogspot.de/). The he entered the Hippodice game design contest and was noticed by up-and-coming boardgame publisher “Pegasus”-Games, and now it’s finished, his first published game! And it’s a swell game, that’s for sure….

We are Noblemen who try to get noticed by the king, building castles and churches and expanding our own personal realm. At the constantly happening costume balls we try to convince the kind to promote us in the noble ranking, of course with the goal to accumulate victory points.

“Noblemen” has been developed into a well-rounded game – the geographical placement of the land tiles is as interesting as the careful planning of the fluidly playing actions. A new hit for “Pegasus”-Games!

05.12.2012: Crux mit den Kickstartern

Bei Kickstarter-Brettspielen haben wir Westpark-Gamers uns schon seit einiger Zeit engagiert, jetzt gibt es auch Kickstarter-Spielprogramme auf iOS-Basis. Moritz war mit 15 Dollars bei „Battle of the Bulge“ dabei; die Entwicklung wurde erfolgreich finanziert und produziert, jetzt geht es ans Ausliefern. Doch da tauchte ein Problem auf: Die Förderer haben für ihr Spiel ja bereits bezahlt, doch das Verschenken eines amerikanischen Produkts an europäische Kunden wird von Apple nicht zugelassen. Diese Weltfirma diktiert sogar die Preisstufen und damit den Minimalpreis für den Download der Applikationen auf iOS-Basis. Wie kommt Moritz – und wie kommen die weiteren 50 Besteller aus dem europäischen Raum – jetzt zum geförderten Spiel, ohne nochmals den vollen Apple-Download-Preis zu bezahlen?

Creative Denker an die Front!

Ganz einfache Lösung: Moritz erhält von der Entwicklungsfirma einen Batzen Geld auf seinem Konto; damit kauft er für alle 50 Besteller bei Apple Gutscheine für den Download, mit diesen Gutscheinen beschenkt er die europäischen Förderer, die damit kostenlos ihr Spielprogramm runterladen können! … Welch ein Glück, dass es nicht 100000 Förderer waren?

1. “Gauntlet of Fools”
Mit „Spießrutenlauf der Narren“ könnte man dieses ebenfalls per Kickstarter-Finanzierung entwickelte Brettspiel übersetzen. Der verdiente Donald X. Vaccarino („Dominion“!) hat es erfunden, Moritz hat es gekauft und heute als Einleitungsspiel vorgeschlagen. Er ließ es sich nicht nehmen, der Runde auch gleich noch einen verbalen Appetizer hinzuwerfen: „Spielt sich wie Can’t Stop“ – immerhin ein 7+ Punkte Spiel am Westpark.

Gauntlet of Fools
Gauntlet of Fools

Jeder ersteigert einen Helden (dem Titel nach wohl eher Narren) und kämpft gegen fortlaufend auftauchende Monster. Ersteigern heißt hier, wir verpassen den einzelnen Heldenfiguren solange Handicaps, bis sie arm am Beutel und krank am Herzen ihre müden Leiber vor die Monster schleppen und kein anderer Mitspieler mehr für sie Sorge tragen will. Kämpfen heißt hier, würfeln und gewürfelt werden, Gold gewinnen und Leben verlieren. Freiheitsgrad: Solange der Vorrat reicht, kann man zum Hackebeil greifen, um die Siegeschancen zu erhöhen. Damit entgeht man aber keineswegs dem Verlust an eigenen Lebenspunkten. Der “Zombie” darf, wenn er bereits tot sich, nach freier Wahl noch gegen zwei Monster antreten, um im Falle eines Sieges seine Geldausbeute zu erhöhen. Zweimal eine Ja/Nein-Entscheidung im 20-Runden Monsterkampf. Der Rest ist Würfel-Prädestination. Gigantisch!

Während das Gros der Mitspieler entgeistert auf den trostlosen Spielablauf schaute, und auf die tausend roten Hexawürfel in der Schachtel, wohlwissend, dass sie ihr letztes Leben wohl ausgehaucht haben würden, bevor auch nur der letzte Würfel gefallen war, weidete sich Moritz an den verschiedenen Abenteurergestalten: “Berserker”, “Necromancer” und “Warlords” geben doch eine Unmenge an Thema und Stimmung her.

Er fand auch noch eine Verteidigung für das öde Dahinschlachten und Dahingeschlachtet-Werden: „Wie bei einem Pferderennen: Man setzt mehr oder weniger blind auf ein Pferd und weiß erst am Ende, wie gut es drauf ist.“ Hallo Moritz, bist Du denn an einem einzigen Pferderennen-Nachmittag zwanzig mal untrennbar an den gleichen Loser-Klepper gebunden? Oder ist dies etwa die Ähnlichkeit mit „Can’t stop“?

WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 2 (vielleicht auch 3), Horst: keine Note für die Runde am Westpark (für andere Spielkreise glatte 9 Punkte, eines der besten und witzigsten Spiel der letzten Wochen, der Mechanismus hat total Spaß gemacht! Freute sich über das Abmühen der Mitspieler; in dieser Runde ist es wie Perlen vor die Säue werfen [Aaron: Wie Eber-Losung vor die Perlen!], Moritz: 5 (nett, die Aktionsmöglichkeiten sind zugestandenermaßen beschränkt), Walter: 2 (der größte Spielspaß war die private Auszeit, um die beste aller Ehefrauen von der U-Bahn abzuholen).

Endlich haben wir wieder einen „Horst-des-Monats“.
Und die blasphemische Erkenntnis: Wenn ein verdienter Autor eine Idee per Kickstarter lanciert, dann ist seine Idee offensichtlich nicht potent genug, die bewährten Pforten am Autoreneingang von Verlagen zu überwinden.

2. “Noblemen”
Vor vier Wochen in einer Dreierrunde für gut befunden, durften heute auch Aaron und Moritz ihren Senf dazugeben.

Wir bauen als englische Adelsherrschaften unsere Landschaftsgärten aus und beeindrucken mit Wäldern, Wiesen, Feldern und Parks, mit Burgen, Kirchen und Palästen die englische Königin. (Die erste Elisabeth, wohlgemerkt!) Gegenüber den „Spießruten“ sind die Freiheitsgrade ins Unermeßliche gestiegen. Die Auswahl an Landschaftstypen, die vielen und ständig wachsenden Möglichkeiten für Anlegestellen in unserem Grundbesitz, Kauf, Platzierung und Ausbaumöglichkeiten unserer Gebäude setzen unserer architektonischen Kreativität und unseren Ambitionen als Siegpunkt-Scheffler praktisch keine Grenzen.

Das geht noch dazu alles in spannender, spielerischer Konkurrenz und Interaktion von sich. Glücklicherweise ist der Spielspaß dabei so groß, dass selbst am Westpark gespielt und gezogen wird, bevor alle Optimierungsmöglichkeiten analysiert und bewertet wurden. Notfalls kann man sogar auch denken, wenn man nicht dran ist.

WPG-Wertung: Zum bisherigen 8-Punkte Schnitt vergaben ebenfalls Aaron: 8 (rund, spannend, nicht zu lang) und Moritz: 8 (Super-Spiel); Walter erhöht auf 9 Punkte.

Allgemeine Anerkennung vom Westpark: Pegasus, der Verlag von „Noblemen“ hat sich gemausert. Praktisch aus dem Nichts heraus ist er einer der besten deutschen Spieleverlage geworden.

3. “Bluff”
Nichts Neues im Westen. Moritz gewann unspektakulär mit 3 Würfeln Vorsprung.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

4. Neue Mechanismen
In einer Dreierrunde stellte Aaron seine neueste Spielidee vor. Wir investieren in abstrakte Objekte (Kickstarter-Produkte?), die in fünf Jahrgängen fällig werden. Habe sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit genügend Interessenten mit genügend Masse angemeldet, gibt es dafür Siegpunkte, gestaffelt nach der Reihenfolge des Engagements. Ein einfaches, aber auf Anhieb bestechendes Spielprinzip.
Natürlich gibt es noch eine Menge alternativer Designentscheidungen auszuprobieren und festzulegen:

  • Werden nahe oder zukünftige Investitionen besser honoriert?
  • Wieviel Investitionsmasse steht zur Verfügung (Gesamt-Kartenanzahl, Größe der Kartenhand)?
  • Wieviele “Investitionsslots” stehen in jedem Jahrgang zur Verfügung?
  • Mit welchen Freiheitsgraden (Menge und Qualität der Investitionskarten) kann man sich an eine bestehende Interessentengruppe anschließen?
  • Staffelung der Siegpunkte?
  • Wie wird das Spielende herbeigeführt?

Aaron wird’s schon richten. Und der Westpark hilft ihm gerne dabei.

14.11.2012: Noblemen mit fremden Federn

Nicht nur unser Moritz ist auf einer Spielkarte verewigt (siehe Session-Report vom 30.10.12), auch unser

Horst in Tichu
Horst krönt schon seit mehr als 10 Jahren die Jack-Karte eines Tichu-Spiels. Um seine umwerfende Schönheit nicht gemeingefährlich wirken zu lassen, wurden Nase und Kinn vergrößert; Er ähnelt jetzt stark einer Mischung aus Thomas Gottschalk und Wladimir Iljitsch, doch Lächeln, Stirn und Haaransatz sind zweifellos authentisch.
Ein gute Geschenk-Idee für Weihnachten: Alle seine Lieben als Damen, Buben und Könige in einem Skat-Spiel zu vereinen. Unter der Seite www.kartenspieledesign.com wird vom Design bis zur Produktion alles angeboten.

1. “Fremde Federn”
In einer Internetseite zur Erklärung von Redensarten heißt es: “Sich mit fremden Federn und auf Kosten anderer schmücken zu wollen, zeugt von peinlicher Dummheit, blauäugiger Unbedarftheit oder in schlimmen Fällen von aufkeimender krimineller Energie”.

Friedemann Friese hat das bewußt getan, aber mit Geist, mit Kompetenz und in integrem Einsatz für die Spielergemeinde. Aus „Dominion“ hat er die Technik mit dem Kartendeck genommen: Jeder Spieler bekommt zu Spielbeginn das gleiche Kartenset. Daraus zieht er jeweils nach einem wrap-around-Verfahren 5 Karten, mit denen er seine Aktionen gestaltet: neue Karten kaufen, flaue Karten loswerden, Arbeiter, Geldmittel und vor allem Siegpunkte erwerben.

Die Arbeiter plazieren wir nach den Prinzipien von „Agricola“ auf definierten Feldern des Spielbrett, um dafür die entsprechenden Felderträge einzustreichen. Die Methoden, eine gegebene Vielfalt von Betriebsmitteln in eine ständig wachsende Vielfalt von weiteren Betriebsmitteln umzusetzen, stammen aus „Im Wandel der Zeiten“. Diese zentralen Mechanismen bestimmen den Spielablauf. Der Rest ist solides Kunsthandwerk von F.F.
Dabei war Friedemann Friese kein zu Guttenberg (der mit ohne Doktortitel): Er hat vor seinen Ideenanleihen bei den Originalautoren Rosenberg, Chvátil und Vaccarino um Erlaubnis nachgefragt, und die Adaptionen im Regelheft detailiert dokumentiert. Er nutzte sogar noch das Kartenschiebe-Element von „7 Wonders“ (eine Regel, die uns Günther heute vorenthielt! Oder hat sie F.F. bei der Spielumsetzung wieder fallengelassen?) und das Aufwerten von nicht gewählten Aktionen nach „Puerto Rico“.

In jedem Falls ist vom Charakter her ein ganz neues Spiel mit eigenem Spielgefühl entstanden. „Das Spielbrett schaut witzig aus und bringt Stimmung“ meinte Horst. Hier ist sogar bewusst ein Druckfehler entsprechend der Erstausgabe von „Zug um Zug“ eingebaut: In der Zählleiste für die Siegpunkte sind die Zahlen 90-99 verkehrt herum gedruckt. Ein netter Gag innerhalb der Konstruktionsprinzipien von „Fremde Federn“.

Mit Recht kann Friese für sich in Anspruch nehmen, ein Motto von Walter Moers erfolgreich angewendet zu haben:

„Wenn Du schon klaust, dann immer nur vom Besten!“

WPG-Wertung: Günther: 8 (flüssig, gelungen, trotz der Dominion-Anleihen ist keine Dominion-Kopie daraus entstanden), Horst: 8 (hat total Spaß gemacht), Walter: 8 (planerisch, spielerisch, vielseitig, sauber konstruiert).

2. “Noblemen”
Wir sind nicht die „Fürsten von Florenz“, sondern „Mitglieder des britischen Hochadels“ und bauen unsere Ländereien zu prestige- und siegpunktträchtigen Anlagen aus. Quadratische Landschaftsplättchen für Feld, Wald, Wiese und Park sind die Basis, aus der wir unseren Grundbesitz zusammenstellen. Für „Wald“ erhalten wir neue Landschaftsplättchen, für „Feld“ bekommen wir Geld, und für „Park“ steigt unser Prestige, mit dem wir uns bei jedem „Maskenball“ um die Adelstitel von „Baron“ bis „Herzog“ bewerben, und die uns Siegpunkte und finanzielle Vergünstigungen einbringen.

Auf die Felder bauen wir Schlösser, Burgen und Kirchen, die als wohlstrukturiertes Ensemble weitere Siegpunkte abwerfen. Für den Bau von Kirchen bekommen wir „Skandalkarten“, die aber kein „Aufsehen erregendes Ärgernis“ (Wikipedia) auslösen, sondern lediglich Vergünstigungen für unsere weitere Entwicklung gewähren. Ein bißchen Unberechenbarkeit, ein bißchen Schiebung darf schon sein.
Mit zwei Raubrittern können wir in ausgebaute Ländereien der Mitspieler eindringen und uns einen Teil deren Erträge zur Seite schaffen. Auf den ersten Blick liegt darin ein negativer Ärger-Effekt, doch im Spielverlauf entpuppt sich das als gut überlegtes Mitspieler-Chaos-Element, mit einer gelungenen interaktiven Komponente bezüglich Besitzstand und Geschwindigkeit.

Bemerkenswert ist die Rolle der Königin für den Spielfortschritt. Durch verschiedene Aktionen kann man sich die Königin auf die Seite ziehen, und jedesmal wenn man einen Zug beendet und die Königin noch als Gast weilt, ist einer von insgesamt drei mal 9 Spielzügen beendet. Schnell, flott pfiffig.

WPG-Wertung: Günther: 8 (ein Qualitätsunterschied zu Friedemann’s „Fremde Federn“ ist praktisch nicht meßbar), Horst: 8 (ein Klasse Spiel, konstruktiv aber nicht schweißtreibend), Walter: 8 (spielerisch, schnell, wohldosierte Konkurrenz, viele Wege führen zum Sieg).