17.12.2008: Durch die Grube zum römischen Ruhm

Moritz hat seine Spielentwicklung zum “20. Jahrhundert” abgeschlossen. Jetzt ist der Verlag dran. Natürlich kann das Spiel nicht sofort in die Produktion gehen. Jetzt stehen noch viele Monate harter Arbeit auf dem Prüfstand an, um das Spiel rund und schön zu machen.
Unser Mitwirken ist nicht mehr gefragt. Wir bleiben aber am Ball und werden mit Interesse verfolgen, welche Schritte bis zur Serienreife eines Spieles noch alle getan werden müssen.
1. “Cavum”
Ein Brettspiel erschienen beim amerikanischen QWG-Verlag, der bekanntermaßen Außenseiterideen eine Chance gibt. Es überrascht, daß ausgerechnet der Altmeister Wolfgang Kramer als Spielautor hier untergekommen ist.
Nach einer Art “Zug um Zug” müssen wir mit Hexagons Strecken über das Spielbrett bauen, allerdings keine Eisenbahnlinien, sondern Grubenbahnen in Diamantenfelden, mit denen wir die geschürfte Ausbeute zum Markt transportieren. Wo die Edelsteine entdeckt werden, das darf jeder Spieler in eigener Regie bestimmen. Abbauen dürfen alle Spieler von allen Fundstellen, sofern sie nur eine geeignete Gleisanschlußstelle haben.
Der Spielaufbau ist nix für Grobmotoriker. Allein auf ein kleines Hexagon in der Mitte müssen 9 gelbe Diamanten in Form von mickrigen Pappscheiben aufeinandergeschichtet werden. Sowohl das Aufstapeln als auch das Nicht-runter-fallen-Lassen stellen erhebliche Anforderungen an die Zitterfreiheit unserer Hände. Sicherlich hatte der Autor hier mal richtige Edelplastiksteine als Spielmaterial im Sinn gehabt, doch wohl aus Kostengründen ist diese Umsetzung unterblieben.
Der Spielablauf besteht aus 3 Phasen a 12 Aktionen, darunter ist das Bauen von Strecken, das Bauen von Ladestationen, das Entdecken von Edelsteinfeldern und das Zünden von Sprengstoff, mit dem man dem Gegner einen lukrativen Streckenbau wieder wegpusten kann.
Bemerkenswert ist die Aktions-Dynamik: Jeder Spieler darf wählen, ob er pro Zug 1, 2, 3 oder gar 4 Aktionen ausführt. Ein voreiliger Spieler hat in minimal 3 Zügen seine 12 Aktionen verbraucht und muß dann warten, bis die Trischler in 12 Zügen a einer Aktion ebenfalls mit ihren Zügen fertig sind. Wer schnell ist, kann sich gegebenenfalls gute Strecken unter den Nagel reißen, er kann aber nicht mehr auf die Diamantenfunde seiner Mitspieler reagieren. Hier ist ein echtes Abwägen gefordert.
Ach ja, “Cavum” erfordert in jedem Zug ein Abwägen und Austüfteln: Wie kann ich meine Streckenbau sinnvoll erweitern? Wo lege die die Diamantenfundstätten hin? Wie kann ich den Mitspielern den Zugang zu den lukrativsten Stellen versperren? Wo können sie mit den Zugang versperren und wie kann ich das verhindern? Hier prallt eine gewaltige Menge Interaktion aufeinander. Moritz bezeichnete das Geschehen sogar als eine Art von “Go”.
Leider geht “Cavum” für bis zu vier Personen! Stellt Euch mal ein Go-Spiel für vier Personen vor! Wäre dabei noch der geringste göttliche Funke des kaiserlichen Denkspiels übrig geblieben? Wohl kaum! Was für zwei Spieler ein edler Denksport ist, versinkt als Mehrpersonenspiel unweigerlich im Chaos. So ist es auch bei “Cavum”. Am Westpark tüftelt zudem noch jeder Spieler wie ein Weltmeister, um doch noch ein Licht am Ende des Chaos-Tunnels zu entdecken. Und das ist tödlich. Besonders weil man nicht denken kann, wenn man nicht dran ist.
45 Minuten brauchte Günther, um uns und sich selbst die 10 Seiten Regelheft zu verklickern. Genauso lange brauchten wir für ein Drittel des Spiels, d.h. für genau eine Phase. Dann ließen wir uns noch von der ersten Wertungsorgie überraschen und brachen ab. Immerhin diskutierten wir hinterher noch eine halbe Stunde über die Mechanismen des Spiels. Das spricht schließlich für seine Qualität. Die hat es ganz gewiß, nur nicht zu viert am Westpark.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zuviel Tüftelei), Günther: 7 (denkt ohnehin gerne), Moritz: 4 (vermißt Spaßfaktor), Walter: 7 (für das 2-PS)
2. “Glory to Rome”
Auf der Schachtel steht “Das ernsthaft strategische Strategie-Kartenspiel”. Kartenspiel ist richtig, “Strategiespiel” ist vielleicht auch noch richtig, aber “ernsthaft” ist sicherlich verkehrt.
Jeder Spieler bekommt eine Kartenhand mit unterschiedlichen Arbeitern zugeteilt, die beim Errichten von Bauwerken unterschiedliche Rollen übernehmen. Ein Architekt wird für den Plan benötigt, Arbeiter tragen das Material zusammen, Handwerker bauen auf und der Patron wirbt zusätzliche Hilfskräfte an.
Für jedes errichtete Bauwerk erhält man Vorteile für das weitere Vorgehen, z.B. braucht man dann weniger Material zur Vollendung ein Bauwerk, oder anstelle eines bestimmten kann ein beliebiges Material zum Bauen eingesetzt werden. Manche Vorteile tragen dabei solch extrem progressive Effekte in sich, daß das Spiel damit aus den Fugen gerät. Moritz nannte sie “abartig”.
Wenn man konsequent auf diese Vorteile hinarbeiten könnte, dann könnte man die “ernsthafte Strategie” vielleicht noch gelten lassen. Da aber sicherlich zu mehr als 50% das zufällige Kartenangebot das Spielgeschehen beherrscht, kann das “ernsthaft” nicht ernsthaft gemeint sein.
WPG-Wertung: Aaron 6, Günther: 6 (nicht richtig ausbalanciert), Moritz: 6 (hätte einfacher realisiert werden können), Walter: 6 (immerhin besser als Mau-Mau)
3. “Flaschenteufel”
Moritz konnte seine Haßliebe in eine reine Liebe umwandeln. Nachdem er im ersten Spiel gewohnheitsgemäß mit Minus 13 Punkten in den Keller gewandert war, konnte er sich nach einer Serie von drei tollen Punktausbeuten mit 91 Punkten an die Spitze setzen. Mit Sonne im Herzen enteilte er zur U-Bahn.

10.12.2008: Zwei Männer und ein Paar

Günther ist erkrankt, Loredana und Peter mästeten sich auf einer Weihnachtsfeier, Hans ebenfalls, die Zaungäste des Westparks hatten sich im Vorfeld nicht gerührt. Nur Aaron und Walter, die Begründer der Westpark-Gamers, und das ideell-jugendliche Ehepaar Eggert, das einen Babysitter für den klügsten aller kleinen Jungen gefunden hatte, stürzten sich heute auf die Saft-Gummis von Trolli und die Erdbeer-Rhabarber-Bärchen von Bear’s & Friends.
1. “Das 20. Jahrhundert”
Moritz hatte seine Spielerfindung in statu nascendi nach Amerika mitgenommen und bei den Boardgame-Geeks einer Nagelprobe unterzogen. Mit vielen neuen Ideen kam er zurück. Beim Spielaufbau war er ungewöhnlich nervös; wie ein Vater, der seine Lieblingstochter auf den Heiratsmarkt bringt. “Vergeßt alles, was wir vorher gespielt haben!”
Das stimmt nicht ganz, denn immer noch besteht das Spielbrett aus Regionen rund um den Globus, geht es immer noch um Aspekte wie Kultur, Industrie und Militär, immer noch wird der Sieg über Einflußpunkte, Errungenschaften, Ländermehrheiten und gewonnene Kriege bestimmt. Doch die Aktionen der Spieler sind deutlich konzentrierter. Die Auswahlmöglichkeiten sind durch feste Verteilungen deutlich beschränkter als in früheren Versionen, ohne daß hier bei den Planungsmöglichkeiten etwas verloren gegangen wäre. Zur Festlegen der Züge durch die Spieler hat Moritz ganz neue Wege beschritten, die in ihrer Art wahrscheinlich noch in keinem Spiel der Welt vorkommen. Jede Aktion der Spieler gewinnt zudem im Laufe des Spiels ein Mehrfaches an Durchschlagskraft und verleiht damit dem Spielablauf die angestrebte progressive Dynamik.
Das Spiel ist ein gewaltiges Ressourcen-Management um politischen Einfluß, militärische Schlagkraft, und geographische Dominanz, die mittels Geld, Fortschritt und Ereigniskarten errungen werden. Kriege finden auch statt, schließlich steht das 20. Jahrhundert thematisch im Hintergrund und das war ja bekanntlich keineswegs eine friedliche Epoche in der Menschheitsgeschichte. Kriege zu gewinnen hat selbstverständlich einen vorteilhaften Einfluß auf die Stellung eines Spielers, sie sind aber längst nicht so dominant, daß man “Das 20. Jahrhundert” als Wargame bezeichnen könnte.
Für gewonnene Kriege gibt es keine Pluspunkte, sondern nur Minuspunkte. Für die anderen! Für alle anderen! “Nanu?!” denkt hier der Mathematiker. Doch dem Kulturschaffenden ist dieses Rechenprinzip “pädagogisch wichtig”. Vielleicht hat hier aber nur ein Politiker Sand in die Augen seiner Fangemeinde streuen wollen.
Trotz einer ganzen Reihe von Vereinfachungen ist das Spiel immer noch ziemlich kompliziert. Sogar Moritz nahm einen längst getätigten Zug zurück und bekannte entschuldigend: “Ich muß das Spiel ja selber erst mal verstehen!” Seine normalerweise recht aggressiv vorgetragene Aussage: “Das habe ich doch vorhin schon erklärt” wurde heute in einer leicht ironischen, ja fast sogar liebevollen Art zum Motto des Abends. Von jedermann gegen jedermann.
Moritz gewann mit Italien den zweiten Weltkrieg. Auf der Seite der Aliierten. (Ist das etwa selbstverständlich?) Walter versetzte seine gesamte ungarische Verwandtschaft an die Front, doch sie konnten die Entscheidung nicht mehr kippen. Alle tot! Zugleich mit der Trauer setzte sein Lamentieren über das hier eingebaute Kuhhandelsprinzip ein. Er hätte die Niederlage ja noch akzeptiert, wenn nur die geliebten Bacsis alle am Leben geblieben wären. Moritz will das in den Regeln nochmals überdenken.
Zum Schluß noch eine Weisheit des angehenden Spielerfinders: “Was einem beim Design simple vorkommt, das ist für die anderen schon viel zu kompliziert. Nur was einem super-simple vorkommt, das ist OK!”
Allmählich könnte eine WPG-Vorwertung für “Das 20. Jahrhundert” beginnen.
2. “Tain”
Aaron legte es auf den Tisch: “Ein polnisches Spiel. Es geht ums Klauen!” – Nahezu ohne Gedankenpause fingen Moritz und Walter ein schallendes Gelächter an: “Das ist eine Tautologie!” (Pardon, kochana Jola, das ist nur eines dieser saublöden Harald-Schmitt-Klischees!)
Jeder Spieler besitzt den gleichen Satz von Spielkarten: 1 Hausherr, 1 Tochter, 2 Kämpfer, 6 Burschen und 8 “Blefs”. Diese Karten werden verdeckt entweder zum Viehdiebstahl vor die Eingänge der fremden Stallungen gelegt oder zur Abwehr des Diebstahls hinter die Eingänge der eigenen Stallung. Sind alle Angriffs- und Verteidigungsplätze auf allen Stallungsplänen belegt, werden die Karten aufgedeckt und die zugehörigen Außen- und Innenpositionen nach der Methode Stein-Schere-Papier ausgewertet: Der Hausherr gewinnt gegen alle, der Krieger gegen das Mädel und die Burschen, der “Blef” verliert gegen alle. Letzterer ist nur ein Dummy, ein halbes Gesicht mit einer heraushängenden Zunge, und wenn man die Spielkarte verkehrt herum betrachtet, dann ist es ein rechter Arsch.
Von Ferne erinnert der Mechanismus an “Hols der Geier”, doch dort spielen alle gegen alle und zwar um hohe Siegpunkt-Differenzen, noch dazu mit lauter verschiedenen Karten. In “Tain” stehen sich immer nur zwei Mitspieler gegenüber, es geht nur um eine einzige Kuh und als Einsatz hat man 50 Prozent identischer Ärsche in der Hand! Kann man damit eine “Kartenpflege” betreiben?
Da Burschen und das Töchterlein im eigenen Hause vergewaltigt werden können, schickt man sie am besten zum Diebstahl in fremde Häuser, da können sie wenigstens nicht ver- oder entführt werden; der Hausherr geht am besten ins fremde Königreich, von dort bringt er garantiert immer eine Kuh mit nach Hause; die Kämpfer verteidigen die Eingänge und die Ärsche füllen die restlichen leeren Plätze aus. Folgen jedoch alle Spieler dieser Triviallogik, dann wird das Spiel noch öder.
Moritz konstatierte sofort: “Was dem Spiel fehlt, ist ein Spion. Er verliert gegen alle, deckt aber eine fremde Karte auf.” Oder so ähnlich. Dem Spiel fehlt noch viel mehr!
WPG-Wertung: Aaron: 4, Moritz: 6 (stimmig und hübsch; ich schlage es als unser nächstes Spiel des Monats vor), Walter: 4

03.12.2008: Mit 5 Personen von “Le Havre” bis “Sankt Petersburg”

Peter stellte Vorbedingungen: “Falls Ihr Freakspiele spielen wollt, würden wir auf Andreas Triebs Kulturhaus Milbertshofen ausweichen! “. Keiner wußte so genau, was “Freakspiele” sind, zweifellos hat hier jeder eine andere Vorstellung, doch Feaks hin oder her, die Früchte erster Wahl aus der neuen Essener Ernte sollten in jedem Fall vorzeigbar sein.
1. “Le Havre”
Ein Nachfolger von “Agricola”, vom gleichen Autor Uwe Rosenberg. Nach zwei Sätzen Erklärung schlug Günther das Leaning by Doing vor und wir begannen mit der Startaufstellung. Offensichtlich braucht man in den ersten Runden keinen Plan zu haben; egal was man tut, es bringt einen auf keinen Fall ins Abseits. Stellt Euch ein solches Vorgehen mal bei “1830” vor?
Es gibt eine Langversion, die 200 Minuten dauern soll und eine Kurzversion (jeder bekommt mehr Startmaterial und insgesamt werden weniger Spielrunden absolviert), die 60 Minuten kürzer sein soll. (Hinweis an Moritz’ “20. Jahrhundert”: Vielleicht baust Du auch eine Kurzversion, die nach dem zweiten Weltkrieg bereits zu Ende ist!) Am Westpark sollten wir jedenfalls mit Rosenberg’s Kurzversion als Anfangsspiel sicherlich kein zeitliches Risiko eingehen. Mit der Langversion wäre das am Westpark nicht so sicher.
“Le Havre” ist eine wohlbekannte Hafenstadt, und die einzige Assoziation zu Rosenbergs Spiel ist Handel und Erwerb. Wir eignen uns Rohstoffe an, bauen Fabrikanlagen, in denen die Rohstoffe veredelt werden (Eisen wird zu Stahl, Lehm zu Ziegeln, Fell zu Leder, und Fische zu Räucheraalen.) Es gibt viele verschiedene Fabriken mit unterschiedlichen Preisen, unterschiedlichen Veredelungseffekten und unterschiedlichen Betriebskosten. Irgendwie waren wir nicht darauf eingestellt, uns das alles reinzuziehen. Sehr schnell gab es die ersten kritischen Stimmen (von ungenannt): “Das ist ein Scheiß, daß man sich den ganzen Murcks erst durchlesen muß!” Wer traditionsgemäß vom Würfelpech verfolgt wird, fühlt sich bei “Le Havre” sofort “immer in der Situation, daß ich nur Mist daliegen habe”.
Die einzige Interaktion innerhalb des Spieles ist das Blockieren von Aktionsfeldern, auf denen man Fabriken bauen kann. Nicht gerade konstruktiv. Nach wenigen Runden kündigten Aaron und Peter mit der Wertungsnote 4 den Spielabbruch an. Loredana war ganz überrascht: “Was, da kommt nix Neues mehr?” Nein, wahrlich, das zähe Wandeln und Handeln zieht sich ohne neue Effekte zur bitteren Neige hin. Ein paar weitere Fabriken machen das Kraut nicht fett. (Hallo Moritz, auch darin kann eine Lehre für Dich stecken!)
Wir haben uns die Liste der Tester angeschaut: 270 namentlich genannte Personen haben zu “Le Havre” ihren Senf dazugegeben und eine Danksagung dafür erhalten. Sind wir jetzt Freaks oder keine, wenn uns dazu nur ein kalter Schauer den Rücken herunter fährt bei dem Gedanken, daß wir mal in der gleichen Rolle der Bedankten sein könnten?
WPG-Wertung: Aaron: 4 (vorzeitig), Günther: 5-6 (“Material hat es genug”), Loredana: 4 (ohne Kommentar), Peter: 4 (vorzeitig), Walter: 4 (“zu zäh und zu wenig Spiel”)
2. “Sankt Petersburg” – 5 Personenspiel
Es war erst kurz nach 9 Uhr; Peter war bereits angeschlagen und schlug vor, über einen “Zoff im Zoo” zu “Bluff” überzugehen. Die anderen ließen sich nicht so schnell entmutigen. Als Vergleich zur “Preußischen Ostbahn”, die letzte Woche bei uns gar nicht punkten konnte, sollte der ältere Bruder “Chicago Express” vom gleichen Vater herhalten, der vor ein paar Wochen auf Anhieb sogar großes Lob geerntet hatte. Er hätte sich zweifellos durchgesetzt, wenn Günther nicht die Erweiterung von “Sankt Petersburg” zu einem 5-Personenspiel dabeigehabt hätte. Dazu gab es von allen Seiten sofort eine euphorische Zustimmung.
Wir haben alle lange nicht mehr Günthers PC-Implementierung gespielt und mußten uns so nach und nach wieder in den Details des Spiels zurechtfinden.
Für das 5-Personenspiel gibt es ein paar neue Personenkarten. Zudem ist der fünfte Spieler innerhalb einer Runde bei keinem Personentyp Startspieler. Dafür bekommt er vor der Handwerkerrunde 2 Rubel Einkommen zusätzlich. Die Startspieler werden im Doppelschritt gewechselt, so daß die Übergänge beim Zugriff auf Handwerker, Architekten, Adelige und Upgrader schneller wechseln. Wie man es von den Qualitätsmaßstäben bei Hans-im-Glück erwartet, ist die Spielerweiterung mit einer Neujustierung der Gesamtabläufe absolut stimmig eingebaut. Die Interaktionen auf dem Personenmarkt und beim Vorausberechnen von freien Plätzen für die nächste Gruppe sind eher noch größer geworden. Das Spannungsfeld zwischen Geld und Siegpunkten und die automatische Steigerung der Spieldynamik durch gewaltig steigende Einnahmen und entsprechend gesteigertem Umsatz halten das Spielgeschehen bis zum Schluß in Atem.
Günther lag das ganze Spiel über auf dem letzten Platz. Es erhob sich schon eine allgemeine Schadenfreude mit oder gegen den erfahrenen Entwickler der PC-Version. Doch mit acht verschiedenen Adeligen und den daraus resultierenden 36 Siegpunkten konnte er sich in der Schlußwertung noch an die Spitze setzen.
Für das Archiv noch eine bemerkenswerte Aussage von unserem Peter: “Ich bin gegen Nachdenken“, verkündete er, als er ein paar Sekunden auf Aarons Zug warten mußte. Doch auf solch überraschende Maximen darf man bei einem Politiker nicht bauen. Spätestens dann, wenn sie selber am Zug sind …
Wir haben die WPG-Wertung vergessen, doch nach Peters und Loredanas positiven Kommentaren wird auch die Erweiterung sicherlich bei 9 Punkten landen. Zumindest von mir werden sie hiermit nachgereicht.
3. “Bluff”
Walter stand mit 4:2 Würfeln gegen Aaron im Endspiel. Er hatte 3 Dreier und eine Fünf unter dem Becher und begann mit 1 mal die Fünf. Aaron hob auf 2 mal die Fünf. Inzwischen hatte Walter sein Würfelergebnis wieder vergessen (Altersdemens) und hob seinen Becher hoch, um den Wurf anzuzweifeln. Da entdeckte er wieder die Fünf unter den Dreiern, nahm blitzschnell seinen Zweifler zurück und steigerte auf 3 mal die Drei. War das zulässig?
Im Bridge gilt die Regel, daß man eine Ansage zurücknehmen darf, wenn die neue Ansage “ohne Gedankenpause” gemacht wird. Bei uns war die Zeitspanne zwischen Zweifeln-Wollen und Erhöhen zwar extrem kurz, aber zweifellos sind dazwischen ein paar neue Wahrscheinlichkeitsberechungen durchgeführt worden. Ein Turnierleiter hätte die Änderung wohl nicht anerkannt, aber Aaron war geduldig (wie immer) und ließ sie zu.
Im Eifer des Gefechts hatte er sogar noch Walter 3 Dreier übersehen und zweifelte an. Dann war nix mehr zu machen.

26.11.2008: “Middle Kingom” zur “Preußischen Eisenbahn”

Aaron kam eine Viertelstunde zu spät. Das Büro hatte ihn nicht weggelassen. Dabei hat morgen um 6:30 Uhr schon wieder eine Telefonkonferenz. Irgendwelche Entscheidungen sollen bis zum Mittag gefällt werden. In Indien. Lokalzeit! Da bleiben ihm heute noch 4 Stunden Schlaf. Gute Nacht! (Mal sehen, wie viele Stunden Schlaf mir heute noch bleiben, wenn dieser Bericht im Internet steht.)
1. “Middle Kingdom”
Nach Aaron sollte dieses Spiel von Tom Lehmann 30 Minuten dauern. Er trug wie immer klar und deutlich die Spielregeln vor, aber mit einer so schweren Zunge, als wäre es jetzt schon 6:30 Uhr in der Früh. So brauchten wir einschließlich der Regelerklärung immerhin eineinhalb Stunden. Ohne Hans!
Wir haben alle die gleichen Biet-Karten auf der Hand uns müssen uns damit a la “Hol’s der Geier” ausliegende Berufsgruppen ersteigern: Farmer, Nobles, Warlords, Bürokraten, Händler und Philosophen. Verdeckt zieht jeder eine Biet-Karten, alle decken sie dann gemeinsam auf: der Spieler mit der höchsten Karte darf zuerst wählen, der Spieler mit der niedrigsten Karte geht leer aus. Es sei denn, es gibt einen Tie und zwei Spieler haben die gleiche Karte gezogen: Diese bekommen dafür in dieser Runde gar nix. Das übliche psychologische Spiel um die höchste Karte, die kein anderer ausgewählt hat.
Mehrheiten in erworbenen Berufsgruppen bringen Bonuseffekte: Entweder bekommt man einen halben Punkt Bonus und kann damit jeden Tie vermeiden, oder man darf beim Bieten eine Karte nachlegen, oder man hat grundsätzlich das erste Zugriffsrecht innerhalb der ausliegenden Berufsgruppen, oder man darf sich zusätzlich eine der beim Tie übriggebliebenen Karten aneignen. Alle diese Bonusse haben sehr extreme Auswirkungen. Zu extrem! Selbst wenn das Spiel nur ganz kurz dauert, machen sie die eigentlich recht kurzweilige Versteigerungschaoslogik kaputt.
Peter bekam durch Glück oder Können ganz früh den Bonus der zusätzlichen Karte und häufte Besitztum auf Besitztum. Günther als Letzter profitierte lange von dem ersten Zugriffsrecht, doch deswegen sollte man sich wohl nicht gewollt die rote Laterne zulegen.
Sicherlich läßt es sich berechnen, welche Bonusse zu welchem Spielzeitpunkt den größten Nutzen bringen. Doch was hilft das alles, wenn der Erwerb der benötigten Karten jeder geordneten Planung entzogen ist und allein dem Tie-Zufall unterliegt.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (sieht einen gewissen Wiederspielwert), Günther: 4 (sieht keinen), Peter: 6 (ja wenn man ständig Karten geschenkt bekommt), Walter: 3 (sieht auch keinen).
2. “Preußische Ostbahn”
Genauso wie der “Chicago Express” ist die “Preußische Ostbahn” ein Eisenbahnaktienspiel von Harry Wu, diesmal mit einer Szenerie im Deutschland des vorletzten Jahrhunderts. Wir kaufen Aktien von Eisenbahngesellschaften, bauen Streckenverbindungen und erzielen damit Einnahmen.
Trotzdem des ersten Eindrucks ist die “Preußische Ostbahn” kein 18xx-Derivat. Es gibt keine Präsidenten, keine Aktienverkäufe, keine technischen Innovationen und keinen Betrug. Alle Anteile bleiben fest in den Händen des Ersterwerbers. Jeder darf für jede Gesellschaft handeln (sofern er mindestens eine Aktie von ihr besitzt), und Ausschüttungen gibt es nur für das Herstellen neuer Städteverbindungen, nicht aber als Standardeinnahme pro Operationsrunde.
“Keep fully invested” trifft hier keineswegs zu. Nicht derjenige, mit dem höchsten Aktienbesitz ist schlußendlich der Sieger, sondern derjenige mit dem meisten Bargeld, und da die Gesellschaften in der Regel nur 1-3 mal Dividende ausschütten, kann der Erwerb einer Aktie leicht mehr kosten, als sie insgesamt einbringt.
Bemerkenswert (nach Peters Einschätzung: beklagenswert) ist die Ermittlung der Zugreihenfolge: Der Führende gibt eines seiner Klötzchen in ein Säckchen, der Zweite gibt zwei, der Dritte drei usw.; aus diesem Säckchen werden insgesamt vier Klötzchen herausgezogen und bestimmen entsprechend die Spieler, die Handeln dürfen. Wer Pech hat – und der Führende hat statistisch gesehen besonders viel Pech – von dem wird kein einziges Klötzchen gezogen und der darf in einer kompletten Runde überhaupt nicht agieren. Das mag ein Korrektiv gegen den Führenden sein, aber ein ganz schön krasses!
Ein heißer Disput entstand zwischen Peter und Walter darüber, ob ein Spieler einem anderen einen guten Ratschlag geben darf. Walter war strikt dagegen; die vielfältigen Interessenverflechtungen könnten lange kontroverse Argumentationsschlachten auslösen. Zudem versteht er nix von Diplomatie. Peter als geborener Diplomat war strikt dafür, und wollte Aaron unbedingt zu einen guten Zug überreden, von dem er selbst (natürlich) auch einiges profitiert hätte. Das Schicksal ließ den Disput gütlich enden: Peters gute Ratschläge waren mangels Liquidität gar nicht durchführbar.
Ja, ja, die Durchführbarkeit! Im Gegensatz zu den Spielen der 18xx-Reihe, wo am Ende jeder Spieler und fast jede Gesellschaft nur so im Geldsegen schwimmt, klemmt es bei der “Preußische Ostbahn” mehr oder weniger an allen Ecken und Enden: Entweder hat die Gesellschaft kein Geld um ihr Streckennetz zu erweitern, oder sie hat keine Gleise mehr, oder die dividende-trächtigen Verbindungen sind bereits alle zugebaut.
Wer im Einkommen hinten dran liegt, hat auch kein Interesse mehr, konstruktiv zu bauen, denn bei jeder Gewinnausschüttung verdienen die anderen mehr als er. Keine Motivation für die Suche nach besten Entwickungsmöglichkeiten, eher danach, die Minderheitsgesellschaften an die Wand zu fahren. Doch lustvoll ist das auch nicht.
Nach der Spielregel endet das Spiel, “wenn jede Gesellschaft an mindestens zwei anderen Gesellschaften angeschlossen ist, oder alle Spieler übereinstimmen, daß dies nicht mehr möglich ist.” Eine ziemlich hohe Anforderung an Einsicht und guten Willen der Mitspieler. Doch Günther versicherte: “Wer Winsome Spiele spielt, der sieht das auch ein!” Doch hinter solchen Regelformulierungen verbirgt sich mit Sicherheit eine Design-Schwäche.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (Wiederspielwert – schon wieder!), Günther: 7 (die Spielschachtel läßt sich gut stapeln. [Peter: gut entsorgen!]), Peter: 2 (wurde zu selten aus dem Säckchen gezogen), Walter: 5 (die vielen Beschränkungen dämpfen die Spielfreude)
3. “Bluff”
Immer häufiger fangen wir alle schon bei vollen Würfelbechern mit der Einmal-die-4-Strategie an. Das macht auch Sinn! Wichtiger, als die Mitspieler mit hohen Vorgaben unter Druck zu setzen, ist es, nichts von seinem eigenen Wurf zu verraten, sondern rumzuhören, wie die Mitspieler sich so langsam offenbaren (oder bluffen). Eine hohe Anfangsvorgabe ist dagegen ein Alles-oder-Nichts-Vorgehen, das oft genug im Nichts endet.

19.11.2008: Lucius Cornelius Sulla Felix, genannt “Sylla” von Ystari

Das Vorgespräch drehte sich um die Schlagwörter: Multi Radio, Standort, Ulm, Tampere, Taxi und Flugzeug, lauter Begriffe aus Geographie und Kommunikation, die die Menschen verbinden. Warum diese Begriffe heute bei den Westpark-Gamers eine solche emotionale Anteilnahme erfuhren, das kann sich ein aufmerksamer Verfolger der Wirtschaftsnachrichten der letzten Tage selber zusammenreimen.
1. “Sylla”
Weil der Ystari-Verlag aus Prinzip in den Namen aller seiner Spiele ein “Y” hinein-designed, hat er den guten alten Sulla, jawohl den Diktator aus der Spätphase der römischen Republik, in Sylla umgetauft und dann sein Spiel nach ihm benannt.
Schauplatz ist also Rom und wir bestechen den Senat, daß er uns zum Konsul zu wählt, wir heuern Personal an, lassen unsere Einnahmequellen fließen, errichten Bauwerke, lenken Katastrophen auf den Besitzstand der Mitspieler und münzen unsere gelungenen Aktionen in Siegpunkte um.
Immer wieder gilt es, die richtige Auswahl zu treffen, bei Versteigerungen die Betriebsmittel an Geld und Personal richtig einzuteilen, die vielfältigen Restriktionen zu beachten und die kurz- bzw. langfristigen Auswirkungen aufeinander abzustimmen.
Seine Aktionen immer wieder zu optimieren ist am Westpark aber tödlich. Hier wird ja nicht nur kalkuliert, was man selber am besten tun soll, hier wird auch noch analysiert, was die Gegner als bestes tun könnten und dann wird noch überlegt, wie man Letzteres am besten verhindern kann. So kann ein vom Charakter her schnelles, zielstrebiges Spiel ganz schön zäh dahinfließen.
Natürlich ist es nicht einfach, die vielen inneren Abhängigkeiten alle unter einen Hut zu bringen. Das Spiel ist komplex (ein anerkanntes Markenzeichen von Ystari) und sehr gut ausbalanciert. Es gibt kein Regelelement, das nicht seine wohlkalkulierte Berechtigung hätte. Ein Dank an die Geduld der vielen Tester, die im Regelheft namentlich erwähnt werden. Nachdem es sich in der letzten Generation durchgesetzt hat, die Spielautoren herauszustreichen, sind jetzt die Tester dran, der Öffentlichkeit bekannt gemacht zu werden. Verdient haben sie es bei einem gelungenen Spiel allzumal.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7 (6-7), Walter: 7 (7-8)
Ob eine Rezension geschrieben wird ist noch offen.
PS: Hallo Peter, kannst Du uns erklären, was die Buchstaben “TRS” auf einer römischen Münze bedeuten?
2. “Uptown” statt “Bluff”
Das Spielbrett von Bluff lag schon auf dem Tisch, da schlug Günther schnell noch den neuen Absacker des Jahres 2008 vor: “Uptown”, für Hans noch eine Unbekannte. “Ist ja wirklich hübsch” kommentierte der, als er nach 10 Minuten den Kampf um die besten Legemuster auf einem 9 mal 9 Spielbrett gewonnen hatte.
Es schloß sich sofort eine theoretische Diskussion darüber an, wie viele Flächen ein Spieler mindestens benötigt, um alle seine Quadrate – ohne Feindeinwirkung – auf das Spielbrett zu plazieren. Günther und Hans behaupteten ohne nachzudenken, daß man mit einer einzigen zusammenhängenden Fläche auskäme. Sie konnte es sogar umgehend am Spielbrett demonstrieren.
Nach den Uptown-Spielregeln ist die Aufgabe allerdings vereinfacht: Die letzten 4 Quadrate brauchen nicht mehr gelegt zu werden. Neue Aufgabenstellung: Wie viele Flächen sind es mindestens, wenn ALLE Quadrate gelegt werden müssen?
WPG-Wertung: Hans blieb mit seinen 8 Punkten voll im einstimmigen WPG-Trend, “mit dem Hang zu mehr”.
One for the Road
Sicherung, Versicherung, Pension, Rentenfond, Garantiekapital, mündelsicher, deferred Compensation, Betriebsvereinbarung, Geheimhaltung, angewärmte Bürostühle, Schock, Betrug und Gefängnis waren die Schlagwörter, mit denen wir den Abend beschlossen. Bastelt Euch selber eine Geschichte, die all diese Begriffe sinnvoll verbindet. Vielleicht ergibt das am Ende aber doch keinen Sinn.

12.11.2008: Fin de siècle

Wenn ein Programmierer behauptet, er sei zu 95 % mit seinem Programm fertig, dann wird ein erfahrener Manager hellhörig: Gewöhnlich wird dann mindestens noch mal die gleiche Entwicklungszeit bis zur endgültigen Freigabe benötigt. Heute brachte Moritz erneut seine Eigenentwicklung “Das 20. Jahrhundert” zum Testen mit. Offiziell soll das Spiel bereits zu 99% fertig sein. Doch genauso wie in der Datenverarbeitung wurde auch hier die Skepsis der erfahrenen Tester nicht enttäuscht: Es wird noch einiges Wasser die Isar hinunterfließen, bis das Spiel zum Feintuning beim Verlag abgeliefert werden kann. Wenn Genie und Schweiß des Autors bis zum Jahresende noch die gewünschten Früchte hervorbringen können , dann kann das Spiel bis Essen-2009 auf den Markt kommen. Andernfalls muß sich die Spielerwelt noch ein weiteres Jahr gedulden.
1. “Das 20. Jahrhundert”
Als erstes trat wieder das bekannte Handtuch in Aktion; diesmal aber nicht, um den Rotwein von der grünen Tischdecke aufzusaugen, sondern um die riesige Plastikscheibe abzutrocknen, die Moritz als Schoner für sein provisorisches Spielbrett durch den Regen zum Westpark angeschleppt hat.
Nach kurzen Erläuterungen zu den Regeländerungen gegenüber der Vorversion konnten wir uns über das Spiel hermachen. Jeder bekommt zu Spielbeginn einen anderen “Aspekt” zugeordnet, der dem Spielverlauf a priori die gewollte Asymmetrie gibt. Der eine kommt leichter ans Geld, der andere hat immer ausreichend Aktionskarten in der Hand, der dritte kann effizienter Forschen und der vierte bewegt sich schneller durch das Weltgeschehen. Walter legte sich als Startspieler die Kultur zu, Hans die Industrie, Moritz die Politik und Günther die Religion.
In verschiedenen Regionen der Welt müssen wir uns um Fortschritte bemühen, wir müssen Länder beherrschen, Bauwerke errichten, Weltereignisse auslösen und Einfluß auf die Kriege der Epoche nehmen. Wir können keine anderen Kriege auslösen, als die in der Geschichte vorgegeben sind. Hier geht es auch nicht im Draufhauen und Totstechen, sondern um Mehrheitseinflüsse, um den Kriegsausgang zu entscheiden und daraus Kapital zu schlagen.
Doch der Krieg ist nicht das dominierende Element. Der Motor des Spiels sind zahlreiche, sehr verschiedene Karten, die ein jeder bei verschiedenen Aktionen in unterschiedlicher Anzahl vom verdeckten Stapel nachzieht. Je nach der Art, wie man die Karten einsetzt, bringen sie Geld, Bewegung, Fortschritt oder Besitz. Es gibt eine Menge zu überlegen, um aus den zulässigen Aktionen und aus der eigenen Kartenhand das Beste auszuwählen. In dieser Beziehung kommt das “20. Jahrhundert” schon nah an die Komplexität von “Agricola” heran.
Die Länder der Regionen haben naturgemäß unterschiedliche Wertigkeit; sie tragen auch unterschiedliche Anteile zum individuellen Entwicklungsfortschritt bei. In der ersten Spielversion waren es noch die billigen Länder, die hier die besten Erträge lieferten, in der jetzigen Version sind es die teuren Länder, die zur Erfüllung der Siegpunktbedingungen nahezu unerläßlich sind. Diese Neuigkeit war an Walter total vorbeigegangen. Wie vieles andere auch. So war er schnell hoffnungslos ins Hintertreffen geraten. Moritz erbarmte sich und bot sich als Coach an. Moritz, der schwarze Falke als Samariter – welch eine göttliche Situation. Walter nahm das Angebot ohne Zögern an, um sich umso unbeschwerter in die geheimnisvollen Zusammenhänge des Spiel einweisen zu lassen.
Nach knapp zwei Stunden Spielzeit waren Günther und Hans in der Lage, die Spiel-Endebedingungen herbeizuführen. Doch jeder wollte dabei natürlich anschließend als Sieger daraus hervorgehen, und das war nicht so einfach zu kombinieren. So zog sich das Spiel noch über eine weitere gute Stunde hin, eine moderne Kanonade von Valmy, von weltgeschichtlicher Bedeutung aber ohne Entscheidung. Für diese Phase braucht das Spiel noch eine zündende Idee, glücklicherweise hat sie Moritz schon in der Schublade.
Durch mehr oder weniger (un)gewollte Ereigniskarten konnte sich Hans schließlich durchsetzen. Günther resignierte: “Hans hat gewonnen!” Moritz verteidigte den Spielmechanismus: “Und Du konntest es nicht verhindern!” Günther konterte: “Weil Du Kingmaker warst!” Oder war es Zufall?
Zur Kingmakerei wollen wir am Ende nochmals Wikipedia entscheiden lassen: “Kingmaker is a term originally applied to the activities of Richard Neville, 16th Earl of Warwick during the Wars of the Roses in England. The term has come to be applied more generally to a person or group that has great influence in a royal or political succession, without being a viable candidate. ” Wenn ich also meine Fähigkeiten zum Nutzen oder Schaden anderer so einsetze, daß jemand Sieger wird, ohne daß ich selbst davon profitiere, dann bin ich ein Kingmaker. Schaun wir mal, ob Moritz in seinem “20 Jahrhundert” diesen (sicherlich minimalen) Effekt noch eliminieren kann, oder ob er ihn spielerisch gewollt darinnen lassen wird.
2. “Bluff”
Nein, diesmal gab es keinen Absacker. Nach dem regulären Ende des “20. Jahrhunderts” und einer ausgiebigen Manöverkritik war es für Hans und Moritz höchstes Zeit, zur letzten U-Bahn abzudüsen.

07.11.2008: Brettspieler und Kartenspiele

Mensch ärgere Dich nicht! – Der Klassiker unter den Brettspielen
Für die meisten Deutschen (meiner Generation) ist “Mensch ärgere Dich nicht” wohl der Inbegriff für ein Brettspiel. Wann immer ich von Nicht-Spielern gefragt werde, was wir an unseren Brettspielabenden tun, hilft der Hinweis auf “Mensch ärgere Dich nicht”, um unsere Tätigkeit zu verdeutlichen.
Wann dieser Klassiker genau erfunden wurde, liegt im Dunklen. Es hält sich die Vermutung, daß Josef Schmidt, der Begründer des Verlages “Schmidt Spiele”, die Idee zu “Mensch ärgere Dich nicht” im Winter 1908 ausgetragen hat. Demnach feiert das Spiel in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag.
Lassen wir mal unsere Phantasie spielen: Josef Schmidt sitzt mit seinen drei kleinen Söhnen in seiner Münchner Wohnung, den Kindern ist langweilig. Also nimmt sich Schmidt eine alte Schachtel, zeichnet darauf ein Kreuz als Spielfeld und denkt sich Spielregeln dazu aus. Natürlich ist nicht alles ganz neu, was Schmidt sich an Regeln ausdenkt. Seine Version beruht auf einem alten indischen Spiel, dem “Pachisi”. Nach Wikipedia hat er sogar nur den englischen Pachisi-Abkömmling “Ludo” als Vorbild genommen.
Die Kinder sind begeistert und Schmidt beginnt, sein Spiel in größeren Mengen herzustellen. Doch zuerst wollen die Erwachsenen das Spiel nicht kaufen. Es war schon immer schwieriger, eine Idee zu verkaufen als eine Idee zu gebären. Dann kommt der erste Weltkrieg und Schmidt schickt 3.000 Exemplare seines Spiels als sogenannte “Liebesgabe” an die verwundeten Soldaten in den Lazaretten. Dort schlägt das Spiel richtiggehend ein. Die Soldaten schreiben an Schmidt: “Mensch, das ist so klasse, das macht so viel Spaß und wir spielen hier nächtelang durch!”
Kaum sind die Soldaten wieder zu Hause, wollen sie auch mit ihren Familien “Mensch ärgere Dich nicht” spielen. Und plötzlich steigt die Nachfrage. Schon 1920 ist das Spiel eine Million Mal verkauft. Zu dieser Zeit kostet es noch 35 Pfennige, genauso viel wie 500 Gramm Zucker. Heute ist es Bestandteil jeder “Spielesammlung” und kostet – zusammen mit den anderen Spielen einer Grundausstattung – etwa den gleichen Betrag in Euro. Inzwischen wurde es auch über 70 Millionen Mal verkauft.
[Nach einem “Freizeittip” von Bernadette Winter im Bayerischen Rundfunk]
1. “Im Schutze der Burg”
Das Spielbrett zeigt eine hübsche, mittelalterliche Szenerie: es gibt Mauern, Türmchen, Brunnen, Strohhütten und Gesindehäuser. Die Spieler besitzen identische Kartensätze mit den Berufen Bote, Händler, Maurer, Steinmetz, Handwerker und Baumeister. Verdeckt spielen sie je eine Berufsgruppe aus, decken sie auf und führen die zugehörige Aktion aus. Der Bote bringt Geld ein, die Händler steuern Baumaterial bei, die Maurer und Handwerker bauen Häuschen. Wer gebaut hat, darf zusätzlich einen Gehilfen an vorgegebene Stellen im Stadtplan positionieren, die in der Schlußabrechnung in Siegpunkte umgerechnet werden.
Das ganze Spiel ist ein friedlicher Erwerbskampf um die richtige Menge und die richtige Zusammensetzung von Baumaterial, um Geld, das ebenfalls hin und wieder gebraucht wird, und um die richtige Auswahl des richtigen Berufs zur richtigen Zeit. Hier herrschen “im Schutze der Burg” nämlich ganz ausgeklügelte Prioritäten: der Steinmetz beklaut die Handwerker, der Baumeister kassiert Siegpunkte für die Bauvorhaben der Spieler, und die Händler fördern oder verdrängen sich gegenseitig.
Insgesamt werden 12 Runden gespielt. Selbst wenn das ganze eine Stunde dauert, geht es alles ganz blitzschnell vor sich, und bevor man richtig warm geworden ist, muß man seine letzten Züge gut kalkulieren, um noch das notwendige Baumaterial zu besorgen oder das gehortete Baumaterial zu verbauen.
Eine Stärke des Spieles ist es, daß man sich ständig auf die Aktionen und Ambitionen seiner Mitspieler einstellen muß; eine Schwäche des Spieles ist es, daß man das eigentlich nicht richtig kann. Es ist halt ein Spiel. Mit der edlen Holzkiste für das gediegene Holzmaterial ein sehr gelungenes Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 8
Sieben Punkte im Schnitt ist fast zu wenig. Die Frage nach den Schwächen des Spiels – neben der Unberechenbarkeit der Mitspieleraktionen – blieb unbeantwortet.
2. “Dominion”
Ein kleines, schnelles Kartenspiel, das nach den Angaben auf der Schachtel 30 Minuten dauern soll. Es war klar, daß diese Vorgabe bei uns nicht zu halten sein würde. Erstens mußten wir uns noch die Spielregeln reinziehen und außerdem war Hans dabei. Er stellte von sich aus die Frage nach dem “Hans-Faktor”? Per Definition ist der das Mehrfache an Zeit, das wir für ein Spiel brauchen, wenn Hans mitspielt. Freiwillig gestand er 50% zu. Im Endeffekt wird er wohl abhängig von der Gesamtspieleranzahl sein. Oder auch nicht? Schließlich bedeutet jeder Mitspieler für einen scharfen Analytiker ein weiteres Gleichungssystem mit weiteren Unbekannten.
In “Dominion” erhalten alle Spieler einen identischen Satz von Karten, mit denen man entweder etwas “kaufen” kann, oder mit denen man eine “Aktion” ausführen kann. Alle “Kaufobjekte” sind weitere Karten (Geld-, Aktions- oder Siegpunktkarten) – mit denen man seinen Anfangskartensatz ständig erweitert. Als “Aktion” kann man z.B. Karten tauschen, mehr Karten pro Zug einsetzen oder man erhält Bonusse beim Nutzen der ausgespielten Karten. Die Kartenhand wird immer wertvoller. Zuerst versucht man höhere Geldwerte und potente Aktionskarten zur Kartenverbesserung zu erwerben, am Ende wird die gesamte Masse regelmäßig in Siegpunktkarten umgesetzt.
Glücklicherweise ist “Dominion” eines der Spiele, in dem man auch denken kann, wenn man nicht dran ist. Die Karten, die man pro Zug einsetzen darf, kann sich schon betrachten, wenn die Mitspieler noch an der Reihe sind. Deren Aktionen haben wenig bis keinen Einfluß auf die eigenen Spielzüge. Aaron fand diese Situation sehr schnell “autistisch”, womit er zweifellos recht hat. Es ist zwar bemerkenswert, wie sich die eigene Kartenhand erweitert und verändert, aber eigentlich ist das nur ein phasenverschobenes Solitärspiel in der Gruppe: Hübsch, konstruktiv, ja sogar spielerisch, und wer Lust hat, kann tagelang im stillen Kämmerlein über der gestellten Optimierungsaufgabe brüten, um sich gegenüber seinen Mitspielern einen Vorteil zu verschaffen. Doch es wird wohl keine Garantie dafür geben, daß der Spielspaß lange erhalten bleiben wird.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (autistisch), Günther: 8 (interessantes Karten-Recycling), Hans: 6 (autistisch), Walter: 6 (fürchtet ein Strohfeuer)
Wir waren in 90 Minuten durch. Lassen wir die Zeit für die Einführung weg, so beträgt der Hans-Faktor für die gesamte WPG-Runde immerhin noch gut 100%!
3. “Wabash Cannonball”
Ein Eisenbahnspiel von der Art “1830 light”! Wir finden die Gesellschaften B&O, PRR, C&O, NY-Central wieder, und als Additiv zur Essener Spiel-2008 sogar die “Erie”. Wir kaufen Aktien, bauen Strecken, verbessern die Streckenerträge und kassieren Dividenden. Insofern sind wir bei einem richtigen 18xx-Spiel.
Doch es gibt keine Präsidenten, keinen Kampf um Mehrheiten und Prioritäten, keine bösartigen Manipulationen am Aktienmarkt und keine Lokomotiven mit ihrem unausweichlichen Druck zu technischen Innovationen. Jeder darf für jede Eisenbahnlinie handeln (Strecken bauen), sofern er nur mindestens eine Aktie von ihr besitzt. Wir üben uns in friedlichen Kooperationen, drängen nach den besten Renditen, werfen möglichst viele “gegnerische” Aktien auf den Markt (damit die Gewinne auf mehr Köpfe verteilt werden), und verkaufen doch ab und zu mal gerne eine Aktie der eigenen Mehrheitslinie, nur um wieder an ein bißchen Liquidität zu gelangen.
Am Ende entscheidet nur das Barkapital über den Gewinner, die Aktien und ihre Kurse werden absolut vernachlässigt. Für den Sieg scheint es wohl auch nicht wichtig zu sein, die meisten und besten Aktien im Portfolio zu haben. Billig einsteigen und an wenigen gut verdienenden Linien beteiligt zu sein, reicht fast zu Sieg. Vielleicht. Am Ende lagen wir alle überraschend dicht beieinander, obwohl der Aktiengeilste dreimal soviel Anteile besaß wie der Genügsamste.
Ein wunderschönes Eisenbahnspiel, das sich mit realen 90 Minuten Spielzeit in einem Drittel der Zeit spielen läßt, wie ein “normales” 18xx, das in seinen Überraschungen und Feinheiten den großen Brüdern aber keineswegs nachsteht.
WPG-Wertung: Aaron: 9 (pfiffig, verblüffende Effekte), Günther: 8 (ausbalanciert), Hans: 8 (überschaubar), Walter: 10 (schnell)
4. “Bluff”
Nach einem langen Vorgeplänkel stand Günther mit 1:3 Rückstand gegen Walter im Endspiel. Mit konsequenten 1 mal die Fünf-Vorgaben konnte er sich problemlos auf den 1:1 Gleichstand heranarbeiten.
Jetzt wechselte er auf die 1 mal die Vier-Strategie. Walter drehte auf 1 mal die Fünf, und Günther hob blitzschnell auf 2 mal die Fünf. Wer hatte was unter dem Becher und wer hatte am Ende das Spiel gewonnen, als Walter auf 2 mal den Stern setzte?
Das zweite Endspiel bestritt wieder Günther, diesmal mit einem 1:2 Würfelnachteil gegenüber Hans.
Jetzt fing Hans mit 1 mal die Vier an, Günther hob auf 1 mal die Fünf und Hans erhöhte blitzschnell auf 2 mal die Fünf.
Günther gab sich verloren. Dabei hätte er mit 2 mal den Stern unüberholbar die Nase vor gehabt. (Im Gegensatz zu seinem Konkurrenten im ersten Endspiel.)

29.10.2008: “Comuni” – Kommunen auf Italienisch

Unsere Essen-Fahrer sind von der Spiel-2008 zurück. Günther hat folgende Spiele erstanden (alphabetisch geordnet): “Burg”, “After the Flood”, “Condomi”,”Cravum”,”Le Havre”, “Steel driver”, “Sylla”, “Uptown”, “Via Romana” und “Winsome-Paket”. Die Spiele von Hans-im-Glück werden erst in München beschafft. Moritz hat sich wie üblich verstärkt auf dem amerikanischen Markt umgesehen. Daneben hat er sich mit dem geplanten Verleger seine Eigenentwicklung besprochen; vielleicht kann das Spiel schon im nächsten Jahr auf dem Markt gebracht werden. Doch noch wird daran gefeilt, z.B. morgen bei den Westpark-Gamers. Heute lagen in modifizierter Runde real-existierenden Spiele von diesem Jahrgang auf dem Tisch.
1. “Comuni”
Eine italienische Entwicklung von Tenki-Games, die in Essen lange Zeit an erster Stelle der Beliebtheit (Fair-Play-Liste) gelegen hat und am Ende immer noch mit einem beachtlichen dritten Platz abgeschlossen hat. Die Spieler plazieren sich als Bieter für ausliegende Bauprojekte und verdrängen sich gegenseitig durch goldige Höchstgebote von den lukrativsten Plätzen. Sie realisieren die Bauprojekte mit verschiedenen Gebäudetypen und kassieren die Erträge für ihre Bausubstanz.
Es gilt eine ganze Reihe von Randbedingungen in den Griff zu bekommen:
– Kartenhand mit den Bauprojekten pflegen: das enge Handlimit beachten und trotzdem immer eine spielbare Karte auf der Hand zu haben.
– Gold sammeln, um beim Bieten mithalten zu können.
– Handwerker horten, um die Handlungsfreiheit beim Bauen zu erhöhen
– Armeen rekrutieren, um gegen Plünderungen gewappnet zu sein
– Pilger anwerben, die zu Beweglichkeit und Flexibilität beitragen.
Periodisch fällt der Kaiser mit seinen Plündererhorden in Italien ein und muß mit vereinten Kräften abgeschlagen werden. Die gemeinsame Bündelung der Verteidigung ist höchst bemerkenswert: Warum sollte ich meine militärische Potenz zum Nutzen der Allgemeinheit einsetzen, wenn ich den gleichen Nutzeffekt für mich alleine haben kann? Über diese Frage wurde lange diskutiert. Die Bonus-Siegpunkte für das höchste gemeinnützige Verteidigungsengagement erscheinen als eine recht geringe Entschädigung.
Nach 1 ½ Stunden (neunzig Minuten!) war Günther mit der Spielregel durch. Doch es lag nicht allein an seinem für ihn ungewohnten Stegreifvortrag. Aarons Viagra-Witze, Peters Flugmeilen-Euphorie und die Erörterung von Hansens ungewöhnlichem Rücktritt von der Teilnehmerliste nahmen auch breiten Raum ein. Die Trödelstimmung wurde auch während des Spieles nicht mehr abgelegt. Zwei weitere Stunden brauchten wir für ein eigentlich flottes Spiel, bei dem man denken kann, auch wenn man nicht dran ist und bei dem man das Denken auch sein lassen kann, wenn man dann endlich wieder dran ist.
Günther wurde von Aaron von einem guten Bauprojekt verdrängt, konnte anschließend auf ein noch besseres Bauprojekt ausweichen und es bei unserer üblichen Sitzreihenfolge auch gleich realisieren. Peter fand dies ungerecht, weil er sich gerne selber dieses Projekt unter den Nagel gerissen hätte. Er lastete es den Spielregeln negativ an, daß man vom Sonnenschein ins Solarium gelangen kann. Günther fand sich gemüßigt, das Spiel zu verteidigen und mußte sich dafür anhören: “Du benimmst Dich wie der Moritz, der bringt auch immer schlechte Spiele mit, und muß sie dann verteidigen!”
Doch das war weit über das Ziel geschossen. “Comuni” ist kein schlechtes Spiel. Es enthält ein große Menge spielerischer Handlungsfreiheiten und dabei ein dosiertes Quantum Chaos, liebenswürdiges italienisches Chaos. Die Teutonen hätten sich hierin etwas mehr Balancing gewünscht, aber diese Kritik entspringt eher ihren bekannten nordischen Charakterschwächen.
Aaron: “Man hat den Eindruck, man könnte mehr machen, aber ich glaube, man kann nicht mehr machen.” Noch ist das nur ein Eindruck und ein Glaube. Es sollte auf alle Fälle nochmals verifiziert werden. Walter hält das Spiel für ein “beherrschbares Chaos-Spiel”. Aaron konterte: “So ungefähr wie die italienische Regierung!”
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 7, Loredana: 6, Peter: 6, Walter: 8
Vielleicht wird Walter eine Rezension schreiben.
2. “Bluff”
Loredana war nicht teamfähig, vor allem nicht gegenüber dem Gastgeber. Selbst die solidesten Vorgaben zweifelte sie an und hatte immer Recht. Aber nur weil die anderen den gleichen Schrott gewürfelt hatten wie sie selber.
Peters faßte zusammen: “Das erste war ein Glücksspiel, das jetzige ist ein Denkerspiel!”
Keine neue WPG-Wertung
3. “Uptown”
Als Loredana und Peter schon in der U-Bahn saßen, zog sich das zurückgebliebene Trio noch ein “Uptown” rein. Wir hatten das Spiel schon vor genau einem Jahr einmal gespielt, als es W. Eric Martin von Boardgame News noch druckfrisch aus der amerikanischen Presse mitgebracht hatte. Jetzt kam es taufrisch von der Spiel-2008.
Jeder Spieler bekommt einen Satz von Plättchen, die reihum auf je eines der 9 mal 9 Felder des Spielbretts gelegt werden müssen. Dabei ist für jedes Plättchen vorgeschrieben, ob es in eine bestimmte waagrechte Reihe (Buchstaben A bis I), oder in eine senkrechte Reihe (Zahlen 1 bis 9) oder in ein mit Bildsymbolen gekennzeichnetes 3×3 Felder großes Quadrat gelegt werden muß. Ziel dabei ist es, mit seinen Plättchen möglichst eine einzige zusammenhängende Kette zu bilden. Wer am Ende die wenigsten getrennten Ketten hat, hat gewonnen.
Man darf beim Legen ein bereits vorhandenes Plättchen seiner Mitspieler entfernen; das bringt bei der Schlußabrechnung aber nur Minuspunkte ein, und dem Gegner schadet es nicht: die absolute Zahl übrig gebliebener Plättchen auf dem Spielbrett hat keinen Einfluß auf den Sieg.
Das Ergebnis ist ein locker, kurzweiliger Denksport. Und seelisch gesund ist es auch noch: das spielerische Legen von Plättchen auf ein Spielbrett im immer eine therapeutisch-wertvolle Handlung.
Der damalige gute WPG-Schnitt von 8 Punkten wurde heute auch von den neuen Spielern bestätigt: Aaron und Günther vergaben je 8 Punkte (neu), Walter blieb bei seinen 8 Punkten (alt).

23.10.2008: “Symphonie aus der Neuen Geschichte”

Spieleautoren gibt es fast so viele wie Komponisten. Und sie kämpfen wahrscheinlich einen ähnlichen Kampf um die Veröffentlichung ihrer Werke. Moritz ist Komponist und Spielautor zugleich, und bei ihm ist es gerade umgekehrt. Schon seit vielen Jahren ist sein musikalisches Schaffen weit in die Zukunft hinaus ausgebucht und selbst für seine erste Brettspiel-Kreation hat er bereits einen Verlag, bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. Seit 6 Monaten feilt er an seiner Spielidee mit der gleichen Leidenschaft und Schaffenskraft wie an seinen Opern. Im trauten Kreise hat er damit schon einige Testrunden absolviert, heute tauchte er erstmals im Kreis der Westpark-Gamers damit auf.
1. “Moritz’s Arbeitstitel bleibt noch verdeckt”
Sein Ziel war ein “Eurogame mit Thema”. Damit drückt sich seine Beobachtung aus, daß Eurogames oft abstrakte Spielmechanismen ohne viel Thema aufweisen, aber funktionieren, und im Gegensatz dazu amerikanische Spiele oft tolle Themen untergeschoben bekommen, spielerisch aber zurückbleiben. Moritz wollte die Vorzüge beider Prinzipien verbinden und die Nachteile dabei vermeiden.
Im Vorfeld schon hatte er seine 19 Seiten Spielanleitung verschickt und die Druckfahnen für die einhundert verschiedenen Aktionskarten, die das Spiel in Bewegung halten. Alle Teilnehmer hatten sich das Material reingezogen; Moritz konnte seine Erklärungen kurz halten, auch wenn es bei den Masse der Regeln natürlich nicht unter einer halben Stunde abging, und wir (alle) immer wieder Rückfragen zu Detailabläufen stellen mußten.
Der erste Regelverstoß unterlief uns gleich zu Beginn, als wir den Startspieler per WPG-Würfel ermittelten, obwohl nach der Spielregel der älteste Spieler dafür vorgesehen ist. Der Zufall verzieh uns diesen Lapsus und machte Walter zum Startspieler.
Als Hausaspekt wählte der sich “Religion”, weil er sich gerade mit ketzerischer Literatur beschäftigt. Thomas wählte “Politik”, er ist halt noch jung und eindrucksfähig. Aaron nahm sich selbstverständlich der Wissenschaften an, und Moritz stand im Dilemma zwischen Militär und Kultur. Wer hätte gedacht, daß hier das Militär den Kürzeren zog?
Wir agieren auf einer Jahrhundertskala, beeinflussen Aktionen und Ereignisse in der gesamten damals bekannten Welt und versuchen die Errungenschaften unserer Aspekte auf ein Top-Niveau zu bringen. Konzentriertes Engagement in einzelnen Erdteilen ist hierbei genauso notwendig wie eine gewisse Diversifizierung, weil häufiger genossene Früchte immer teurer werden.
Kriege sind unvermeidlich, in ihren Auswirkungen aber nicht so kraß, wie wir das von den üblichen Kampfspielen gewohnt sind. Sie werden unter den historisch-zutreffenden Ländern, aber nicht unter den Spielern ausgetragen. Die Mitspieler können sich auf eine beliebigen Seite der Kampfparteien schlagen und im Falle des Sieges ihren Einflußbereich erweitern; die Verlierer verlieren nur ihre eingesetzten Einflußpunkte. Bemerkenswert ist hier als dritte Kraft die Diplomatie, mit der die Folgen von Sieg- und Niederlage eines Krieges ganz aufgehoben werden können.
Von vielen Spielzügen eines Spieler profitieren alle Mitspieler, manche Spielzüge schädigen dagegen genau einen. Aaron traf es gleich am Anfang mehrmals ganz hart und blitzschnell hatte er alle seine Einflußmarker (=Geldmittel) verloren. Sein Dasein als arme Kirchenmaus lastete er natürlich dem Regelwerk an, und Moritz war als Autor sogleich in der Defensive. Um so befriedigter konnte er notieren, wie sich Aaron im Mittelspiel auch mit begrenztem Einfluß an die Spitze setzen konnte. Nach einen gelungenen Forschungsprojekt fiel sogar ein solch gewaltiger Geldsegen über ihn herunter, das er ihn bis zum Spielende nicht mehr loswerden konnte. In unserer Spielrunde brach dann jedesmal ein homerisches Gelächter aus, wenn unser Kirchenmaus-Krösus neue Kohle machte.
Aaron durfte auf Grund von Privilegien eine Aktionskarte aus Thomas Kartenhand bestimmen, die dieser als nächstes ausspielen mußte. “Diese Karte muß offen ausgelegt werden” stellte der Spielautor fest. Doch Thomas wußte es besser, die Karte blieb verdeckt. Das ist das berühmt-berüchtigte altbairische Besserwissen, manche nennen das auch Sturheit. Die Franken trugen es mit Fassung.
Nach 3 Stunden Spielzeit hatten wir die Hälfte der Spielrunden absolviert und mußten aufhören. Moritz war die Manöverkritik wichtiger als der Endsieg. Fazit: Das Spiel funktioniert schon sehr gut. Die regionalen Aktionen sind stimmig und ausgewogen. Es steckte eine Menge intelligenter Forschungsarbeit dahinter, die vielen Rädchen und Schräubchen der verschiedenen Spielmechanismen historisch getreu und spielerisch konstruktiv anzubringen. Hier hat Moritz schon eine lange erfolgreiche Strecke zurückgelegt. Jetzt gilt es noch ein bißchen zu straffen, Details wegzulassen, die zwar mit Liebe und Fachkenntnis austariert sind, aber zu wenig Einfluß auf das Spielgeschehen besitzen, und Möglichkeiten zur Verkürzung auf eine abendfüllende Spielzeit auszureizen. Dann kann Moritz auch auf diese Komposition stolz sein. Sie trägt jetzt schon die Handschrift des Könners.

16.10.2008: Die Arpads bei “Brass”

Die favorisierten deutschen Damen unterlagen im Viertelfinale gegen die Chinesen – auf der ersten Denkspiel-Olympiade in Peking in der Disziplin “Bridge”. Das war eine herbe Enttäuschung.
Die weniger favorisierten deutschen Herren unterlagen im Halbfinale gegen England. Ebenfalls in Peking. Das ist ein schöner Erfolg.
Zwei Polen gewannen die 50. Internationale Bayrische Paarmeisterschaft in Ottobrunn. Ebenfalls in Bridge. Die aufwändige Organisation war der Grund, warum unser Spielabend zweimal ausfallen mußte.
1. “Brass”
Alle kannten das Spiel schon, trotzdem dauerte es 20 Minuten bis Günther das Spiel einigermaßen rekapituliert hatte. Jeder muß Fabriken errichten und Transportwege ausbauen. Alles geschieht in Konkurrenz zueinander; alles kostet Geld, vieles kostet Rohstoffe. Die Ausbreitungsmöglichkeiten sind begrenzt und unterliegen einem sich ständig verschärfenden Wettbewerb gegen die freien Bauplätze.
Die Regeln sind einfach, doch immer wieder wird was übersehen: Geographisch gebundene Fabriken darf man immer und überall errichten, Joker-Fabriken darf man nur errichten, wenn man bereits einen Anschlußweg zum Baugelände besitzt. Zum Straßenbau dürfen nur lokale Rohstoffe herangezogen werden; wenn’s die gerade nicht gibt, darf man nicht bauen. Für die Rohstoffe zum Errichten von Fabriken reicht ein Transportweg zu irgendeinem Hafen. Der Warentransport funktioniert auch über Strecken der Mitspieler, die Wege zu Joker-Bauten muß man selber gebaut haben. So gibt es viel zu bedenken und viele Möglichkeiten zum planerischen Irrtum.
Heute ging alles ungewöhnlich langsam. Es lag nicht (nur) an den Mitspielertypen, es lag irgendwie an der Luft. Selbst Walter (!) überlegte an seinen Zügen so lange, daß selbst Hans (!) ihm den Arpad überreichte. Selbst Aaron (!) wurde ob der langen Wartezeit ganz ungeduldig und mußte per Autosuggestion “Ich bin ja ganz gelassen” sein gesträubtes Gefieder wieder zur Ruhe bringen.
Umgekehrt beanspruchte er erstmals in unserem Spieleleben das Recht, dumme Züge zurücknehmen zu dürfen. Anschließend brütete er selbst über die zurückzunehmenden Züge, ja allein schon über das “Ob-oder-ob-nicht”-Zurücknehmen länger als alle seine Vorgänger an ihren Vorwärtszügen.
Im Spiel gibt es auch eine gelungene strategische Auseinandersetzung um die Startspieler-Reihenfolge. Wer am wenigsten Geld ausgegeben hat, darf in der nächsten Runde anfangen. Durch geschickte Investitionspolitik kann man dafür sorgen, daß man dann gleich vier Aktionen hintereinander ausführen kann und z.B. die gebratenen Täubchen, die man in einer Aktion auf das Spielfeld gebracht hat, in seiner nächsten Aktion gleich selber alle verzehren kann.
Besonders glücklich ist diese Startspielertaktik, wenn man sie zu Beginn der zweiten Phase anwendet. Denn davor werden alle in der ersten Phase gebauten Transportverbindungen wieder abgeräumt und man kann sich jetzt als Startspieler die lukrativsten Strecken gleich wieder unter den Nagel reißen. Günther als erfahrener Brassist kannte diesen Vorteil, brachte sich gekonnt in diese Position und suchte sich mit Akribie und Ausdauer gleich vier beste Strecken im Zentrum aus. Hans war wohl mehr oder weniger aus Zufall Zweiter geworden und suchte sich mit noch mehr Akribie und noch mehr Ausdauer die nächsten vier besten Strecken aus. Aaron und Walter durften eine gute Viertelstunde auf das Ende dieser Überlegungen warten. Doch dann fiel Aaron noch rechtzeitig (?) ein, daß man zum Streckenbau nur lokale Rohstoffe einsetzen darf. Die waren natürlich nicht vorhanden gewesen und Günther und Hans mußten ihre mühsam ausgebrüteten Züge wieder zurücknehmen. Ihre beiden Mitspieler durften eine weitere Viertelstunde darauf warten, wieder an die Reihe zu kommen. Dafür nahm Walter seinen bereits vergebenen Minuspunkt für die unausgewogene Startspieler-Asymmetrie wieder zurück. Aaron hatte sich allerdings bereits in seinen Frust verbissen: “Ich hasse dieses Spiel!” und “Die Einschränkungen in diesem Spiel sind einfach beschissen!” Es war aber nur begleitende Stimmungsmusik, die keineswegs die gute Laune beeinträchtigen sollte. Unisono fielen Günther und Hans als Continuo ein: “Sonst könnte man ja überall hinbauen!”
Das Spiel ist wirklich sehr gut ausbalanciert. Selbst wenn die Gegner alles verbaut haben, selbst wenn man (angeblich) lauter unglückliche Bauplätze gezogen hat, gibt immer noch sinnvolle Zugalternativen, z.B. kann man sich damit Kredite besorgen oder Entwicklungsaktionen damit finanzieren.
In seiner Komplexität ist das Spiel mit “1830” vergleichbar. Unvermeidlich macht man auch hier immer wieder Fehler, die sich teuer auswirken. Das ist auch gut so. Es darf nur kein Arpad dabei sein, der durch ausreichendes Nachdenken alle Fehler zu vermeiden sucht. Wir brauchten diesmal geschlagene 3 Stunden reine Spielzeit für ein einziges Spiel. Wieviele Arpads waren da wohl dabei?
Keine neue WPG-Wertung. Die historischen Noten: Aaron: 7, Günther: 8, Hans: 8, Walter: 9
2. “Bluff”
Mal wieder die alte Erkenntnis: Wenn Du mit Deiner Vorgabe die Meßlatte schon extrem hochgesetzt hast, dann darfst Du Dir selbst und Deinen Mitspielern nicht mehr glauben, wenn der Ball wieder zu Dir zurückgekommen ist.