16.12.2015: Mobiles vom Eisenstein und Immobiles aus New York

Es war einmal eine Familie, die gern in den Urlaub fuhr und immer in denselben hübschen Hotels abstieg. Irgendwann fing die Familie gag-halber an, für ein Hotelbewertungsportal Bewertungen zu schreiben. Das kam gut an.
Dann fuhr sie nicht mehr in die paar guten Hotels, sondern klapperte jede Absteige ab, “denn man muss ja alle mal gesehen haben, und wir müssen Bewertungen schreiben”.
(Anfangskapitel aus Peters „Die Tragik der Westpark-Gamers“.)

1. “Phalanxx”

Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann
Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann

Als Vorweihnachtsgeschenk hat uns Bernd Eisenstein sein neuestes Produkt zum Testen übergeben. Seit 2003 sind Bernds Spiele bei Luding registiert. Am Anfang hat er noch „gesündigt“ und dafür Namen quer durchs Alphabet vergeben („Maya“ war sein erstes Spiel, „Zack & Pack“ kam 2008, später „Alea Iacta Est“ und „Artifact“ zusammen mit Jeffrey D. Allers). Seitdem er unabhängig ist, und die Spiele im Eigenverlag herausbringt, fangen die Namen seiner Spiele alle mit „P“ an (z.B. „PAX“, „Porto Carthago“ „Palmyra“, „Peloponnes“ und „Pergamemnon“.) Das ist sicher kein Zufall und vielleicht eine von FF abgeschaute Marotte, auch wenn Bernd nicht Pernd Peisenstein heißt. Vielleicht wird er mal den Algorithmus zu seiner Namensvergabe verraten. Vielleicht hat er ja eine heimliche Liebe Penelope. Seine VOR-Lieben liegen zumindest alle im griechisch-antiken Raum.

In „Phalanxx“ breiten sich alle Spieler von gegebenen Startpunkten in die kleinasiatische (bzw. in irgend eine abstrakte Hexagon-) Landschaft aus. Die ersten Züge sind friedlich, dann kommen sich die Spieler gegenseitig in die Quere und verdrängen sich. Wer stärker ist kann seinen Gegner jederzeit ohne irgendwelche Kampfenscheidungen nach Hause schicken. Der eigentliche Kampf geht darum, rechtzeitig stärker zu sein als der Nachbar, dessen Felder man sich unter den Nagel reißen möchte.

Eigentlich kriegerisch, aber doch nicht so tödlich-peinlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn die Anzahl der Krieger eines jeden Spielers ist stark begrenzt. Wer seine Soldaten alle verschossen hat, kann sich nur noch zahnlos auf den Feldern der Siegpunkt-Ehren tummeln und warten, bis das Spielende eintritt. Für die nach Hause geschickten Pöppel der Mitspieler dagegen gibt es nahezu bis zur Schlussrunde unbegrenzt neue Betätigungsfelder.

Die Stärke eines Spielers ist gleichzeitig die Anzahl seiner Siegpunkte, mit denen er am Ende aufs Treppchen steigt. Zum Siegpunkte-Sammeln muss man sich aus einer angebotenen Auslage von Stärke-Karten, die in sich eine Menge Abhängigkeiten in Bezug auf Zulässigkeit und Wirkung besitzen, in der richtigen Reihenfolge die besten heraussuchen. Hier hat Bernd in seiner bekannten, gekonnten Manier die weitsichtige Planbarkeit mit kurzsichtigem Zufall verheiratet. Vor allem aber sein aus Würfeln basierter Zugmechanismus ist neu, elegant, und in sehr interessanten Aspekten antagonistisch.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “New York 1901”

Dreimal im Monat Dezember lag dieses Spiel jetzt bei uns auf dem Tisch. (Siehe frühere Reports.) Wenn man es spielerisch und GAAANZ locker nimmt, ist es eine hübsche Entspannungsübung nach einem schweren Tobak. Doch wer will, kann dabei auch denken! Hoffentlich nur wohldosiert denken, sagte doch schon der alte Paracelus, dass es die Dosis macht, ob etwas Gift oder kein Gift ist.

Zwei erfahrene New Yorker wollten ohne die Kinkerlitzchen von Aktionskarten spielen. Sie stören nur innerhalb der Lockerungsübungen und geben den mutwilligen Denkern auch noch unnötigen Stoff zur Ablaufverlangsamung. Tonkünstler Moritz hingegen wollte „puristisch“ nach den Regeln spielen und die Aktionskarten auf jeden Fall dabei haben. Er mag es auch nicht, wenn man an seinem „Hämmerklavier“ herumoptimiert und bewusst einzelne Takte weglässt. Das Genie setzte sich durch.

Am Ende gingen die Grundstückskarten nicht auf! Es gab noch zwei Stück in der Auslage ohne passende Bauplätze auf dem Spielbrett! Wer hat hier falsch gespielt? – Wen interessierte das auch schon? – Unser Genie natürlich! Glücklicherweise kann man in „New York 1901“ anhand der gesammelten Grundstückskarten eines Spielers und in Relation zu seinem Immobilienbesitz rekonstruieren, bei wem etwas falsch gelaufen ist. Walter, dem häufiger so ein Unglück passiert, und dem von Elitespielern sogar unterstellt wird, dass das nicht immer ohne Absicht geschieht, war froh, dass nicht er der Schuldige war.

Moritz gewann mit Günthers Siegstrategie als „Bronze-Baron“. Es gehört ein gewisse Selbstbeherrschung dazu, seine bronzenen Basis-Gebäude nicht zu überbauen und für seine höherwertigen Gebäude jeweils neue Bauplätze zu erwerben und zu warten, bis sie groß genug sind. Moritz nahm sich das vor und er schaffte es auch. Die dafür ausgelobte Prämie von 15 Siegpunkten brachte ihm – wie auch letzte Woche unserem Günther – den Sieg.

Aaron, der für das Spiel immerhin 6 gute Punkte vergeben hat, gab kund: „Ich brauche das Spiel kein viertes Mal zu spielen!“

Und noch eine allgemeine Kritik: Die Farbgebung für die Grundstücke in den Karten und auf dem Spielbrett ist äußerst unglücklich: gelb, orange und pink sind im Lichterschein vom Westpark nur schwer voneinander zu unterscheiden. Außerdem sind die gestrichelten Linien auf den Grundstücken absolut kontraproduktiv: sie erschweren ganz klar das Erkennen der Grundstücksgrenzen. Absicht oder nicht: es ist schlecht und unterstützt die Verwechslungsgefahr.

WPG-Wertung: Zum bisherigen WPG-Schnitt von 6 Punkten vergab Horst deren 7 (das Spiel hat einen gewissen Wiederspielreiz. [Er hat das Spiel heute zum ersten Mal gespielt.])

Wir wünschen allen unseren Mitgliedern, Freunden und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Spielejahr!

09.12.2015: Deutscher Adel

Ein chinesischer Pastorensohn hat vor achtzig Jahren in Amerika eine Formel für den Nationalcharakter von Völkern entwickelt. Aus den Elementen R (= Realitätssinn), T (= Träumerei bzw. Idealismus), H (= Humor) und S (= Sensitivität), zusammen mit dem Mengenbezeichnungen 4 = ungewöhnlich stark, 3 = stark, 2 = durchschnittlich und 1 = schwach hat er für DIE Deutschen herausgefunden:

deutsch = R3T4H1S2

Fast so ein Bullshit, wie ihn Goldhagen sechzig Jahre später auf seine Art verzapft hat. In dreißig Jahren werden sich eine halbe Millionen eingeflüchteter, heimisch gewordener Syrier unter diese Formel beugen müssen!

Wir haben ja schon unlösbare Schwierigkeiten, die deutschen Spieler, eine kleine Teilmenge von R3T4H1S2 unter einen Hut zu bringen. Die einen wollen in ihrem Spielvergnügen eine reine, klare, logische Spielidee meistern, die anderen brauchen dazu mindestens noch einen Würfel, etwas Chaos und viel Glück, und die dritten benötigen drum herum ein Brimborium von Lametta und nach Möglichkeit auch noch einen Eimer voll Dreck, mit dem sie ihre Mitspieler ideell bewerfen können.

Solange wir nur Spieler sind, können wir uns als Mitspieler Gleichgesinnte heraussuchen und mit ihnen dem Spielvergnügen frönen, das alle für gut und schön empfinden. Sind wir aber Spieleautoren, die nicht nur für ihren eigenen kleinen Kreis Spiele erfinden, sondern am Markt eine gewisse Akzeptanz suchen, dann müssen wir schon eine Menge Kompromisse machen mit dem, was wir selber für gut und richtig halten und dem, was Markt und (Verlags-)Meinung uns aufs Auge drückt. Aaron weiß ein Lied davon zu singen.

1. “Celestia”

Eine Weiterentwicklung bzw. eine simple Expansion von „Cloud 9“ vom gleichen Autor Aaron (ein anderer) Weissblum. Wir sitzen im gleichen Ballon wie von „Cloud 9“; der pro Fortschritt wechselnde Pilot würfelt mit zwei bis drei Würfeln die Unbilden des Wetters aus und muss sie mit den ihm zugeteilten „Ausrüstungskarten“ meistern. Wer fürchtet, dass der Pilot die aktuellen Herausforderungen nicht schafft, darf aussteigen und bekommt eine Siegpunktkarte gemäß seinem Ausstiegspunkt. Schafft der Pilot es tatsächlich nicht, so stürzt der Ballon ab und alle übrig gebliebenen Passagiere einschließlich Pilot bekommen gar nichts. Schafft es der Pilot, so rückt der Ballon auf das nächste, an Siegpunkten progressiv ertragreichere Feld vor.

Der simplen Idee von „push your luck“ bzw. „Can’t stop“ sind in „Celestia“ noch ein paar „Machtkarten“ hinzugefügt worden, mit denen man in den normalen Spielablauf eingreifen kann:

  • Mit dem “Raketenrucksack” überlebt ein Passagier auch einen Ballon-Absturz und bekommt die Siegpunkte entsprechend dem letzten Aufstiegspunkt. – Für Warmduscher.
  • Mit dem “Unfreiwilligen Aussieg” darf jeder Passagier willkürlich einen anderen Mitspieler aus dem Ballon drängen. – Für Miesnickel und Kingmaker!
  • Die “Alternative Route” erlaubt dem Kapitän, seine Wetter-Würfel nochmals neu zu würfeln. Der “Kaputte Antrieb” zwingt ihn dazu, seine Wetter-Würfel neu zu würfeln – Das eine ist gut gegen schlechte Würfe, das andere, eher in der Hand von bereits ausgestiegenen Passagieren, gut gegen gute Würfe.
  • Mit dem “Magischen Fernglas” kann der Kapitän unabhängig von seinen Ausrüstungskarten alle über ihn hereingebrochenen Wetterunbilden meistern.

Der Kapität MUSS die Wetterunbilden meistern, falls er die entsprechenden Ausrüstungskarten hat. Jokerkarten DARF er dabei beliebig einsetzt, muss aber nicht. Der Geburtsfehler von „Cloud 9“, dass der Pilot nicht beweisen muss, dass er die benötigten Ausrüstungskarten nicht besitzt, ist auch in „Celestia“ nicht beseitigt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich ein 5er Spiel, aber mit schöner Grafik), Günther: 5 (so richtig hat es mich nicht begeistert), Moritz: 5 (repetitiv, die Situationen im Spiel sind alle sehr ähnlich, die statistischen Erfolgs-Chancen sind nicht abzusehen), Walter: 4 (ohne „Machtkarten“ wären es 5, aber die Machtkarten machen das bisschen statistisch-psychologische Hoffnung kaputt und fördern dazu noch bösartige Mitspieler-Willkür – igittigitt!)

2. “Nobiles”

Nobile: Der Vater und sein Kind
Nobile: Der Vater und sein Kind

Unter der Woche hatten Aaron und Walter daran gearbeitet, in Aaron’s Neuentwicklung ein paar Weichen neu zu stellen, das heutige Quartett sollte das Ergebnis begutachten.

Die reine Spielidee ist der Kampf um Unterstützung oder Verweigerung bei der Bekämpfung von Natur-Katastrophen an Frieslands Küste (oder wo auch immer), den jeder Mitspieler mit sich selber auszufechten hat. Wird der Kampf gewonnen, bekommen alle Mitspieler viele Siegpunkte und der Häuptling am meisten. Wird der Kampf verloren, so bekommen ein paar wenige Mitspieler wenige Siegpunkte, andere gar nichts.

Fazit: Die Balance zwischen den Erträgen für Häuptling und Fußvolk, zwischen Aufwand und Ertrag, sowie innerhalb der Belohnungen bei Erfolg oder Misserfolg ist schon sehr gut eingestellt. Die einen mögen jetzt noch mehr Lametta, die anderen mehr Zufall und die dritten eine stärkere Konzentration auf des Pudels Kern. Und der Autor möchte noch dazu, dass das Spiel schneller über die Bühne geht. Eine nur schwer lösbare Aufgabe innerhalb von R3T4H1S2, die nur mit Kompromissen und Enttäuschungen in die eine oder andere Richtung zu bewältigen ist.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “New York 1901”

Das Spiel hat letzte Woche mit 5,5 Punkte nur begrenzte Zustimmung gefunden. Allerdings hatten wir uns da noch eine falsch verstandene Bau-Fessel angelegt. Heute, nachdem drei der vier Mitspieler sieben Tage lang die Abläufe überschlafen und verinnerlicht hatten, bekam es noch eine Chance, und Moritz sollte Oberschiedsrichter sein.

Günther hatte insbesondere den Bronze-Meister zutiefst verinnerlicht und ließ sechs seiner Bronze-Wolkenkratzer bis zum Schluss unüberbaut stehen. Mit den dafür erzielten 15 Bonus-Punkten schoss er vom letzten Platz auf den ersten Platz vor. (Frage: Wie groß war maximal der Punktabstand zwischen dem ersten und dem letzten Spieler bei Spielende?)

Moritz war mit dem Spielausgang sicherlich nicht ganz zufrieden, auf jeden Fall aber mit dem Spiel. Beim nächsten Mal würde er einiges anders machen. Wenn es denn – für “New York 1901” – am Westpark ein nächstes Mal gibt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, obwohl er diesmal noch mehr das Gefühl hatte, dass er gespielt wird. „entweder wurden mir alle begehrten Baupläne vor der Nase weggenommen, oder sie tauchten überhaupt nicht erst auf), Günther: 6 (bleibt), Moritz: 7 (flott, nicht überbrainy, ziemlich OK), Walter: 6 (ein Punkt mehr; auch wenn es nicht vom Hocker reißt, ist es doch eine recht saubere Konstruktion)

02.12.2015: Sprachverwirrung in New York

CEMS ist ein weltweiter Zusammenschluss von Universitäten zur Ausbildung von Führungspersönlichkeiten globale Unternehmen für künftige Generationen in einer mehrsprachigen, multikulturellen und vernetzten Geschäftswelt. CEMS fördert einen Kosmopolitismus mit Schwerpunktsetzung auf Spitzenleistungen unter hohen ethischen Standards, auf Verständnis und Unterstützung der kulturellen Vielfalt unserer Welt, sowie auf Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes.

Unser (Ex-)WPG-Kücken Basti hat jetzt auf dem CEMS Annual Events 2015 in einem Pulk mit 500 weiteren europäischen Studenten seinen Master entgegengenommen. Zusammen mit den Angehörigen, u.a. mit unserem Aaron, sind mehr als zweitausend Menschen zusammengekommen, um an der feierlichen Verleihung dieses Titels teilzunehmen. Im Mariinskiy-Theater von St. Petersburg (Hans-im-Glück lässt grüßen)! Jawohl, in Putins St. Petersburg. Die freundschaftliche Zusammenarbeit im univeritären Bereich klappt offensichtlich trotz politischer Hetze und wirtschaftlichem Boykott vorzüglich.

Warum sind denn die Spitzenpolitiker aller Staaten immer so bescheuert und glauben, mit Drohungen, mit Konfrontation und mit Bomben eine bessere, demokratischere, friedlichere Welt schaffen zu können. Und das setzen uns unsere obrigkeitsorientierten Journalisten und Medien auch noch täglich als der Weisheit letzten Schluss vor …!

1. “New York 1901”

Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Wolkenkratzer sind angesagt. Jeder Spieler beginnt mit einem kleinen Grundstück in Manhattan, zu dem er regelmäßig neue hinzukauft und früher oder später Wolkenkratzer (Papp-Plättchen) darauf baut, zuerst nur billige bronzene, später silberne und zum Schluss die siegpunktträchtigsten goldenen.

„Hinzukaufen“ ist zu kapitalistisch ausgedrückt, man bekommt sie kostenlos. Vier Gründstückskarten liegen jeweils aus; pro Zug darf ein Spieler sich eines davon nehmen. Die Grundstücke liegen in definierten, farblich unterschiedenen Gebieten. Um später goldene Wolkenkratzer darauf bauen zu können, muss man schon drei oder vier benachbarte Grundstücke erworben haben. Die bösen Mitspieler können die goldenen Träume allerdings vereiteln, indem sie sich selber die Nachbargrundstücke unter den Nagel reißen. Glücklicherweise hält sich diese Miesnickeligkeit in Grenzen, da jeder für seine eigene Entwicklung sich ja selber möglichst abseits gelegene Grundstücke aussucht.

Eigentlich ist der Spielablauf von „New York 1901“ ganz einfach; die Regel sind auf zwei, noch dazu bebilderten Seiten beschrieben. Doch der Teufel steckt im Detail. Beispiel: „Neue Wolkenkratzer können nur alte Wolkenkratzer einer älteren Entwicklungsstufe ersetzen“. Offensichtlich heißt das, dass neue Wolkenkratzer keine bestehenden Wolkenkratzer einer gleichen oder höheren Entwicklungsstufe überbauen dürfen. Heißt das aber auch, dass Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe nicht auf dem blanken Boder erbaut werden dürfen? Nichts Genaues weiß man nicht. Aaron suchte im englischen Regelheft (“Demolished skyscrapers can only be replaced by skyscrapers from a more advanced generation”) und Peter im französischen (“Les nouveaux gratte-ciel ne peuvent remplacer que de gratte-ciel d’une technologie plus ancienne”). Nirgendwo steht, dass höhere Wolkenkratzer nicht gebaut, sondern damit nur überbaut werden darf. “Replaced” schließt doch ein “placed” nicht aus, und “remplacer” kein “placer”. Diese Interpretation fanden Aaron und Günther, Walter enthielt sich einer Wertung, Peter aber, wie konnte es anders sein, pochte mit seinem französischen „Original-Regelheft“ auf sein besseres Wissen und minorisierte die Mehrheit!

Über eine Stunde zog sich die Diskussion über diese und weitere Regeldetails hin. Offensichtlich bringt das am Westpark nicht nur Frust, sondern macht auch Spaß, sonst würde wir ja uns ja nicht regelmäßig dieser Prozedur unterziehen. Trotzdem, liebe Verlage, ist es denn so schwer, in einfacher Sprache klare Abläufe eindeutig zu beschreiben. Die ganze halbe Seite mit den „Regeln für Wolkenkratzer-Entwicklungsstufen“ könnte auf den nackten Satz gebracht werden: “Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe müssen mindestens einen Wolkenkratzer der nächst-niedrigeren Entwicklungsstufe überbauen.” Oder, falls das Gegenteil gemeint ist: “Wolkenkratzer einer höheren Stufe dürfen auf den blanken Boder gebaut werden oder Wolkenkratzer von niedrigeren Stufen überbauen.”

Vorteile des Startspielers sind nicht wegzudiskutieren. Walter bekam als Startspieler in der ersten Runde sogleich den einzigen Drei-Felder-Bauplatz. Ebenso einen in der zweiten Runde. Damit erreichte er schnellstmöglich die 6-Punkte-Marke, womit er seine bronzenen 3er-Wolkenkratzer auch sogleich mit silbernen (vielleicht sogar mit goldenen!?) überbauen durfte. Außerdem schonte er damit seinen Vorrat von im Endspiel wichtigen 2er Wolkenkratzer. Er hatte als einziger keinerlei Engpässe bei der Auswahl seiner Gebäude in der Endphase des Spiels. Da Peter den Schluss einläutete, und Walter so auch noch den letzten Zug durchführen durfte, hatte er als einziger einen Zug mehr als allen anderen. Es reichte zum Sieg. Wer schon bestreiten will – was bei uns durchaus der Fall war -, dass der Startspieler einen Vorteil hat, der soll sich nur diesen Spielausgang vor Augen führen. Günther wurde Letzter; soviel zur intellektuellen Herausforderung von „New York 1901“!

Noch eine Kritik an den Aktionskarten, die Doppelzüge erlauben. Sie sind absolut überflüssig. Das Spiel läuft so überschaubar linear-stetig ab, dass der Durchbruch dieser Linearität durch Doppelzüge nur mehr Unberechenbarkeit, aber keine zusätzliche Spielfreude mit sich bringt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Spielspaß ist eher bescheiden. Was ist überhaupt die Herausforderung?), Günther: 6 (das Spiel besitzt keinen besonderen Clou, aber innerhalb der Spielzüge eine gewisse taktische Vielfalt), Peter: 5 (1 Punkt mehr aus Frankophilie, man hat sein Glück nicht selber in der Hand, weil jeder Mitspieler die trächtigsten Pläne vermaseln kann), Walter: 5 (das Spiel funktioniert und ist schnell [kann schnell sein], der Spielablauf ist allerdings ziemlich schlicht und [wahrscheinlich] schnell ausgelutscht).

2. “Regenbogen Schlange”

Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Alle Spieler verlangten nach unseren 45 Minuten allgemeines Anfangspalaver, 75 Minuten Kampf mit New Yorks Regelauslegung und 60 Minuten Immobilien-Management ein schnelles, lockeres Kartenspiel zur Entspannung. Walter fand in seinem Schrank eine noch jungfräuliche „Regenbogen Schlange“, im Jahre 1999 geboren und zehn Jahre später reinkarniert. Alle WPG waren sofort dafür, und Aaron durfte die Regeln erklären. Schon beim ersten Satz des Regelhefte fiel ihm die Kinnlade herunter: „Alle Spieler versuchen, möglichst lange Regenbogenschlangen zu bilden. Eine Schlange besteht immer aus einem Kopf, mindestens einem Mittelteil und einem Schwanz.“ Das ist exakt das Prinzip von seiner neuesten Neu-Entwicklung „Worms“, mit der er immer noch stark schwanger geht.

Der Rest der Regenbogen-Schlange ist allerdings grundsätzlich anders als seine Würmer. Jeder Spieler hat nur eine einzige Karte mit Kopf, Schwanz oder Mittelteil einer Schlage auf der Hand. Die Tierteile sind in den Farben des Regenbogens gestaltet, wobei in jedem Schlangen-Mittelteil eine Farbe in eine andere übergeht: grün in blau, blau in violett, violett in rot etc. Diese eine Handkarte muss der Spieler farbgerecht an eine der bestehenden Schlangen-Torsos auf dem Tisch anlegen oder damit einen neuen Schlangen-Torso anfangen. Freiheitsgrad Null. Da man allerdings u.U. ein zweifarbiges Mittelteil mit jeder seiner beiden Endfarben anlegen kann – auch wenn das für den Anleger selbst keinen erkennbaren Nutzeffekt hat – , ist der Freiheitsgrad leicht größer als 0.

Wer einen bestehendes Schlangen-Torso mit einem Kopf- bzw. Schwanzstück abschließen kann, darf alle Schlangenkarten als Siegpunkte an sich nehmen. Da man beim Legen eines Mittelstückes, wenn es denn farblich ausgeht, auch zugleich zwei passende Schlangen-Torsos verbinden kann, ist damit sogar eine gewisse optische Herausforderung bei der Betrachtung der Torso-Auslage auf dem Tisch gegeben. Für 4-Jährige gerade richtig.

Aaron muss glücklicherweise seine „Worms“ nicht einstampfen. Walter wird das Spiel hoffentlich in Erinnerung behalten, wenn seine jetzt zweijährige Enkeltochter im nächsten Jahr die Farben gelernt hat.

Keine WPG-Wertung für ein Klein-Kinder-Spiel.

3. “Hamsterbacke”

Ebenfalls ein lockeres Kartenspiel, immerhin für Erwachsene ab 8 Jahre. Der Zahlenraum von 1 bis 4 muss beherrscht werden.

Im September dieses Jahre lag das Spiel schon zweimal bei uns auf dem Tisch, das erste Mal mit Wohlwollen betrachtet, beim zweitem Mal mit leicht reduzierter Lust. In Session-Report vom 2. 9. steht schon genug über die Regeln, das können wir uns hier jetzt sparen.

Kontrovers war die Diskussion, ob „Hamsterbacke“ nach Peters Sofort-Einschätzung ein reines Glücksspiel ist, oder nicht. Nein, rein ist das Glück gewiss nicht, aber den Glücksfaktor für „Hamsterbacke“ genauso hoch einzuschätzen wie für „6 nimmt!“, das halte ich für ein reines Sakrileg!

WPG-Wertung: Peter vergab 6 Punkte (lustig, nett, daher mehr als 5, aber zu chaotisch, daher keine 7), Walter reduziert seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (man ist in seinen theoretischen Freiheitsgraden im Kartenmanagement durch das regelmäßige Schröpfen des Spielers mit den meisten Karten in der Praxis doch erheblich eingeschränkt), Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten.

4. “6 nimmt”

Da in der Diskussion um „Hamsterbacke“ das Stichwort „6 nimmt“ gefallen war, musste dieses Spiel gleich anschließend antreten, um seine Qualitäten zu zeigen. Es wurde viel mehr gedacht als bei „Hamsterbacke“, es wurde auch viel mehr gelacht, aus tiefstem Herzen der Erleichterung, wenn der Kelch an uns vorüber gegangen war, und ein anderer Spieler die Reihen mit den teuren Strafkarten an sich nehmen musste. Schadenfreude gab es bei „Hamsterbacke“ auch, aber keinesfalls diese Freude der Erleichterung!

In jedem Fall ist „6 nimmt“ ein taktisches Spiel. Kein Wunder, dass diesmal Günther mit hohem Abstand gewann. Ich will hier nicht schon wieder anführen, wo er bei „Hamsterbacke“ gelandet ist …

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel, in dem lediglich Peter mit 6 Punkten deutlich nach unten abkackt.

5. “Nobiles”

Peter war diesmal schon mit der fast letzten U-Bahn abgedüst, als Aaron die übrig gebliebenen Mitspieler um eine Begutachtung der allerneueste Version seines „Nobiles“ bat. Selbstverständlich waren alle zur Unterstützung einer Spielentwicklung bereit.

Neu wurde ein Würfel ins Spiel gebracht, um vordefinierte Kalamities in leicht randomisierte Kalamities zu verwandeln. Höfe, Deiche, Kreißsäle etc. wurden neu dimensioniert. Ebenfalls wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. „Viel Lob, großes Lob!“ – das hatte es gegeben, als die vorletzte Überarbeitung im Juni dieses Jahres für Moritz und Peter aufgelegt wurde. Diese Euphorie kam bei der diesmal aufgetischten Version nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

Keine WPG-Wertung für Spiel in der Entwicklungsphase.

18.11.2015: Porta Nigra und mehr

„Ich spiele nicht, um mir Freunde zu machen. Das Leben ist einfach zu kurz, um Züge auszulassen, die die anderen ärgern.“ (unknowns)

1. “Porta Nigra”

Ein ERC-Nachwuchs-Historiker erforscht die Porta Nigra
Ein ERC-Nachwuchs-Historiker erforscht die Porta Nigra

Die modernen Eurogame-Klassiker heißen nicht mehr „Paris“, sondern „Notre Dame“, nicht mehr „London“, sondern „Tower“, und nicht mehr „München“, sondern „Hofbräuhaus“. Ein ganz neues Namens-Portal tut sich da auf. Dahinter ist allerdings immer noch der alte Dreh: Wir sind Adelige, Architekten, Baumeister, Ritter oder Tod und Teufel und wetteifern um die siegpunktträchtigste Entwicklung in Stadt oder Land.

In „Porta Nigra“ lassen uns die Altmeister Kramer & Kiesling auf unserem Papppferd um den Marktplatz von Trier herumreiten. Jeder Schritt kostet einen Schilling. Wir kaufen in den vier verschiedenen Steinbrüchen rote, grüne, gelbe oder schwarze Bausteine und beteiligen uns damit an den vier Baustellen der Stadt. Jede Bausteinfarbe hat einen anderen Preis. Es ist genau vorgeschrieben, welche Bausteinpakete in Anzahl und Farbe an den verschiedenen Baustellen zulässig sind. Nach jeder durchgeführten Baumaßnahme bekommen wir unverzüglich Siegpunkte dafür, abhängig von der Anzahl und dem Wert der eingesetzten Bausteine. Zusätzlich werden bei Spielende alle unsere Beteilungen an allen Bauplätzen der Länge, Breite und Höhe nach mit denen unserer Mitspieler verglichen; wer in den verschiedenen Dimensionen die größte hat, bekommt weitere Siegpunkte; die zweitgrößte bekommt auch noch was, die anderen gehen leer aus.

Unter zwölf verschiedenen Mehrheiten gilt es, sich die besten herauszusuchen; kleckern bringt gar nichts, klotzen auch nicht, gerade mit minimaler Portion besser zu sein als die anderen und ansonsten lieber gar nicht beteiligt zu sein, darin liegt das Geheimnis zum Sieg. Aber welche Mitspieler halten schon so schön still und schenken uns Mehrheiten?

Wie wickeln wir unsere Züge ab? Jeder Spieler hat ein identisches Set von sieben Aktionskarten, die ihm zwei bis drei Aktionen pro Zug gestatten. Im Wesentlichen sind das a) Bausteine kaufen, b) Bausteine verbauen und c) Geld kassieren. Das Geld brauchen wir für den Bausteinkauf sowie für unseren Ritt um den Marktplatz. Im Unwesentlichen sind das d) Fackeln, mit denen wir eine weitere Aktion der Karte ausführen dürfen oder e) Nudelwalzen, die uns zum Sondereinkauf von Bausteinen, Geld, Fackeln, Bauhonorare oder Siegpunkte berechtigen.

Zu Spielbeginn mischt jeder Spieler seine Aktionskarten und zieht davon verdeckt zwei Stück zum Agieren. Pro Zug darf er eine davon nutzen; danach legt er sie ab und zieht verdeckt eine neue Aktionskarte nach. Bis alle sieben Karten durchgespielt sind. Für die letzte Karten gibt es natürlich keine Auswahlmöglichkeit mehr.

Jedes Kartenset wird zweimal durchgespielt. Nach dem ersten Durchspielen gibt es eine Zwischenwertung, in der der aktuelle Besitzstand ermittelt und in frei wählbarer Stückelung in Siegpunkten oder als Geld ausgeschüttet wird. „Wie bei Yunnan“ bemerkte Aaron. In leicht dödelnder Stimmung wurde „Porta Nigra“ als „Mischung aus Yunnan und Monopoly“ apostrophiert; aber man darf nicht alles ernst nehmen, was vom Westpark nach außen dringt.

Die Fülle an Siegpunktquellen in „Porta Nigra“ ist schlichtweg „unübersichtlich“, ein Begriff, der heute ganz deutlich von „chaotisch“ abgegrenzt wurde. Die genaue Begriffsklärung überlasse ich Peter, sinngemäß geht „unübersichtlich“ in die Richtung von „schwerfällig“, während „chaotisch“ durchaus auch noch ein spritziges Element enthält. Jedes Bauen in “Porta Nigra” löst eine ganze Reihe Nebeneffekten aus, die zwar logisch konstruiert und angenehm zu nutzen sind, ein erfolgreich-geplantes Spiel aber zu einer langweiligen (für die anderen) Rechnerei ausarten lassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel, als dass es Spaß macht), Günther: 6 (etwas zu lang, sonst wäre das Spiel noch mehr Punkte wert), Peter: 5 (ein Eurogame [= positiv], aber ein modernes [= negativ]), Walter:5 (beim Mehrheiten-Wettlauf in 12 Disziplinen kommt ein älterer Herr leicht außer Atem; er bekommt immer mehr Sympathie für Moritz seine Bomben).

2. “Träxx”

Lebenslinien in Träxx
Lebenslinien in Träxx

Bingo mit Farben! Jeder Spiel bekommt eine Tafel, auf der 61 bunte Hexagons (rot, grün, gelb, blau, weiß und grau) mit einem Startpunkt aufgedruckt sind. Für alle Spieler sind die Tafeln identisch, die Startpunkte verschieden. Die meisten Felder der Tafel sind leer, einige Felder enthalten eine Zahl zwischen 2 und 10.

Jetzt wird von einem verdeckten Stapel jeweils eine Fahr-Karte gezogen, die vier bis fünf bunte Hexagons aufzeigt. Für jedes rote Hexagon auf der Fahr-Karte dürfen wir von unserem Startpunkt auf unserer Tafel aus (bzw. von den Endpunkten der Linie, die wir inzwischen gezogen haben) eine Linie zu einem benachbarten roten Feld auf unserer Tafel ziehen. Für jedes blaue Hexagon dürfen wir auf ein benachbartes blaues Feld ziehen, usw. Die Reihenfolge, in der wir die farbigen Hexagons der Fahr-Karte nutzen, ist beliebig. Wir dürfen farbige Hexagons auslassen, aber wir dürfen die Linie auf unserer Tafel nicht durch ein Feld ziehen, das auf der Fahr-Karte nicht angegeben ist.

Wer als Erster eines der Zahlenfelder auf seiner Tafel erreicht, bekommt den Wert als Pluspunkte gutgeschrieben, Wer erst zu einem späteren Zeitpunkt das gleichen Zahlenfeld erreicht, bekommt nur noch den halben Wert an Pluspunkten. Wenn alle 15 Fahr-Karten des Spiels gezogen sind, endet das Spiel. Die Summe der Punkte für die angefahrenen Zahlenfelder wird addiert und davon die Anzahl der unbefahrenen Felder auf der Tafel als Minuspunkte abgezogen. Wer die meisten Punkte hat, ist Sieger. Eine weit vorausschauende Planung auf der Farb-Topologie der Tafel zum Befahren möglichst aller Felder ist von Nutzen. Er kommt parallel einher mit dem möglichst schnellen Anfahren der höchsten Zahlenwerte einer Tafel. Spielerisch und anspruchsvoll! Weitaus anspruchsvoller als Bingo!

Walter fragte nach dem Glücksfaktor von „Träxx“ und warf gleich die Schätzung „80 %“ in die Waagschale. Günther war mit „70 bis 80 %“ dabei, und Aaron steuert noch kopflastige „110 %“ bei. Da konnte sich selbst Peter nicht zurückhalten, sein Schätzwert war Pi (π). Warum Pi? „Die Antwort würde Dich verunsichern!“ – Eine Universal-Antwort, die so manchen Klugscheißer aus den Angeln heben könnte …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (schnelles Dödelspiel, für mich zu dödelig), Günther: 6 (netter Zeitvertreib), Peter: 5 (unterhaltsam, man kann es sogar alleine spielen!), Walter: 6 (100% mehr als „Bingo“; kann immer mal wieder Spaß machen, Punkteinbuße durch das Malen mit Spezialstiften auf die Papp-Tafel. Hat ihm schon bei „Dampfross“ nicht gefallen).

3. “Qwixx – Big Points”

Das hübsche, kleine Würfelspiel (siehe Spielbericht vom 2. Januar 2013) ist mit einem neuen Wertungsbogen versehen worden. Zwischen die aufsteigende rote und gelbe Zahlenreihe sowie zwischen die absteigende grüne und blaue Zahlenreihe ist jeweils eine weitere Zwischen-Zahlenreihe eingezogen werden, auf denen nach dem gleichen Schema Würfelergebnisse eingetragen werden dürfen wie auf den benachbarten Zahlenreihen auch. Einzige Einschränkung: ein Feld der neuen Zwischen-Zahlenreihen darf erst dann benutzt werden, wenn auf mindestens einer der beiden Nachbarreihen die gleiche Zahl bereits eingetragen ist.

Bei der Endwertung zählt jede Eintragung auf der Zwischen-Zahlenreihe für beide Nachbarzahlenreihen. Auf diese Weise kann man bei der quadratisch steigenden Wertungsskala leicht (oder auch nicht so leicht) auf Werte von über 100 Punkten kommen. Daher der Name „Big Points“.

WPG-Wertung: Das Spiel ist immer noch hübsch, und hat einen deutlich niedrigeren Glücksfaktor als „Träxx“. Allerdings hat das Spiel durch die zusätzlichen Zahlenreihen nicht wesentlich etwas dazugewonnen. Es bleibt beim Schnitt von 7,2 Punkten.

11.11.2015: Antarktisches Mombasa

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung von grundlagenorientierter Forschung. Unser Peter hat jetzt den ERC Starting Grant erhalten, die angesehenste aller Auszeichnungen für exzellente Nachwuchswissenschaftler. Die Universität Bamberg präsentiert Peter stolz als den ersten Wissenschaftler der Universität Bamberg, der diese Finanzierung erhält. Gefördert wird damit sein Projekt „The Proceedings of the Ecumenical Councils from Oral Utterance to Manuscript Edition as Evidence for Late Antique Persuasion and Self-Representation Techniques”. Mit anderen Worten: „Wie entwickelte sich in den frühen Ökumenischen Konzilien Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung der Kirche.“ Für jeden Historiker ein fesselndes Thema. Mal sehen, welche schlafenden Hunde damit geweckt werden!

Peter, wir sind stolz auf Dich!

1. “Mombasa”

Wo liegt eigentlich Mombasa? Darf man dazu noch Schwarzafrika sagen oder muss das heutzutage schon Coloured-Africa nennen? Im Zeitalter der politikal Überkorrektness war Pegaus Spiele bei der Namensvergabe gar nicht so wohl. Explizit schließen sie jegliche Ähnlichkeiten ihres Spiels mit Geschichte und Szenerien des realen Mombasa aus. War aber gar nicht nötig.

Günther freut sich schon auf das Abmurksen des nächsten Schwarzen
Günther freut sich schon auf das Abmurksen des nächsten Schwarzen

Mombasa ist ein abstraktes Aufbau- und Optimierungsspiel. Aktien spielen eine Rolle und ein pfiffiger Kartennutzungs-Mechanismus ebenfalls. Jeder hat zunächst den gleichen Satz von Aktionskarten, mit denen er seine Spieleraktionen bestimmt. Später kann man aus einer offenen Auslage weitere Aktionskarten dazukaufen, und so die Auswahl seiner Aktionen flexibler und effizienter machen.

Verdeckt wählt jeder drei Aktionskarten aus seiner Hand aus und legt sie in einer definierten Reihenfolge vor sich ab. Alle Spieler decken dann alle gemeinsam ihre Karten auf und führen sie der Reihe nach aus. Jeder Spieler immer eine davon, bis alle möglichen Aktionen durchgeführt sind. Dann werden die Aktionskarten auf je drei verschiedene, der Kartenreihenfolge zugeordneten Ablagestapeln abgelegt. Vorher – vor dem Ablegen der aktuellen Karten – darf jeder Spieler noch die Karten eines seiner Ablagestapels auf die Hand nehmen. Eine aktuell genutzte Aktionskarten kann also niemals zweimal hintereinander genutzt werden. Dies stellt durchaus eine nicht zu geringe Anforderung an die Vorausplanung der Spielzüge dar.

Und welche Aktionen kann man ausführen? Leider viel zu viele!

  1. Mit einer oder mit mehreren Warenkarten kann man neue Aktionskarten erwerben. Übersteigt der Wert der eingesetzten Warenkarten den Preis für die neue Aktionskarten, darf man mit dem überschüssigen Preis auf einer oder mehren der Aktien-Besitz-Leisten (ABL) vorwärts ziehen. [Hallo: das mit dem überschüssigen Preis haben wir doch glatt übersehen!]
  2. Mit einer oder mit mehreren Warenkarten (Kaffee, Bananen oder Baumwolle) darf man – ohne auf Einkaufstour zu gehen – gleich auf einer oder mehreren ABL dem Warenwert entsprechend viele Felder vorwärts ziehen. [Haben wir eigentlich realisiert, dass man den Wert auf verschiedene ABL aufteilen kann?]
  3. Mit Ausbreitungskarten darf man eine der vier verschiedenen Handelsgesellschaften (rot, orange, schwarz und weiß) sich in die Nachbarfelder ausbreiten lassen. Das Ausbreiten an sich ist dabei gar nicht so wichtig; wichtig ist vielmehr, dass dabei Markierungsfelder in der Heimatbasis der aktiven Gesellschaft offengelegt werden, und damit den Wert der Handelsgesellschaft erhöhen.
    Wenn die Handelsgesellschaften an den Grenzflächen aneinander geraten, kommt es zum Verdrängen: die verdrängten Handelseinheiten müssen zurück in die Heimatbasis, verdecken dabei wieder die geldigen Markierungsfelder, und reduzieren den Wert der Gesellschaft.
    Dass beim Ausbreiten auch noch die Topologie des Untergrundes berücksichtigt werden sollte, weil damit jeweils unterschiedliche Vorteile verbunden sind (Geld, Diamanten, Bücher und Fortschritt auf der ABL), ist ein additives Design-Element. Eines von den ungezählt vielen, die in „Mombasa“ berücksichtigt werden müssen.
  4. Mit der Buchhalterkarte (und den erforderlichen Warenkarten) darf ein Spieler den Marker auf seiner individuellen Bücherleiste vorwärts ziehen. Für vordere Positionen werden in der Schlusswertung beträchtliche Siegpunkte ausgeschüttet. Zudem darf man ab einem gewissen Pegelstand bei den Büchern einen zusätzlichen Aktions-Slot beginnen, d.h. man darf jetzt pro Runde drei statt nur vier Aktionskarten ausspielen. [Hallo Freunde, dieser Zusatz-Slot ist mir mindestens dreimal entgangen!]
  5. Mit der Diamantenhändlerkarte darf ein Spieler den Marker auf seiner individuellen Diamanten-Leiste vorwärts schieben und zusätzlich noch Geld einkassieren. Die Anzahl von Feldern, die er vorwärts ziehen kann, wird durch die Größe des zugeordneten Handelsgebietes erheblich beeinflusst. Ein hübsches Zubrot. Wie beim Buchhalter werden bei Spielende auch für vordere Positionen des Diamanten-Markers beträchtliche Siegpunkte ausgeschüttet, und ab einem bestimmten Pegelstand ist ein weiterer Aktions-Slot zugelassen.
    Diamonds are Günther’s best friend!
  6. Wenn wir mit unseren ausgelegten Aktionskarten in einer Warensorte den höchsten (Summen-)Wert ausgelegt haben – oder wenn, nachdem die Mitspieler ihre Waren so peut a peut verbraucht haben, unsere noch nicht verbrauchten Karten plötzlich den höchsten Wert besitzen – dürfen wir einen unserer beiden Bonusmarker auf das zugehörige Max-Feld stellen, und als Belohnung dafür auf einer der ABL vorwärtsschreiten, sowie weitere Geld- oder Sach-Prämien in Empfang nehmen.
  7. Für unsere Bonusmarker stehen noch sieben weitere Profit-Felder zur Verfügung: Wir können uns die Startspieler-Position unter den Nagel reißen. (Sie hat nur Vorteile, wenn bei Rundenbeginn neue, begehrenswerte Aktionskarten zum Kauf angeboten werden.) Wir dürfen eine Aktionskarten mit Geld anstatt mit Warenwerten bezahlen, wir dürfen eine Aktionskarte in Geld umsetzen, … Ach ja, und noch vier weitere Möglichkeiten.
    Ein Vorteil dieser Bonus-Züge ist, dass wir damit unsere Aktionskarten nicht verbrauchen, beim Abwickeln unserer Spielzüge also Tempo gewinnen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten!

Das Spiel wird im Wesentlichen über den Aktienbesitz entschieden. Der Fortschritt auf der ABL ist gleichbedeutend mit dem Besitz von immer mehr Aktien. Wenn wir dann noch unsere Aktionskarten dafür nutzen, der von uns favorisierten Handelsgesellschaft eine riesige Ausbreitung zu verschaffen, so können wir allein mit sechs Aktien im Wert von zwölf Pfund (= Siegpunkten) pro Stück insgesamt 72 Siegpunkte erzielen. Für Günther waren das 95% seines heutigen Sieges. Den Rest gaben ihm seine Diamanten.

“Mombasa” ist ein riesiges Räderwerk mit ungezählten Rädchen, über die man seine Züge optimieren muss. Jede Kartenwahl, jede Festlegung der Reihenfolge, jede Nutzung, jeder Zukauf, jede Ausbreitung, jeder Schritt auf der ABL muss über mehrere Runden in die Zukunft vorausgeplant werden. Für eine bestimmte Spielergemeinde ist das absolut geil! Äußerst sauber designed, ausblanciert, gerecht, konstruktiv, herausfordernd ist das Spiel allemal, eine reife Leistung von Autor und Verlag. Das muss selbst einer anerkennen, für den die gewaltige Optimiererei nur einen beschränkten Spielspaß bereitet. Einer wie ich.

Aarons Bewertungsmaßstab: „Spiele mit vielen Rädchen sind handwerklich; Spiele mit wenigen Rädchen sind elegant!“

WPG-Wertung: Aaron: 6 (besser als bei der Masse des Materials auf den ersten Blick befürchtet; trotzdem zu viele Rädchen; möchte es – wegen der befürchteten Totzeit – nicht zu viert spielen; der Zugmechanismus ist eine nette Idee), Günther: 7 (nicht so [progressiv-] kumulativ wir beim Rosenberg; die Fast-Linearität der Effekte ist positiv; die vielen Rädchen dienen der Verschleierung der Spielidee), Walter: 6 (sauberes Material, sauberes Design, aber die.elendige Optimierung ist nicht sein Fach)

Reflexion auf „504“: Alle Spielmechanismen in „Mombasa“ sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Nach der Geburt der Spielidee hat sicherlich noch ein langer Balancierungsprozess stattgefunden, im dem die verschiedenen Teile ineinander eingepasst wurden. Hingegen hat bei allen künstlichen Spiele-Synthesen, die „504“ anbietet, eine solche Feinabstimmung naturgemäß nicht stattgefunden. Eines der Fakten, warum die fünfhundertundvier kombinierbaren Spiele von „504“ zwar eine Quantität, aber keines davon eine Qualität darstellen.

2. “Antarctica”

Vor Kurzem, im Jahre 2011, hat Sunny Games ein brandneues Spiel namens „Antarctica“ herausgebracht. Da müssen wir mit Patrouillenbooten um den Südpol herumfahren und Babyrobben sowie Babypinguine vor dem Zugriff böser Jäger schützen. Jetzt, gerade mal viel Jahre später, hat der Argentum Verlag ein neues, ganz anderes „Antarctica“ herausgebracht, und der Laie fragt sich, a) gibt es denn nur so wenige zugkräftige Spielenamen, und b) sind solche Namen denn nicht geschützt? Wann kommt ein Verlag auf die zündende Idee, seine neue Spielidee unter dem Namen „Monopoly“ zu vermarkten …?

In Argentums „Antarctica“ fahren wir ebenfalls mit unseren Schiffen um den Südpol herum, allerdings retten wir keine Pinguine, sondern errichten Camps, Forschungsstationen, Laboratorien, Fabriken, Schiffswerften, Kräne, Fördertürme für Kohle und Öl, Windräder und ähnlichen zivilisatorischen Schnickschnack, um damit an die Vorräte der Antarktis heranzukommen.

Bemerkenswert an unserer Aufbauleistung ist, dass sie grundsätzlich allen Mitspielern zugute kommt. Das entspricht in etwa dem Geist des internationalen Antarktisvertrages, der festlegt, dass die unbewohnte Antarktis ausschließlich friedlicher, wissenschaftlicher Nutzung vorbehalten bleibt. Wer thematisch guten Willens ist, findet diesen Geist in „Antartica“ wieder: Keines der dort errichteten Bauwerke gehört uns, jeder darf alles kostenlos nutzen.

Wie nutzen wir diese Bauwerke:

  • In Camps kriegen wir Kinder, d.h. wir dürfen neue Pöppel (Wissenschaftler) aus der öffentlichen Reserve in unseren persönlichen Vorrat nehmen. Je mehr Pöppel bzw. je mehr Schiffe wir in der Camp-Region haben, desto mehr neue Wissenschaftler werden uns geboren.
  • Beim Errichten von Bauwerken dürfen wir Pöppel aus unserem Vorrat in die Antarktis bringen. Zusätzlich dürfen wir damit auf einer von drei (oder vier) Fortschrittsleisten vorwärts ziehen. Dafür bekommen wir am Ende Siegpunkte, aber das kriegen wir später.
  • In Gebieten mit Schiffswerft dürfen wir jeweils ein neues Schiff bauen. Über die Schiffe wird ermittelt, wer den nächsten Zug machen darf. Viel Schiff – viel Zug. Aber das kriegen wir ebenfalls erst später.
  • Wir dürfen uns auch entscheiden, nichts zu tun. Das Regelheft sieht das vor und merkt dazu an, dass dieser Zug “fast immer nicht empfehlenswert” ist. Vielleicht wird damit der Ausweg aus einer Sackgasse im Spielgeschehen geschaffen, den der Autor nicht anders hinkriegen konnte. Wer weiß!
  • Innerhalb eines Zuges dürfen wir einen unserer arbeitenden Wissenschaftler oder ein Schiff in Rente schicken. Wir bekommen dafür sofort einen neuen Pöppel aus der öffentlichen Reserve in unseren Vorrat. [Diese Möglichkeit haben wir heute zwar nicht genutzt, aber haben wir auch realisiert, dass dies ein Zusatzzug zu unserem normalen Zug ist, und dass wir dafür neue Wissenschaftler rekrutieren dürfen?] Vor diesem Zug wird im Regelheft ebenfalls gewarnt: “Wenn wir unser letztes Schiff in Rente schicken, kommen wir im weiteren Spielverlauf NIE mehr zum Zug!” – Dumm gelaufen!

Jetzt zum Zugmechanismus, der zweifellos ansprechend ist. Der Südpol ist in acht Gebiete unterteilt. In jedem Gebiet gibt es Platz für maximal drei Schiffe. Diese haben die Rangfolge Erstes, Zweites und Drittes. Reihum wird aus dem jeweils nächsten Gebiet das Schiff gezogen, das an erster Stelle liegt. Der Spieler, dem dieses Schiff gehört, darf damit beliebig viele Felder vorwärts ziehen, solange im Zielfeld noch eine Position frei ist. Dort löst er eine der oben genannten Aktionen oder Nutzeffekte aus. In seinem Ausgangsfeld rücken alle verbleibenden Schiffe in der Rangfolge nach oben.

Wie weit soll man ziehen? Natürlich auf die Felder, auf denen für uns der größte Bonus wartet. Wenn dieses Feld allerdings sehr weit vorne steht, kommen wir erst sehr viel später damit wieder zu Zug. Außerdem ist es natürlich vorteilhaft, auf ein Feld zu ziehen, auf dem kein weiteres Schiff oder höchstenfalls nur eines steht. Damit besetzten wir eine höhere Rangfolge und kommen ebenfalls schneller wieder dran. (Und wenn wir, wie schon gesagt, uns in der Werft haben zusätzliche Schiffe bauen lassen, kommen wir ebenfalls häufiger und schneller wieder zum Zug.) Alles hübsch überschaubar und planbar.

Aber dann kommt die Siegpunkt-Ausschüttung! Ja kruzitürken, Herrschaftszeiten nochamoi! Alle acht Gebiete um den Südpol, alle drei (oder vier) Fortschrittsleisten, sowie eine Anzahl weiterer Kategorien werden alle nach dem gleichen Schema abgehandelt: Wer hier führt, bekommt für alle Einheiten, die er und alle Mitspieler in Summe hier angehäuft haben, einen Siegpunkt; der Zweite bekommt einen Siegpunkt für alle Einheiten des Ersten und sonst nix, der Dritte bekommen einen Siegpunkt für alle Einheiten des Zweiten, usw.

Kann das Sinn machen? Natürlich, insofern: Jeder muss sich auf eine einzige Kategorie konzentrieren; irgendwo Zweiter oder Dritter zu sein, bringt nur noch einen Bruchteil. Allerdings macht dieses Abrechnungsprinzip bei einer gemischten Beteiligung überhaupt keinen Sinn!. Zumindest ist es weder logisch noch gerecht. Wenn die Besitzverhältnisse einigermaßen stabil sind, und der Erste nicht mehr von seiner Position verdrängt werden kann, dann bringt jede Einheit, die der in der Rangfolge zweite Spieler hier hineinsetzt, allen anderen Spielern gleichmäßig einen Punkt mehr ein. Nur er bekommt nichts dafür, gar nichts! Nicht mal ein Nullsummenspiel! Und ein Außenseiter, der sich bisher an einer bestimmten Stelle noch gar nicht engagiert hat, bekommt durch eine einzige Einheit, die er am Ende dort noch einsetzt, gleich so viele Punkte, wie der Vordermann Einheiten hat. Beispielsrechung: In einer Kategorie habe sich nur ein einziger Spieler engagiert und bekäme am Ende für seine 10 Einheiten 10 Siegpunkte dafür. Setzt jetzt ein weiterer Spieler noch eine Einheit hinein, so bekommt der Erste 11 Siegpunkte und der Nachrücker 10 Siegpunkte. Sind solche Zahlenverhältnisse Ausdruck einer planbaren Strategie? Nein, das sind sie nicht! Da kämpft und plant man zwei Stunden lang, wie man seine Schiffe um den Südpol herumfahren lassen soll, wo man sich engagiert, wo man seine Wissenschaftler zur Welt und zum Einsatz bringt, und hinterher ist der dafür erzielte Punktesegen ein unberechenbares Ergebnis chaotischer Beteilungen. Nein, das ist nicht ausgedacht. Hallo, Ihr Spielefreaks, könnt Ihr mir diese (Un-)Logik erklären? Jetzt schon ein herzliches Dankeschön für jedes Licht, das in die Dunkelheit leuchtet.

Wir haben nach einer guten Stunde und etwa der Hälfte der absehbaren Spielzeit abgebrochen. Ohne Emotionen. Die Diskussion über Design-Fehler und über die Unklarheiten im Regelheft war interessanter als das Weiterspielen …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Thema hat ihn nicht von den Socken gerissen [außer, dass er in der Antarktis kalte Füße bekam], der Zugmechanismus ist interessant, der Wertungsmechanismus ist problematisch), Günther: 5 (alles ist ein bisschen alles oder nichts), Walter: 5 (das altruistische Bauen für alle könnte ein hübsches, neues Spielchen hervorbringen; diese Idee ist aber nicht ausgereift; für ein Planspiel ist die Wertung absolut nicht geeignet; für ein Chaos-Spiel erfordert es zu viel Planung und dauert es zu lang)

28.10.2015: Generäle, Entdecker und Robber-Barons

Sieben Tage lang hatten vier Westpark-Gamers Zeit, sich so ihre Gedanken über Friedemann Frieses Jahrhundertwerk zu machen. Die Enttäuschung über die eingeschränkten, themenlosen Spielmechanismen war vergessen, die Erinnerung an unser stundenlanges Zusammensuchen der Spielregeln und das Rätselraten darüber war verblasst. Nur die Eindrücke von dem gewaltigen Harmonisierungswerk, das sich in „504“ präsentiert, waren geblieben.

Schon am Sonntag Abend fing Moritz mit einer antastenden Mail an:
„Was seltsam ist: ich fand 504 spielerisch richtig öd, aber aus irgendeinem Grund möchte ich es besitzen und mich damit beschäftigen, eben weil es irgendwie so knapp daneben und dann eben doch interessant ist. Geht euch das auch so?“

Auch Walter kam beim näheren Beschäftigen mit den Spielregeln zur Einsicht:
„Je mehr ich in die Gesamt-Spielregeln einsteige, desto mehr bewundere ich Idee und Ausführung von FF.
Für Moritz ist ’504’ fast ein Muss!“

Aaron steuerte einen Internet-Link zu den am höchsten bewerteten Kombinationen bei:
„Wer’s noch nicht gesehen hat: http://504-2f.de/
Hier kann man die gespielten Kombinationen bewerten. 981 führt zur Zeit (allerdings mit nur wenigen Votes).“

Walter schlug vor, sich am kommenden Mittwoch (heute) nochmals mit „945“, der zweitbesten Kombination zu beschäftigen: „Die Welt der börsennotierten Generäle auf dem Weg ins Unbekannte!“ – Geld, Bomben und die schöne Unbekannte, was kann ein Spiel verlockenderes bieten? Keine Widerrede. – Gesagt, getan.

Wie muss das Spielfeld für „945“ aufgebaut werden?
Modul 9 liefert dazu die Aussage: „Siehe andere Module. Außer I; Spielplan 1 für 4 Personen – alle 5 Städte dürfen als Hauptstädte verwendet werden.“
Modul 4 verlangt: „IV: Spielplan 5. Gemeinsame Hauptstadt „1“ im Zentrum.“
Modul 5 lässt wählen: I ENTWEDER Spielplan 1, wenn ein anderes Modul II/III fordert, verschiedene Hauptstädte außer der Zentralstadt ODER Spielplan 4, wenn ein anderes Modul IV fordert. Gemeinsame Hauptstadt „1“.

Was denn nun? Spielplan 1, 4 oder 5? Und wenn, wie in Spielplan 4 oder 5 die ganze Latte an Hexagons ausgebreitet werden muss, werden sie dann offen oder verdeckt hingelegt? Dazu schweigt der Meister. Zumindest beim ersten Hinsehen. Wie kann ich in die schöne Unbekannte vorstoßen, wenn sie schon aufgedeckt vor mir liegt? Im Spielplan 1 gibt es für drei Spieler nur vier Hauptstädte. Eine davon ist tabu. Wie kann ich da die Hauptstädte für fünf Aktiengesellschaften unterbringen? Von den „beiden nicht gewählten Hauptstädten“ kann schon gar keine Rede sein. Walter passt und überlässt Moritz und Günther a) die Entscheidung, ob „504“ überhaupt auf den Tisch kommt und b) das Zusammensuchen und Interpretieren der Spielregeln.

1. ” Die Welt der börsennotierten Generäle auf dem Weg ins Unbekannte!”

Die Kompagnons ließen sich nicht so schnell entmutigen. Opfern wir erst mal eine halbe Stunden und schauen, ob wir gemeinsam, friedlich und konstruktiv den Regelfluss aus den verschiedenen Textquellen unter einen Hut bringen können. Das Labyrinth über die Auswahl des Spielplans entflechtete sich zu einem simplen: „Nehmt Spielplan 1, und zwar den für 4 Personen.“ Da sind 5 Hauptstädte drauf, genau eine für jede Aktiengesellschaft. Und die Bestandteile des Spielfeldes liegen offen daneben und müssen nach einem gewieften Algorithmus (Moritz sei dank für seine Entschlüsselung) Zirkel für Zirkel entdeckt und in unsere Welt eingebracht werden.

Welches sind die Prinzipien der Kombination „945“:

  1. Ein Spielfeld, das zunächst nur aus einem Minimal-Skelett von Stadt- und Wasser-Flächen besteht, aber recht schnell mit viel Fleisch aus Feld-Wald-Wiese-Landschaftsplättchen bestückt wird,
  2. Aktiengesellschaften, die sich von einem individuellen Startpunkt aus mehr oder weniger ringförmig ausbreiten. Je größer und vielgestaltiger die Fläche ist, die sie besitzen, desto höher sind ihre Einnahmen
  3. Personal, das von den Einnahmen einer Gesellschaft rekrutiert wird, und an ihren Aussengrenzen rüttelt, d.h. Stück für Stück weitere Felder friedlich dazunimmt oder kriegerisch erobert.

Zu den Aktien: Nein, in „504“ ist auch im Ansatz keine „18xx“-Variante enthalten. Es werden keine stolzen Linien gebaut, deren Aktienwert eine Korrelation mit ihrer Präsenz auf dem Spielplan haben. Die Einnahmen der Gesellschaften liegen aus verschiedenen Konstruktionsprinzipien her viel zu nahe beieinander, als dass ihre Höhe einen Einfluss auf ihre Begehrtheit hätte. Ihre Aktien sind im Wesentlichen nur etwas für Spekulanten: Eine schnelle Mark machen, das ist die Devise. Die billigste Aktien kaufen und von ihren überproportionalen Kursgewinnen profitieren, das liegt für den herzlosen Finanzhai geradezu auf der Flosse; ein herzhafter Empire-Builder (Günther!) wird sich damit immer schwer tun.

Der General entdeckt, bezahlt und kassiert.
Der General entdeckt, bezahlt und kassiert.
Noch etwas Grundsätzliches zum bösartigen Drücken von Aktienkursen: Bei allen 18xx-Spielen wie auch bei den 504-Kombinationen mit Aktien kann man den Kurs einer Aktie durch Verkaufen von Anteilen gezielt drücken. Aktien rechtzeitig einzukaufen, um sich diese taktische Option offen zu halten, gehört zu einem guten Spiel. Doch in jeder Runde seine Barmittel dafür einzusetzen, um erst mal von jeder fremden Gesellschaft eine Aktien zu kaufen und wieder zu verkaufen, nur um miesnickelig (nicht taktisch) die Kurse zu drücken, das kostet unnötig Zeit, bringt Frust und hat zudem einen massiven Kingmaker-Effekt. Das könnte – zumindest in „504“ – verhindert werden, indem Aktien regelgerecht nicht in der gleichen Runde verkauft werden dürfen, in der sie gekauft wurden. Marginalien!

Bei uns stand Moritz schon unmittelbar vor dem Hauptquartier der orangenen Gesellschaft und hätte nur eine einzige Aktie dieser Gesellschaft kaufen und wieder verkaufen müssen, dann wäre er in der Zugreihenfolge vor ihr beim Agieren dran gewesen, hätte das Hauptquartier mit vier eigenen Pöppeln angreifen können und wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit Sieger geworden. Dann wäre die orangene Linie vorm Spielfeld verschwunden, und er hätte seiner weißen Linie auf einen Schlag fünf neue Felder zuschustern können. Das wäre ein taktisch gelungenes Kurs-Drücken gewesen und hätte Moritz einen nicht mehr einholbaren Vorsprung gebracht. Glücklicherweise für Walter, den Betreiber der orangenen Linie, hat er das übersehen.

Auf der anderen Seite hatte sich Günther vor der letzten Bankrunde über irgendein Gebaren von Moritz geärgert und als Rache dafür Moritzens Aktien systematisch um je zwei Stufen gedrückt. Das war eher miesnickelig (oder systemimmanent für einen Finanzmarkt). Jedenfalls kostete es Moritz im Endeffekt mehr als 200 Mark, ein ganzes Viertel seines Vermögens; so ein Verlust fegt selbst ein so ausgefuchstes Finanz- und Militärgenie wie Moritz vom Treppchen.

Zum Entdecken: Wir haben fälschlicherweise die Regeln nach TOP I gespielt: „Jeder Bewohner darf nur ein einziges Umfeld entdecken“. Dadurch dauerte der Aufbau des Gesamtspielfeldes deutlich länger als FF das vorgesehen hatte, und unsere Ausbreitungsmöglichkeiten waren ebenfalls stark eingeschränkt. Den negativen Eindruck, den dieser Ablauf hinterlassen hat, haben wir uns ganz allein selber zuzuschreiben.

Zum Erobern: Angriffe sind (fast) immer von Vorteil. Mit durchschnittlich einem Treffer pro Angreifer schädigen wir unser Gegenüber. Er darf nur zurückschlagen, wenn er überhaupt Verluste erlitten hat, und selbst dann hat er nur eine Trefferwahrscheinlichkeit von zwei Dritteln. Der Eroberer geht aus einem Kampf trotz der Vorteile meist auch selber geschwächt hervor und sollte von einem „vernünftigen“ Gegenüber sofort wieder zurückgedrängt werden können. Auf diese Weise sind, wie in jedem Krieg, alle Beteiligten gegenüber den Unbeteiligten im Nachteil. Das sollte eigentlich eine friedliche Gebietserweiterung in neutrales Gebiet vorziehen lassen. Warum man das nicht tut, ist reine Charaktersache. Bei uns fing – natürlich – Moritz mit der Aggression an; wir wollen ihm dafür aber diesmal ein Lob aussprechen, seine Aktivitäten dienten ausschließlich dazu, FFs General-Potenz auszuloten.

Auch hier haben wir leider ein entscheidendes Regeldetail übersehen: Die verschiedenen Geländeformen geben in Angriff und Verteidigung unterschiedliche Würfelvorteile. Wenn also die gesamte Palette der Umgebungsfelder recht schnell zur Verfügung steht, und wir uns entsprechend unseren Gelüsten auf Eroberung oder Verschanzen systematisch darauf einstellen können, dann bieten diese Elemente deutlich mehr Herausforderung, als wir sie uns mit unserem falschen, gleichförmigen Regelverständnis geleistet haben. Asche auf unser Haupt!

WPG-Wertung: Günther: 5 (es funktioniert, macht aber keinen Spaß. Ein Pluspunkt für die Regeldiskussion zu Beginn; das ist wohl der Hauptreiz des Spiels. [WS: Hier spricht ein „1830“-Profi, für den ein Mahl aus Aktien und Würfeln nicht koscher ist.] Zudem „funktionieren“ für ihn nur dann Spielmechanismen, wenn sie auch „gerecht“ sind!), Moritz: 5 (fast 6 Punkte, die beste unserer drei gespielten Kombinationen; aber wenn das wirklich die Beste war, dann „nee“ zum Gesamtkomplex; die Kampf-Entscheidungs-Regeln sind leider zu billig), Walter: 7 (alle grundsätzlich verschiedenen Module passen gut zueinander; die Lust am Kampf auf dem Aktienmarkt ist ja unser Markenzeichen; Eroberer können sich austoben, wogegen selbst Pazifisten keine Einwände haben können, da lediglich abstrakte Gesellschaften, aber keine Mitspieler angegriffen werden; das Entdecker-Prinzip kommt etwas kurz; es wird auch nur benötigt, um beim Aufbau des Spielfeldes bestimmte Symmetrie-Vorstellungen einzuhalten).

Günther: Warum heißt das Spiel „504“? Weil es in den FAQ mindestens 504 Regelergänzungen geben wird …!

Lieber Friedemann, Dein Spiel ist eine gewaltige Leistung. Eine Vielspieler-Gemeinde kann sich jahrelang damit auseinandersetzen und die Regeln-Kombinationen zusammentragen und zusammenrätseln. Das kann genug Spaß bereiten. Spielen braucht man dann nicht mehr! Egal, ob man die Regeln verstanden hat oder nicht.

14.10.2015: Geld für Land, Würfel für Schläge, Zahlen für Punkte

Enkelkinder sind schön. Enkelkinder sind süß. Enkelkinder sind ein Geschenk Gottes. Alles richtig, alles wahr. Doch in einer tagelangen 24 stündigen Betreuung sind Enkelkinder auch eine Belastung, die am Abend bei den Großeltern ziemlich leere Batterien zurücklässt.

Günthers Ausbeute aus Essen
Günthers Ausbeute aus Essen

Letzte Woche sind Aaron und Günther mit dicken Paketen und vielen Eindrücken von der Spiel-2015 in Essen zurück- und am Westpark eingekehrt. Es gab einen reichhaltigen Spielabend. Doch dank der leeren Enkelkinder-Batterien gibt es erst heute den zugehörigen Session-Report.

1. “Isle of Skye”

Jeder Spieler baut aus quadratischen Plättchen, die in einem systematischen Muster Wasser-, Wald- und Wiese-Flächen aufweisen, vor sich einen Landschaftsgarten auf. Die Plättchen, die in einer Runde prinzipiell für alle Spieler zur Verfügung stehen, werden verdeckt aus einem Säckchen gezogen. Jeder Spieler zieht drei Plättchen und legt sie offen vor sich aus. Verdeckt kennzeichnet er dann ein Plättchen, das er auf den Müll werfen will, und bietet auf die anderen beiden Plättchen je einen beliebigen Betrag, den er bezahlen wird, wenn das Plättchen nach der nun folgenden Kaufrunde noch ihm gehört.

Gleichzeitig werden von allen Spielern die verdeckten Gebote offengelegt, und reihum darf jeder Spieler genau ein Plättchen eines seiner Mitspieler kaufen. Dafür muss er mehr bieten, als der Mitspieler selbst dem entsprechenden Plättchen zugeordnet hat. Wer Pech hat, bekommt alle beide seiner ausliegenden Plättchen abgekauft, hat dann zwar Geld aber weniger Land; wer Glück hat, darf seine beiden Plättchen behalten und kann sich zudem noch ein drittes Plättchen von einem Mitspieler kaufen. Im Durchschnitt kann jeder Spieler pro Runde zwei neue Plättchen legen.

Inhalt und Struktur jedes Landschaftsgartens bringen Runde für Runde Einkommen und Siegpunkte. Für die zu vergebenden Siegpunkte sind eine Reihe von Kriterien vorgesehen, von denen pro Spiel vier Stück zufällig ausgewählt werden; z.B. gibt es Siegpunkte für jedes Plättchen, das über eine Straße mit dem Zentrum verbunden ist, oder für jedes abgeschlossene Gebiet aus Wasser, Wald bzw. Wiese oder für je drei Plättchen, die in einer Reihe nebeneinander liegen.

Das Spiel geht über fünf oder sechs Runden, und jedes Wertungskriterium kommt in verschiedenen Runden insgesamt dreimal zur Geltung. Alle Spieler können von vorneherein abschätzen, wann und wofür die Siegpunkte ausgeschüttet werden. Allerdings sind wir bei dem konkreten Plättchen, das wir bei uns einbauen können, nicht Herr unseres Schicksals. Die eigenen Plättchen können wir uns nicht sichern, weil mit einer entsprechenden Geldsumme sie jeder Spieler wegkaufen kann. Geld alleine macht aber nicht glücklich, auch nicht auf der Isle of Skye. Auch ein bestimmtes, begehrtes fremdes Plättchen steht nicht 100 %ig zur Verfügung: ein Spieler, der vor uns in der Zugreihenfolge dran ist, kann sich ebenfalls dafür interessieren und es wegkaufen, bevor wir es tun können.

Fazit: Die richtige Summe auf unsere eigenen Plättchen setzen und die richtigen Plättchen von unseren Mitspielern abzukaufen, dass ist der ganze Witz des Spiels. Doch was ist hier schon richtig? Das einfache Setzen und Abkaufen macht das Spiel schnell (wenn wir erst einmal unsere eigenen Plättchen richtig taxiert haben), doch das optimale Auswählen der Plättchen bei den Mitspielern, d.h. das Ausrechnen, wie viele Siegpunkte jedes der sechs ausliegenden Plättchen beim Einbau in unseren Garten in dieser oder einer der nächsten Runden einbringen wird, und welche additiven Chancen es für zukünftige Erweiterungen eröffnet, das ist mühselig und keineswegs spielerisch.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel funktioniert, auch wenn es nicht gerade wahnsinnig originell ist. In Essen gab es übrigens überhaupt keine wahnsinnig originellen Spiele!), Günther: 7 (alles ist offen, es gibt massig was zu berechnen, man muss auf Neben- und Chaos-Effekte höllisch aufpassen), Horst: 6 (das locker-flockige Spiel dauert nicht lange, es bietet allerdings nur beschränkte Einflussmöglichkeiten), Moritz: 7 (das Spiel hat mir gut gefallen [dieses Statement hat er von Loredana abgekupfert], die Biet- und Carcassonne-Elemente sind hübsch, wenn auch – zugegebenermaßen – nicht gerade originell), Walter: 6 (das Spiel ist sauber durchkonstruiert und alles funktioniert, er selber hat aber keinen nennenswerten Spaß an der Punkteklauberei).

2. “Auge um Auge”

Nach dem Fehlversuch in einer 3er Runde vor knapp zwei Monaten haben wir es diesmal in einer spielbaren 5er Runde gespielt. Wir würfeln, um uns bzw. unsere Bandenmitglieder gegenseitig totzuschlagen. (Im zivilen Europa reichen zwei blaue Augen, um eine Person außer Gefecht zu setzen.) Der Angreifer kann Mitspieler zum Draufschlagen (Draufwürfeln) einladen, der Angegriffene auch. Blaue Augen gibt es, wenn mehr Angreifer-Würfel mit einer bestimmten Zahl geworfen wurden als Angegriffenen-Würfel. Der Angegriffene tut gut dran, sich nicht zu verteidigen, d.h. die Angreifer-Würfel nicht auszupatten, sondern lieber seinerseits auf die Angreifer einzuschlagen. Denn nicht die heilen eigenen Bandenmitglieder zählen am Ende, sondern nur die Treffer auf fremdes Personal. Wer als Erster innerhalb aller sporadisch zu Gegnern deklarierten Mitspielern (egal ob es Angreifer oder Angegriffene waren) acht blaue Augen erzeugt hat, ist Sieger.

Mit Würfelmodifikationsoptionen (Neu-Würfeln, Augenzahl erhöhen oder erniedigen, Würfel auf beliebigen Wert setzen u.ä.) wird das Würfelglück eliminiert und zu einem uniformen Modifikationsbrei verschmiert. Wie gesagt: Es gewinnt der schnellste Blau-Äugler, wobei es ihm zugute kommt, wenn die Mitspieler ihrerseits – warum auch immer – am wenigsten auf ihn einschlagen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein echter Strategiebrüller: wir haben doch ein paarmal gelacht), Günther: 4 (mehrere Leute hatten am Ende gleichviel Punkte, das ist ein selbstverständliches Ergebnis dieses unzufälligen Würfelns), Horst: 3 (keinerlei Fun; für einen Nobrainer zu unlustig), Moritz: 5 (vom Würfelsystem her gar nicht so unausgewogen; die Kingmakereffekte sind allerdings nicht zu übersehen), Walter: 2 (gute Würfelidee, aber im dem angebotenen Würfelbrei einfach nur ein Zeitvertreib mit Zeittotschlagen).

3. “Qwinto”

Trotz einer Menge neuer Mitbringsel von der Spiel-2015 legte Günther ein Spiel aus dem Jahre 2003 (1994) auf. Rundum würfelt einer für alle. Jeder Spieler wählt dabei, ob er mit einem, zwei oder allen drei verschiedenfarbigen Würfeln würfelt. Es wird die Summe gebildet, die jeder ein seinem individuellen Formular vermerkt. Der aktive Würfler muss die Augensumme eintragen, die Mitspieler dürfen es, müssen es aber nicht.

In jedem Formular gibt es drei Zeilen mit neun Kästchen für die einzutragenden Augenzahlen. Die Augenzahlen müssen in jeder der drei Zeilen so eingetragen werden, dass eine streng aufsteigende Zahlenreihe entsteht. Wer eine Augenzahl nicht mehr in seinem Formular unterbringen kann, es als aktiver Würfler aber müsste, bekommt Strafpunkte.

Wenn der erste Spieler zwei seiner drei Zahlenreihen in seinem Formular komplett füllen konnte, ist das Spiel beendet. Dann werden die ausgefüllten Muster in jedem Formular nach einem vorgegebenen Punktesystem bewertet. Es gibt Sonderpunkte für Vollständigkeit sowie für bestimmte vertikale Eintragungs-Kombinationen. Wer die meisten Punkte bekommen hat, ist Sieger.

Das Spiel besitzt leider eine Regel für Warmduscher: Wer als aktiver Würfler sein Ergebnis nicht eintragen kann, oder wenn es ihm nicht gefällt, darf mit allen Würfeln nochmals würfeln. Eine unnötige Verlangsamung. Es wird doch gewürfelt, da sollte jeder Spieler problemlos mit Zufall, Risiko und Glück zurechtkommen können.

Das Spiel ist dem älteren „Choice“ aus dem Jahre 1989 verdammt ähnlich. Kein Wunder, hat es doch den gleichen Vater: Sid Sackson, einen genialen Spieleautor aus den 70er bis 90er Jahren. (Nach der Biographie bei Luding hat er mehrere hundert Spiele erfunden, von denen gut fünfzig in der ganzen Welt veröffentlicht wurden; u.a. bekam er 1993 für sein „Acquire“ die „Essener Feder“.)

Ich persönlich sehe in „Qwinto“ den erheblichen Nachteil, dass bewusste oder unbewusste Fehleintragungen der Spieler in ihrem individuellen Formular nicht entdeckt werden können. Auch wenn wir alle ehrlich spielen (wollen), so kann sich doch jeder irren, was bei den vielen Eintragungen in Qwinto sehr leicht geschehen kann. Eine solche Fehlerquelle darf in einem guten Spieldesign nicht enthalten sein. Bei „Choice“ konnte man wenigstens noch anhand der Anzahl aller eingetragenen Zahlen und anhand ihrer Summe, die in jedem Formular identisch sein musste, erkennen, ob ein Irrtum vorliegt.

WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 8, Horst: 7, Moritz: 8 (besser als „Choice“; [hi, ist Dir klar, dass Du für „Choice“ nur 5 Punkte vergeben hast?!]), Walter: 8.

Als kleines Schmankerl gibt es ein Video mit unserer Abschlussdiskussion über die beiden letzten Spiele:

21.10.2015: Die Welt der fahrenden – Pioniere – mit Hang zum Individuellen

Friedemann Friese ist ein äußerst fleißiger, sehr begabter Spieleautor. Für unsere Leser ist diese Aussage nichts Neues, eher ein FEulen nach FAthen tragen. Nachweislich Luding sind bis heute von ihm – teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Autoren – 44 verschiedene Spiele erschienen, plus weitere 25 Spiele-Modifikationen. 1992 hat er mit „Wucherer“ sein erstes Spiel herausgebracht, das gleich ein Verkaufsschlager wurde. Anfang dieses Jahrtausends (wer weiß das schon so genau?) kam sein „Funkenschlag“ heraus, mit dem er in der gehobenen Welt der prämierten Spiele landen konnte, einem gelungenen „1830“-Derivat auf Stromnetz-Basis, das auch in unserer mehr als eintausend Einträge starken ewigen Besten-Liste einen einstelligen Spitzenplatz einnimmt. Es ist bis heute sein Flaggschiff und hat insgesamt 16 Erweiterungen erlebt, die letzte davon, „Funkenschlag: Die Aktiengesellschaften“, erst in diesem Jahr.

Auch wenn nicht alles glänzt, was Friedemann’s Fold ist, so zeigt doch jedes Spiel die reife Handschrift des Meisters, Spielers, Experimentierers und Humoristen; jedes Spiel ist allemal eines Kennenlernens würdig.

Warum diese Einleitung? Das kriegen wir gleich …

1. “504”

Das, was Friedemann Friese (sic!) hier in der Schachtel anbietet, ist eigentlich kein Spiel, sondern eine Spiele-Factory: Spielmaterial und methodische Anleitung, um sich aus insgesamt neun Spiele-„Modulen“ selber ein Spiel mit den gewünschte Eigenschaften zusammenzustellen. 9 x 8 x 7 = “Fünfhundertvier”, die Anzahl der zulässigen Kombinationen; daher der Name des Pakets. Sicherlich hat Friedemann Friese an den Kombinationsmöglichkeiten solange gedreht, bis eine Fünfhunderterzahl herausgekommen ist. Warum? Ihr habt das schon vorher gewusst!

FF hat hier sein großes Wissen als Spiele-Erfinder und als Analyst fremder Spiele zusammengetragen, die Kernbestandteile der verschiedensten Spiel der Welt (Transport, Wettlauf, Privilegien, Militär, Entdecken, Straßen, Mehrheiten, Produktion und Aktien) herauskristallisiert, formalisiert, harmonisiert und so aufeinander angepasst, dass jedes Teil mit jedem kombiniert werden kann. Ein gigantisches Unterfangen, eine gewaltige Arbeit, und ein bemerkenswertes Ergebnis, wie immer man die Details im Einzelnen bewerten möchte.

WPG-Wertung: Das kriegen wir später.

1a. ” Die Welt der fahrenden Pioniere mit Hang zum Individuellen “

„504“ – gemeinsamer Kampf um Aufbau und Regelverständnis
„504“ – gemeinsamer Kampf um Aufbau und Regelverständnis

Dies ist die Einstiegskombination, mit denen Neulinge das Prinzip, die Technik und das Spielmaterial von „504“ kennenlernen sollen.

Mit 61 Hexagons (mit abgerundeten Kanten. Warum? Damit die Teile nicht so leicht auseinanderrutschen! Wie wahr, wie wahr! 1 Pluspunkt für FF!) bauen wir auf der Tischmitte unser Spielfeld auf. Aus dem in der Übermenge angebotenem Spielmaterial aus Pöppeln, Würfeln, Kasernen, Waren, Privilegien, Aktien, Einkommensplättchen, Kursmarkern, Abdeckern, Hauptquartieren, Siegpunktchips, Straßenstrichen, Stadtkarten, Transportwagen, Laderäumen, Spielgeld und vielen weiteren Komponenten (ein Schiff ist auch dabei, das aktuell in 0 % aller Spiele benötigt wird) suchen wir das für unsere Spielkombination notwendige heraus und verteilen es auf Tischdecke und Mitspieler.

Nachdem wir Westparker mit dem ganzen Material noch nicht vertraut waren, und uns die Unterscheidungen z.B. zwischen Bewohnern und Siedlungen erst erarbeiten mussten, dauerte es eine geschlagene Stunde, bis wir mit dem Aufbau fertig waren. Jetzt müssen wir nur noch den Spielablauf kennenlernen. Das dauert glücklicherweise nur noch eine halbe Stunde, schließlich haben wir uns beim Spielaufbau schon darüber Gedanken machen können, wie das alles zusammenwirkt. Allerdings verplempern wir während der nun folgenden fünf (eigentlich kurzen) Spielrunden die Hälfte der Zeit mit Regel-Rückfragen an den armen Regelerklärer Günther, weil wir den zuweilen seltsam konkurrierenden bzw. seltsam nicht-konkurrierenden Spielmechanismen nicht glauben können.

Im Prinzip geht es um eine Transport-Optimierung. Wir bewegen unseren Transportwagen über die Landschaftshexagons zu den Stadthexagons, liefern dort benötigte Ware ab und laden neue Ware auf, um sie zu anderen Städten zu bringen. Die meisten Lieferungen auf dem kürzesten Wege sind der Schlüssel zum Erfolg. Unser Geschäftseinkommen wächst ständig, und wir erweitern damit fortlaufend die Reichweite und die Ladekapazität unseres Transportwagens. Beim Bewegen über das Spielfeld gibt es keinerlei Konkurrenz, jedes Hexagon darf jederzeit von allen Spieler betreten werden, jeder bekommt hier gleichermaßen Einkommen. Beim Abliefern von Waren ist dagegen erhebliche Konkurrenz, da jede Stadt von jeder Warenart während des gesamten Spiels nur ein einziges Stück abnimmt. Wenn ein Mitspieler zur Stadt A gerade einen Fisch abgeliefert hat, können wir dort nicht auch abladen, sondern müssen mit unserem fische-beladenen Transportwagen zu einer der nächsten fische-bedürftigen Städte weiterziehen.

Das alles verläuft für alle Spieler ziemlich unisono bis monotono. Daran ändert auch nichts, dass jeder Spieler pro Zug ein individuelles Privileg kaufen kann, dass ihm Vergünstigungen in Bewegung, Einnahmen, Kosten oder direkten Siegpunkten bringt. Die Herausforderung des Spiels liegt in der Auswahl des Ausgangspunktes für alle seine Transportaktivitäten, und in einer ausgewogener Kombination beim Ausbau von Reichweite und Kapazität. Da die Kapazität aber nur von 1 auf 2 gesteigert werden kann, und man zu Beginn nicht genügend Kapital hat, diese Steigerung zu finanzieren, bleibt zu Beginn nur die Reichweite übrig. Damit hält sich diese Herausforderung in engen Grenzen. Eine weitere, entscheidende Herausforderung ist natürlich das optimierte Herumfahren auf dem Spielfeld, um Waren zu laden und abzuliefern. Hier ist man allerdings früher oder später komplett dem Mitspielerchaos ausgeliefert. Wem das Spaß macht, dem macht das Spaß.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (4 Punkte für das Spiel, plus 1 Fleisspunkt für den Autor; Thema fehlt, die Mechanik ist dürftig), Günther: 4 ([kam da noch ein Sympathiepunkt für den Autor hinzu?] kein Spielspaß, könnte in eine ätzende Riesenrechnerei ausarten), Moritz: 4 (3 Punkte, plus 1 für die Gesamtidee des Autors; der Anfang ist ein einfaches Abklappern der Anlaufstationen, hinterher versinkt alles im Mitspielerchaos), Walter: 5 (4 Punkte für das Spiel, plus 1 Punkt für die Ingenieurleistung; die Mechanismen funktionieren, aber alle wirken ein bisschen kastriert.)

1b. “Die Welt der kampfeslustigen Aktiengesellschaften mit Verbindungen”

„504“ verdient einen weiteren Versuch. Vielleicht bringen die komplexeren Kombinationen etwas mehr Pfeffer in die Linearität. Schließlich gibt es in „504“ auch Verkehrsnetze, Gesellschaftsanteile und Dividenden wie bei „1830“, die man dann auch noch mit dem Militär-Modul aggressiv aufpäppeln kann. Moritz freute sich schon darauf, mit seinen Panzern und Bomben die Bahnhöfe seiner Konkurrenten in Schutt und Asche zu legen. Wir erarbeiteten uns die Kombination 496.

Doch das Durchdringen der Materie ist selbst (oder gerade?) für einen WPG-Normalverbraucher kein Zuckerschlecken. Die Regel-Querverweise auf Regelfragmente in anderen Modulen machen das Verständnis schon ziemlich sauer. Wie gerne hätte wir hier jetzt etwas mehr Linearität. Vielleicht hat sich FF die Formel ausgedacht:
Linarität (Spielablauf) + Linearität (Regel-Lesen) = konstant.

Als alte „1830er“ können wir uns keine Aktiengesellschaften ohne Einnahmen vorstellen! Im Regelheft heißt es dazu lapidar „Einnahmen … entsprechend des Moduls auf Top I“. Doch in „Top I“ finden wir keine Einnahmen, zumindest keine in unserem Verständnis von gut und schlecht wirtschaftenden Gesellschaften. Jede Gesellschaft bekommt unabhängig von ihrem Streckennetz und unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage pro Runde die konstante Summe von 20 DM. Kann das sein? In die Kreuz und in die Quer lesen wir uns hin und her. Und mit stummem Trauerblick, kehren wir zu Top II zurück.

„Die Bewohner dieser Welt gründen Gesellschaften.“ Sind wir Spieler die Bewohner oder sind die benutzten Pöppel die Bewohner? Haben wir Spieler sowohl Pöppel als auch Gesellschaften, oder haben wir nur Gesellschaften, und die Gesellschaften haben Pöppel; oder haben beide beides? Womit kämpfen wir denn? Mit unseren Spieler-Pöppeln oder mit denen der Gesellschaft. Alles ganz einfach, wenn man aus einer „504“-Welt kommt oder sie sogar geschaffen hat. Alles ziemlich schwer, wenn man mit einem vielfältigen Erbe von Spielerfahrungen anfängt. Weh’ Dir, dass Du ein Opa bist!

Eine Stunde lang durfte unser genialer Regelversteher Moritz mit dem Regelbuch, seinen Querverweisen und unseren Verständnisfragen kämpfen, dann übernahm Günther die Analyse. Es war aber schon klar, dass wir damit nicht fertig werden würden, bevor Moritz zur vorletzten U-Bahn abdüsen musste. Deswegen konnten wir locker, teils skeptisch, teils zynisch, teils tatsächlich gelöst-heiter das weitere Rätselraten über die kampfeslustigen Aktiengesellschaften über uns ergehen lassen.

Schließlich schlug Moritz ein „Leaning by doing“ vor: „Spielen wir doch einfach mal eine Runde!“ Gesagt getan. Jeder bekam 150 DM in die Hand gedrückt und im Nu waren die Aktien nach „1830“-Standard verkauft. Na ja, fast im Nu. Wir mussten uns noch darüber im Klaren werden, wohin das bezahlte Geld floss: In die Bank oder ins Gesellschaftskapital? Wie hoch ist das Startkapital einer Gesellschaft? Welche hat Priorität? Wie steigt der Kurs? Und ähnliche unbedeutenden Detailfragen.

Die Ausbreitung der Gesellschaften erfolgt bei allen Spielern identisch, zumindest in den Anfangszügen. Sicherlich hätten später die Kämpfe hier mehr Leben hineingebracht. Aber heute konnten wir ohnehin nicht mehr als ein anfängliches Aufblitzenlassen der Ideen erreichen.

Eine bemerkenswerte Änderung gegenüber dem „18xx“-Standard bestimmt das Vorgehen auf dem Aktienmarkt. Der Kurs der Gesellschaft, von der in der aktuellen Runde am meisten Aktien verkauft wurde, steigt um eine Stufe. Jetzt geht es also überhaupt nicht mehr darum, als „Empire-Builder“ den Kurs seiner Lieblingslinie auf eine stolze Höhe zu bringen, sondern an der Bewegung auf dem Aktienmarkt sein Geld zu machen.

  1. Sichere Dir den Priority-Deal
  2. Verkaufe das Aktenpaket mit den hohen Kurswerten – an dessen Kurssteigerungen Du hoffentlich gut mitverdient hast
  3. Kaufe Dich bei einer Gesellschaft ein, von der möglichst viele Aktien im Angebot liegen
  4. Vielleicht auch nicht

WPG-Wertung: FF hat einen total neuen Weg beschritten und eine anerkennenswerte, analytische Arbeit geleistet, um aus den Spielen der Welt 9 kombinierbare Prinzipen („Module“) herauszufiltern. Jedes Prinzip ist bekannt und erprobt, bietet für sich allein aber absolut nichts Neues, nichts Überraschendes, nichts Prickelndes. Die Regeln für die Kombinationen sind schwer zu lesen, wobei darinnen jedes einzelne Prinzip, der Kombinerbarkeit wegen, erheblich an Glanz und Gloria verliert.

Zwei Zitate eines ungenannt bleibenden Spielers:
„Oh, Friesemann, mir graut vor Dir!“ – Das war zweifellos im mephistophelischen Sinne positiv gemeint.

„Das Ganze ist vielleicht als Parodie gedacht. Damit wird dokumentiert, wie ein Großteil der heute herausgebrachten Spiele erfunden wird.“

Und hier ein paar Eindrücke von unserer Diskussion über das Spiel:

23.09.2015: Entspannte Konferenzen

Es kommt selten vor, dass wir statt am Westpark im 3-Mühlen-Viertel spielen und noch seltener in einer Zweier-Runde. Was bot sich also mehr an, als eines von Moritzen’s vielen GMT-Spielen auf den Tisch zu bringen, die oft genug nicht so ganz dem Westpark-Mainstream-Geschmack treffen.

Churchill

Vor uns liegt ein Spielplan, dessen linke Hälfte an die Speichen einer kleinen Raumstation erinnert, während die komplette linke Hälfte eine abstrakte Darstellung der Kriegssituation im 2. Weltkrieg zu sein scheint. Hmm, ein amerikanisches War Games, vielleicht gar eine Kriegssimulation? Etwas was am Westpark garantiert noch nie ankam? Was auf den ersten Blick aussieht wie ein typisches War Game ist aber laut Spielbeschreibung eine Zusammenspiel von politischer Kooperation und Wettbewerb zwischen den 3 alliierten Mächten im 2. Weltkrieg.

KonferenzenDas zentrale Element des Spiels sind die Konferenzen zwischen den Alliierten. Diese werden auf der linken Seite des Spielplans ausgetragen. Jeder Spieler übernimmt die Rolle einer der drei Mächte. Motor der Verhandlungen dort sind 22 Karten je Spieler, die damaligen Konferenzbeteiligte zeigen. Je nach gewälltem Szenario läuft das Spiel über 3, 5 oder 10 Konferenzen (Runden). Für jede Konferenz gibt es eine Konferenzkarte, die die für die aktuelle Runde geltenden Sonderbedingungen festlegt. Welche Konferenzkarte wann gespielt wird, entscheidet der Zufall. Ebenso zufällig werden von jedem Spieler 7 seiner Beteiligten-Karten gezogen, deren „Verhandlungsstärke“ zwischen 1 und 5 variiert. Zusätzlich bietet jede Karte noch eine Sonderfähigkeit an, die sich an der jeweiligen historischen Person orientiert.

Worum geht es überhaupt in einer Konferenz? Zuerst legen die Spieler auf die Themen fest, die behandelt werden. Hier schlägt jeder Spieler 2 Themen vor und der Startspieler als Bonus noch ein drittes. Diese Themen landen in der Mitte des „Konferenztisches“ und jeder Spieler versucht im Laufe der Konferenzphase, ein für ihn wichtiges Thema durch Ausspielen einer seiner Handkarten (Beteiligten-Karten) in Richtung seines Platzes zu ziehen. Die Verhandlungsstärke der ausgespielten Karte bestimmt, ergänzt um eventuelle Sondereigenschaften, wie weit das Thema in Richtung eigener Position gezogen wird. Danach darf ein anderer Spieler Widerspruch einlegen. Dies geschieht ebenfalls durch Ausspielen einer Beteiligten-Karte und erlaubt das Ziehen des Themas weg vom aktiven Spieler. In großer Not darf ein Spieler auch sein Staatsoberhaupt (Churchill, Roosevelt, Stalin) mit besonders großer Verhandlungsstärke einsetzen, riskiert dabei aber mit einer durch einen Würfelwurf bestimmten Wahrscheinlichkeit ein Handikap für die folgenden Runden.

So pendeln die Themen zwischen den 3 Alliierten hin- und her, bis alle Spieler ihre 7 Karten gespielt haben. Nun wird geschaut, wer welches Thema auf seine Seite gebracht hat. Dieser Spieler entscheidet dann, welche Auswirkungen das Thema auf das weitere Geschehen hat. Um das zu verstehen, schauen wir uns die wesentlichen Themen grob an:

  • Global: Hier entscheidet der Konferenzgewinner über Auswirkungen auf alle beteiligte Nation. In der Regel werden dadurch Konflikte zwischen den Alliierten erschwert.
  • Atombombe: Hier forschen die UDSSR und die USA in Konkurrenz zueinander.
  • Produktion: Jede alliierten Nationen hat eine festgelegt Produktionskapazität, die für verdeckte militärische oder politische Aktionen oder für Streitkräfte eingetauscht werden kann. Über die Produktion kann sich eine Nation die Produktionskapazität einer anderen Nation sichern.
  • Gerichtete Offensive: Hier bestimmt der Gewinner, dass ein anderer Spieler eine seiner Militäreinheiten an einer ganz bestimmten Front einsetzen muss.
  • Politische & militärische Macht: Hier erhält der Gewinner die Möglichkeit, verdeckte Operationen in unbeteiligten oder besetzen Ländern auszuüben oder dort sogar die politische Macht zu übernehmen.

MilitärUnd damit kommen wir zur rechten Seite des Spielplans und dem nicht unwichtigen Kriegsgeschehen dort. Abhängig vom gespielten Szenario sind insgesamt 7 Fronten unterschiedlich weit fortgeschritten. Im Pazifik kämpfen die Alliierten an insgesamt 4 Fronten gegen die Japaner, in Europa an 3 Fronten gegen die Deutschen.

Jeder Spieler entscheidet für sich, wie viele Militäreinheiten und wie viel Macht er für seine verfügbare Produktion erwirbt. Dann setzt er die Einheiten für verdeckte Operationen in Ländern und die politische Macht ein. Hierfür gibt es nicht unwesentlich viele Siegpunkte. Dann werden die Militäreinheiten an die 7 Fronten verteilt. Haben alle Spieler ihre Einheiten verteilt, wird für die beiden Achsenmächte per Würfelwurf entschieden, an welchen Fronten sie mit wie vielen Einheiten kämpfen. Danach werden die Kämpfe an den Fronten entschieden: jede Einheit einer Achsenmacht entfernt zuerst eine alliierte Einheit. Dann wird die Stärke der verbleibenden Einheiten ermittelt und geschaut, ob die Alliierten in der Überzahl sind. Nur wenn dies der Fall ist und je nach Größe der Überzahl noch passend gewürfelt wird, rückt die Front vor.

Das geschieht jetzt wiederholt über die mit dem Szenario festgelegte Anzahl Runden, es sei denn das Spiel endet dadurch, dass sich beide Achsenmächte vorher ergeben. Dann folgt eine Schlusswertung. Hier gibt es zusätzliche Siegpunkte für jede alliierte Nation für das Erreichen definierter Bedingungen wie z.B. der Erfindung der Atombombe oder dem Erreichen bestimmter militärischer Ziele.

„Churchill“ ist ein Spiel für 1 bis 3 Spieler. Wenn weniger als 3 Spieler spielen, werden die übrigen Alliierten von geskripteten Bots gespielt, d.h. hier ist vordefiniert, wie sich diese Non-Player-Nationen verhalten. Bei uns wurde die UDSSR von einem Bot gespielt. In dieser Konstellation dauerte das Spiel knappe 3 Stunden mit dem 5-Runden Szenario.

Wie spielte sich das Ganze nun? Gleich in der ersten Runde zeigte Churchill, wo der Hammer hing. Er brachte die Themen für politische und militärische Macht zusammen mit dem globalen Thema auf seine Seite. Das ermöglichte ihm in der Militärphase zum einen verdeckte Operationen und gleichzeitig den dauerhaften Schutz seiner Kolonien vor eben diesen. Roosevelt dagegen verzettelte sich an zu vielen Fronten und wurde hoffnungslos von den Achsenmächten geschlagen. Etwas frustrierend ist hier, dass es nicht planbar ist, wie viele Truppen man an welcher Front sinnvoll einsetzen sollte, da die gegnerische Truppenstärke zufällig und erst nach dem Setzen der alliierten Truppen erfolgt.

Aber Roosevelt war lernfähig und folgte Churchills Beispiel in den folgenden Runden. So entspann sich ein Kampf um verdeckten Einfluss unter dem allerdings der Kampf an den Fronten deutlich litt. Bei Spielende waren deshalb die Fronten kaum vorwärts gekommen. Überraschenderweise lagen die USA und UK punktgleich (42), gefolgt von der UDSSR mit einem 9-Punkte-Abstand. Da die USA bei Spielende Gleichstände auflösen dürfen, erklärten sie sich zum Sieger. Daran änderte sich auch nichts mehr durch die noch notwendigen abschließenden 3 Würfelwürfe, falls die Achsenmächte nicht besiegt wurden. Die fielen nämlich tatsächlich so aus, dass der Endstand erhalten blieb. Interessanterweise hätten die Würfe aber auch die Reihenfolge komplett auf den Kopf stellen können, mit der UDSSR als Sieger, den USA als 2. (tiebreaker) und UK als Schlusslicht.

Resümee von meiner Seite: „Churchill“ hat trotz der langen Spieldauer Spaß gemacht, auch wenn ich es nicht unbedingt noch einmal spielen möchte. Dazu ist es zu glückslastig und dauert zu lange. Aber das ist sicherlich Geschmackssache. Der Konferenzmechanismus wirkte nur am Anfang interessant, denn er verkommt leicht zu einem Hin- und Hergeschiebe der wichtigen Themen und der Ausgang wird dann von der zufälligen Kartenhand bestimmt. Kooperation ist hier zwar möglich und auch notwendig, aber nur bedingt sinnvoll, da das Konkurrenzsituation doch überwiegt. Gleiches gilt für den Truppeneinsatz. Hier hat man als einzelner Spieler kaum eine Chance, eine Front weiterzubewegen, selbst wenn man alle verfügbaren Truppen auf eine Front konzentriert. Aber da an jeder Front unterschiedliche Siegpunktbedingungen für die einzelnen Alliierten hängen, schneidet man sich hier auch gerne mal ins eigene Fleisch. Die Mischung von Kooperation und Konfrontation ist für mich hier nicht wirklich stimmig, genauso wenig wie das Verhältnis von Glück und Spieldauer.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (zu lang für den alten Mann, 5 Punkte bei 3 Spielern), Moritz: 8 (schöne historische Simulation)

Im Nachgang gab es noch einen kleinen Mailaustausch zwischen mir und Moritz, den ich hier in Auszügen wiedergebe:

Moritz: Warum gibst Du ihm weniger Punkte für 3 Spieler? Ich denke Mal ohne Bot ist es noch wesentlich besser zu spielen und wirklich ein hervorragendes 3er Spiel (was selten ist). Ich gebe ihm 8 Punkte (Abstriche eigentlich nur wegen der etwas uninteressanteren Kriegsmechanik).

Ich persönlich finde den Siegpunktmechanismus hier gar nicht so schlimm, denn wir wurden hier dafür bestraft, den Krieg zu sehr vernachlässigt zu haben. Man weiß ja vorher, dass dann der Zufall eine Rolle spielen wird. Wenn man seine Chancen auf den Sieg erhöhen will, muss man sehr darauf achten, den Krieg auch zu gewinnen, denn nur dann gewinnt ja automatisch der höchste Score (wenn nicht zu weit von den anderen entfernt, was man aber durchaus steuern kann).

Bei dieser Art von Spielen ist das Gewinnen eigentlich Nebensache, sondern der Wunsch zu Gewinnen erzeugt nur die Dynamik, sich mit einer historischen Simulation auseinanderzusetzen, etwas über Geschichte zu lernen und einfach Spaß zu haben. In dieser Hinsicht sind mir Eurogames oft zu verkrampft und einseitig, weil manchmal der pure Spaß am Spielen und an der Phantasie verloren geht, wenn man endlos Aktionen und Siegpunkte maximiert. Bei Spielen wie „Churchill“ ist es im Design eingeplant, dass Spieler Fehler machen und überraschende Situationen und Wendungen entstehen, ich habe damit keinerlei Problem. Es ist auch eine Art Rollenspiel, und da finde ich die sehr unterschiedlichen Rollen der historischen Führer hervorragend ausgearbeitet, ich habe auf jeden Fall durchaus den Simulationscharakter als sehr unterhaltend empfunden.

Aaron: Weniger Punkte für 3 Spieler, weil es dann vermutlich 4 Stunden, statt der 3, die wir gespielt haben, dauern wird, und das ist einfach ein bisschen zu lang für das, was das Spiel hergibt. Das ist auch der Grund für meine eher niedrige Wertung: ich finde, das Spiel würde durch eine kürzere Spielzeit gewinnen.

Moritz: Ich glaube mit 3. Spielern wird das nicht länger sondern kürzer – eigentlich gehen die individuellen Spielerrunden ja sehr schnell, Karte ausspielen in der Verhandlungsrunde, ein paar Einzelentscheidungen für die Production, dann läuft vieles automatisch ab. Das Nachgucken was der Bot macht dauert länger!

Auch darfst Du nicht vergessen, dass das Spiel 3 Szenarien hat, die alle unterschiedliche Spieldauern haben, das „Training“-Szenario dauert 3 Konferenzen und braucht ca. 90 Minuten, da kann man eigentlich nicht meckern. All diese Szenarien sind absolut gleichwertig vom Spielspaß, haben also nicht „weniger“ Action. Ich hatte einfach Lust auf das Standardszenario, sonst hätten wir auch das kürzere spielen können.

Aaron: Mit 3 Spielern eher kürzer? Das kann ich mir nicht vorstellen. Da der Bot, abgesehen von seinen Würfelwürfen, ein vorbestimmtes Verhalten hat, kann man sich gut darauf einstellen. Selbst wenn ein 3. Spieler etwas kürzer für seinen Zug braucht als der Bot (warum eigentlich, ich fand das ging immer recht schnell), müssen die Spieler ohne Bot mehr bei ihren Zügen überlegen, da es mehr Zugmöglichkeiten des Gegners gibt. Ein gutes Beispiel sind die Konferenzen. Hier weiß ich ziemlich genau, was der Bot macht und kann mich darauf einstellen, insbesondere da ich ja seine Karten kenne. Was das Spiel zu Dritt vermutlich wirklich länger machen wird, sind die Verhandlungen bei den Konferenzen. Wenn die funktionieren sollen, müssen die Spieler über ihre Zugmöglichkeiten diskutieren, sonst endet das immer in sinnlosen Hin- und Herschiebereien und am Ende bestimmt der mit den besseren Karten auf der Hand den Endstand. Allianzen scheinen mit hier wichtig zu sein, auch wenn sie nur temporär sein können. Das ist eigentlich ein schönes Element in dem Spiel.

Leider wird das Positive wieder aufgewogen durch die Mechanismen im „theatre of war“: Die Allierten müssen grundsätzlich ihre Truppen den Fronten zuordnen bevor die Verteilung der Truppen der Achsenmächte beginnen. Das macht das Geschehen dort unkalkulierbar und viel zu glückslastig. Ein bisschen Planbarkeit wäre da wirklich besser gewesen.

Nun zu den Szenarien: wir haben das mit den 5 Konferenzen gespielt. Wenn ich mich richtig erinnere gibt es noch das „volle Programm“ mit 10 Konferenzen und dann das mit nur 3en. 3 Konferenzen lassen sich sicherlich in 1 ½ bis 2 Stunden spielen, aber ich befürchte, da ist der Glücksfaktor noch größer als bei 5en. An 10 Konferenzen mag ich gar nicht denken, da sprechen wir ja wohl von 5 bis 6 Stunden und am Ende entscheidet möglicherweise wieder ein einziger Würfelwurf bei der Endabrechnung über Sieg oder Niederlage. Überhaupt ist das meine hauptsächliche Kritik an dem Spiel, es ist zu lang für den hohen Glücksfaktor.

Zu meiner Punktvergabe: Verstehe mich nicht falsch, mir hat das Spiel Spaß gemacht, was zu einem großen Teil auch an der entspannten Atmosphäre lag. 6 Punkte heißen bei mir, es ist ein durchschnittliches bis gutes Spiel, ich möchte es aber nur gelegentlich spielen. Eine 8er-Wertung heißt für mich, ich spiele es gerne und es darf jederzeit wieder auf den Tisch kommen.

16.09.2015: Gelegenheit für „Nord“

Kleine WPG-Spielestatistik

Nachweislich unserer Session-Reports, die allerdings erst einige Jahre nach Beginn unserer regelmäßigen Spieleabende angefangen wurden, haben wir am insgesamt 745 verschiedene Spiele am Westpark gespielt. Gut 70% davon nur ein einziges Mal, knapp 20 % wenigstens ein zweites Mal. Spitzenreiter mit riesengroßen Abstand ist „Bluff“, das 210 mal auf den Spieltisch gekommen ist. Dahinter folgen „Flaschenteufel“ mit 32, und das Peter-protegierte „Zoff im Zoo“ mit 17 Präsenzen. Aarons Eigenentwicklungen „Yunnan“ und „Nobiles“ lagen immerhin je 11 mal auf, und sein aktuelles Austragskind „Diggers“ sogar 16 mal.

Kurz und gut: Es sogar ein einziges zweites Mal auf den Tisch am Westpark gebracht zu haben, hebt ein gemeines Spiel bereits über zwei Drittel seiner Brüder und Schwestern heraus!

1. “Nord”

Die Spiele-Schmiede hat unseren „Verriss“ von letzte Woche mit Humor getragen und sehr konstruktiv darauf reagiert. Der initiale „Stänkerer“ von letzter Woche war heute zuhause geblieben, und jeder einzelne des heutige Trios hatte in den sieben Tagen und Nächten seit dem letzten Spielabend über das „Nord“-Ereignis nachgedacht und empfunden, dass das Spiel es wert wäre, uns seine Geheimnisse in einer zweiten Session zu offenbaren. Jeder hatte daran gedacht, und Moritz hatte das Spiel sogar mitgebracht. Ab heute hat es am Westpark die Weihe der zweiten Nacht.

Hallo, Ihr „Nord“-Experten: Mit wieviel Einheiten ist Moritzens blaue Kämpfer-Pyramide versorgt?
Hallo, Ihr „Nord“-Experten: Mit wieviel Einheiten ist Moritzens blaue Kämpfer-Pyramide versorgt?

Wir besiedeln mit unseren Setzsteinen ein selbstgebasteltes, aus quadratischen Feldern bestehendes Asgard, breiten uns von unseren frei gewählten Startlöchern in alle Richtungen aus, nehmen im Vorbeigehen die auf den einzelnen Feldern liegenden Schatzplättchen mit, und klopfen bei den neutralen oder gegnerischen Jarls an, um ihnen ein Bündnis aufzudrängen.

Bemerkenswert sind die Effekte von solchen Bündnissen. Auf der Verbindungsstrecke zwischen zwei Partnern werden alle Steine des handelnden Spielers entfernt und auf die Felder vom Start und Ziel verteilt. Allerdings werden der zweite, der vierte, und alle weiteren ab dem sechsten Spielstein als erschlagene Helden auf ein „Drachenboot“ zur Fahrt nach Walhall gepackt. Sind beispielsweise auf einer Verbindungsstrecke nur zwei Spielsteine des handelnden Spielers, so gelangt einer davon ins Ziel, der andere wird ersatzlos vom Brett genommen: Erfolgsquote: 50 Prozent. Sind auf der Verbindungsstrecke aber drei Spielsteine, so landet einer auf dem Zielfeld, einer auf dem Startfeld und einer in Walhall. Überlebensquote: 66%. Es ist also effizienter, Jarls in einer Entfernung von drei Steinen anzugreifen als in einer Entfernung von zwei. Freilich sind die Entfernungen zwischen den Jarls eine topologische Konstante, und wenn wir es da mit einer geraden Anzahl Feldern haben, so müssen wir halt in den sauren Apfel beißen.

Alle Spieler bauen friedlich an diesen Bündnissen und besiedeln die ausgewählten Jarl-Plätze des Spielfeldes mit ihren Bündnis-Kämpfern. Jetzt (oder wann immer man will) wird auf Krieg umgeschaltet. Wer bereits mit einem fremden Jarl verbündet ist und nochmals eine Verbindung zu diesem Kerl aufgebaut hat, darf ihn erschlagen und kassiert erhebliche Siegpunkte dafür. Voraussetzung ist allerdings, dass das Objekt der Begierde nicht mit anderen Mitspielern in der gleichen Quantität verbündet ist wie wir.

Wir brauchen aber keine Jarls zu erschlagen, um das Spiel zu gewinnen. Jedesmal wenn das Drachenboot mit abgeräumten Helden voll ist, was beim Aufbau von Bündnissen (glücklicherweise) sehr schnell vonstatten geht, wird eine Wertung ausgelöst. In der ersten und dritten Wertung werden unsere wohlpositionierten Setzsteine auf Waldgebieten und Bergfeldern honoriert. In der zweiten und vierten Wertung werden unsere beim eigenen oder bei fremden Jarls schmarotzenden Kämpfer honoriert, und zwar quadratisch mit der Anzahl der an einem Ort lebenden Figuren: ein Kämpfer an einem Fleck bringt einen Siegpunkt, vier Kämpfer auf einem Fleck gleich sechzehn Stück davon. Die Siegpunkte für Wälder und Berge in der ersten und dritten Wertung sind also marginal im Vergleich zu den horrenden Summen, die man für gehäufte Kämpfer einstreichen kann.

Viele Kämpfer auf einem einzigen Fleck zu konzentrieren ist allerdings gar nicht so einfach. Wer bereits mit allen Jarls verbündet ist, der hat sein Pulver verschossen: er kriegt keinen einzigen Kämpfer mehr unter. Er kann nur noch durch die Abgabe bestimmter Schatzplättchen einzelne Jarls umsetzen. Die Majorität eines anderen Mitspielers ist damit nur schwer zu brechen. Das Spiel verzeiht keine Fehler.

Bei uns hatte Walter zwischen der zweiten und der dritten Wertung alle seine Spielsteine auf dem Brett und konnte keine Steine mehr setzen. Nach den Regeln muss er jetzt statt eines Setzzuges eine Wertung auslösen. So kam die dritte, und gleich darauf auch die vierte und die Schlusswertung zustande. Übrigens eine gute Idee für Spieler, die das Spiel schnellstmöglich beenden wollen: Sie setzen alle ihre Spieler auf „sichere“ Plätze, wo sie nach den Wertungen nicht abgeräumt werden, und schon geht es schnurstracks dem Ende zu.

Bei uns wurde ein solches Ende nicht provoziert. Eine Stunde lang lief das Spiel recht flott über die Bühne. Selbst Moritz spiele ohne langes Nachdenken. Er konzentrierte sich auf Unmengen von Kämpfern in seiner Heimatbasis, deren Versorungsaufgaben er elegant in den dunklen Hintergrund der Spielregeln schob, die ihn aber mit ihren quadratischen Punktesegen alle seine Mitspieler überrunden ließ. Da hätte er gar nicht auch noch den Mord an einem Jarl begehen müssen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich deutlich besser), Moritz: 7 (das Spiel gehört zu der seltenen Gattung von abstrakten Setzspielen, die zu dritt funktionieren), Walter: 5 (wenn man es flüssig spielt, wird man seinen Geheimnissen nicht gerecht, wenn man es denkerisch-analytisch spielt, kann es sehr zäh werden.).

2. “Gelegenheit macht Diebe”

Unverdrossen, trotz unserer keineswegs üppig-wohlwollenden Kritiken, versorgt uns der Gmeiner Verlag regelmäßig mit seinen neuesten Produktionen. Meist handelt es sich um Kartenspiele, die im Kriminalisten Milieu angesiedelt werden. Sogar der Altmeister Rainer Knizia hat hier schon mit „Sieben unter Verdacht“ sein Glück versucht.

„Gelegenheit macht Diebe“ ist offiziell ein „Krimi-Kartenspiel für raffinierte Langfinger“, in Wirklichkeit aber ein reines Stichkartenspiel, das alle Spieler zumindest am Anfang in der vom Autor gewollten Unsicherheit lässt, ob er einen Stich machen soll oder nicht, ob der Stich Pluspunkte bringt oder desaströs alles zunichte macht.

Vier Kartenfarben hat das Spiel, man muss die ausgespielte Farbe bedienen, man kann mit einer von vier Jokern den Stich an sich reißen, und man darf jede beliebige Karten zugeben, wenn man nicht bedienen kann. Wer einen Stich gemacht hat, spielt zum nächsten Stich beliebig aus. Das ist alles Standard.

Innerhalb der Karten eines Stiches zählt nur eine einzige Farbe, die sogenannte „Diebesgut-Farbe“: sie bringt Siegpunkte pro Karten, die man davon innerhalb seiner Gesamt-Stichen hat, und sie kostet Siegpunkte, wenn man nicht genügend Karten davon ergattern konnte. Die Diebesgut-Farbe ist bei Spielbeginn nicht bekannt. Erst wenn ein Spieler die erste von vier „Deal“-Karte gespielt hat, darf er die „Diebesgut-Farbe“ benennen und damit alle Spieler aus ihrer Unsicherheit befreien. Die „Deal“-Karte darf aber erst gespielt werden, wenn irgend ein Spieler vorher eine „Choice“-Karte gespielt hat. Ganz schön kompliziert, nur damit die üblichen logischen Mechanismen eine Stichspiels, das Planen beim Ausspielen und Zugeben der Karten außer Kraft gesetzt werden.

Innerhalb von drei Stop-Punkten im Spiel bieten die Spieler darum, nach welcher Umrechnungstabelle sie später ihre Diebesgut-Karten in Siegpunkte umgerechnet haben möchten. Man kann 2 oder auch 3 Punkte pro Karten bekommen, wird allerdings auch mit 5 bzw. 10 Minuspunkten bestraft, wenn man zu wenige Diebesgut-Karten in seinen Stichen hat. Ab lukrativsten ist hier die Umrechnungstabelle der „Versicherung“: Hier bekommt man leicht 15 bis 19 Punkte für nur zwei Diebesgut-Karten und erhält nur 5 Minuspunkte, wenn man keine zwei solcher Karten zusammengebracht hat. Es gibt dann auch noch Loser-Tabellen, z.B. die des „unbeteiligten Besuchers“, wo man lediglich 5 dünne Punkte bekommt, wenn man – durch Glück und Können – überhaupt keine Diebesgut-Karte eingesackt hat.

Weil es bei den Umrechnungstabellen so eindeutige Favoriten gibt, die sich alle Spieler natürlich gerne an Land ziehen würden, setzen die Regeln hierfür Grenzen: Innerhalb von sechs Durchgängen darf jeder Spieler jede Tabelle nur maximal zweimal für sich in Anspruch nehmen, und dabei nicht zweimal hintereinander in zwei folgenden Durchgängen.

Die Regeln und die Material-Unterstützung für diese Bieten ist ziemlich ungeschickt. Erstens wird das – normalerweise / hoffentlich flüssige – Stichspiel unergonomisch unterbrochen, und zweitens muss man eigenhändig schriftlich notieren, welcher Spieler bisher welche Tabellen ersteigert hat. Mit all den Fehlerquellen beim Erstellen und Verfolgen der Einträge. Moritz schlug hier einen ganz einfachen, viel besseren Spiel-Mechanismus vor: Für jede Umrechungstabelle gibt es eine eigene Leiste, auf die ein Spieler, der diese Tabelle wählt, einen Spielstein hinlegt. Gewählt wird einmal und zwar nach der Kartenverteilung. Das wäre alles. Wer zuerst kommt, malt zuerst. Schnell und einfach, und jedermann kann jederzeit erkennen, welche Tabellen er bereits hatte, welche er zuletzt hatte und welche er noch ersteigern darf. Dieser Auswahlmechanismus wäre genauso gerecht und ungerecht wie das bisherige komplizierte Bieten mit den sieben Setzsteinen zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Nach drei (von sechs) friedlichen Durchgängen stand durchaus die Frage im Raum, ob wir damit unsere Erfahrung mit dem Diebesgut beenden wollen. Doch die Spannung war noch nicht ganz abgeklungen, und zudem lag Walter in Führung, was Moritz keineswegs freiwillig so hinnehmen konnte. So zogen wir uns auch die zweite Hälfte zu Gemüte, ließen uns die Suggestion gefallen, dass jeder mit seiner Kartenhand sein eigenes Schicksal in der Hand hat, und wurden drei weitere Runden gespielt. Moritz hat gewonnen, Walter wurde Letzter!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (wenig Pfiff), Moritz: 4 (die Tabellen-Selektion ist shit, langweiliges Stichspiel ohne Thema, ein Stichspiel, d.d.W.n.b.), Walter: 4 (habe überhaupt keine Ahnung, wie man eine Kartenhand analysieren und spielen soll).

3. “7 Worms”

Vor einem Monat stand Aaron mit seiner Neu-Entwicklung kurz vor dem Abgrund. Heute ist er schon einen Schritt weiter. Scherz beiseite: Die Würfel wurden abgeschafft, die verschiedenen Wurm-Teile zum Erzeugen eines Wurms werden jetzt über Plättchen realisiert. Die Würmer hoppeln schon gewaltig, bald werden sie auch noch das Fliegen lernen.