Archiv der Kategorie: Spieleabende

29.06.2016: Punkte für Helmut

Woran erkennt man einen erfahrenen, guten Spieler?

  1. Er kennt viele Spiele, und er spielt ALLE Spiele, die man ihm vorsetzt. (Manche allerdings nur 1 mal.)
  2. Er kann unverzüglich von jedem Spiel die Charakteristika sowie Stärken und Schwächen benennen.
  3. Er kennt seine eigenen Spiele-Vorlieben und kann sie schnell und sicher in eine klare Relation zum aktuellen Spieleangeot bringen.
  4. Er versteht blitzschnell den Regelvortrag eines neues Spiels, kann bei Unklarheiten sofort einhaken, und äußert kompetente und konstruktive Kritik an Regelwerk und Ablauf.
  5. Er hält kontrolliert wie unkontrolliert alle Spielregeln ein, und hilft auch – locker und spielerisch – seinen Mitspielern die Regeln einzuhalten bzw. irrtümliche Regelverstöße zu vermeiden.
  6. Er übernimmt wie selbstverständlich anfallende Service- und Verwaltungsaufgaben des Spielablaufes (z.B. Bankhalter), und ist darin unfehlbar wie der Stellvertreter des himmlischen Vater.
  7. Er kann der Spielverlauf repetitieren, er merkt sich die Effekte der Züge seiner Mitspieler, und kann deren Besitztum und Potenz auch dann einschätzen, wenn sie hinter einem Sichtschirm verborgen ist.

Moritz hat heute einen neuen Spieler zum Westpark mitgebracht: Helmut heißt er. Nach wenigen Vorstellungssätzen war klar, dass Helmut ein Spieler von dieser guten, erfahrenen Sorte war. Das bewahrheitete sich während des ganzen Abends auch in jedem Detail seiner Präsenz. Daran konnte selbst der Satz nichts ändern, der ihn in mitten im Tor der Welt entfuhr: „Ich bin ein Idiot, meine Herren, bin ich ein Depp!“

Helmut hat auch noch Humor. Hoffen wir, dass er noch häufiger unser Gast am Westpark sein wird.

1. “The cursed loot – Die verfluchte Beute”

Loot Island Prototyp
Loot Island Prototyp

Dies ist zur Zeit der Titel, unter dem Aaron’s bisherige „Diggers“ dieses Jahr in Essen erscheinen soll. Gegenüber dem letzten Spiel keine grundsätzlichen Regeländerungen, lediglich am (nahezu nebensächlichen) Beiwerk wurden ein paar Blätter eingefügt. Statt abgeschnitten.

Alte Design-Frage: Wann sind genug Variation erzeugende Elemente enthalten, wann muss ich noch ein bisschen Pfeffer dazutun, damit das Gericht auch übermorgen noch nicht langweilig schmecken wird, wann ist zuviel Würze hineingelangt? Letzteres gilt vor allem, wenn diese Würze sich auch noch in einer Ausweitung des Regelwerkes niederschlagen muss.

Helmut’s Wertung: Mir gefällt es sehr gut; es enthält viele Elemente in einer eleganten Balance. In der Grundversion würde ich einige Elemente weglassen und erst als Experten-Regel oder als Expansion wieder in das Spiel hineinbringen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Die Tore der Welt”

Die Tore der Welt
Die Tore der Welt

Nicht zu verwechseln mit „Die Säulen der Erde“, beide nach Romanen von Ken Follett, beide von den Autoren Michael Rieneck und Stefan Stadler als Brettspiel umgesetzt, beides im Kosmos-Verlag erschienen, die „Säulen“ im Jahre 2006, die „Tore“ drei Jahre später.

Es scheint eine Menge Ähnlichkeiten in beiden Spielen zu geben, wobei wir uns an die „Säulen“ nicht mehr so genau erinnern konnten. Glücklicherweise helfen die Beschreibungen im Internet jedem Gedächtnis auf die Sprünge. (Hoffentlich auf die richtigen.) In den „Säulen“ produzieren unsere Handwerker Holz und Steine, in den „Toren“ nutzen wir dafür Aktionskarten, um diese Wirkung hervorzubringen. In den „Säulen“ errichten unsere Baumeister Bauwerke und unsere Händler verkaufen Fertigprodukte, In den „Toren“ haben wir auch dafür wiederum Aktionskarten.

Früher oder später werden ein paar Aktionen auch in Siegpunkte umgegossen. In den „Säulen“ hat uns das so gut gefallen, dass wir dem Spiel im Durchschnitt fast 8 Punkte vergaben, und es im Oktober 2006 sogar zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt haben. In den „Toren“ verläuft alles viel träger, gleichförmiger und spannungsloser. Alle müssen wir einen Teil unsere Zug-Energie in Getreide umsetzen, das wir nach jeder der vier Spielphasen nachweisen und abgeben müssen. Alle müssen wir uns in jeder Spielphase ausreichend „Frömmigkeit“ und ausreichend Geld zulegen, um damit die Pflichtabgaben bestreiten zu können. Man kann (fast) alle seine sechs Phasenzüge praktisch ohne Berücksichtung der zeitlichen Reihenfolge durchführen, ja sogar (fast) ohne die Züge der Mitspieler berücksichtigen zu müssen. Unglücklich ist nur der seltene Fall, wenn es am Ende wegen zufälliger Häufung bei einem oder zwei Spielern, kein Getreide und keine Frömmigkeit mehr auf dem Markt gibt. Ansonsten ist alles, was man macht ist richtig und gut. Bei manchen Mitspielern ist es halt ein bisschen richtiger und besser. Schön, wenn das bei einem selber der Fall ist.

Hübsch ist der Mechanismus mit den Ereigniskarten und der Bewegung des Gunststeines: der aktive Spieler schustert jedem Mitspieler unterschiedliche Güter zu, sich selbst aber am meisten. Hierauf freut er sich schon lange vor seinem Zug und kann hinterher im Guten schwelgen. Da das Spiel aber grundsätzlich nur Gutes vergibt (bis auf die jeweiligen Zwangsabgaben am Phasenende), verpufft dieser Güter-Segen unter den anderen Segnungen des Spiel. Mehr oder weniger vollständig.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt, auch nur 5 Pkt für die „Säulen“), Helmut: 6 (es fehlt die Aufregung, die Dramatik; nichts, was man macht, ist notwendig, keine Unterlassung führt in die Katastrophe), Moritz: 7 (bleibt, ebenfalls 7 Pkt für die „Säulen“), Walter: 6 (bleibt, ebenfalls 6 Pkt für die “Säulen”). Aber man beachte Günthers 8 und gar Loredanas und Peters jeweils 10 (ZEHN) Punkte für die Säulen, aber nur 6 Punkt für die „Tore“. Wäre das heute immer noch so?

3. “Bluff”

Nichts Neues im Westen. Im ersten Spiel machte uns Helmut als Neuling sofort die Fliege, während Aaron sich in einem zähen Ringen gegen Moritz durchsetzte (oder umgekehrt). Im Rückspiel machte uns Moritz recht schnell die Fliege, und Neuling Helmut setzte sich groß und breit gegen Aaron durch.

WPG-Wertung: Helmut vergab 7 Punkte („Da hätte ich doch lieber 2 Stunden Bluff gespielt, als 2 Stunden lang ’Die Tore der Welt’“). – Die NUR 7 Punkte für Bluff sind der einzige Minuspunkt, den Helmut sich heute am Westpark aufhalste.

22.06.2016: The Enlish army had just won the war

„Du gewinnst das Spiel einfacher, wenn du dem Gegenspieler die Meinung läßt, er habe leichtes Spiel mit dir.“ (Willy Meurer, Aphoristiker und Publizist, Member of the Human Race, Toronto)

1. “Quartermaster General”

Quartermaster General – Spielszene vom entvölkerten Eurasien
Quartermaster General – Spielszene vom entvölkerten Eurasien
Wochen, wenn nicht Monate hat Moritz unsere braven und unbraven Worker-Placement-Spiele über sich ergehen lassen, jetzt fühlte er sich berechtigt, uns auch mal wieder ein Spiel seiner Couleur aufzutischen: themenreich, geschichtsbewusst, kämpferisch! Worum geht es? Natürlich um den zweiten Weltkrieg.

Sechs Mitspieler dürfen sich an der militärischen Neugestaltung dieses Weltereignisses beteiligen: Die Achsenmächte mit Deutschland, Italien und Japan gegen die Alliierten aus Großbritanien, Russland und den USA. Jeder Spieler führt eine Nation. Wenn weniger Spieler dabei sind, darf ein Spieler mehrere Nationen führen. Außerdem halten die Spieler der beiden Militärblöcke zusammen. Sie gewinnen oder verlieren gemeinsam, es gibt keinen Einzelsieger, es sei denn, man spielt zu zweit. Insofern steckt sogar eine gewisse Kooperation im Design. Aber nur eine gewisse: Armeen (und Schiffe) eines Paktes dürfen auf dem gleichen Feld stehen und können sich nicht angreifen, ansonsten agieren alle unabhängig voneinander und sammeln lediglich die Siegpunkte auf einem gemeinsamen Konto.

Wie wird agiert, d.h. wie wird der Krieg geführt? Ganz einfach: Mit Hilfe von Aktionskarten, von denen jede Nation ein individuelles Deck besitzt. Sieben Karten dieses Decks hat der Führer einer Nation jeweils in der Hand, eine spielt er als Aktion aus, beliebig viele darf er anschließend zur Verbesserung seiner Kartenhand abwerfen und danach wieder auf sieben Karten auffüllen.

Gemeinsam sind allen Nationen die vier Kartentypen: „Build Army“, „Build Navy“, „Land Battle“ und „See Battle“. Das Neurekrutieren erfolgt von besetzten in unbesetzte Nachbargebiete, die Schlachten erfolgen von besetzten in vom Feind besetzte Nachbargebiete. Karte ausspielen, und schon ist die neue Armee/Flotte platziert oder die Schlacht gewonnen und der Feind vernichtet.

Mächtiger als dieses Standard Gebären bzw. Totschlagen sind Event-Karten, von denen jede Nation eigene Schöpfungen besitzt. Z.B. haben die Deutschen „The Autobahn“, mit der sie eine beliebige eigene Armee auf ein beliebiges freies Feld versetzen dürfen, z.B. vom Balkan nach Australien. Walter, der die Deutschen geführt hatte, hat die Geilheit dieses Zuges total übersehen! Die Geschichte des zweite Weltkrieges wäre total neu geschrieben worden.

Gemeinsam sind allen Nationen auch „Economic Warfare“-Karten, die definierte Gegner zwingen, die obersten Karten ihres Nachziehdecks abzuwerfen. Nachdem man nicht weiß, welche Aktionen mit diesen Karten erlaubt sind, und da jede Nation genügend viele Aktionskarten besitzt, so dass drei Karten mehr oder weniger das Kraut nicht fett machen, hat diese Karte eigentlich kein größeres aggressives Potential. Nur Italien ist in seiner Kartengesamtzahl etwas dünn bestückt. Moritz als Führer von Grossbritanien und den USA wusste das. Immer wieder attackierte er das Kartendeck der Italiener, und siehe da, sechs (von zwanzig) Runden vor Schluss, waren die Italiener pleite, keine einzige Karte mehr auf der Hand. (Spielbare Karten hatten sie schon ein paar Runden vorher nicht mehr auf der Hand!) Sie wechselten jetzt – im Gegensatz zur Geschichte – nicht die Seiten, sondern sie zogen sich lediglich zurück und buchten pro Runde auf dem Konto der Achsenmächte einen Minuspunkt. OK, das ist auch so etwas wie die Seite wechseln.

Aaron durfte die Japaner in den Krieg führen. Zumindest hätte er es gerne getan. Aber für die Japaner hatte der Spieldesigner nicht viel übrig. Ganze vier „Build Army“ Karten hat er ihnen gegönnt und ganze drei „Land Battle“. Wie soll Japan da jemals China erobern und bis zur Brücke am Quai gelangen können. Mit seinen zahlreichen Schiffen dümpelte Aaron friedlich und tatenlos im Pazifik herum. Erst ganz zum Schluss geriet eine Battle-Karte in seine Hand, mit der er endlich zuschlagen konnte. Er wählte dafür nicht das geschichtlich passende, aber mickrige Hawai, sondern zerstörte gleich den Westen der USA von Los Angeles bis zu den Rocky Mountains. Moritz war platt! Seine gesamten Streitkräfte waren unversorgt und mussten das Zeitliche segnen. Glücklicherweise hatte er die Event-Karte „Theater Shift“ auf der Hand, mit den er eine amerikanische Armee aus dem besetzten Szechuan unverzüglich an die Heimatfront verladen und Hollywood wieder spielbereit machen konnte.

Günther führte die Russen. Ohne große strategische Überfliegerei hielt er die Westfront (der Russen!), blieb auf den siegpunkt-trächtigen Feldern von der Ukraine über Moskau bis Indien und China, (Sibirien ließ er militärisch ganz links liegen!) und sorgte so dafür, dass die Alliierten an Siegpunkten die Achsenmächte einmal überrunden konnten.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (das japanische Kartendeck ist das langweiligste, was man sich vorstellen kann), Günther: 5 (mit Tendenz zu weniger, langweiliges Runterspielen eines Kartendecks), Moritz: 8 (I like it), Walter: 4 (kaum Strategie, kaum Handlungsfreiheit, pro Zug spielt man eine der beiden Karten, die in der aktuellen Situation möglich und/oder sinnvoll sind.)

Nachtrag: Was ist der Unterschied zwischen „einfachen Regeln“ und „hohem Spielgewicht“? Die Regeln von „Quartermaster General“ sind zweifellos ganz einfach: Spiele eine deiner sieben Handkarten [von denen du ohnehin nur eine oder zwei spielen kannst]. Diese Einfachheit der Regeln wird bei den amerikanischen Enthusiasten für dieses Spiel immer wieder betont. [Neben der Genialität, mit so einfachen Regeln die Geschichte fast realitätsgetreu nachvollziehen zu können!] Dahingegen ist das „Spielgewicht“ von „Quartermaster General“ recht hoch. Denn es gibt ungezählte Eventkarten mit jeweils unterschiedlichen Effekten, die nur in bestimmten Spielsituation gespielt werden dürfen. Hier müsste man sich die inneren Querbeziehungen im „General“ erst noch erarbeiten. Für diesmal haben wir darauf verzichtet.

Und warum steckt im Namen von „Quartermaster General“ so etwas wie Quartier (= Küche, gutes Essen und Trinken, vom Kuscheln ganz zu schweigen)? Weil Napoleon gesagt haben soll „Eine Armee marschiert auf ihrem Magen!“ – Spielen bildet!

2. “South by South-Ease”

Aaron hat seine frühere Eigenentwicklung „Trawler“ total umgebaut. Wir können nicht nur als erfolgreiche Fischer das Spiel gewinnen, sondern auch als erfolgreiche Händler. Viel Handlungsfreiheit, neue Herausforderungen beim Suchen und Finden der Nischen, in denen wir uns von unseren Konkurrenten absetzen können. Wieder sehr viel Interaktion.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

16.06.2016: Brettspiel zu Kartenspiel und umgekehrt.

Schon bevor das erste Spiel auf den Tisch kam, fragte Günther: „Welche Spielregel kann Walter partout nicht ausstehen?“

Schnell war Aaron mit einer richtigen Antwort da: „Wenn [in einem ansonsten friedlichen Aufbauspiel] ein Spieler einem anderen etwas wegnehmen darf.“ Das wurde ja gerade letzte Woche wieder im Spielbericht zu „Haithabu“ deutlich.

Doch auch eine zweite richtige Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Wenn ein Spieler seine Züge so spielen kann, dass die Mitspieler nicht – mehr oder weniger selbstverständlich – feststellen können, ob er richtig oder falsch spielt.“ Stellt euch vor, beim Skat (Schafkopf, Bridge) könnte man nicht nachprüfen, ob ein Spieler eine Farbe getrumpft hat, obwohl er hätte bedienen müssen? Ein Unding, ein total anderes Spiel! Aber so etwas kommt vor. Täglich. In jedem Bridge-Turnier. Aber bei Brettspielen scheinen manche Autoren auf so ein wichtiges Grundprinzip keine Designer-Gedanken zu verschwenden. Z.B. in …

1. “Roll for the Galaxy”

Da hat man unter “Etikette” den Hinweis angebracht: “Da es nicht möglich ist, die Handlungen eines Spielers hinter seinem Sichtschirm zu überprüfen, ist es wichtig, dass die Spieler in diesen Schritten sorgfältig sind und keine Fehler machen.” – So ein Spiel wäre NIEMALS in meinen Einkaufskorb gelangt. Der Rest der Westparker nahm es gelassener …

“Roll for the Galaxy” ist eine Variation des bereits 2007 erschienenen, hochgeehrten „Race for the Galaxy” von Tom Lehmann. Beim Vorläufer hatten wir angemerkt, dass das in einer ausgewachsenen Brettspielschachtel daherkommende Spiel eigentlich nichts anderes als ein Kartenspiel ist. Das können wir jetzt nicht mehr sagen. Unübersehbar sind die 111 Spezialwürfel, die 5 bunten Würfelbecher und eine Menge dickkartoniges Spielmaterial.

Jeder bekommt als Startausstattung fünf Würfel, die er pro Runde verdeckt würfelt und verdeckt den Aktionen zuordnet, die er gerne durchführen möchte. (Designschwäche: siehe oben unter Etikette!) Aktionen sind:

  • Erkunden, d.h. Aufbauplättchen verdeckt aus einem Säckchen ziehen, mit denen man sich Stück für Stück eine Privatregion zusammenstellt.
  • Entwickeln, d.h. Würfel zu bereits gezogenen Entwicklung-Aufbauplättchen legen, solange bis die geforderte Anzahl erreicht ist, und die speziellen Entwickler-Eigenschaften des Plättchen genutzt werden dürfen, z.B. zusätzliche Würfel in den Würfelset aufnehmen, Würfel beliebig verschieben dürfen, und vieles mehr.
  • Siedeln, d.h. Würfel zu bereits gezogenen Siedlungs-Aufbauplättchen legen, solange bis die geforderte Anzahl erreicht ist, und die speziellen Produktionseigenschaften der Siedlung genutzt werden dürfen, z.B. mehr Produkte, mehr Erlös, billigere Einkaufspreise, kostenloses Verladen, und vieles mehr.
  • Produzieren, d.h. Würfel auf bereits ausreichend besiedelte Siedlung-Plättchen legen, die sich somit in “Waren” verwandeln.
  • Verladen, d.h. produzierte Produkte in Geld oder Siegpunkte verwandeln.

Einen seiner Würfel darf jeder Spieler einer frei wählbaren Haupt-Aktion zuordnen; die anderen Würfel müssen genau entsprechend der erwürfelten Aktion zugeordnet werden. Allerdings gibt es beim Zuordnen einige sehr sinnvolle Weichmacher, die das Agieren recht flexibel gestaltet:

  • Joker-Aktionen dürfen einer beliebigen Aktion zugeordnet werden.
  • Einzelne Würfel dürfen – je nach Entwicklungsstand – ebenfalls zu beliebigen Aktionen versetzt werden.

In der Regel ist niemand durch einen unglücklichen Würfelwurf in seinem Fortschritt blockiert. Nicht einmal unser notorisch schlecht würfelnder Aaron konnte sich über schlechtes Würfeln beklagen.

GalaxyTrioWie bei „Race for the Galaxy“ kommt nach dem Zuordnen der Würfel jetzt der Knackpunkt des Spiels: Man darf nur solche Aktionen ausführen, die man selber oder die mindestens ein Mitspieler als Haupt-Aktion gewählt hat. Alle anderen Würfel verfallen. Es ist ein hohes Risiko, hier auf die zufälligen Interessen der Mitspieler zu hoffen. Wer z.B. viermal Erkunden kann und will, der sollte Erkunden auch als Haupt-Aktion wählen.

Was passiert mit den „verbrauchten“ Würfeln? Sie werden in einem Pool gesammelt und müssen zum Würfeln in einer der nächsten Runden daraus freigekauft werden. Nur einen einzigen Würfel bekommt jeder Spieler als Gratisration. Es ist also auch wichtig, sich durch Verkaufsaktionen rechtzeitig mit Geldmitteln einzudecken, damit man in den nächsten Runden auch ausreichend Moos in seinem Würfelbecher hat.

Durch geschicktes Würfeln, Agieren, Entwickeln, Siedeln, Produzieren, Geldmittel (für neue Würfel) Besorgen und Siegpunkte Hinheimsen gewinnt man das Spiel. Ganz einfach. Auf die Mitspieler braucht man eigentlich nicht zu achten. Zwar kann man sich von deren gewählter Haupt-Aktion abhängig machen, man kann diese Abhängigkeit aber auch weitgehend reduzieren, indem man pro Zug gegebenenfalls nur eine, und zwar die eigene effizienteste Haupt-Aktion durchführt. Das flexible Handhaben der Würfel erlaubt ein solches Vorgehen. Eindecken mit Aufbauplättchen was die Würfelschwarte hergibt, in der nächsten Runde Aufbauplättchen besiedeln oder entwickeln, was die nächste Schwarte hergibt! Damit verliert man weder Potenz noch Tempo. „Leider“ möchte man fast sagen, denn ohne diese Abhängigkeit ist „Roll for the Galaxy“ doch ziemlich autistisch.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mir macht das „Maschinenbauen“ [via der Spezialeigenschaften der verschiedenen Entwicklungs- und Siedlungsplättchen] keinen Spaß. [6 Punkte für „Race …“]), Günther: 8 (durch die Würfel wird der Spielablauf bedeutend lockerer als das doch etwas verbissene Originalspiel. [6 Punkte für „Race …“]), Moritz: 7 (es gefällt mir gut, „ich hatte einen Plan“, das Design bekommt 8 Punkte, ein Minuspunkt für das Autistische. [noch keine Punkte für „Race …“]), Walter: 4 (die Flexibilität beim Würfel-Zuordnen ist gut gelungen, die dabei notwendige „Etikette“ ist nicht tragbar, minimale Interaktion. [6 Punkte für „Race …“]).

2. “Peloponnes – das Kartenspiel”

Bernd Eisenstein hat sein 2009 erfolgreich herausgebrachtes Brettspiel gleichen Namens letztes Jahr zu einem Kartenspiel umgeformt. Wie beim Brettspiel repräsentieren wir Zivilisationen, bieten um Plättchen, die jeder Spieler in seine Landschaft einbaut, und damit seine Potenz als Großgrundbesitzer erweitert.

Wie beim Brettspiel gibt es einen Verdrängungswettbewerb beim Ersteigern der Plättchen: ein Spieler darf sein Gebot nicht mehr erhöhen, er kann sich damit nur um ein anderes Plättchen bemühen, dessen Mindestpreis sein aktuelles Gebot nicht übersteigt. Dieses Prinzip ist und bleibt gelungen, hält das Bieten unter einer wohldosierten Spannung, und löst hin und wieder eine konstruktive Schadenfreude bei den Nicht-Betroffenen aus.

Wie beim Brettspiel brechen zu unvorhersehbaren Zeiten Naturkatastrophen aus, die unser Besitztum schmälern. Wir können versuchen, uns dagegen zu schützen, indem wir die richtigen Plättchen in der richtigen Zeit ersteigern; doch sind hierbei natürlich unsere Mitspieler unsere Konkurrenten. Gegen alle Katastrophen gelingt es nicht, so müssen wir uns halt mit ihnen einrichten.

Wer bei Spielende seine Siepunkte-Plättchen und die Bevölkerungs-Plättchen in eine optimale Korrelation gebracht hat, ist Sieger. Wie beim Brettspiel.

Wer bei den verschiedenen Fallen, die es innerhalb des Spielablaufes gibt, nicht aufpasst, kann leicht ins Hintertreffen geraten: keine Landschaft, keine Bevölkerung, kein Einkommen, keine Entwicklung – nur noch Katastrophen. „Selber schuld“ könnte man sagen, aber ein bisschen Barmherzigkeit im Spieldesign hätte hier gut getan. Glücklicherweise muss der arme Tropf nur 45 Minuten aushalten. Selbst am Westpark.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Brettspiel war vom Handling her besser, kein Spannungsbogen. [8 Punkte für das Brettspiel]), Günther: 6 (das Spiel ist OK. [7 Punkte für das Brettspiel]), Moritz: 7 (das Spiel funktioniert. [noch keine Punkte für das Brettspiel]), Walter: 7 (klar, sauber, hübsche Mechanismen. [9 Punkte für das Brettspiel]).

Warum [für mich] „Peloponnes“ wesentlich besser ist als „Roll for the Galaxy“. Einige Punkte

  1. Die notwendigen ”Etikette” der Galaxy– darüber sind schon genug Worte gefallen
  2. Reichlich Interaktion und Konkurrenz beim Aneignen der Peloponnes-Plättchen. Hierzu Fehlanzeige bei Galaxy.
  3. Mögliche Planung beim Ersteigern der ausliegenden Plättchen bei Peloponnes, gegenüber zufälligem Ziehen aus einem Säckchen bei Galaxy.Einhundertundzehn unbekannte, unüberschaubare Sondereffekt der Plättchen bei Galaxy, die – für den Sieg – zu einer funktionierenden Maschine zusammengebaut werden müssen, gegenüber wenigen überschaubaren Eigenschaften der Landschaftsplättchen in Peloponnes.

08.06.2016: Haithabu

Über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten. Das gilt fürs Essen, für Spiele, und in der heutigen Zeit natürlich besonders auch für Kulturschaffende und ihre Konsumenten. Wer kommt schon damit zurecht, was in der Avantgarde an Bild, Text oder Musik geboten wird? Unser Moritz als herausragende Persönlichkeit im Musikschaffen Europas kennt die andere Seite der Medaille: die Kritik der Ahnungs- und Verständnislosen. Die Uraufführung seiner „terra nova oder das weiße leben“ Oper im Linzer Theater wurde vom Publikum mit gut zehn Minuten Standing Ovations gefeiert, doch der Kritiker (einer) erkennt im Bühnenbild nur eine „Latten-Architektur, die bestenfalls am benachbarten Busbahnhof Maß genommen hat“, und in Moritz’ Musik einen „frisch-fromm-fröhlich-kessen Pluralismus, … gnadenlos populistisch“, betrieben aus einem „pfiffiges Geschäftsmodell“ heraus. Nun ja, wenigstens griffige Formulierungen.

Letzten Samstag wurde im Herkulessaal der Münchener Residenz ein Konzert mit „The Desert Music“ des amerikanischen Komponisten Steve Reich und mit „Muzak“ von unserem Moritz gegeben. „Frenetischer Applaus“ und „minutenlange Standing Ovations“ berichtet Dominik Petzold darüber in der AZ. Über Moritz heißt es: „Komponist Eggert singt diese wilde Collage selbst, quer durch alle Stile und Oktaven, von Bariton bis Kopfstimme: viele Passagen karikaturesk verzerrt, andere mit authentischem Pop-Sentiment. … Die Passage, die an Bowie erinnert, … fügt sich zu einem fast kompletten, elegischen, sehr schönen Song zusammen. Davon hätte man auch noch mehr hören können.“

Und was schrieb Herr S. darüber in der SZ? Steve Reich wurde erwähnt, und sonst nix. Moritz’ Werk und sein Vortrag wurde schlichweg total ignoriert. Wurde Herr S. vielleicht unerwartet abberufen? War das Ignorieren bewußt? Boykottierend? Eine Rache der Seilschaften um Sigi Mauser? In jedem Fall eine eklatante Ignoranz, die der Verantwortung eines Redakteurs für sein Ressort und für seine Leserschaft nicht gerecht wird! Wegen ihrer penetranten politischen Einseitigkeit habe ich vor fünf Monaten mein langjähriges SZ-Abo gekündigt. Ich habe es noch keine Sekunde bereut.

1. “Haithabu”

„Gegen Ende des Frühmittelalters war Haithabu aufgrund seiner exponierten Lage das wichtigste Handelszentrum im Nord-Ostsee-Raum“. So fängt die Spielanleitung an. Wir schauten erst mal im Internet nach, ob die Autoren sich hier einen Namen aus den Fingern gesogen haben oder ob es „Haithabu“ tatsächlich einmal gegeben haben hat. Hat es!

Wir handeln also in Nord-Ostsee-Raum mit den sechs Handelsgütern Met, Tuch, Keramik, Werkzeug, Waffen und Gewürzen, oder sachlicher ausgedrückt, wir handeln mit Holzwürfeln in sechs verschiedenen Farben. Handeln heißt: Wir setzen einen „Arbeiter“ auf den Markt mit der entsprechenden Farbe und kaufen dann, solange Geld und Vorrat reicht, soviele Holzwürfel dieser Farbe wie uns Spaß macht und bringen sie in unser „Lagerhaus“. Im nächsten Zug setzen wir einen Arbeiter auf das Feld „Transportmittel kaufen“ und kaufen uns entweder einen „Karren“ und/oder ein „Schiff“ und stellen sie den noch leeren Hof unseres Fuhrparks. Die unterschiedlichen Transportmittel können jeweils eine genau definierte Menge von Holzwürfeln genau definierter Farben (Mehrzahl!) von unserem Lagerhaus zu unserem „Handelsposten“ transportieren. Im dritten Zug stellen wir einen Arbeiter auf das Feld „Transportieren“ und tun das denn auch. Im vierten Zug setzen wir einen Arbeiter auf das Feld „Auftrag“ nehmen. Damit bekommen wir einen Käufer, der bereit ist, von uns eine eine genau definierte Menge Holzklötzchen mit einer genau definierten Farbzusammenstellung anzunehmen. Falls wir diese Warenkombination in unserem Handelsposten haben, brauchen wir bloß noch im sechsten Zug einen Arbeiter auf das Feld „Auftrag ausführen“ zu setzen, und schon fließen uns neue Geldmittel zu. Vor allem können wir ein paar Siegpunkte auf unserem Konto verbuchen.

Die hier beschriebene Zugreihenfolge ist natürlich nicht notwendig. Wir können uns natürlich auch zuerst Aufträge aneignen, dann die geeigneten Transportmittel, und erst am Schluß der Zugkette die benötigen Waren erstehen. Oder wir immer wir das für sinnvoll halten. Überschüssige Waren bleiben im Lagerhaus oder Handelsposten, so dass wir beim Erfüllen des nächsten Auftrags und vielleicht den einen oder anderen dieser Schritte ersparen können. Das Transportmittel sind wir allerdings los, ob wir die dort vorhandene Transportkapazität vollständig ausgenutzt haben oder nicht. Unser Fuhrpark fängt wieder bei Null an.

HaithabuDieser Spielablaufes ist rund, übersichtlich, sauber beschrieben und erfolgt auf einer ganz klaren Linie. Mathematisch gesehen ist eine Linie allerdings eine eindimensionale Sache, und das ist auch der Spielablauf in „Haithabu“. Alles funktioniert, aber es gibt keine Ausbuchtungen, keine Umwege, keine Höhen und Tiefen, kein Aufbau, keine Dynamik, keine Spannung und kein Pfiff.

Das ist den Autoren nach vielen hunderten von Testrunden vielleicht ebenfalls aufgefallen. Deshalb haben sie dann ein paar zusätzliche Rädchen und Schräubchen angebracht, damit die Aktionismusmöglichkeiten der Spieler erweitert wird und sich und damit vielleicht ein bißchen Spannung einstellt. Zum Beispiel bekommt jeder gleich zu Beginn einen „Charaktermarker“, der ihm finanzielle Vorteile beim Kaufen und Handeln verspricht. Ein bißchen Asymmetrie in der Ausgangslage ist ja nie verkehrt. Man kann sich im Laufe des Spiels sogar weitere Charaktere zulegen, man kann sogar seinen Mitspielern besonders begehrte Charaktere abspenstig machen. Aber das kostet Züge und Zeit. Wieweit sich das wirklich lohnt, das haben wir uns nicht „erarbeitet“.

Ein Zusatzrädchen ist der Direkt-Verkauf auf dem Markt. Da die Preise auf dem Markt jedesmal um eine Stufe steigen, wenn wir dort einkaufen, können wir unsere Holzwürfel zu einem höheren Preis verkaufen, als wir sie eingekauft haben (falls sonst nix passiert), und machen damit einen gewissen Gewinn. Dieser Gewinn ist aber nur marginal, da wir ja davon auch noch die Kosten für das Transportmittel bestreiten müssen. Zudem macht in „Haithabu“ Geld überhaupt nicht glücklich! Siegpunkte müssen her. Die bekommen wir aber nicht über das Kaufen und Verkaufen am Markt.

Ein weiteres Zusatzrädchen ist die Preisentwicklung auf dem Markt. Nach jeder Runde bestehend aus drei Arbeiterzügen wird ausgewürfel, wieviel neue Waren auf den Markt kommt, und ob die Preise dort steigen oder fallen. Pro Warensorte kommt damit aber durchschnittlich nur ein (ein einziges!) neues Klötzchen dazu, und da wir im Notfall neue Waren nicht vom Markt, sondern auch direkt von der Bank kaufen können, ist die Ermittlung dieses Ein-Klötzchen-Nachschub eher eine Zeitverschwendung, genauso wie die ausgewürfelte Preisentwicklung: bei Umsätzen von 100 bis 200 Euro pro Runde sind Preisunterschiede von 2 bis 5 Euro pro Stück eigentlich vernachlässigbar. Vor allem bei Warenarten, für die sich (augenblicklich) kein Mensch interessiert.

Eine Beschleunigung des Spiels versprachen sich die Autoren durch Schwarzarbeiter, die ein Spieler für einen Zug zusätzlich erwerben kann. Es gibt drei Schwarzarbeiter für insgesamt vier Spieler. Ein Spieler geht immer leer aus. Welcher Spieler? Der letzte in der Zugreihenfolge, natürlich! Der darf allerdings einen Zug opfern, um ab der nächsten Runde selber Startspieler zu werden. Doch dann ist halt ein anderer der Dumme! Welch’ eine Konstruktion!

Ein echter „Spannungserzeuger“ ist die Einführung von „Tag“ und „Nacht“ für die Arbeitsplätze, über die unsere Arbeiter unsere Handelsaktivitäten abwickeln. Die Tagschichten dürfen alle belegt werden, ohne dass Nebenwirkungen zu fürchten sind; beim Einsatz in der Nachtschicht muss der Spieler jetzt noch würfeln, ob ihm jetzt ein wohldefiniertes Unglück zustößt oder ob ihn das Füllhorn des Schicksals mit gewissen Segnungen überschüttet. Instinktiv hatten wir zuerst die Nachtschichten vermieden, bis Günther auch dieses Element ausprobieren wollte und hier glatt zweimal mit Segnungen davonkam: Beim ersten Mal erhielt er von jedem Mitspieler eine Ware, beim zweiten Mal mussten alle Mitspieler eine Ware in den Orkus werfen. Letzteres war für Günther zwar keine Segnung, aber immerhin ein Fluch für jeden seiner Mitspieler.

Herrschaftzeiten, ihr Autoren, habt ihr immer noch nicht begriffen, dass meine Holzklötzchen mir gehören und niemandem anders! Da habe ich scharf kalkuliert, mir die richtige Anzahl und Art von Waren angeschafft, den gerade richtigen Karren zugelegt, die Waren zum Verkauf transportiert und dann kommt so ein komischer Nachtlümmel daher, nimmt mir ein Klötchen weg und ich kann Auftrag, Einnahmen und Siegpunkte vorerst in den Wind schreiben! Vorerst ist noch milde ausgedrückt. Es kann mich eine ganze Runde kosten, bis ich mich für diesen Auftrag wieder genügend aufgerappelt habe! Wer kann darüber lachen!?

Bei uns hätte dieses Schicksal allerdings keinen eine ganze Runde kosten können, denn da hatten wir das Spiel bereits abgebrochen. Walter machte nach zwei Runden eindimensionalen Spielens Vorschlag („Was kann denn noch Neues kommen?“), Aaron war zustimmend nickend und Günther stillschweigend dafür, nur Moritz zierte sich noch ein Weilchen. Eine Hämmerkonzert bricht man ja auch nicht ab. Aber nach zwei weiteren Spielzügen „dritte Wurzel aus Uwe Rosenberg auf Valium“ lenkte er ein.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (langweilig, nix Neues), Günther: 4 (ab 5 Punkte würde ich ein Spiel ja nochmals spielen wollen, da ist Haithabu halt knapp drunter), Moritz: 3 (langweilig,störende Zufallsmechanismen), Walter:3 (für Krämerseelen, die den Zahlenraum bis 250 beherrschen).

Aaron wollte seine Neuerwerbung von Essen-2015 kostenlos an Günther abgeben, doch der winkte ab. Qualitätszuwachs und Platzbedarf in seiner Spielesammlung standen in keiner positiven Relation.

„In Essen kaufe ich nichts mehr! Die Reinfälle häufen sich! Man braucht keine Angst davor zu haben, dass gute Spiele in Essen ausverkauft sind. Gute Spiele werden auf jeden Fall nachproduziert und sind auch später noch zu haben. Oft sogar billiger!“

2. “Codenames”

Ein Favorit für das Spiel-des-Jahres 2016. Bei uns letztens in einer Dreierrunde nur angetestet. Diesmal zu viert hatten wir die minimale Standardbesetzung. Und natürlich war das kreative, konstruktive Miteinander vom ersten Kennenlernen durch die übliche Gewinnen-Müssen-Wollen Stimmung am Westpark wie weggeblasen. Und natürlich gab es die für dieser Art von Spielen unvermeidliche negative Auseinandersetzung über die Zulässigkeit von Codewörtern.

Für die Begriffe „Bett“ und „Mini“ gab Moritz das Codewort „Schlafstättchen“ vor. Lautstarker Einspruch von Walter: „Das ist kein umgangsspachliches Wort!“ Natürlich gibt es „Schlafstädte“ und dementsprechend auch „Schlafstädtchen“ argumentierte Aaron, und fand diesen Begriff auch gleich im Internet. „Die Schreibweise spielt nach der Spielregel keine Rolle.“ Ein Argument für A & M. Doch Walter wollte grundsätzliche Klarheit: „Zugelassen sind nur Worte, die auch bei LEO zu finden sind!“ Mit dieser leicht und eindeutig zu handhabenden Regelpräzisierung blieb er der einsame Rufer in der Wüste. „Schlafstättchen“ (mit „t“) wurde schließlich 4 (VIER) mal bei Google angezeigt und blieb gültig. Mit einem rachevollen und heftig umstrittenen „Brotgrube“ für die Begriffe „Toast“ und „Loch“ (die „Muschel“ hatte Moritz schon vorher entschärft) konnten Günther und Walter wenigstens den zweiten Durchgang für sich entscheiden.

Übrigens: bei Google gibt es „Brotgrube“ 276 mal, also 69 mal so oft wie das „Schlafstättchen“!

WPG-Wertung: Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten, Moritz schloss sich an: 7 (als Idee schlüssig), Walter reduziert seine 7 Punkte auf 5 (wir spielen schließlich am Westpark und nicht in unter „spritzigen Schnell- & Schöndenkern“).

Eine sicherlich weniger umstrittene Codenames-Version wäre eine mit Bildern anstelle von Begriffen. Die gibt’s wahrscheinlich schon auf dem Markt.

3. “Diggers”

Aaron wollte seine immer noch ungetaufte Neuschöpfung in einer 5er Runde ausprobieren. Wir waren aber nur zu viert, und außerdem hatte er das Spielmaterial für den fünften Spieler zuhause vergessen. Das Spiel war trotzdem interessant und bemerkenswert anders als in den vorgegangen Dreierrunden. Das konsequente Nutzen des Schiffs, von Günther zum Verändern der Wertungsreihenfolge weidlich gehandhabt, schafft ungeahnte neue taktische Möglichkeiten.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

01.06.2016: German Railroads

Die Schleuder ist besser als das Ziel (Lettisch)
Das Halsband ist besser als der Hund. (Persisch)
Das Futter ist teurer als das Kleid (Türkisch)
Die Braut ist die Kosten der Hochzeit nicht wert. (Neugriechisch)
Die Brühe ist mehr wert als der Fisch. (Sardisch)
The play won’t pay the candles. (Englisch)

1. ” German Railroads”

Unser Freund Helmut Ohley (und Leonhard Orgler) als Autor, Hans im Glück als Verlag, Eisenbahnen, eine Erweiterung der „Russian Railroads“, die 2014 den deutschen Spielepreis gewonnen hat, bei diesen Tatsachen können wir doch nicht abseits stehen. Schon zu den letzten drei Spielabenden brachte Günther dieses Spiel mit, heute wurde es endlich ausgepackt.

Was ist anders gegenüber der „Russian Railroads“ (siehe Session-Report vom 21.11.2013)? Fragen wir lieber: Was ist gleichgeblieben? Geblieben ist die gewaltige Worker-Placement-Szenerie, in der wir unsere sechs (sieben oder acht) Arbeiter in Konkurrenz zueinander an 25 bis 30 verschiedenen Arbeitsplätzen unterbringen, um mit dem Ertrag ihrer Arbeit hinterher doch nur unser eigenes Süppchen zu kochen. Statt von Moskau nach Wladiwostok, Kiew oder Sankt Petersburg fahren wir von Nürnberg nach Fürth, München oder Dresden. Im Gegensatz zu den 18xx-Spielen geht es nicht darum, über ein großes Streckennetz möglichst viele lukrative Städte zu verbinden. Auch Geld spielt hier nur eine kleine Nebenrolle. Es geht darum, relativ kurze Strecken mit immer höherwertigeren Schienen auszupäppeln und allein für den Schienenluxus Siegpunkte zu erhalten. Von der „Russian“ ist auch übernommen, dass man auf den Gleisbau total verzichten kann und sich auf eine Industrielinie konzentriert.

RussianRailroadsAlles funktioniert, alles ist rund und schön. Es gibt viele verschiedene Entwicklungslinien, nach denen eine Spieler seine Siegpunktquellen erschließen kann. Vielleicht ist es sogar möglich, Gemischt-Strategien zu fahren und im Laufe der Spieles von einer Strategie auf die andere umzuschalten. Vielleicht. Wohl besser aber nicht.

Die Erträge verdoppeln sich mehr oder weniger von Runde zu Runde. Man könnte damit meinen, auch als Nachzüglicher am Ende noch einen gewaltigen Satz nach vorne machen zu können. Doch das trügt. Nach vorne kommt man wohl, aber die Führenden kommen noch weiter nach vorne. Die ersten Früchte sind nicht madig, sie füllen den Siegpunktmagen von Runde zu Runde mit wachsenden Genüssen.

Günther nahm sich aus Erfahrung und zu seiner Herausforderung wieder der Industrie an. In einer Dreierrunde bekam er dabei fast keine Konkurrenz. Sehr schnell zog er davon. Jetzt legte er seinen ganzen Ehrgeiz darein, seine Mitspieler (mehrfach!) zu überrunden. Für ihn war es spannend, die Mitspieler sahen es eher mit stoischer Gelassenheit. Sie freuten sich über ihre eigene Entwicklung, ohne mit viel Emotion auf die Kunststücke des Meisters zu schielen.

Es ist für die Mitspieler nur etwas lästig, zuzuschauen, wie sich ein Industrieller mit einem einzigen Zug weitere Züge freischaufelt und damit einen ganze Kette von Einzelzügen hintereinander ausführen darf. In der „German“ ist diese Technik noch ausgebaut. Das hätte es alles nicht gebraucht. Es verlangsamt nur den Spielfluss (für die Zuschauer) und es erhöht das autistische Element.

Das ist ja einer der Ansatzpunkte für Kritik an den „Railroads“, an den russischen wie an den deutschen: Jeder spielt viel zu viel für sich alleine. Man kann dem Führenden in seiner Privat-Schiene kaum an den Wagen pinkeln. Es gibt für ihn auch keine Herausforderung wie z.B. die Einführung der Dieselloks bei „1830“, bei denen der Monopolist gewaltig aufpassen muss, damit er trotz oder gerade wegen seines großen Imperiums nicht pleite macht. In den Railroads geht alles unaufhörlich nach oben. Schön, dabei zu sein, aber mit gebremster Spannung.

Natürlich sind es unbestritten große Werke. Großartige Werke. Im Verhältnis zueinander sind die „Russians“ so etwas wie der Dom zu Speyer und die „Germans“ der Dom zu Köln. Laienhaft ausgedrückt: an jeder größeren ebenen Fläche noch ein Häubchen draufgesetzt. Dabei kommen wir in unseren schnörkellosen Reihenhäuschen des 20. Jahrhunderts schon bei kleineren Sakralbauten nicht aus dem Staunen heraus.

Ein Schmankerl der „German Railroads“ muss aber unbedingt noch erwähnt werden. Es gibt eine Solo-Version. Ein Einzelspieler bekommt einen (primitiven) Gegenspieler zu Seite gesetzt, der seine Arbeiter nach einer einfachen Zufallsauswahl auf den verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzt und so dem Einzelspieler ab und zu mal Steine in seinen Idealweg legt. Offensichtlich gibt es heutzutage genügend Spielefreaks, deren Herz und Sinn nach der Auseinandersetzung mit solchen hübschen Brettspielkomplexen steht, die aber keine Mitspieler finden. Ja, die heutige Jugend, sie spielt lieber Poker oder schaut sich den Fussball vom FC Bayern bis zu Fortuna Düsseldorf an!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spielgefühl ist absolut das gleiche wie bei „Russian Railroads“; ich stimme der „Spielbox“ voll zu, die geschrieben hat: „das Spiel ist für Spieler, die Russian Railroads bereits einhundertmal gespielt haben, und hier mal wieder eine Variation aufgetischt bekommen möchten“), Günther: 9 (HiG minded, Railroad Freak), Walter: 7 (eine Super-Konstruktion, ohne Haken und Ösen; für mich reicht es aber, das Spiel kennenzulernen; für eine weitere Auseinandersetzung mit den tausend Rädchen fehlt mir einfach der Ehrgeiz)

2. “Diggers”

Nach dem ausgiebigen Schwelgen auf der Schwäbschen Eisenbahne legte Aaron nochmals seine Digger-Legende auf. In Zusammenarbeit mit dem Verlag wurde nur noch ein wenig an einzelnen Rädchen gedreht. Dreh- und Angelpunkt für den Sieg ist ja – vom Spieldesign her gewollt – der Zufall bei der Wertigkeit der Schätze, die ein jeder Spieler bei seinen Aktivitäten an Land zieht. Viele Schätze sind natürlich besser als wenige Schätze, doch ist hier die Klasse der Masse haushoch überlegen. Wertvolle Schätze sind leider alle „fluchbeladen“ und bei Spielende überhaupt nichts wert, wenn sie nicht durch aufwändige Zwischenzüge “entflucht” wurden. An der Balance innerhalb der Siegpunkte für die einzelnen Schätze, an der Anzahl von Flüchen, mit denen sie beladen sind, und an den Möglichkeiten, diese Flüche zu beseitigen, wird noch gearbeitet. Die Grundsubstanz des Spiels steht aber. Festgemauert in der Erden. Und er sah, dass es gut war.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

25.05.2016: Die Legenden von Karuba

Was kann man alles spielen?
Den strammen Max, den wilden Mann, den großen Herren, den Heiligen, die gekränkte Unschuld, den Anstandswauwau, die Vorreiterrolle, die zweite Geige, einen bösen Streich, eine Vermittlerrolle, die Hauptrolle, die beleidigte Leberwurst, den Verrückten.
Man kann mit dem Feuer spielen, mit dem Gedanken, mit jemandes Gefühlen, mit Worten und mit seinem Leben.
Spielen lassen kann man Beziehungen und seine Muskeln.
Das Ganze ergibt dann ein leichtes Spiel, ein doppeltes Spiel, ein falsches Spiel, ein abgekartetes Spiel. Ein gutes oder ein böses Spiel. Zu letzterem macht man dann eine böse bzw. eine gute Miene. In jedem Fall wird dabei viel aufs Spiel gesetzt.
Und daneben gibt es noch hunderttausend Brettspiele. Fangen wir an.

1. “The Legends of Helionoor”

In acht Schatzgruben wird nach Schätzen gegraben. Schätze sind Siegpunkt-Chips in einer Stückelung von 1 bis 10. Die höherwertigen Chips sind allerdings mit einen „Fluch“ belegt, wir müssen sie erst mittels niederwertigen „Heils-Chips“ oder durch andere aufwändige Prozeduren entfluchen, bevor wir ihre Siegpunkte aufs Konto kriegen.

Graben tun wir mit Grabkarten, die es in vier verschiedenen Farben und einer „Tiefe“ von 1 bis 10 gibt. Jeder Spieler hat acht Karten davon auf der Hand. Er „gräbt“, indem er eine oder beliebig viele Grabkarten zu einer der acht Schatzgruben legt. Die erste Karte dort bestimmt die Farbe, die alle weiteren Karten haben müssen, die er oder seine Mitspieler dorthin legen. Die „Tiefe“ gibt an, wie tief man bereits gegraben hat; alle nachfolgend angelegten Karten zu einer Grube müssen den gleichen oder einen höheren Tiefenwert haben.

In einer Runde dürfen wir alle acht unserer Grabkarten verspielen, wir dürfen uns aber noch welche aufbehalten und schon früher passen. Danach dürfen wir beliebig viele Karten abwerfen und für die nächste Runde unsere Kartenhand wieder auf acht Karten auffüllen.

DiggersGewertet werden in einer Runde zwei vorbestimmte der acht Schatzgruben. Es werden nur solche Gruben gewertet, bei denen mindestens vier Grabkarten angelegt wurden. Zur Wertung werden eine Anzahl Siegpunkt-Chips verdeckt aus einem Säckchen gezogen. Die Anzahl ist einerseits abhängig von der Anzahl der Spieler, die sich hier beim Graben beteiligt haben, und andererseits von ausgewählten Grabkarten, nach denen hier noch weitere „Schätze“ zutage gefördert werden. Von den ausliegenden Siegpunkt-Chips darf sich der Spieler, der als erstes hier zu graben angefangen hat, den ersten Schatz aneignen; dann kommt der zweite Spieler dran usw.; wenn alle Grabungsteilnehmer durch sind, und noch weitere Schätze offern liegen, darf wieder der erste Spieler zugreifen.

Nach sechs Runden ist das Spiel zu Ende, die verfluchten Siegpunkte sind geheilt oder nicht, je nachdem zählen sie zur Beute oder nicht. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen. (Wer hätte das gedacht?)

Allein dieser Ablauf ist schon taktisch genug. Doch das Spiel bietet ein ganze Reihe weiterer „nicht-linearer“ (euphemisch ausgedrückt) Elemente, die die taktische Ausrichtung aufweichen und das spielerische Element fördern. So kann man sich mittels bestimmter Grabkarten auch als Zu-Spät-Gekommener an einer Schatzgrube zum ersten Auswähler machen; man kann statt der beiden Schatzgruben, die für die nächste Wertung vorbestimmt sind, die nächsten beiden Schatzgruben werten lassen. Und ähnliches. Eine sehr gelungene Mischung von Zufallseinflüssen mit reichlich (aber nicht überreichlich!) gebotenem Denken und Taktieren in einem Höchstmaß an Interaktion und mit einem klaren spielerischem Gesamteindruck …

Was ich hier beschrieben habe, gibt es noch nicht zu kaufen. Wer feine Ohren hat, (mindestens so fein, dass er damit das Gras wachsen hört), konnte allerdings heraushören, dass es sich hier um Aarons „Diggers“ handelt. Schon am 30. Januar 2013 lag das Spiel in einem bereits spielbaren Zustand zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Schon damals war es reizvoll in Geschwindigkeit und Taktik. (OK, die Geschwindigkeit hat jetzt etwas nachgelassen, es ist ja jetzt auch ein ausgewachsenes Brettspiel und kein reines Kartenspiel mehr.) Jetzt hat es einen gut drei Jahre dauernden Reifeprozess durchgemacht. Aus der Urversion, einem reinen Planspiel war es in Kooperation mit nördlichen Glücksrittern zwischenzeitlich zu einem reinen Chaosspiel ausgeartet, bis es mit Hilfe von kompetenten Köpfen aus dem „What’s your game“-Verlag die heutige gelungenen Balance gefunden hat. In Essen 2016 wird es erscheinen! Der Name ist noch offen, „Diggers“ wird es nicht heißen, eher etwas wie „Die Legende von …“ Ich habe hier in eigener Regie ein Kunstwort aus dem sonnigen Helios und dem berühmten Koh-i-noor eingefügt. Viel Erfolg!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Karuba”

Ein realer Titel, ohne die fiktiven „Legenden“. Geschaffen von Rüdiger Dorn, ausgewählt unter die Kandidaten zum „Spiel des Jahres 2016“.

Jeder Spieler hat ein Dschungel-Areal aus fünf mal sechs wegelosen Rechtecken vor sich, durch das er vier Wege von jeweils einem Pöppel-besetzten Ausgangspunkt bis zu einem vorgegebenen Zielpunkt bahnen soll.

Karuba„Gebahnt“ wird, indem verdeckt Wegeplättchen gezogen werden, die entweder eine grade Strecke, eine Kurve, eine Wegegabelung oder eine Kreuzung beinhalten. Dieses Plättchen darf der Spieler auf ein beliebiges Rechteck in seinem Dschungel legen. Bestrebung ist es natürlich, die Plättchen so zu legen, dass ein möglichst effizientes Wegenetz entsteht, in dem auf möglichst kurzer Entfernung möglichst alle vier Zielpunkte angelaufen werden können.

Laufen muss man natürlich auch noch. Jeder Spieler darf das aktuell gezogene Wegeplättchen abwerfen und stattdessen mit einem seiner vier Pöppeln auf einem bereits von ihm gebahnten Wegstück ein paar Schritte in Richtung Ziel zurücklegen. Die Anzahl der erlaubten Schritte wird durch die Anzahl von Wege-Enden auf dem abgeworfenen Wegeplättchen bestimmt: eine einfache Strecke erlaubt 2 Schritte, eine Kreuzung deren gleich 4. Da heißt es ein bisschen abzuwägen, ob eine Kreuzung jetzt als ideal-passend für das Wegenetz eingelegt wird, oder lieber für vier Laufeinheiten abgeworfen wird.

Das ist aber noch nicht alles, was es zu bedenken gibt. Auf den Wegeplättchen sind Diamanten eingezeichnet, die ein Pöppel – als Siegpunkte – einsacken kann, wenn es daran vorbeikommt. Ein Argument mehr, das Plättchen für das Wegenetz und nicht für die Bewegung zu nutzen. Diamanten dürfen aber nicht „en passant“ einkassiert werden, auf ihnen endet die Vorwärtsbewegung eines Pöppel. Es nutzt also nichts, mit einer Kreuzung vier Schritte gehen zu dürfen, wenn nach einem einzigen Schritt bereits ein Diamant liegt, den man gerne auflesen möchte. Die Wegeplättchen mit Diamanten sollten also in solchen Entfernungen zueinander in das Dschungel-Areal gelegt werden, dass ein Pöppel effiziente Schrittfolgen zurücklegen kann.

Wer eine der vier vorgeschriebenen Strecken vollständig gebaut und mit seinem Pöppel durchschritten hat, bekommt eine erhebliche Siegpunkt-Prämie, die umso höher ist, je früher er vor seinen Mitspielern das Ziel erreicht hat. Es gilt also, ein ganze Reine von topologischen, metrischen und ökonischen Rahmenbedingungen unter einen Hut zu bringen.

Bemerkenswert ist, dass alle Spieler die gleichen Start- und Zielpunkte miteinander verbinden müssen, und alle bei jedem Zug das identische Wegestück nutzen müssen. Da könnte man doch vermuten, dass alle Spieler das gleiche tun. Damit würde sich das Spiel in einem total-symmetrischen Aktionismus verlaufen. Bei uns kam diese Symmetrie allerdings nicht vor, und auch der Autor Rüdiger Dorn hat uns glaubhaft versichert, dass er in seinen umfangreichen Testrunden „noch nie(!) am Ende des Spiels identische Wegenetze auf verschiedenen Spielertafeln gesehen“ hat. Offensichtlich sind die Menschen doch zu individuell in ihrem Denken und sehen gefühlsmäßig unterschiedliche Vorgehensweise als das für sie “Optimale” an. Zumindest liegt Plättchen-für-Plättchen die optimale Vorgehensweise nicht klar auf der Hand. Es gibt genügend Spielraum für ein gefühlsmäßiges bzw. spielerisches Optimieren. Dies ist einer der vielen Vorzüge dieses schnellen, kreativen, konstruktiven Spielchens.

Wir wünschen Rüdiger Dorn viel Glück in der Endausscheidung der Jury SdJ.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einschließlich 1 Rüdiger-Punkt, nette Taktik-Mischung für Risiko eingehen und Risiko auflösen), Günther: 7 (locker, leicht), Walter: 8 (einschließlich 1 Rüdiger-Punkt: rund und schnell, es gibt viele Schienen, große Zugfreizeit. Man kann immer denken, aber in einem so wohlabgesteckten Rahmen, dass daraus keine lästigen Wartezeiten entstehen. Zudem denken alle Spieler gleichzeitig.)

3. “3 sind eine zu viel”

Klingt auf den ersten Blick wie die Hälfte von „6 nimmt“, spielt sich auf den ersten Blick auch so. Jeder hat eine Anzahl von Handkarten mit Zahlen zwischen 1 und 89 auf der Hand. Jeder spielt reihum eine Karte davon aus und legt sie an die aus der Wertigkeit seiner Karte definierte Stelle in einer der drei offen ausliegenden Kartenstapeln auf dem Tisch. Enthält der betroffene Kartenstapel danach erst maximal drei Karten (plus die festbleibende Basiskarte 0, 30 oder 60), so passiert nichts. Ist die angelegte Karten die vierte Karte, so muss der Spieler von diesem Stapel alle Karten nehmen, die höher sind als seine Karte; ist die angelegte Karte die höchste Karte, so muss der Spieler die kleinste Karte nehmen.
Drei Unterschiede beim Kartenablegen im Vergleich zu „6 nimmt“

  1. Die Spieler ziehen und spielen reihum einzeln nacheinander ihre Karten, und ziehen sie nicht alle auf einmal.
  2. Kleinere Karten werden einfach an die zugehörige Position innerhalb eines Stapels gelegt, ohne dass man dafür gleich einen ganzen Stapel kassieren muss.
  3. Man “muss” (falls man muss) nicht den ganzen Stapel nehmen, sondern nur eine kleine, teilweise sogar auswählbare Portion davon. Es gibt kein Pulsieren zwischen total leeren und sich langsam füllenden Kartenstapeln auf den Tisch, die Stapel sind mehr oder weniger ständig gefüllt.

Die entscheidendsten Unterschiede gegenüber „6 nimmt“ ergeben sich aber aus der Siegpunkt-Wertung. Hier sind die Unterschiede allerdings so gravierend, dass sich ein total anderes Spielen und Spielgefühl ergibt:

  1. Die Spielkarten enthalten keine “Hornochsen” mit Strafpunkten, wenn man eine solche Karte abräumen musste
  2. Die Spielkarten sind in sieben verschiedenen Farben gehalten. Von jeder Farbe darf jeder Spieler straflos eine oder zwei Karten einkassieren. Sie bringen keine Minuspunkte, ganz im Gegenteil, sie sind 1 bzw. 5 Pluspunkte wert, wenn man sie bei Spielende besitzt.
  3. Wenn man von allen sieben Farben jeweils eine oder zwei Karten sammeln konnte, erhält man die gewaltige Siegpunktprämie von 10 Punkten.
  4. Erst wenn man von einer Farbe drei oder mehr Karten einstreichen musste, wird die gesamte Farbe temporär eliminiert, zählt auch nicht mehr für die Siegpunktprämie, und jede Karten bringt einen Strafpunkt ein. (Im weiteren Spielverlauf darf man natürlich wieder neu anfangen, diese Farbe zu sammeln.)

Alte „6-nimmt“-Hasen (wir) fangen „3 sind eine zu viel“ zunächst mal ganz falsch an. Sie versuchen auf Teufel komm’ raus zu vermeiden, dass sie überhaupt Karten einkassieren müssen. Erst nach einer Weile erkennen sie, dass einkassierte Karten ja zunächst mal Pluspunkte bedeuten. Dann versuchen sie auf Teufel komm’ raus möglichst viele Karten zu ergattern und damit verschiedene Farben-Pärchen zu bilden. Die Strafpunkte, die man bekommt, wenn ein Pärchen unglücklicherweise noch ein Kind bekommt, sind gering im Vergleich zu den Siepunkten für reine Pärchen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nette Alternative zu „6 nimmt“ oder „Abluxxen“, nimmt hier aber – wegen seiner lästigen Art zu denken – erst die dritte Stelle ein. Man hat immer das Gefühl, man kann etwas machen, aber eigentlich kann man nur Fehler machen oder Fehler vermeiden, und zwar triviale bzw. mechanistische Fehler.), Günther: 7 ([zwischen 6 und 7] man könnte es lockerer spielen [als wir es getan haben], das Verleiten zum Ausrechnen der nächsten Züge macht es verkniffen), Walter: 6 (man kann rechnen, man muss rechnen, aber das wird nicht unbedingt auch belohnt).

Nachdem bei „6-nimmt“ schon vor Jahrzehnten unser Thomas d.J. hartnäckig die These vertreten hatte, man kann dieses Spiel auch gewinnen, wenn man seine eigenen Handkarten blind auswählt, haben wir diese Technik sogleich auch mal bei „3 ist eine zu viel“ ausprobiert. Was steht zu erwarten?

Keiner bekommt eine Prämie für den Zwischenbesitz aller sieben Farben. Auch am Ende bekommt keiner eine Prämie für den Endbesitz von sechs oder sieben Farben. Aber erstaunlicherweise konnten ALLE Spieler jeweils ca. 10 ihrer 18 Karten spielen, OHNE dabei eine einige Strafkarte einstecken zu müssen. Erst danach hagelte es ins Kontor. Fazit: Überlegt nicht so lange, wenn ihr euere ersten Karten spielt. Erst nach der Halbzeit spielt das (beschränkte) Kartenmanagement eine Rolle.

18.05.2016: Codenames zwischen zwei Aarons

1. “Saami”

Gewogen und für gut befunden hatten wir vorletzte Woche Aarons neueste „Saami“-Version. Sogar für sehr gut. Doch die Geschmäcker im Norden der Republik sind anders. Wieder wurde von dort gefordert, an weiteren Rädchen zu drehen und neue dazuzubasteln. Heute stellte Aaron uns im Süden beide Versionen nebeneinander vor.

Mit der allerneuesten Nord-Version hatten wir viel Spaß, teils mit den Regeln, teils gegen die Regeln, teils über die Gereimtheiten, teils über die Ungereimtheiten im Spielablauf. Wir durften uns ja auch ungestraft über alles mokieren, was nicht in unsere WPG-Philosophie passte. Selbst Aaron vergeudete für Kritik und Lästereien nicht einmal ein halbes strafendes Auge. Günther gewann. Das spricht doch immerhin für die (immer noch) innewohnende taktisch-strategische Herausforderung.

In der Süd-Version fand sich Walter sofort wieder zurecht, es war ja exakt die Version aus der Duo-Session von vor zwei Wochen. Verständliche Mechanismen, einsehbare Aktionen, einfache Tabellen ohne fehleranfällige Handhabung. In Bayern wird die Schadensrechnung S = a + b – c – d mit Werten im Zahlenraum zwischen 0 und 10 ja problemlos beherrscht. Die ursprüngliche Idee mit dem Kampf der zwei Seelen in eines jedem Mitspielers Brust, sich einerseits für die Gemeinschaft einzusetzen und andererseits die Gemeinschaft aus Eigennutz scheitern zu lassen, diese Idee dominiert den Spielablauf. Einziges kritisches Indiz: Unser Chefstratege Günther hat nicht gewonnen …

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Codenames”

Ein Wort-Unterhaltungsspiel für intelligente Familien oder Freundeskreise. Auf dem Tisch liegen fünfundzwanzig Kärtchen mit einfachen deutschen Hauptwörtern. Davon sind vom Zufall acht Stück willkürlich einem Team (bzw. einem Einzelspieler) zugeordnet, wobei die Zuordnung nicht bekannt ist. Die Aufgabe besteht nun darin, die acht zugeordneten Wörter herauszufinden.

Wie geht das? Ein definierter Spieler des Teams (oder ein neutraler Mitspieler) kennt die Zuordnung und muss Hinweise auf einzelne Wörter geben, nach denen sein Team diese Wörter erkennt, benennt, und so Wort für Wort die Aufgabe löst.

Ein Hinweis darf nur aus einem einzigen Wort bestehen. Natürlich keines, das auf einem der Kärtchen steht. Im Idealfall kann ein einziger Hinweis auch für mehrer Wörter gelten. Gehören z.B. die Wörter „Hund“ und „Katze“ zu einem Team, dann wäre der Hinweis: „Tier, 2 Stück“ eine gute Idee. Vorausgesetzt, dass kein weiteres Tier-Wort mehr auf der Tisch liegt, das nicht zum Team gehört. Denn falls ein Team ein falsches Wort bezeichnet, ist der Rate-Zug zu Ende, und das nächste Team kommt an die Reihe.

Wir immer bei solchen Wort-Spielen müssen die Teilnehmer eine gewisse Disziplin beherzigen: Nicht vorsagen, nicht dreireden, keine Zusatz-Informationen geben und sich bei den Hinweisen genau an die vorgegebenen Regeln halten. Hier ein großes Lob an den Autor Vlaada Chvátil bzw. an den CGE-Verlag: Die Beschreibung der erlaubten bzw. nicht erlaubten Hinweise im Regelheft ist vorzüglich: exakt und doch offen, mit Freiheiten für Spielgestaltung, Humor und Kreativität entsprechend dem Horizont der Teilnehmer.

In unserer Dreierrunde war jeder einmal der Hinweisgeber und die anderen beiden mussten in Konkurrenz zueinander die ihnen jeweils zugeordneten Wörter finden. Zum Kennenlernen des Spiels ist dieses Vorgehen durchaus geeinet. Es funktioniert auch später noch in einer Dreierrunde und garantiert einen Unterhaltungsspaß für wortschöpferische Bildungsbürger.

Bei uns lag u.a. das Wort „Muschel“ auf dem Tisch! Welchen Spaß hatten wir allein mit den hier möglichen Assoziationen, nachdem erst einmal das Schlagwort „Muschi“ gefallen war! Welche der Wörter Wurm, Ritter, Laster, Nagel, Apfel, Horn, Mini kann „man“ damit in Verbindung bringen. Alle! Ja, fast alle der vierhundert mitgelieferten Wörter in der Erstausstattung. Die paar ganz einschlägige Sozis habe ich hier ja noch ausgelassen! Mehr als 180 Lebensjahre, verteilt auf drei Köpfe, konnte ihre Erfahrung und Phantasie ins Kraus schießen lassen …

WPG-Wertung: Aaron: 8 (ich spiele es richtig gerne), Günther: 7, Walter: 7 (aber nur unter spritzigen Schnell- & Schöndenkern).

3. “Diggers”

Einen Tag später kam Aaron nochmals am Westpark vorbei, um die aktuelle Version einer weiteren Eigen-Schöpfung vorzustellen, ebenfalls ein Kandidat für die Spiel-2016 in Essen.

Herausgebracht werden soll es bei „What’s your Game“, wobei Name und Thema noch nicht ganz feststehen. Der Verlag hat jetzt fast ein ganzes Jahr daran geknabbert und eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen angebracht. Aber er hat sie nicht nur skizziert und gefordert, er hat sie auch fein säuberlich ausgearbeitet, erfolgreich getestet, Material und Regelheft adaptiert, und darauf hingewiesen, wo noch die Balance einzustellen ist. Eine solch konstruktive Zusammenarbeit mit einem Verlag ist für jeden Autor ein Traum!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

04.05.2016: Saami im Duett

Günther spielt heute in Traun an der Traun im TraunCon viele, viele Brettspiele. Moritz dirigiert in Linz an der Donau zwei „riesige Uraufführungen“, Peter wühlt sich in Bamberg an der Regnitz in schmutzige Akten aus dem Vatikan, und Horst weint immer noch in der Allianz Arena bei München an der Isar einem Sieg hinterher, der eine Niederlage bedeutet. So blieb dem Restcorps der Westparkgamers, Aaron und Walter, für heute nicht anderes als ein Paso Doble übrig.

1. “Saami”

Aaron’s Eigenentwicklung, vom Argentum-Verlag für die Spiel-2016 in Essen vorgesehen, geht seiner Reifung entgegen. Erstaunlich, dass kurz vor der endgültigen Abgabe immer noch an so vielen Rädchen gedreht wird; einige wurden weggelassen und ein paar andere entschlackt.

Schon vor über einem Jahr hatte Peter die damalige Version kommentiert mit: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“ Und Moritz merkte damals an „Ein super Spiel; es besitzt keine eingefahrene Strategie, sondern ist höchst flexibel.“ Dann geriet das Spiel in die Fänge von Verlag und Markt-Vorstellungen. Es wurde aus der Schiene der strengen Planbarkeit in eine Schwimme-im-Chaos-Richtung gedrängt. Es wurden Schnörkel eingebaut, an denen sich unbedarfte, chaotisch veranlagte Spieler verlustifizieren konnten, während den Freaks die strategischen Felle davonschwammen.

Vor einem Monat hatten wir das Spiel zum letzten Mal am Westpark auf dem Tisch, und wir waren alle ziemlich ratlos über den Wust an neuen, unberechenbaren Spiel-Elementen, die uns da vorgesetzt wurden. Entschlackung, Streaming war die Devise. Aaron hat diesen sicherlich auch schmerzhaften Prozess des sich Trennens von hübschen, aber unfunktionellen Schnörkeln in verhältnismäßig kurzer Zeit (im Vergleich zu der langen Zeit, in der diese Schnörkel mehr und mehr gewachsen sind), erfolgreich hinter sich gebracht.

Jetzt vereinigt „Saami“ planerische und spielerisch-zufällige Elemente in harmonischer Weise miteinander. Es gibt ein Höchstmaß an Interaktion, aber keinesfalls in einem unberechenbaren Aufeinanderprallen unterschiedlicher Mitspieler-Ambitionen. Jetzt werden die Spieler in jeder Runde vor neue Detail-Herausforderungen gesetzt, wobei die große Linie aber über mehrere Runden vorhersehbar ist. Jetzt können die Absichten eines jeden Mitspielers als für seine Position folgerichtig erkannt und bei der eigenen Zugplanung berücksichtigt werden.

Die Basis ist immer noch ein gewisses Worker-Placement, aber Aaron wollte dieses aktuell-modische Prinzip nicht allzu strapazieren. Er hat es in eine ganz neue, dynamische Ausprägung umgegossen. Auf der einen Seite kämpfen solidarische Helfer an der gemeinsamen Katastrophenfront, auf der anderen Seite versuchen Etappenhasen im Hinterland gefahrlos ihr eigenes Süppchen zu kochen. Es ist nicht immer vorhersehbar, auf welche Seite sich die Waage des Schicksals neigen wird. Bis zum Spielende spielen da auch Zufallseinflüsse eine Rolle. Man kann es darauf ankommen lassen, aber man kann dem Schicksal auch in die Karten schauen. Für Spieler, Planer, Anpacker und Waghälse, für alle ist in „Saami“ etwas dabei. Vor allem aber für Spiele-Freaks. Der Westpark kann stolz darauf sein.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

27.04.2016: Gute deutsche Spielhausmannskost

Peter freute sich schon im Vorfeld auf „gute deutsche Spielhausmannskost“ und versprach gleichzeitig, einen „special guest“ mitzubringen. Die Hausmannskost wurde akzeptiert, doch sollte er sie selber mitbringen und sich selbstverständlich darauf vorbereiten. Der special guest war die freudige Überraschung: Loredana, eine alte (junge) WPG-Mitspielerin, die vor anderthalb Jahren das letzte Mal bei uns aufgetaucht war. Schön, dass Du heute dabei warst!

1. “Wikinger”

Vor neun Jahren, nach dem ersten Spielen am Westpark, hatte Peter sich dieses damals brandneue Spiel zugelegt. Aber bis heute hat er es nicht mehr gespielt. Es war noch eingeschweißt, und wir mussten zuerst die Einzelteile aus den Stanzbögen herauspulen. („Auspöppeln“ hat Moritz diese Tätigkeit schon vor Jahren genannt; so ist es in unser aller Sprachgebrauch eingegangen, allerdings wird dieses Verb bis heute von Duden, Wiktionary und LEO hartnäckig ignoriert. Nein, wir meinen nicht „aufpäppeln“!)

Peter als vielbeschäftigter ERC-Wissenschaftler hatte sich natürlich nicht vorbereitet (eine Todsünde!), und keiner konnte sich mehr so genau daran erinnern, wie die „Wikinger“ funktionieren. Zeile für Zeile des Regelheftes mussen wir uns wieder die Geheimnisse des Spielverlaufs erarbeiten. Die Frage: „Spielen wir gleich die Expertenregel“ wird am Westpark normalerweise einstimmig bejaht, diesmal verzichteten wir darauf. Jeder hatte noch im Hinterkopf, dass das Spiel auch allein mit den Grundregeln rund und schön ist. Keiner wollte sich in die Niederungen der Startspieler-Versteigerung begeben, keiner vermisste hundert neue Sonderteile und Sonderregeln beim Landschaftsbau, und die peu-a-peu Verteilung der Berufsgruppen um das Versteigerungsrondell mag „gerechter“ sein und den Spielern weiteres Material zum Denken und Planen in die Hand geben, aber das kostet unnötig Zeit. Die „Wikinger“ haben solche Schnörkel überhaupt nicht nötig. Bei einer spielerischen Auffassung des hier Dargebotenen braucht es das alles nicht.

Auf einem Rondell liegen Inselteile (Insel-Anfang, Insel-Ende und Insel-Mittelstücke), von denen die Spieler reihum jeweils eines erwerben und horizontal oder vertikal in ihre individuelle Landschaft einbauen. Bei der vertikalen Erweiterung sind dem Anlegen keinerlei Grenzen gesetzt, beim horizontalen Anlegen müssen alle Inselteile topologisch zueinander passen: Zu einem Insel-Anfang passt nur ein Mittelstück oder ein Ende, aber kein weiterer Insel-Anfang. Usw. …

Hier die optimalen, teils lebenswichtigen Inselteile auszuwählen, das ist die Crux des Spieles. Natürlich weiß jeder Spieler sofort, welches der ausliegende Teile zu seiner aktuellen Entwicklung am besten passt. Im Prinzip darf er sogar auf jedes beliebige der angebotenen Teile zugreifen. Allerdings sind die Kosten dafür extrem unterschiedlich. Das Inselteil am definierten Anfangspunkt des Auslagen-Rondell kostet gar nichts; je weiter entfernt vom diesem Nullpunkt ein Inselteil auf dem Rondell liegt, desto teurer ist es. Der Preis kann auf bis zu 11 Münzeinheiten steigen. Da sind wir mit unserer Anfangsausstattung von 20 Münzen schnell am Ende.

Zu jedem Inselteil gehört ein Männlein unterschiedlicher Farbe bzw. unterschiedlicher Berufsgruppe (Bootsmann, Kämpfer, Adeliger, Späher, Goldschmied und Fischer). Jeder trägt auf seine Weise zur Wertsteigerung der Landschaft bei. Es gilt, die Bevölkerung zu ernähren, die Wikinger abzuwehren, und Nachschubmünzen sowie Siegpunkte zu erwerben.

Mehr Worte will ich über die Regeln jetzt gar nicht verlieren. Das Spiel ist laut Luding zwar noch lieferbar, aber wer kauft sich schon ein Spiel von vorgestern? Obwohl es sich lohnen würde! Das Spiel stellt alle Spieler vor eine gerade richtige, überschaubare Herausforderung an kurz-, mittel- und langfristiger Zugplanung. Die Mechanismen sind sehr gut ausbalanziert, und auch die Spieldauer von 50 Minuten passt genau. Bei Spielende darf jeder bedauern, dass er nicht noch ein-zwei Runden länger an seiner Entwicklung basteln kann. Aber das ist auch gut so, sonst könnten wir noch länger über jeden einzelnen Zug nachdenken und uns daran festbeißen. So aber ähnelt der Spielgenuss von „Wikinger“ dem eines guten französischen Mahls: lauter bestens abgestimmte Leckerbissen und am Ende ist keiner pappsatt, sondern freut sich schon auf den nächsten Besuch im gleichen oder nächsten Restaurant. Die Dosis macht’s, das sagte schon Paracelsus.

Altmeister Michael Kiesling hat mit dem Spieldesign ganze Arbeit geleistet, und sicherlich hat auch der Nobelverlag Hans-im-Glück das seine dazu beigetragen, mit “Wikinger” ein Schmuckstück jeder Spielesammlung herauszubringen.

Günther gewann, was immer ein sicheres Indiz für die intellektuelle Stimmigkeit eines Spiels ist. Peter wurde Letzter, er hatte einfach übersehen, dass seine Leute am Ende auch noch ernährt werden müssen.

WPG-Wertung: Alle „alten Hasen“ blieben bei ihren guten 8 Punkten. Das zehn Jahre alte Spiel hat nichts von seinem Glanz eingebüßt. Einfach höchste HiG-Qualität. Selbst Neuling Loredana reihte sich mit ihren 8 Punkten in das alte Lob ein. („Kleine Einschränkung: Für einen Anfänger gilt es auf sehr viele Dinge zu achten; mit wachsender Spielerfahrung sollte das hoffentlich beherrschbar sein.“)

2. “Kabale und Hiebe”

Etwas vereinfacht ausgedrückt, ist es eine chaotische Weiterentwicklung von „Hol’s der Geier“. Jeder hat den gleichen Satz von Bietkarten mit den Werten von 0 bis 20. Jeder bietet damit um ausliegende Siegpunktkarten, indem er jeweils eine Bietkarte aus der Hand auswählt und verdeckt ausspielt.

Die Unterschiede zu „Hol’s der Geier?“ Es liegt nicht nur eine, sondern jeweils vier Siegpunktkarten gleichzeitig zur Versteigerung aus. Jeder kann / muss mehrmals eine Bietkarte spielen, bevor es zur Auswertung kommt und die Siegpunktkarten verteilt werden. Und von den 20 Bietkarten eines Sets steht einem Spieler nur eine kleine Zufallsauswahl von jeweils drei Stück zum Ausspielen zur Verfügung.

Doch die Bietkarten haben nicht nur einen festen Zahlenwert, sie haben zusätzlich noch Eigenschaften, die auf die bereits ausliegenden eigenen oder fremden Bietkarten erheblichen Einfluss ausüben. Beide „König“ und „Knappe“ gemeinsam in einem Stapel gewinnen immer, egal, was die anderen Spieler hier geboten haben. Ein „Romeo“ ist dreimal so viel wert, wenn er bei der „Julia“ liegt. Der „Zauberer“ eliminiert alle Bietkarten mit Werten über 10, die „Hexe“ eliminiert alle Bietkaten mit Werten unter 9, ein „Meuchelmörder“ eliminiert die nächste Bietkarte, die zu seinem Stapel gelegt wird, und der „Bettler“ bewirkt, dass nicht der Spieler mit dem höchsten Gebot gewinnt, sondern der mit dem geringsten Gebot. Jeder kann-soll-muss jedem unaufhörlich in die Suppe spucken. Nichts ist mehr berechenbar. Kartenpflege gibt es auch nicht. Selbst ein gutes Gedächtnis über alle bereits gespielten bzw. über die noch im Spiel befindlichen Bietkarten schützt nicht davor, gekillt, eliminiert oder auf den Kopf gestellt zu werden.

Peter merkte kritisch bis abfällig an: „Für ein Hans-im-Glück-Spiel ist das ein ziemliches Glücks-Spiel. Günther: „Wenn Deine Planung schief geht, brauchst Du ja nicht zu planen!“ Walter: „Da kann ich meine Kartenhand ja gleich zufällig abspielen!“ Günther: „Nein, nein, 50% der Planung wird schon gut gehen …“.

Das kleine „Hol’s der Geier“ bekam vor fünfzehn Jahren von uns einen Notendurchschnitt von 6.4 Punkten; das deutlich komplexere „Kabale und Hiebe“ einen halben Punkt mehr. Damals! Heute haben wir alle unsere Punktwertung von vor zehn Jahren deutlich reduziert, jetzt hat „Hol’s der Geier“ mit 0.2 Punkten die Nase vorn. Und dabei haben Aaron und Moritz noch gar nicht die Gelegenheit gehabt, auch ihrerseits ihre Wertungen zu reduzieren.

WPG-Wertung: Günther: blieb – HiG-minded ! – bei seinen bisherigen 7 Punkten (als Gag-Spiel), Loredana vergab neue 5 (es ist schnell, macht Spaß, aber es nervt), Peter: reduzierte seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (komisch, dass so ein Spiel im Programm von HiG ist; nochmals spielen möchte ich es nicht), Walter reduzierte seine bisherigen 5 Punkte auf 4 (das Spiel mag vielleicht eine ausgereifte Gag-Chaos-Konstruktion sein, ihm gefallen aber grundsätzlich keine Spiele, wo ständig einer dem anderen regelgerecht in die Suppe spuckt)

Der Pietät halber sei hier noch vermerkt, dass unser guter Hans – requiescat in pace – seinerzeit 8 (acht!) Punkte für „Kabale und Hiebe“ vergeben hat.

3. “Mystery Rummy – Fall 4 : Al Capone”

Wenn hier nicht der Name „Rummy“ stünde, würde man unter „Al Capone“ ja so eine Art Deduktionsspiel vermuten. (Oder heißt das „Induktionsspiel“?) So aber ist das Ganze trotz der vielen Begriffe aus dem Ganovenmilieu, trotz „Hinweisen“, „Fallakte“ und „Unterwelt“ nur mehr oder weniger ein stinknormales Rommee. Die Begriffe dienen nur dazu, das ganz „normale“ Rommee-Vorgehen zu verschleiern: Karten vom verdeckten Nachzieh-Stapel ziehen, Karten auf den Ablagestapel ablegen, mit der wachsenden, variablen Kartenhand Kartensets bilden und sie in geeigneten Situationen als Auslage für die Siegpunkt-Bestimmung ablegen.

Es wird im Team gespielt, je zwei gegenüberliegende Spieler spielen zusammen, sie haben eine einzige gemeinsame Ablage, in der sie ihre Rommee-Sets ablegen und erweitern. Sie gewinnen oder verlieren gemeinsam.

Neben den Sammelkarten gibt es im „Mystery Rummy“ noch Chaos-Karten. Sie erlauben u.a., den Gegnern ein fein säuberlich abgelegtes Kartenset abzunehmen (mir-nix-dir-nix kostenlos), sich aus der Kartenhand der Gegner vorgegebene Sammelkarten herausgeben zu lassen (dabei darf der Gegner straflos verleugnen, dass er die gewünschte Kartenart überhaupt besitzt! Irrtum und Betrug ist Tür und Tor geöffnet! Mein Gott, pflanzen sich solche Anfänger-Designfehler denn immer noch weiter fort?!), den Ablagestapel nach gewünschten Sammelkarten abzugrasen und sie seiner Auslage einzuverleiben. Und ähnliche Scherze, die eine brave Rommee-Planung ad absurdum führen.

Konnte ein Spieler alle Karten ablegen, endet ein Durchgang und die Kartenauslage aller Teams wird gewertet. Welches Team in beliebig vielen Durchgängen auf eine vorgeschriebene Summe kommt, beendet das Spiel als Sieger.

Nach dem ersten Durchgang wollte Peter schon die Karten für den zweiten Durchgang austeilen, da warf Walter das Handtuch. Für einen Bridgespieler ist bereits das übliche Rommee und Canasta eine Entweihung der heiligen Spielkarten. Aber Rommee mit Sonderkarten, die einem Jäger und Sammler jeglichen Boden unter den Füßen entziehen, das schlägt dem Fass die Krone mitten ins Gesicht. Nein, keine zweite Runde. Loredana, die gar nicht richtig mitbekommen hatte, dass wir noch weitere Mystery-Durchgänge hätten spielen sollen, stimmte kategorisch in den Aufhören-Chor ein: „Schluss damit! Bluffen!“ Dagegen waren selbst unsere Schwergewichtler machtlos.

WPG-Wertung: Das vorzeitige (?) Ende des Spiels hinderte Günther, Loredana und Peter daran, eine Wertungsnote für das Spiel abzugeben. „Wir haben das Spiel noch nicht intus!“ Walter hatte das Spiel schon während Peters Regelerklärung intus bekommen. Sein wachsender Unmut entlud sich in immer ausgeprägterer Motzerei. Er hatte keine Probleme, auch dieses Rummy (Rommee, Rommé) mit reifen 3 Punkten ad acta zu legen.

Hallo Willi, dieses “Mystery” sollst Du uns empfohlen haben!? Ist das wahr? OK, wenn sich HiG schon mit seiner Kabale vom Verlags-Charakter entfernt hat, dann darfst auch Du Dich einmal bei Deinen Empfehlungen vergreifen.

4. “Zoff im Zoo”

Eine gute Stunde Bluffen geht selbst nach 20 Jahren regelmäßiger Unterhaltung mit diesem Spiel noch nicht an die Nieren. Aber Peter wollte vor dem Absacken mit „Bluff“ noch einen Zwischenakt einlegen und wußte auch sofort, wie er seine Loredana dazu rumkriegt: „Zoff im Zoo“! Dieser Verführung konnte sie nicht widerstehen. Nur ein kurzes Abwägen von Kuchen gegen Schokolade auf ihrer Seite, dann ein Aufleuchten in ihren Augen: „Zoff, wenn es hinterher noch zu einem Bluff reicht“.

Peter forderte die Buchführung für sich. Erstens verstehe er davon am meisten, zweitens sei er darin auch noch unfehlbar wie der himmlische Vater. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls musste er eine erhebliche Anzahl von Eintragungen in seinem Gewinn-Tableau überpinseln; Proteste bzw. Korrekturen an seiner Punkte-Rechnerei waren in jeder Runde an der Tagesordnung. OK, vielleicht hätten wir andere es auch nicht besser gekonnt … Peter bleibt der Beste.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8,2 Punkte Spiel.

5. “Bluff”

Günther gewann den ersten Durchgang im 3:1 Endspiel gegen Loreda. Walter gewann den zweiten Durchgang im 4:1 Endspiel ebenfalls gegen Loredana; allerdings konnte sie dabei noch auf 2:1 verkürzen. Dann begann sie mit 1 mal Stern. Walter hob auf 2 mal die Drei. Welche Zahlen hatte er mit seinen zwei Würfeln gewürfelt?

Hallo Loredana, jetzt hattest Du doch noch eine a priori Gewinnchance von (überschlägig) 66%. Ich weiß nicht mehr, welche Zahl Du gewürfelt hattest, ein Stern war es auf jeden Fall nicht. Aber auch ohne Stern standen die Chancen noch 3:2 zu Deinem Vorteil. Hast Du Deine Chance genutzt?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.04.2016: Platon im Ruhrgebiet

Im ersten Spielbericht des Jahres habe ich noch ohne jeden Hintergedanken geschrieben: „Keine Angst, liebe Spielkritiken-Leser-Gemeinde, die Westpark-Gamers sind noch nicht auseinandergebrochen.“ Und kaum eine Woche später war es dann soweit: Ein tiefer, offensichtlich nicht überbrückbarer Riss ging mitten durch unsere Spielerrunde. Einer (ein einziger) wollte mit einem anderen (einem einzigen) nichts mehr zu tun haben.

Anlässe, Hintergründe und Motive sind bei solchen persönlichen Auseinandersetzungen für Außenstehende rational oft nicht ganz nachzuvollziehen. Schon vor fast zweitausendfünfhundert Jahren schrieb Platon in seinen Dialogen: „Das Gerechte und das Ungerechte, das Schöne und das Hässliche, das Gute und das Böse, das sind Gegenstände, bei denen Meinungsunterschiede, dahin führen können, dass wir einander feind werden.“ Und weiter schreibt er: „Bei Diskussionen über unterschiedliche Meinungen ist es für die Beteiligten nicht leicht, sich über feste Begriffsbestimmungen zum Gegenstand ihrer Erörterungen zu verständigen, sich darüber zu belehren bzw. belehren zulassen, und so in Frieden voneinander zu scheiden. Wenn sie über etwas streiten, wirft der einem der eine dem anderen Unrichtigkeit in seinen Behauptungen vor; sie werden ärgerlich und glauben, dass sich der Gegner in seinen Ausführungen nur von Gehässigkeit gegenüber ihnen leiten lässt und nur rechthaberisch seinen Standpunkt zu behaupten sucht, nicht aber die betroffene Sache selbst zu erledigen strebt. In manchen Fällen nimmt die Sache den widerwärtigsten Abschluss: sie trennen sich, nachdem sie sich gegenseitig geschmäht und sich gegenseitig Dinge gesagt haben, die sie mit Scham erfüllen.“

Wir (fast) Unbeteiligten haben in der Zwischenzeit natürlich fleißig weitergespielt, aber die Lust an lockeren Sessionreports war mir ein Weilchen vergangen. Jetzt habe ich mich langsam vom ersten Scheck erholt. Heute geht es erstmals weiter.

1. “Haspelknecht”

Worker-Placement Szenerie in "Haspelknecht"
Worker-Placement Szenerie in “Haspelknecht”

Nach „Ruhrschifffahrt“ und „Kohle & Kolonie“ das dritte Spiel einer Trilogie um Geographie, Geschichte und Technik der Kohleförderung im Ruhrgebiet. Intensiv hat sich der Autor Thomas Spitzer mit den Begriffen und Spezifika des Kohleabbaus beschäftigt und sie in ein Spiel gegossen, das thematisch überzeugt, einen ausgereifen Workerplacement-Mechanismus präsentiert und hohen spielerischen Anforderungen genügt.

Wir beschäftigen einen Bauern, einen Knecht und bei Bedarf einen Leiharbeiter, später, wenn der Übertagebau erschöpft ist, auch noch einen Hauer (= Profi-Kohlehacker) und einen Haspelknecht (= nach Wikipedia, ein Transportarbeiter im Bergbau), um Kohle zu hacken und ans Tageslicht zu fördern, die in die Tiefe wachsenden Kohlestollen abzustützen und das allfällige Wasser abzupumpen. Unser Bauer kann sich anstatt im Kohlebergbau auch in der Landwirtschaft betätigen und für alle Beteiligten das notwendige Brot erzeugen.

Die bemerkenswerteste Erfindung in „Haspelknecht“ ist der Mechanismus, mit dem die einzelnen Spieler die Aktionen auswählen, die sie im folgenden Spieleabschnitt durchführen wollen. Auf drei Resourcenfeldern liegen je sechs Aktionssteine in zufälliger Zusammensetzung der Farben schwarz, braun und gelb. Schwarze Steine braucht man für Kohleabbau und Wasser-Abpumpen, braune Steine bringen Holz zum Abstützen der Stollen, und gelbe Steine erlauben Landwirtschaft oder ernähren direkt oder indirekt Leiharbeiter. Reihum darf sich jeder Spieler alle Aktionssteine einer Farbe auf einem Resourcenfeld nehmen. Wer Glück hat, findet gleich fünf Steine einer Farbe auf einem Feld und kann sich mit einem Schlag diese fünf Aktionssteine aneignen. Für die Nachziehenden bleibt hier dann wenig bis nichts mehr übrig.

Das Glück der vielen Aktionssteine im ersten Zug wird allerdings doppelt getrübt: Einmal ist fünf die Höchstzahl an Aktionssteinen, die sich ein Spieler aneignen kann. Wer bereits im ersten Zug seine Aktions-Scheuer füllen konnte, muss im zweiten Zug passen, während die Zu-kurz-Gekommenen des ersten Zuges noch ein zweites Mal zugreifen dürfen. Zweitens aber bestimmt der Wert der Aktionssteine beim ersten Zugreifen die Spielerreihenfolge. Wer hier am wenigsten nahm bzw. bekam, darf im nächsten Spielabschnitt als Erster wählen. Es ist durchaus sinnvoll, beim ersten Zugreifen etwas bescheidener zu sein, wenn man erkennen kann, dass man beim zweiten Zugreifen mit Sicherheit noch all die Aktionssteine bekommen wird, die man für seine Zugplanung braucht.

In jedem Fall ist der mit dieser Resourcen-Auswahl gekonnt ins Spiel hinkonstruierte Zufall eine schöne Erfindung: Einerseits ein spielerisches Zufallselement, und andererseits doch eine meisterbare Herausforderung. Man spuckt sich, im Gegensatz zu einem unkalkulierbaren Mitspielerchaos, nicht gegenseitig in die Suppe, sondern jeder wählt aus den angebotenen Chancen nach seinem kurz- und mittelfristigen Gusto die passendste heraus, hat damit aber einen sicheren, nicht mehr nullizifierbaren Besitz. Das sollten sich andere Zufalls-Ingenieure hinter die Ohren schreiben (lassen)!

Der Rest des Spiels läuft dann allerdings leider ziemlich autistisch ab. Nahezu unbeeinflusst voneinander wickelt jeder seine Aktionen ab, sät und erntet, baut und baut ab, und zahlt Steuern.

Mit den Aktionssteinen werden nicht nur die Arbeiter in Bewegung gesetzt, man beteiligt sich damit auch auf dem Feld der „Errungenschaften“ und erwirbt Eimer, Seile, Hacken, Leitern, Schubkarren und ähnliche nützliche Dinge. Sie liefern sofortige Prämien an Siegpunkten und Resourcen, und erhöhen später in der Endwertung auch noch die Faktoren, nach denen das Gesamt-Besitztum in Siegpunkte umgerechnet wird.

Moritz profitierte von unseren ersten Regelunsicherheiten: er fütterte den „Leiharbeiter“ doppelt und ließ ihn dafür gleich zwei Schichten pro Tag arbeiten. Es sah gut für ihn aus. Walter, der an solche multi-malocher Spiele gewöhnlich recht unbedarft herangeht, konnte mit den ersten reifen Prämien-Pflaumen in Führung gehen, doch sie waren, wie uns schon eine Binsenweisheit sagt, madig. Man muss beim Abwägen der sofortigen gegenüber den zukünftigen Vorteilen schon scharf hinschauen, um das Optimum zu finden. Günther fand es. Wie immer.

WPG-Wertung: Günther: 6 (bis 7, „am Ende lagen alle ziemlich nahe beieinander, selbst Walter mit seinem Un-Peil, das macht mich stutzig“), Moritz: 7 („dass Günther noch gewonnen hat, ärgert mich“), Walter: 6 (runde und schöne Erfindung, etwas zu lang und zu repetitiv; die vielen ausbalanzierten Rädchen sind ohnehin nicht mein Fall).

2. “Chimera”

Eine Tichu-Variante für drei Personen. In einem Quasi-Stichspiel legt der Spieler, der den aktuellen Stich gemacht hat, aus seiner Kartenhand eine der zulässigen Kartenkombinationen zum nächsten Stich vor; die anderen Spieler müssen bedienen, d.h. die gleiche, aber höherwertige, Kombination ablegen, oder passen. Zulässig sind ein Pärchen, ein Drilling, zwei Pärchen, zwei Drillinge, Drillinge mit Zusatzzahl, Straße und noch eine ganz Latte von poker-orientierten Kartenkombinationen.

Ein Spieler ersteigert das Alleinspiel, bekommt drei zusätzliche Karten aus dem Talon und muss sich dann gegen die beiden anderen Mitspieler durchsetzen. Die Mitspieler haben erstens den Vorteil, ein oder zwei Karten miteinander tauschen zu dürfen, zweitens können sie auch beim Ausspiel, beim Stechen oder Nicht-Stechen auf den Partner Rücksicht nehmen.

Durch die gegenüber Tichu wesentlich komplizierteren ablegbaren Kartenkombinationen ist die Bewertung der eigenen Kartenhand deutlich erschwert worden. Walter schaffte letzte Woche – in einer etwas anderen Spielerzusammensetzung – spielend einen Kantersieg von 250 Siegpunkten gegenüber plus und minus 40 Punkten seiner Konkurrenten, diesmal landete er weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die „Bomben“ seiner Mitspieler ließen alle seine Träume platzen, auch wenn die Bomben in Chimera „Fallen“ heißen.

Moritz: „Die komplexen Kartenkombinationen kommen leider nur einmal zu Beginn eines Durchgangs zum Tragen. Hier muss sehr viel geplant werden. Hinterher spielt jeder ohne viel zu denken seine geplanten Kombinationen ab; höchst selten ordnet er sie anhand des Spielverlaufes spontan um.“ Fazit: Denken und Planen in Chimera gegenüber Spielen und Reagieren in Tichy. Das wird selbst am Westpark nicht honoriert.

WPG-Wertung: Aaron: 6 ([letzte Woche, für Tichu: 5], „es ist kein schlechtes Spiel, aber nicht mein Fall“), Günther: 9 ([für Tichu: 10], ich bin halt ein Tichu-Freak), Moritz: 6 ([noch keine Tichu-Wertung!], „I like it“ – tönte es immer wieder, wenn er eine überraschend gute Kartenkombination ausspielen konnte, „das Bietsystem um den Alleinspieler ist OK, aber das Rad wurde hiermit nicht neu erfunden.“), Walter: 7 ([für Tichu: 9], es ist ein gutes Spiel, aber in der Herausforderung, mit einer zufälligen Kartenhand zurecht zu kommen, noch lange kein Skat.)