Vom 25.-27. November fand auch dieses Jahr wieder die DinxCon in Brixen (Südtirol) statt, ein vom Spieleverein Dinx aus Bozen organisiertes „laaaanges Spielewochenende“. Ich durfte zum ersten Mal dabei sein.
48 Stunden Spielen waren angesagt, nur kurz unterbrochen von ein paar Stunden Schlaf und Essenspausen (meine Netto-Spielzeit betrug rund 30 Stunden). Der Spieleverein hatte dieses Jahr insbesondere für Vielspieler vorgesorgt und eine bemerkenswerte Auswahl guter Spiele zusammengestellt.
Hier eine kurze Übersicht der von mir gespielten Spiele inklusive einer ersten Bewertung:
1. Azuchi Castle (Sungwoo Hyun, Baccum)
Schon bei den Westpark Gamers gespielt, wo es gar nicht gut ankam. Ein weiterer Versuch mit einer anderen Spielergruppe sollte zeigen, ob nicht doch etwas in diesem angeblichen Geheimtipp aus Essen 2016 steckt. Kurz gesagt: nein. Zu glückslastig, zu eindimensional und mit einer sehr gekünstelten Endebedingung. Es bleibt bei meinen 4 von 10 Punkten.
2. Via Nebula (Martin Wallace, Space Cowboys)
Anders als Martins Treefrog-Spiele ist Via Nebula eingängiger und fast schon familientauglich. Angetan bin ich von der eleganten Konstruktion aus Konkurrenz und (aufgenötigter) Zusammenarbeit. Solide 8 von 10 Punkte.
3. Tiefe Taschen (Fabian Zimmermann, Fobs Games)
Hier zeigte sich, dass die Zusammensetzung der Gruppe entscheidend für den Spielspaß ist. Bei den Westpark Gamers durchgefallen, kam es in Brixen deutlich besser an. Ich bleibe bei meinen 6 von 10 Punkten.
4. Weltausstellung 1893 (J. Alex Kevern, dlp games)
Dieses Spiel kommt daher wie ein einfaches Familienspiel, hat es aber in sich. Die Kartenauslage will gut studiert sein und die Zugmöglichkeiten auf ihre Auswirkungen abgeprüft werden. Schnell hat man den optimalen Zug übersehen oder das Spiel beschleunigt. Eigentlich nicht schlecht, wenn keine Grübler am Tisch sitzen, aber die positiven Elemente werden durch die Unplanbarkeit der chaotischen Auslageänderungen viel zu sehr überlagert. 6 von 10 Punkten.
5. Terraforming Mars (Jacob Fryxelius, Schwerkraft-Verlag)
In Essen dieses Jahr blitzschnell ausverkauft, war meine Erwartungshaltung entsprechend groß. Wir haben es mit einem Aufbauspiel zu tun, das streckenweise an Race for the Galaxy erinnert. Auch hier gilt es, zumindest eine grobe Ahnung davon zu haben, welche Ausbaukarten überhaupt im Spiel sind. Ansonsten spielt es sich ähnlich zahm; jeder scheffelt Siegpunkte und am Ende hat einer irgendwie gewonnen. Meine hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt: 6/10.
6. Flamme Rouge (Asger Harding Granerud, Lautapelit.fi)
Vor genau 30 Jahren erschien „6-Tage Rennen“ von Werner Toncar als Werbespiel bei Holtmann. Mit wenigen Elementen wurde hier die Radrenn-Situation sehr schön simuliert und ein spannendes Spielgefühl erzeugt. Und dieses Jahr erschien bei Lautapelit ein mehr als würdiger Nachfolger. Jetzt haben wir es zusätzlich zur Planung der eigenen Sprints noch mit Steigungen und Schussfahrten zu tun und wer den Anschluss zum Peloton verloren hat muss extra stark in die Pedale treten, um wieder im Windschatten mitfahren zu können. Sehr schön. 8 von 10 Punkten.
7. Oben und Unten (Ryan Laukat, Schwerkraft-Verlag)
Wie so oft hat auch hier Ryan Laukat sein Spiel ausgesprochen stimmig illustriert. Was anfangs nach einem normalen Worker-Placement-Spiel aussieht, ist zusätzlich angereichert mit kleinen Abenteuern, die man erlebt, sobald man seine Arbeiter in den Untergrund schickt. Hier ist noch einmal viel Arbeit in die mehr als 200(?) Szenenbeschreibungen eingeflossen, die einerseits für ein wenig mystische Stimmung sorgen, andererseits aber durch deren zufällige Auswahl und sehr unterschiedlichen Effekte auch mal frustrieren können. Aber solide 7 von 10 Punkten bekommt es schon.
8. First Class (Helmut Ohley, Hans im Glück)
Ursprünglich als Russian Railroads Kartenspiel geplant, bietet First Class doch seinen ganz eigenen Reiz, obwohl die Nähe zu RR nicht zu übersehen ist. Leider verwendeten wir versehentlich statt des 2. Kartensatzes den 3. und erst danach den 2., was zu merkwürdigen Effekten führte. Das Spiel verzeiht diesen Spielfehler offenbar nicht, denn ein Spieler hatte auf eine reine Bahnlinien-Ausbaustrategie gesetzt und gewann damit haushoch. Klar, wenn die wertvollen Bahnstrecken des 3. Satzes zu früh ins Spiel kommen. Vielleicht nicht ganz fair, aber ich bleibe bei meinen nur 6 von 10 Punkten.
9. Krazy Wordz (Dirk Baumann, Thomas Odenhoven, Matthias Schmitt, fishtank)
Okay, ich hatte ja schon die Erfahrung gemacht, dass dieses Spiel nicht in allen Runden zündet. Diesmal hatte ich das Glück in einer lustigen 6er-Runde zu spielen und entsprechend ausgelassen ging es zu. Trotzdem gab es eine neue Erkenntnis für mich: Man hat schlechte Chancen, wenn man als einziger in der Runde aus einem anderen Sprachraum kommt und sei es nur, wenn sich um den Unterschied zwischen Hochdeutsch und südtiroler Dialekt handelt. Die Wortassoziationen sind bemerkenswerter Weise sehr unterschiedlich. Obwohl ich haushoch verloren habe, bleibt es bei meinen 8 von 10 Punkten.
10. The Last Friday (Antonio Ferrara, Sebastiano Fiorillo, Heidelberger Spieleverlag)
Ein Spiel, das kurzzeitig für heftige Diskussionen innerhalb der Spiele-Autoren-Zunft sorgte. Darf ein Spiel thematisch und vom Cover her eine Nähe zu einem realen Anschlag (Utøya, 2011) haben? Muss man hier eine Triggerwarnung mitliefern? Ich war mir da selber nicht so sicher und daher froh, das Spiel spielen zu können. Vordergründig handelt es sich um eine „Scotland Yard“-Variante mit dem Unterschied, dass 4 Runden gespielt werden und in Runde 1 und 3 ein Wahnsinniger die übrigen Spieler jagt und in den Runden 2 und 4 sind die Rollen getauscht: jetzt jagen die Gejagten den Wahnsinnigen. Die Runden 2 und 4 sollen Pepp in die Sache bringen aber so richtig zünden wollte das Spiel bei uns nicht. 6 von 10 Punkten.
11. Escape Room: The Game (n/a, Noris Spiele)
Im Unterschied zu den ebenfalls dieses Jahr in Essen erschienen Exit-Spielen muss hier kein Spielmaterial zerstört werden. Trotzdem kann man auch hier jedes Szenario nur einmal spielen, denn sobald man die Lösung kennt, war’s das. Hier bekommen wir aber einen „Decoder“ mit dem Spiel geliefert, in den zur Lösung eines Rätsels 4 von 16 Schlüsseln in der richtigen Reihenfolge und der richtigen Orientierung eingesteckt werden müssen, um der Lösung einen Schritt weiterzukommen. Die Szenarien selbst bestehen aus Umschlägen in denen diverse Papierunterlagen stecken, die es zu analysieren gilt. Und hier durfte ich mich gleich beim 1. Szenario ausklinken: Normalerweise kann ich ohne Lesebrille auch kleinere Schrift noch lesen aber hier waren die Informationen so klein wiedergegeben, dass ich keinerlei Chance hatte, mitzurätseln. Trotzdem war das Szenario nach 40 Minuten geknackt (der Decoder zählt nach dem Start die Zeit runter und die Spieler haben 60 Minuten Zeit, das Rätsel zu lösen). Gefällt mir besser als die Exit-Spiele: 6 von 10 Punkten.
12. Cottage Garden (Uwe Rosenberg, Edition Spielwiese)
Dieses Spiel stellt so etwas dar wie die Mehrspieler-Version von Uwes „Patchwork“. Die Mechanismen sind sehr ähnlich, alles ist schnell erklärt und geht flott von der Hand. Leider gibt es eine Falle für Erstspieler verursacht durch die Freiheiten bei der Bewegung der 6 Siegpunktmarker, die jeder Spieler besitzt. Hier verschenkt man leicht mal 1/3 seiner möglichen Siegpunkte, wenn man nicht aufpasst. 6 von 10 Punkten.
13. Die vergessene Welt (Ryan Laukat, Schwerkraft-Verlag)
Noch ein Laukat-Spiel kam kurz vor Ende der Con auf den Tisch. Da ich dieses Arbeiter- und Kämpfer-Einsetzspiel schon kannte, wollte ich sehen, ob es möglich ist, auch ohne jeglichen Kampf nur durch den Ausbau eigener Provinzen zu gewinnen. Kurz und knapp: kann man nicht. Die zufällige Auswahl an Provinz- und Staatskarten bringt nicht genug Flaggen, um mit denjenigen Spielern, die regelmäßig Titanen besiegen, mithalten zu können. Weiterhin solide 6 von 10 Punkten.
14. Tragedy Looper (BakaFire, Z-Man Games)
Schon vor Monaten hatte mir Peter begeistert von diesem Deduktionsspiel erzählt, das so anders sei, als alles was er bisher gespielt habe. Jetzt ergab sich die Möglichkeit, quasi als krönenden Abschluss der Con für mich, dieses Spiel auch einmal auszuprobieren. Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Wir Spieler wurden vom Mastermind mit einer Situation an vier Orten konfrontiert und bekamen die Aufgabe, 5 Tage zu überleben ohne die (uns nicht bekannten) weiteren Endebedingungen auszulösen. Jeder der 3 Spieler bekam einen Satz Aktionskarten und eine 1-seitige Beschreibung, welche Szenarien und welche Rollen es gibt. Außerdem erfuhren wir, dass am 1, 3 und 5 Tag jeweils ein „Incident“ geschehen würde. Mit diesen dürftigen Informationen legten wir los. Ich glaube nach dem 3. Tag teilte uns das Mastermind mit, dass wir gescheitert seien und nun der nächste von insgesamt 3 „Loops“ begänne. Also alles wieder zurück auf Anfang. Dieses Mal hatten wir schon eine gewisse Ahnung, was da eigentlich auf dem Spielplan geschieht und welche Personen welche Rolle innehaben könnten. Trotzdem scheiterten wir auch diesmal. Beim 3. und letzten Loop waren wir uns aber schon relativ sicher, was eigentlich gespielt wird und konnten vor allen Dingen das Blatt mit der Beschreibung der Szenarien richtig lesen. Und siehe da, am 5. und letzten Tag lebten wir immer noch und hatten auch die Endebedingung nicht getriggert und damit gewonnen. Ein Spiel anders als alles, was ich bisher gespielt habe und in der richtigen Gruppe ein Super-Spaß. 8 von 10 Punkten.
In damit ging ein laaanges Spielewochenende zu Ende. Dank perfekter Organisation und toller Location war es wunderbar und ich freue mich schon auf die DinxCon im nächsten Jahr.