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12.07.2017: Terraforming zum Dritten

„Der ferne Mars birgt einen Schatz.
Grabt nur danach!” – „An welchem Platz?”
Schrie alles laut den Vater an.
„Grabt nur!”… Oh weh, da starb der gute Mann.

Mit Hacke, Schipp und Spaten ward
Der Mars nun um und um gescharrt.
Kein Klumpen, der da ruhig blieb.
Man warf den Mars gar durch ein Sieb
Allein, kein Schatz ward aufgespürt,
Und jeder hielt sich angeführt.

1. “Terraforming Mars”

Günthers Spielertableau unter der Halbzeit-Besiedlung des Mars.
Aaron, der das Spiel schon zum 4 Mal gespielt hatte und es von Mal zu Mal schlechter fand, ließ sich problemlos breitschlagen, es zum Warming-Up noch einmal damit zu versuchen. Wir spielten es zum ersten Mal auch mit dem Experten-Anfang: Jeder bekam zu Beginn 10 Karten auf die Hand, von denen er sich beliebig viele aussuchen durfte, sie dann aber auch gleich bezahlen musste. Dazu bekam jeder Spieler eine „Fabrik“, d.h. unterschiedliche Vorteile für seine späteren Aktionen, zugeordnet, so dass von dieser Seite schon mal eine – grundsätzlich positive – Asymmetrie gegeben war.

Walter baute sich als Erkenntnis seiner ausgiebigen Terraforming-Excel-Kalkulation gleich vom Start weg – für sündhaft teures Geld – Geld-Produktionsmaschinen. Seine deutlich größeren Einnahmen wurde auch sofort erkannt und angefeindet, am Ende waren die sündhaften Investitionen aber doch keinen Lorbeerkranz wert. Vielleicht hatte er auch den wichtigen „1830“-Wahlspruch „keep fully invested“ vernachlässigt.

Aaron durfte als Start-Bonus Wärme und Energie wie Geld verwenden. Da er sich dabei aber im Umtauschwert zu seinen Ungunsten geirrt hatte, war das schlussendlich auch nicht das Gelbe vom Ei.

Günther wählte als Startzielrichtung den Städtebau. Zudem bekam er für jedes Stadtplättchen, das seine Mitspieler legten, auch noch einen ansehnlichen Obolus von der Bank. Er reichte zum sicheren Sieg mit 78 Punkten. Die fettesten Anteile dazu lieferten zum einen die „Auszeichnungen“ mit 15 Siegpunkten und die Städte bzw. Grünflächen auf dem Mars mit 24 Siegpunkten. Damit konnte er seinen 5-Punkte-Rückstand beim Terraforming-Faktor problemlos wieder wettmachen. Es half auch nichts, dass Aaron und Walter mit vereinten Kräften ihre Räuberkarten alle gegen Günther spielten. Im sicheren Gefühl seiner Überlegenheit trug er alles mit Fassung.

In knapp zwei Stunden (hört! hört!) hatten wir die 10 Generationen des Spiel über die Runden gebracht. Sicherlich spielt sich das Spiel zu dritt wesentlich flüssiger als zu viert. Heute trug zu diesem WPG-Geschwindigkeitsrekord aber auch noch bei, dass sehr viele Spielerhandlungen im Vertrauen auf Regelkenntnis und Redlichkeit der Spieler parallel abgewickelt wurden.

WPG-Wertung: Aaron 6 (bleibt, er leidet zwar immer noch unter dem Frustelement des falschen Kartenangebots zum falschen Zeitpunkt, aber er möchte mit seiner 6-Punkte-Wertung nicht mehr weiter nach unten gehen), Günther: 8 (bleibt), Walter 7 (der Sympathiepunkt für das Thema und das überzeugende wissenschaftliche Brimborium drum herum wird für den 7ten Punkt nicht mehr benötigt).

Damit Walter nicht ganz umsonst viele Tage über den Karten von Terraforming gebrütet hat, hier ein paar Ergebnisse aus seiner vorläufigen endgültigen Analyse.

Von den grünen und roten Entwicklungskarten, die bereits in der ersten Generation einsetzbar sind, zählen zu den Besten (in absteigender Reihenfolge)

  1. Roboter-Personal (für „Tektonische Energiegewinnung“)
  2. Energieeinsparung
  3. Gezüchtete Mikroorganismen
  4. Bergbaugebiet
  5. IO-Bergbauindustrie
  6. Fusionsenergie
  7. Asteroidenbergbau
  8. Orbitaler Sonnenspiegel
  9. Schürfrechte
  10. Archaeen
  11. Titanmine
  12. Atomkraft

Von den grünen und roten Entwicklungskarten, die bereits in der ersten Generation einsetzbar sind, zählen zu den Schlechtesten (in aufsteigender Reihenfolge)

  1. Tagebaugrube
  2. Unterirdische Stadt
  3. Zeppeline
  4. Hochspannungsnetz
  5. FCKW-Fabrik
  6. Karbonat-Verarbeitung
  7. Ganymed Kolonie
  8. Lebensmittel-Manufaktur
  9. Riesiger Konvoi
  10. Baugewerbe

Natürlich muss man diese Karten zuerst mal auf die Hand kriegen, und dann muss man auch noch alle diejenigen Karten bekommen, bezahlen können und rechtzeitig ausspielen können, damit die optimalen Karten auch richtig zur Wirkung kommen.
Glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.

2. “Tiefseeabenteuer”

Für das Terraforming hatten wir zwar nur zwei Stunden reine Spielzeit verbraucht, doch mit der Einführung in die neue Startformation sowie mit dem allfälligen Philosophieren über Aarons „Saami“ war doch schon zehn Uhr vergangen. Für ein „Orakel von Delphi“ war es bereits zu spät. Vom Warming-Up gingen wir lückenlos zum Absacken über.

Das hübsche kleine „Tiefseeabenteuer“ sollte uns von den Elektroschocks auf dem Mars erst mal wieder in die seligen Tiefen unserer Mutter Erde zurückbringen. Mit Erfolg.

Nur im dritten Tauchgang kamen wir lebend wieder nach oben. Was zur allgemeinen Freude aber gar nicht nötig ist. Gemeinsam untergehen oder als Saboteur den fündigsten Wassergräbern die Luft ausgehen lassen, das macht auch Spaß.

Aaron gewann.

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 8-Punkte Spiel.

3. “Hanabi”

Ein weiterer kleiner Absacker.
Der älteren Generation fällt es immer schwerer, sich die Hinweise auf die eigene Kartenhand zu merken. Dann am Rande der Legalität mit einer gewissen Flaxerei bei den Mitspielern das sichbare gesammelte Wissen noch einmal zusammenfassen, das geht nur den gewissenhaftesten Gesetzestreuen unter uns zu weit. Dabei ist das Ganze doch ein Kooperationsspiel. Und bei VW (wo nicht?!) wurde in weit größerem Rahmen gemogelt …

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 7-Punkte Spiel.

4. “Abluxxen”

Auch zu dritt, in Absackerstimmung, ein hübsches Spielchen. Es gibt keine so großen Coups wie bei vier oder mehr Personen, und die bereits zu Spielbeginn ausgeteilte Kartenhand ist mehr als die Hälfte vom Sieg. Macht aber trotzdem Spaß, was sich in den Auslagen so alles tut.

Nach drei Durchgängen erzielte Aaron angenähert halb so viele Punkte wie Günther. Günther hingegen erzielte einundvierzig mal so viele Punkte wie Walter. Wenn Walter zwei Punkte weniger erreicht hätte, dann hätte Günther minus einundvierzig mal so viele Punkte bekommen wie Walter. Wäre das jetzt ein bessere oder schlechteres Abschneiden für ihn gewesen.

Wie lautete der Endstand?

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 7,5-Punkte Spiel.

01.08.2014: Hanabi und das Ei des Kolumbus

Gestern kam Peter zu einer Privatissime-Session am Westpark vorbei. Anlass waren die Kommentar-Wogen zu Hanabi, die sich nach dem letzten Spielbericht ja ganz schön hochgeschaukelt hatten.

Friedlich deckten wir uns mit den üblichen Trink- und Fressutensilien ein. Friedlich wurden die gegenseitigen Erwartungen dargelegt. Doch da zeigte sich schon die erste kleine Diskrepanz. Peter hatte die kürzlich aufgekommene Streitfrage zur Hinweistechnik ohne Anhörung kurzerhand zu seinen Gunsten entschieden und ad acta gelegt. Er berief sich dabei sogar noch auf unseren Obermuffti Günther, der sich in der öffentlichen Diskussion nicht die Finger verbrennen wollte, aber klammheimlich Peter Recht gegeben haben soll …

Bei Hanabi ging es Peter heute also nicht darum, ein Viererspiel öffentlich auszulegen, gemeinsam die jeweils notwendigen und besten Hinweise zu analysieren und daraus allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen. Er hatte sich eine aus dem Internet von Spocks inspirierte Strategie zurechtgelegt, deren Erfolgsaussichten er demonstrieren wollte. Recht schnell fiel die Drohung: „Wenn Du das nicht so spielen willst, dann brechen wir ab.“ Walter wurde klar, was für die große Politik selbstverständlich ist: Man spricht von Kooperieren und meint Oktroyieren.

Die friedliche Stimmung kippte. Es ging nicht um logische, psychologische Schlussfolgerungen, was für mich der Reiz des Spiel ist. Das Ziel sollte heute das Nachvollziehen einer recht stumpfsinnigen Wegwerf-Technik sein. Zu diesen fundamental unterschiedlichen Erwartungen hier ein Beispiel.

EiDesKolumbusAm Tisch lagen schon alle möglichen Farben, unter anderem von Blau die Eins und Zwei. Peter hatte die blaue Drei und Vier in der Hand, und Walter fand es angebracht, einen Hinweis auf diese beiden Karten zu geben: „Dies sind blaue Karten“. Jetzt zeigte Peter in Walters Hand auf eine Drei. Walter spielte gehorsam diese Karte aus. Es war eine blaue Drei. Auf einmal war von Peters beiden blauen Karten nur noch eine nützlich.

Jetzt zeigte Walter auf die blaue Vier und sagte: „Das ist eine Vier!“ Für ihn war damit implizit gesagt, dass die andere eine Drei (oder eine andere Karte) zum Wegwerfen sein musste. Denn wenn es Vier und Fünfgewesen wären, dann hätte er

  • bei seinem vorhergegangenen Hinweis nicht die beiden blauen Karten benannt. Das wäre zu diesem Zeitpunkt unnötig gewesen!
  • jetzt unbedingt die Fünf aufgezeigt, und damit Vier und Fünf als spielbar deklariert!

Das ist Logik, gepaart mit Psychologie! Doch Peter wollte diese Schlussfolgerungen auf keinen Fall übernehmen. Nach dem vorgezogenen Anlegen der Vier weigerte er sich hartnäckig, anschließend auch noch die Drei wegzuwerfen. Er warf lieber unbezeichnete Karten nach seiner bzw. Spocks Abwurftechnik ab. Walter brach ab.

Zum Glück hatte Peter noch einen ganzen Sack voller 2-Personen-Spiele dabei, und mit den intellektuell herausfordernden, aber auch sanft mit Zufallseinflüssen durchsetzten

  • Schotten-Totten
  • Adam & Eva
  • Aton
  • Jaipur

wurde der Spielabend gerettet. Peters deutliche Überlegenheit, mit vielen Bällen gleichzeitig zu spielen und dabei auch noch jede Finte seines Gegenüber im Auge zu behalten, brachte ihm vier hohe bis haushohe Siege ein. Das ruhige, konstruktive Spielen und die gemeinsame positive Wertung für diese Spiele ließ Hanabi nochmals aus der Versenkung auftauchen. Zum Abschied durfte Peter in einer Solovorführung mit offenen Karten nochmals seine (und/oder Spocks) Gewinnstrategie aufzeigen.

Hierbei wird von folgendem Spielprinzip ausgegangen:
Falls keine anderweitigen Informationen zur Verfügung stehen, spielt jeder Spieler abgesprochenermaßen die am weitesten rechts gehaltene Karte aus seine Hand zum Wegwerfen aus.

In manchen Spielerkreisen scheint diese stillschweigende Übereinkunft selbstverständlich zu sein. OK, OK, wenn sich ein 4er Team zusammensetzt, um die Hanabi-Weltmeisterschaft gegen andere Teams zu gewinnen, so ist das wohl legitim. Auch andere, hochkünstliche Informationssysteme, bei denen jeder Hinweis – wie bei modernen Bridge-Systemen – abhängig von Spielerposition, Farbe und Zahl noch eine Fülle von abgesprochenen Nebenbedeutungen hat, sind zugelassen.

Doch Walter drehte sich beim Vortrag dieser Regel fast der Hanabi-redliche Magen um. Ohne einen einzigen realen Hinweis können so in einem Spiel problemlos 10 und mehr unbenannte Karten abgeworfen werden und dafür Hinweise-Chips eingehandelt werden. Das ist gleichwertig damit, dass man die Zahl der erlaubten Hinweise um die entsprechende Anzahl erhöht. Damit wird das „Gewinnen“, d.h. das Erreichen von 25 Punkte fast zum Kinderspiel. Peter hat gewonnen.

Den Orden „Ei des Kolumbus“ bekommt er – und Mr. Spocks – dafür von mir allerdings nicht!

30.07.2014: Anlegen oder Wegwerfen

SommerlustLetzte Woche habe ich in der Einleitung von Künstlern als Idealisten geschrieben, die ihre Kunst aus Spaß an der Freud ausüben. Diese Woche habe ich mal wieder einen solchen Zeitgenossen kennengelernt: Klaus Menz-Sander, ein äußerst begabter Maler und Grafikdesigner! Reichhaltig ist sein Schaffen, professionell seine Handschrift, beeindruckend sein Œuvre.

Mehr als einhundert Akte sind zur Zeit in seiner Ausstellung „Sommerlust“ in der Orangerie am Englischen Garten zu sehen. Lust und Exstase fallen dem Betrachter schon an der Eingangspforte ins Auge. Geist und Seele lassen sich etwas Zeit. Doch wechselt man mit dem Künstler nur ein paar wenige Worte, so sieht man hinter den großflächigen Bildern und ihrer „Petersburger Hängung“ auch sogleich eine beeindruckende intellektuelle Konzeption! Eine bereicherne Begegnung mit der vollen Sensibilität künstlerischer Potenz.

Warum ich das hier schreibe? Mich erinnert Klaus an die zahlreichen begabten Spieleautoren, die ihre gelungenen Werke im Eigenverlag herausbringen, regelmäßig auf der „Spiel“ in Essen ausstellen, und hinterher schon glücklich sind, wenn durch den Verkaufserfolg Spesen und Standmiete gedeckt sind. Ihr materielles Schäfchen müssen sie als Lehrer oder Buchhalter bereits im Trockenen haben, bevor sie die Menschheit mit ihren Schöpfungen beglücken.

Klausens „Sommerlust“ ist bis zum Wochenende geöffnet. Am Sonntag ist Finissage. Ihr seid alle herzlich eingeladen. Er ist schon glücklich, dass die Kosten für Pinsel und Farbe, und wenn’s hoch kommt auch noch die für den Wein, wieder hereingekommen sind.

Evo – man beachte die rote Eierflut
Evo – man beachte die rote Eierflut

1. “Evo”

Am 27. Februar 2002, also vor mehr als zwölf Jahren, schrieb Aaron in seinem Session-Bericht über „Evo“: „Lange nicht mehr gespielt.“ Nun, da das Spiel erst im Jahre 2001 herausgekommen ist, kann das „lange“ – nach unseren heutigen Zeitmaßstäben – gar nicht so lange her gewesen sein. Einmal haben wir es seitdem noch gespielt, aber das ist auch schon wieder acht Jahre her.

Das Spiel um das Sich-Durchsetzen der besten Genkombinationen im Kampf um das Überleben auf engem Raum bei tödlichen Klimaveränderungen hat uns vom ersten Augenblick an gefallen und wird jederzeit – im Sechs-Jahre-Rhythmus – gerne wieder gespielt.

Heute hat es sich nicht von seiner besten Seite präsentiert. Die zufällig gezogene Gen-Auswahl der ersten Runden war zu einseitig. Moritz und Peter überboten sich unverzüglich um das „Mutierte Gen“, das in den weiteren Runden auf jedes Gen einen Preisnachlass gewährt. Bewährtes Motto der erfahrenen Wirtschaftler: „Permanente Rabatte muss man möglichst frühzeitig erwerben.“ Ein weiteres begehrtes Anfangsgen war der ebenfalls zukunftsorientierte „Kartenbonus“, mit dem man eine der Ereigniskarten zum Beeinflussen der Kampfbedingungen bekommt.

Walter fiel mehr oder weniger kampflos die Schwanzverlängerung in den Schoß. Vier weitere Runden wurde keine einzige weitere Schwanzverlängerung mehr gezogen, so dass er unangefochten Startspieler blieb, und die Mitspieler dahinter sich lediglich um die Nachzüglerplätze rangeln konnten. Nachdem er auch noch – ohne jede Geldverschwendung – vier Eier für die Nachzucht erwerben konnte, war es ihm – mental und intellektuell – ein Leichtes, seine zwei- bis dreijährigen Senioren dem Wetter zum Opfer fallen zu lassen und dafür seine zahllosen Frischlinge gleich in den aktuell günstigsten Klimazonen zur Welt zu bringen. Als Startspieler fanden sich dafür immer genügend freie Regionen. Und weil erst in der dritten Runde der erste Zusatzfuß für größere Bewegungsfreiheit auf dem Markt kam, waren seine Konkurrenten in ihrem Aktionsradius sehr eingeschränkt und konnten seine Kreise nicht nennenswert stören. So zog er unangefochten Runde für Runde davon.

Moritz hatte sich so peut a peut ein flexibles Genpotential angeschafft und langsam aber sicher robusten Nachwuchs gezeugt. Sein Genotyp konnte sich ausreichend gut bewegen und war auch aggressiv genug ausgerüstet (na klar!), um seine Nachbarn von ihren Weideplätzen vertreiben zu können. Die Zeit arbeitete für ihn. Doch leider schlug der Meteorit schon in der ersten möglichen Runde ein, und das Spiel war zu Ende.

Was steht im Spielbericht vom 19. Juli 2006: „Walter legte sich unbehindert von allen Mitspielern die größte Schwanzverlängerung zu und konnte sich damit erfolgreich durchsetzen.“ So war es auch heute. Und wie war es vor zwölf Jahren? „Drei Runden vor Schluss hatte Günther durch seine exzellente Gen-Auswahl und gute Positionierung auf dem Brett seine Führung uneinholbar ausgebaut.“ Heute war Günther nicht dabei … Für Moritz als seinen strategischen Nachfolger kam der Meteorit ein oder zwei Runden zu früh!

Bleibt noch unser Standard-Kuriosum zu erwähnen: Aaron zog die schlechtesten Ereigniskarten und würfelte am schlechtesten. Peter vergab ihm dazu das Attribut „stochastischer Pechvogel“. (Oder so ähnlich! Wer Peters Wortwahl kennt, weiß, dass er einen „Pechvogel“ niemals „Pechvogel“ nennen würde …!) Faktum ist: „Wenn man in Evo einmal – warum auch immer – ins Hintertreffen geraten ist, kommt man leider nicht mehr hoch.“ Kann man durchaus als Schwäche im Spieldesign ansehen. Vor allem, wenn es lange dauert.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte seine Note von 8 auf 7. Die Übrigen blieben bei ihren guten Noten mit einem Schnitt von genau 8,0.

2. “La Granja”

In diesem Monat schon einmal mit Erfolg gespielt, durfte Aaron den Neuling Peter in dieses komplexe Räderwerk eifrig sprudelnder Siegpunktquellen einführen. Nach einer halben Stunde wunderschönen Vortrages, didaktisch bestens aufgebaut, alle Elemente eines nach dem anderen zielführend erklärend, war Aaron mit der Hälfte der Spielregeln durch. Da warf Peter das Handtuch. Noch eine halbe Stunde erklären und dann zwei Stunden spielen, da wäre wohl nicht nur die vorletzte U-Bahn schon abgefahren gewesen.

Schade. Walter hätte Aarons sonorer Stimme noch gerne eine halbe Stunde zugehört und dabei eine Auffrischung der landwirtschaftlichen Abläufe von „La Granja“ über sich ergehen lassen. Sogar der Abbrecher Peter vergab für Aarons realer (und Günthers virtueller) Erklärkunst heute explizit die Note Eins mit Stern? „Und ich?“ fragte Moritz! „Du kannst auch gut erklären, Note Eins, aber Du vergisst manchmal einzelne Regeln.“ Da würde ja kein Hahn danach krähen, wenn diese ausgelassenen Regeln nicht manchmal unversehens nachträglich aus dem Hut gezogen würden. Vor allem, wenn sie das Spiel zu seinen (wessen?) Gunsten beeinflussen …

Moritz: „Dafür übersieht Günther manchmal auch wichtige Regeln. Sogar solche, die ein Spiel total verfälschen. Ich erinnere an Lewis & Clark, das dadurch bei uns unberechtigterweise total zerrissen wurde, wofür wir hinterher bei BGG mit Recht beschimpft wurden.“ Recht hatte er!

Keine neue WPG-Wertung für ein nicht-gespieltes Spiel. Peter war nicht fähig, aus der halben Regelerklärung heraus eine Wertung abzugeben. Früher hieß es mal „Peter kann immer!“

3. “Hanabi”

Ein hübsches kleines Kartenspiel. Witzig, spritzig, esprit-zig. Kooperativ. Spiel des Jahres 2013. Trotz Moritz ungewöhnlich kritischen 3 Punkte war es bei einem WPG-Median von 7 gelandet.

Die Karten zeigen die Zahlen von 1 bis 5 in insgesamt fünf Farben. Die unteren Zahlen kommen mehrfach vor, die höchste 5 jeweils nur einmal. Die Karten müssen reihum einzeln farbenweise und streng sequentiell aufsteigend auf offene, gemeinsame Stapel auf dem Tisch ausgelegt werden. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von vier Karten, zieht eine Karte, und legt als passende sie an bzw. wirft sie als unpassende weg. Eigentlich ein Kinderspiel.

Das Problem dabei ist, dass man jeweils die Karten der eigenen Hand nicht kennt, sondern nur die der Mitspieler, und dass man beim Kartenspielen vor dem Ansehen der Karte bereits sagen muss, ob man sie anlegen oder abwerfen will. Wirft man eine Karte unglücklich ab, so kann man u.U. einen Zahlenstapel von 1 bis 5 nicht mehr fortlaufend erzeugen. Ist andererseits auf dem Tisch für mit „zum Anlegende“ gezogene Karte kein passender Platz, so erzeugt diese Aktion einen „Einschlag“. Nach drei Einschlägen (oder wenn alle Karten verbraucht sind oder wenn von allen fünf Kartenfarben die Zahlen 1 bis 5 wohlgeordnet auf dem Tisch liegen) ist das Spiel zu Ende und die obersten Karten aller ausliegenden Stapel werden zu einer – für alle gemeinsamen – Siegpunktsumme summiert. Maximum ist 25.

Für ein erfolgreiches Spiel muss man den Mitspielern Tipps geben, welche Karten sie als nächstes spielen müssen oder können. Entweder, weil sie auf einen der offenen Stapel passen, oder weil sie nicht mehr passen und deshalb problemlos abgeworfen werden können. Als Tipp ist lediglich erlaubt, auf bestimmte Karten in der Hand eines Mitspielers zu deuten und z.B. zu verraten: „Dies sind alle roten Karten in Deiner Hand!“ oder „Dies sind alle Dreier in Deiner Hand.“

Sehr wichtig dabei ist das Vertrauen in die a) intellektuelle Potenz und b) Redlichkeit der Mitspieler. Wenn zu Beginn des Spiels ein Mitspieler einem anderen den Tipp gibt: „Dies sind die Einser in Deinem Blatt“, so darf der gewiss sein, dass er ALLE diese Einser-Karten zum Anlegen spielen kann. Wenn die fünf verschiedenfarbigen Einsen bereits alle auf dem Tisch liegen, dann bedeutete dieser Tipp genau das Gegenteil, nämlich dass alle diese Karten zum Wegwerfen gespielt werden können (und sollten). Fehlt nur noch eine einzige 1 auf dem Tisch, dann kann der Hinweis: “Diese Karte ist eine 1” sowohl bedeutet, das es die letzte anzulegende 1 ist, als auch, dass es eine Karte zum Wegwerfen ist. Zur richtigen Interpretation benötigt man gute Portion Einfühlungsvermögen in Denkweise und geistige Kapazität der Mitspieler …

Das ganze wäre immer noch ein Kinderspiel, wenn man beliebig viele Tipps vergeben könnte. Doch diese sind zahlenmäßig begrenzt. Nur acht freie Tips sind erlaubt. Für jeden weiteren Tipp muss zuerst eine Karte „zum Wegwerfen“ gespielt werden. Damit sind Tipps dünn gesät. Und falls man mit jedem Tipp nur eine einzige richtig ablegbare Karte bezeichnet, liegen gerade mal acht Karten auf dem Tisch und die Spieler haben eine Summe von acht Siegpunkten (etwa zwei mal 1 plus drei mal 2) erwirtschaftet. Ab dann fängt beim Anlegen und Wegwerfen das blinde Raten an, womit man garantiert nicht mehr weit kommt.

Peter fieberte mit allen Tipps seiner Mitspieler mit. Überall witterte er ungelöste Gefahren. Wie eine junge Mutter bei den ersten selbständigen Schritten ihres Kindes nahe der Kellertreppe. Nein, nicht wie eine junge Mutter, eher wie ein genervter Klavierlehrer, der an jeder Taste seines Schülers den Anschlag, die Lautstärke, die Dauer und die Phrasierung bemeckert. Am liebsten hätte er alle Tipps von und für alle Mitspieler alleine formuliert.

Noch dazu fällt es ihm schwer, sich in die redlichen Tipps der Mitspieler in blindem Vertrauen hineinfallen zu lassen und aus ihrer Aussage: „Das ist eine Zwei“ gläubig zu schließen, dass er diese Zwei jetzt anlegen kann, weil die passende Eins bereits auf den Tisch liegt.

Auch hatte er das Spielziel nicht ganz verstanden. Er glaubte, man müsse das Spiel „gewinnen“, d.h. in allen Stapeln bis zur Fünf kommen. Deswegen gab er auf und zeigte seine Kartenhand, als – nolens volens – die erste Fünf „weggeworfen“ wurde und das Spiel demnach nicht mehr zu „gewinnen“ war. Genauso auch beim zweiten Spiel. Beim dritten war er es selber, der – in Bedrängnis – die erste tödliche Fünf wegwarf.

Eine heiße Diskussion Peter gegen den Rest der Welt begann. Moritz konstatierte den (von den beiden anderen Mitspielern uneingeschränkt geteilten) Grundsatz: „Ein Tipp, eine Karte wegzuwerfen, ist besser als ein Tipp, eine Karte anzulegen!“ Peter focht leidenschaftlich dagegen. Ihm galten die Tipps zum Anlegen mit höchster Priorität. Für Plausibilitätsbetrachtungen, in der Art von „dann fängt bei Dir nach 8 mal Anlegen die reine Raterei an“ verfingen nicht. Sein Hilfeschrei, nein nicht Hilfe, sein bloßer intellektueller Trotz war es, der ihn den fernen Günther anflehen ließ: „Hallo Günther, was sagst Du dazu?!“

Das hübsche kleine Kartenspiel mit nach Hause zu nehmen und zuhause auszuprobieren, wie weit er es gegen bzw. mit vier Auto-Peters schafft, dieses Ansinnen schlug er glattweg aus. Er hätte lieber uns drei noch einmal und noch einmal unter seine Mecker-Droh-Besserwisser-Pose gebracht. Doch das schlugen wir aus. „Hanabi“ wird es wohl für die nächsten zwölf Jahren am Westpark verschissen haben.

Keine neue WPG-Wertung.

4. “Bluff”

Noch ganz unter dem Eindruck der heißen Hanabi-Diskussion spintisierte Moritz mit einer Hanabi-artigen Regelerweiterung von Bluff: Jeder darf nur die Würfel seiner Mitspieler sehen, aber nicht die eigenen …

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

12.12.2012: Deutschland, Europa, Afrika

Peter und Loredana sind aus dem gelobten Land zurückgekehrt. In den großartigen historischen und modernen Stätten floß exodus-gemäß Milch und Honig, spielerisch haben sie sich eher in der Wüste gefühlt. Die paar mageren Chassidim-Spiele, mit denen sich die Orthodoxen die Sabbatruhe vertreiben, rissen sie nicht vom Hocker. Dagegen sind die Fleischtöpfe am Westpark, selbst wenn Walters Auswahl abgestanden und beschränkt ist, schon von einem anderen Kaliber. Peter konnte sich gar nicht entscheiden, bei welchen Leckerbissen (Ursuppe, Amun-Re, Modern Art) er zuerst zugreifen sollte.

1. “Trans Europa”
Ein Siebenjähriges zum Aufwärmen. Jeder muss seine fünf Pflichtstädte zwischen Spanien und dem Ural an ein gemeinsam zu bauendes Eisenbahnnetz anbinden. Wer das zuerst geschafft hat, ist Sieger.
Das Spiel ist leicht, flott, konstruktiv. Hölzerne Gleisteilchen in der Hand wiegen und auf ein Spielbrett legen zu können, ist schon von der mechanischen Handhabung her ein psychosomatischer Genuß. Und die professionellen Denker können sich sogar noch überlegen, mit welchem geschickt-geblufften Startpunkt sie ihre Mitspieler für sich (Gleisbau-) arbeiten lassen, während sie ihr eigenes Süppchen kochen.

Peter glaubte, an seiner roten Pfichtstadt London käme ohnehin keiner vorbei und und startete vom blauen Marseille aus Richtung Osten. Das waren Perlen vor seine geliebte Loredana, deren Haupststrang von Bukarest über Sophia nach Barcelona verlief. Mit riesigem Vorsprung konnte sie alle Männer regelrecht deklassieren.

Keine neue WPG-Wertung für ein fast 8 Punkte Spiele.

2. “GIZA – The Great Pyramid”
Der Pharao fürchtet mal wieder seinen frühen Tod und wir bauen mit Hochdruck an seiner großen Pyramde. Stein für Stein muß herangerollt werden und tausende (na ja, von jedem Spieler 8) Arbeiter werkeln am Ziehen und Rückeln und Liften des Materials. Natürlich brauchen so viele Arbeiter auch Nahrung. Ohne Catering-Service läuft gar nichts.

Wir setzen unsere Arbeiter in verschiedenen Betätigungsebenen ein. Was sie dann dort tun dürfen, müssen wir auf einem „Turn Order Track“ ersteigern. Es gibt Fischfang mit mäßigem Ertrag, Landwirtschaft mit gefälligem Ertrag und Fahrkarten für den Transport unserer Arbeiter von und zu den Fischgründen am Nil, zur Kunstschmiede, in den Tempel und zu den vier Schlittenbahnen für den Steintransport.

Um einen Stein ein einziges Feld in Richtung Ziel zu transportieren, müssen wir genügend Fish&Chips zusammenbringen. Jeder, der auf einem Transport-Stein sitzt, darf dazu beitragen. Reicht das Nahrungsangebot nicht, bleibt der Stein stehen und die knickrigen Sklavenbesitzer müssen ihre hungrigen Mitarbeiter in die Kantine am Nil zurücktragen.

GIZA – The Great Pyramid

Wird ein Stein transportiert, so bekommen die Besitzer der Auf-dem-Stein-Hockenden Siegpunkte, und zwar umso mehr, je mehr Hocker sie da oben haben. Das ist ganz unabhängig vom Beitrag zum Catering, der allein über Erfolg oder Mißerfolg in der Transportfrage entscheidet. Eigentlich ein Konstruktionsfehler. Es gibt zu wenig Motivation, sich gewaltig ins Zeug zu legen, um den Stein schnellstmöglich weitmöglichst zu bewegen.

Wurde ein Stein auch nur einen einzigen Meter verrückt, so fallen unverzüglich alle Mitarbeiter von ihm herunter und streichen ihre blauen Flecken mit Nilwasser ein, bevor sie in Eilmärschen wieder zum Stein-Schlitten für den nächsten Transportschritt in Gang gesetzt werden. Auch das wirkt mühselig und beladen.

Zum Glück müssen wir nicht die gesamte Pyramide fertig bauen. Spätestens wenn wir uns zehn Jahre lang mehr oder weniger erfolgreich hier bemüht haben, werden wir entlassen. Peter reichten schon die ersten drei Jahre. Dann schlug er leicht und locker einen Spielabbruch vor. Einsichtsvoll willigten alle ein. Es gibt Schöneres zu spielen und zu arbeiten, als jahrelang nur immer hinter den Steinen am Nil herumzulungern.

Aaron hatte das Spiel erstmals in Essen angespielt. Auch damals brachten sie in den vorgeschriebenen zehn Jahren keine Pyramide zustande. Allerdings war sein Spielgefühl damals ganz anders gewesen. Besser, stromlinienförmiger. Hat jetzt der Peter beim akribischen Nachlesen der Spielregel den Ablauf neu erfunden oder haben wir etwas falsch gemacht? Die einhellige Auffassung, „das Spiel funktioniert nicht“ sollte durch ausgiebiges Regelstudium nochmals überprüft werden.

Bevor das Spiel in auf Nimmerwiedersehen in Aarons Katakomben verschwindet, noch eine einsame Walter-Wertung: 3 (mit der großen Hoffnung auf Regelfehler unsererseits.).

3. “Hanabi”
Es war klar, dass dieses kleine Kartenspiel um das puzzlehafte kooperative Ablegen von Zahlenkarten in einer streng vorgegebenen Reihenfolge unseren Logikern gefallen würde. Tips unterhalb der Gürtellinie („Du hast fast nur Schrott auf der Hand!“) wurde von den gewissenhaften Puzzlern mit strafenden Blicken gewürdigt, ließen sich aber nicht ganz vermeiden. Vor allem weil sie ja auch logisch und lustig sein können.

Mit legalen Tips hauszuhalten ist oberste Maxime. Ein Tip zum Abwerfen von gleich mehreren nicht mehr brauchbaren Karten ist Gold wert, steht aber nicht immer zur Verfügung. Auch die frühzeitige Benennung von 5er Karten hat sich bewährt. Da diese Karten auf jeden Fall gehalten werden sollten, reduziert sich die Anzahl der unkontrolliert abzuwerfenden Karten. Und darunter ist dann garantiert | hoffentlich keine lebenswichtige.

Nach dem ersten Durchgang (oder dem zweiten?) bereitete Peter begeistert sofort den zweiten (oder dritten?) Durchgang vor. Gemeinsam erreichten wir 24 von maximal 25 Punkten.

Der Mainstream der seriösen WPG-Werter wurde von Loredana mit 6 und Peter mit 8 Punkten voll bestätigt.

4. “Bluff”
Nichts Neues im Westen. Das erste Spiel konnte Loredana für sich entscheiden, im zweiten Spiel war sie als erste ausgeschieden. Hier stand Peter ganz nahe vor dem Sieg, als die vorletzte U-Bahn pfiff und er fluchtartig das Lokal verließ.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

5. “Express 01”
In trauter, seit 25 Jahren gepflegter Zweierunde machten sich Aaron und Walter zu mitternächtlicher Stunde noch über ein Crowdfunding Spiel her, das als „1830 – Kartenspiel“ propagiert wurde. Bei dieser göttlichen Namensankündigung konnte Aaron sich nicht zurückhalten und ist gleich mit zwei Exemplaren den Förderern beigetreten.

In der Spielanleitung steht, „Express 01“ sei ein „reines Kartenspiel“, das ist aber untertrieben. Die benötigte Spielfläche ist zwar der nackte Tisch, doch dort liegen die Karten gemäß der Geographie Deutschlands wie auf einem richtigen Spielbrett. Und es gibt richtige kleine Holzlocks a la Trans-Europa und Spielbögen zum Verfolgen des Rundenablaufs.

Doch der Rest sind wirklich nur noch Karten. Höchst gediegenes Material, mindestens einen Michelin-Stern wert. Leider besitzen sie eine überstrapazierte Multifunktionalität: Sie sind Geldwährung, Anteilsscheine, Landbesitz und Gleisbaumaterial. Da bleibt der Michelin-Stern gleich im Halse stecken. Zumindest für das Geld hätte man ein paar lumpige Monopoly-Scheine zur Verfügung stellen sollen.

Wir wollten das Spiel ohnehin nur anspielen, haben es nach einer knappen Stunden aber auch mit Überzeugung zur Seite gelegt. Wir müssen uns in einer ruhigen Stunde nochmals gründlich die Spielregeln durchlesen, bevor wir „Express 01“ auf die Menschheit am Westpark loslassen. Hier nur ein paar negative Vorab-Eindrücke, bei denen wir uns von erfahreneren Expressionisten gerne eines Besseren belehren lassen wollen:

  • Die abzählbar endlich vielen Karten sind recht umständlich zu handhaben. Sie müssen vor jedem Spiel in 12 (oder mehr) Häufchen separiert und sortiert werden – mehr oder weniger einzeln. – Hallo Aaron, ich habe die Karten genauso wieder in die Schachtel eingeräumt, wie sie auf dem Tisch herumlagen. Das erneute Sichten und Sortieren wird uns wohl nicht erspart bleiben!
  • Die Gleiskonstruktionen verlaufen am Kartenrand nicht mittig, sondern im Drittel-Abstand. Dadurch passen zwei Streckenkarten nicht a priori zueinander. Das mag zwar später zu einem vielseitigeren Streckennetz führen, erhöht aber den Try&Error-Frust beim Suchen nach passenden Anschlußkarten.
  • Die Zahlenangaben zum Überbauen von Gleisen sind irreführend. Man kann z.B. auf die Gleiskarte 023 nicht wie angegeben die Gleiskarten 501-512 legen, sondern nur solche, die topologisch zum Gleisbau der Umgebung und farblich zum vorhandenen Bahnhof passen. Das sind sehr viel weniger, wenn überhaupt eines paßt! Viel unnötige Sucher- und Probiererei.
  • Das Hin- und Her-Verschieben der Schwarzen Lok wirkt eher stumpfsinnig als dass es funktional Wesentliches zum Spielablauf beiträgt.
  • Auch das Vertauschen der Spielerreihenfolge nach einer Prämienauszahlung ist eher lästig statt lustig; seine magere Funktionaliät rechtfertigt nicht die nackte Existenz dieses Regelelements.
  • Die Ermittlung der „Staatlichen Subventionen“ zu Beginn jeder Runde ist ein leeres Ritual. Die Bilanzierung des Besitztums eines jeden Spielers hat die gleiche Bedeutung wie das sprichwörtliche Fahrrad, das in China umkippt.

Zum Spielverlauf: Es war uns nicht klar, wie die spielerisch unbedingt notwendige Asymmetrie in das Spiel hineinkommt, d.h. wo der Anreiz zum Engagement auf verschiedene Gesellschaftsanteile herkommen soll. Wir engangierten uns mehr oder weniger gleichmäßig bei allen Gesellschaften, erstens aus der gegebenen Kostensituation heraus und zweitens um an den jeweiligen Ausschüttungen – auch der Mitspieler – beteiligt zu werden. Eine miesnickelige Gewinnausschüttung für die mickrige Linie, von der man alleine Anteile in Besitz hat, kann doch wohl nicht der einzige Spielspaß sein.

Aarons Statement zum Abschluß: „1830 erkenne ich nicht wirklich.“

Das Westpark-Schicksal von „Express 01“ wird wohl sein, dass sich ein paar Eisenbahn-Enthusiasten und Analysten allein aus Interesse an dieser Materie nochmals über das Spiel hermachen, um es zu zerpflücken. Das ist die einzige Vorfreude, die ich heute beim Gedanken an eine Spielwiederholung hege.

Vorläufige WPG-Wertung: Walter 3.

21.11.2012: Gingko Biloba

Ginkgo Biloba
Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt,
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als eines kennt.
Solche Frage zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin.

Dieses Gedichtchen schrieb der 66 Jahre alte Goethe in einem Anfall von Tändelei an eine junge Ehefrau, die 31-jährige Marianne von Willemer. Wer mehr über diese junge Suleika erfahren will, und wieweit sie der alte Hafis noch rumgekriegt hat, der lese die Anmerkungen zu seinem „West-östlicher Divan’’. Vor allem zwischen den Zeilen.

1. “Ginkgopolis”
Der Baum, dessen Blätter Goethe zu tändelnder Philosophie anregten, hat dem Spiel seinen Namen gegeben. Den Versuch des Autors, in das Spiel auch noch eine Gingko-Geschichte einzubauen, kann man vergessen.

Wir fügen quadratische Gebäudeplättchen zur einer gemeinsamen Landschaft in der Tischmitte. Dabei können wir erstens die Landschaft in die Breite erweitern und kassieren dafür – abhängig von der Umgebung, in die wir bauen, Gebäudeplättchen, Pöppel und/oder Siegpunkte (GPS). Wir können auch zweitens in die Höhe bauen, d.h. die Plättchen aufeinander legen; dafür kassieren wir dann GPS abhängig von dem Plättchentyp, das wir legen. Und drittens können wir auch nur „Planen“, d.h. eine „Urbansierungskarte“ ohne Plättchen legen, dann bekommen wir GPS abhängig von …

Ach, es ist schwer zu verstehen, welche Vorteile uns die verschiedenen Aktionen einbringen. Mal zählt die Auslage an „Urbanisierungskarten“ vor jedem Spieler, mal die gespielte Karte, mal die Umgebung, mal der Ort selber, auf den wir bauen. Zwei ganze Seite hat die Spielanleitung zu diesen drei simplen Legemöglichkeiten und dem daraus resultierenden Profit geopfert. Günther hat sie ziemlich radebrechend vorgetragen. Wenn ich mich jetzt in der After-Party-Time bemühe, Günthers Ausführungen und die Erklärungen in der Spielregel auf einen Nenner zu bringen, bin ich nicht sicher, ob ich richtig liege. High-sophisticated bzw. mühselig und beladen; selbst für Freaks eine Herausforderung.

Die zulässigen Aktionen werden durch vier „Urbanisierungskarten“ bestimmt, die jeder Spieler in der Hand hält. Wem seine aktuelle Auswahl nicht gefällt, darf seinen Kartenhand gegen Karten aus dem verdeckten Nachziehstapel austauschen. Gut oder schlecht? Diese Option verzögert den Spielablauf. Jeder Spieler muss zunächst seine Hand analysieren, ob ihm darin eine besonders gute Aktion geboten wird, und ob seine GPS-Mittel dazu ausreichen. Dann muss er abwägen, ob er beim Kartentausch vielleicht vom Regen in die Traufe kommen kann. Und tauscht er schließlich, so fängt die Analyse von vorne an. Nachdem hier grundsätzlich keine Superangebote zur Verfügung stehen, sondern alle Aktionen schlußendlich doch nur mit Wasser kochen, könnte ich sehr gut auf diesen Tausch verzichten.

Um etwas Gerechtigkeit in die Verteilung der „Urbanisierungskarten“ zu bringen, muss jeder Spieler – gemäß dem „7-Wonders“ Prinzip – nach seinem Zug seine restlichen Handkarten an den Nachbarn weiterreichen. Jeder Spieler darf sich dann im Glauben wähnen, er habe sein Schicksal (und das des Nachbarn) wenigstens zu einem gewissen Anteil in der Hand. Wie weit das stimmt, lasse ich mal offen. Zumindest sinkt die Vorausplanbarkeit von Zügen mehr oder weniger auf den Nullpunkt, weil neben der ohnehin nicht überschaubaren Landschaftsentwicklung in der Tischmitte nicht kalkulierbar ist, welche Karten man im nächsten Zug in der Hand hält. Aber vielleicht ist das spielerisch.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich ein 8-Punkte-Spiel, aber zu fehleranfällig und die Karten passen oft nicht (sic!) zu den Ambitionen, Günther: 6 (man ist ständig mit organisatorischem Klimbim belegt: ungültige Karten heraussuchen, nachmischen …), Horst: 7 (das Spiel-Korsett stimmt, die Mechanismen greifen gut ineinander), Moritz: 6 (man wird ein bißchen gespielt, die Aktionen sind in sich nicht stimmig), Walter: 6 (konstruktiv, aber solitär).

Aaron gibt einen Punkt weniger, weil der, der heute gewonnen hat, den weitaus meisten Alkohol getrunken hat.

2. “Hanabi”
Vor einem Monat in einer 3er Runde angetestet, sollte das Spiel heute seine Vorzüge in einer 5er Runde auf den Teststand bringen. Fünf bis sechs Kartensätze mit den Zahlen 1 bis 5 werden an die Spieler ausgeteilt und die Spieler müssen die Karten aus ihrer Kartenhand in einer solchen Reihenfolge auf gemeinsame Stapel in der Tischmitte ablegen, dass am Ende möglichst alle Kartensätze wohlgeordnet streng aufsteigend auf dem Tisch liegen.

Das Problem dabei ist, dass die Spieler ihre Kartenhand verkehrt herum halten müssen, sie sehen also nicht die eigenen Karten, sondern nur diejenigen der Mitspieler. Wenn ein Spieler einfach blindlings eine Karte aus seiner Hand zieht, um sie an einen Stapel anzulegen, dann paßt sie mit größter Wahrscheinlichkeit nicht dorthin und es gibt für alle empfindliche Minuspunkte.

Damit die Spieler überhaupt eine Chance haben, die gemeinsame Herausforderung zu bestehen, müssen (und dürfen) sie sich gegenseitig Tips über die Qualität (Farbe oder Zahl) von Karten in ihrer Hand geben. Die Anzahl der zulässigen Tips ist eng begrenzt, deshalb ist es notwendig, bei der Tip-Vergabe sehr gut zu haushalten. Und man muß ein intelligentes Urvertrauen in Logik und Gutmütigkeit der Mitspieler haben. Wenn z.B. der weiße Stapel auf dem Tisch aus den Karten 1 und 2 besteht, dann bedeutet der Tip „Dies ist eine weiße Karte“ implizit, dass es eine 3 ist, die zum Stapel paßt. Sind auf dem Tisch aber z.B. alle Farbstapel bis auf einen bereits angefangen und man bekommt den Tip „Dies sind zwei Einsen“, dann sind beide wohl obsolet und können abgeworfen werden. Kein Tip-Geber wird uns dem Risiko aussetzen, nur zu raten, welche Karten gut oder schlecht sind. Die Spannung, ob die klugen Mitspieler auch die nützlichsten Tips finden, und ob die klugen Tip-Empfänger daraus auch die richtigen Schlußfolgerungen ziehen, ist der Witz des Spiels.

Moritz: „Als kooperatives Spiel rette ich lieber eine Burg vor Orcs!“

WPG-Wertung: Die Neulinge Horst und Moritz teilten nicht die bisherigen positiven Eindrücke: Horst: 5 (eignet sich vielleicht als Turnierspiel), Moritz: 3 (kein Thema, reißt mich nicht vom Hocker).

Nachdem Horst und Moritz genug gestänkert hatten, ließ sich Aaron zu einem „fucking cooperative“ hinreißen.

3. “Tweeeet”
Moritz bemängelte, dass unsere Session Reports oft genug nicht jugendfrei sind. Doch schon beim Auslegen des Spielmaterials kommentierte er: „Wie Mississippi-Queen mit Vögeln“. Wie recht er hat.
Wir schlüpfen in die Seelen von Rot- und Blaukehlchen und fliegen von unseren Startplätzen über eine mittels Hexagonketten ständig erweiterte Fläche (analog „Mississippi-Queen) bis zum Paarungsgipfel am Ende der Strecke. Für die jeweils zurückgelegte Strecke verbrauchen wir Nahrung; die auf dem jeweiligen Landeplatz liegende Nahrung dürfen wir in unseren Kehlchenvorrat einsacken.

Niedliches Spielmaterial in Tweeeet

Unsere Inkarnation als Rotkehlchen und die Nahrungsteile (Nuss, Erdbeere, Traube, Made, Käfer) sind hübsch anzusehen, ihre unterschiedliche Wertigkeit (von 1 bis 5), ist ihnen aber nicht auf die Stirne geschrieben. Mit dem Bezahlen des Nahrungspreises ist jedesmal eine unhandliche mathematische Aufgabe verbunden: Wieviele Nüsse bekomme ich zurück, wenn ich eine zurückgelegte Strecke der Länge 4 mit einem Käfer bezahle und dort eine fade Made aufnehme?

Das Spiel geht von 7 bis 99 Jahre. Moritz hält es aber bereits für seinen 5 jährigen Milo als angemessen, und dann bis maximal 7 Jahre. Aaron ergänzte: Und dann wieder ab 80! Walter zog den Kopf ein. Horst resignierte: Er hätte das Spiel gerne für seine Frau als Weihnachtsgeschenk unter den Christbaum gelegt, aber „das Spiel spielt nicht einmal Brigit“.

WPG-Wertung: Unsere schwache Punktwertung will ich hier nicht wiedergeben. Es ist nicht Stil unseres Hauses, ein fälschlich in harte Männerfäuste geleitetes Kinderspiel hämisch zu zerpflücken. Aaron: a (einschließlich 1 Punkt für die Niedlichkeit des Spielmaterials), Günther: b (nur wegen des Materials), Horst: c (trotz des Materials), Moritz: d (würde sogar „1830“ noch lieber spielen – fast ein Kompliment), Walter: e (das Material ist wirklich hübsch).

Hübsche chinesische Plastikfiguren machen noch kein gutes Kinderspiel. Klare Abwertung für die unhandliche Käfer-Madenwährung und für die fremden Federn vom Mississippi. Sonst ist in Tweeed nichts drin.

4. “Bluff”
Nichts Neues im Westen. Ein Spieler mußte mal wieder in einer einzigen Runde alle 5 Würfel abgeben. Aber nicht weil er zu hoch gesetzt hatte, sondern schon viel zu früh zu zweifeln anfing.
Könnte man hier den Bluff-Tip Nummer 5321 formulieren: Wenn Du unsicher bist, ob die Würfelvorgabe noch stimmt, dann lieber erhöhen als anzweifeln?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

24.10.2012: Wellen aus Essen

Günthers Bilanz von der diesjährigen „Spiel 2012“ in Essen:

“Es wird immer schlimmer … Die Spielekisten werden jedes Jahr dicker, schwerer und teurer. Passend dazu werden die Tüten immer größer… Gegenüber den Jahrgängen von ’Canyon’ oder ’Samarkand’ haben wir jetzt im Schnitt bestimmt 2-3 mal größere Kisten…. Wer stoppt diesen Trend ???“

Aaron sieht das genauso: „Konsequenterweise laufen immer mehr Leute mit Sackkarren und großen Koffern auf der Messe rum, um ihr Zeug zu transportieren. Und AEG hat diesmal am Stand einen rund 1,5m großen Sack als Tragetasche ausgegeben.“

1. “Love Letter”
In der Volksausgabe ist der 16-blättrige Kartenstapel einen halben Zentimeter hoch. In der Luxusversion gibt es dazu noch einen amourösen roten Lederbeutel mit goldener Aufschrift und Kugeln aus Rubinglas zum Zählen der Siegpunkte.

Jeder Spieler bekommt eine Karte in die Hand und ist damit – in steigender Rangfolge – entweder Guard, Priest, Baron, Handmaid, Prince, King, Countess oder Prinzess. Wenn er am Zug ist, zieht er vom verdeckten Stapel eine Karte nach und muss nun einer seiner beiden Karten ablegen. Dazu muss er eine Aktion ausführen, die mit der abgeworfenen Karte korreliert und deren Hauptziel darin besteht, seine Mitspieler so nach und nach aus dem Rennen zu kicken.

Der Guard darf bei einem beliebigen Mitspieler raten, welche Karte er noch in der Hand hält. Hat er richtig geraten, so ist der Mitspieler draußen. Der Baron darf sich mit einem beliebigen Mitspieler vergleichen. Der rangniedigere von beiden ist draußen. Der Prince kann von einem Mitspieler verlangen, dass er seine letzte Karte abwirft. Falls dies zufällig die Countess ist, ist diese ebenfalls tot. Der Priester schaut in eine fremde Kartenhand und der König tauscht mit ihr.

Nach kurzen zwei Minuten ist eine Runde zu Ende. Entweder ist nur noch einer übrig geblieben, der dann einen Siegpunkt erhält, oder es sind mehrere übrig geblieben, von denen der Ranghöchste gewinnt. Lustig, schnell, schadenfreudig. Die Anzahl der „meaningful decisions“ (Moritz Originalton) ist begrenzt. Man kann auch rausgekickt werden, bevor man auch nur einen einzigen Atemzug getan hat. Begrenzt lustig, aber schnell und schadenfreudig.

Ja, wir haben viel gelacht. Nicht so viel wie Günther auf der Messe in Essen, aber immerhin. Auch wenn dem einen oder anderen (mir) dabei das Messer im Halse stecken geblieben ist.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (bei welchem Spiel haben wir schon so viel gelacht?), Günther: 8 (mit minimalem Aufwand viel erreicht), Horst: 7 (locker und leicht wie die Milkyway-Reklame), Moritz: 7 (wegen der reinen Schadenfreude), Walter: 5 (kurzer Zeitvertreib [das kommt bei Birgit einem spielerischen Todesurteil gleich]. Bei „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ darf der Letzte wenigstens am längsten spielen).

Walter bemängelte auch einen Geburtsfehler des Spiels: Wenn der Guard die Rolle eines Mitspielers erfragt, darf dieser Spieler ohne jegliche Kontrolle seine Rolle verleugnen. Honorige Spieler tun das nicht, Döddelspieler schon eher, aber da macht es wahrscheinlich auch nichts aus. Doch ein gutes Design läßt diese Möglichkeiten erst gar nicht zu.

2. “Rattus Cartus”
Ja, es geht tatsächlich (auch) um Ratten. Google’s Latein-Übersetzer kennt das Wort zwar nicht, aber bei einer Bildersuche unter dem Stichwort „Rattus“ kommen jede Menge putziger Ratten zum Vorschein.

Jeder Spieler bekommt 10 Rattenpunkte, von denen er bis zum Spielende möglichst viele loswerden soll oder muss. Wer am Ende mehr davon übrig hat, als das Limit erlaubt, hat automatisch verloren. Das genaue Limit ist zunächst unbekannt, jeder Spieler kann aber einen Teil seiner Züge dazu verwenden, das Limit peut-a-peut zu erschließen. Er kann es aber auch darauf ankommen lassen. Doch das Rattus Limitus ist eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz.

Wir wählen zufällige, offen ausliegende, wechselnde Optionen und dürfen dann zwei, drei oder gar vier „Bevölkerungskarten“ nachziehen. (Entschuldigung: solche Alternativen sind doch bereits ein Scheiß! Da die Bevölkerungskarten der Motor des Spiels und in jedem Fall je-mehr-je-lieber sind, sind dies doch keine echten Alternativen. Was soll das? – Natürlich wird zuweilen auch die Option angeboten, eine Ratte loszuwerden oder sich einen Bruchteil des Rattenlimits anzuschauen, aber leider nur zuweilen.)

Als zweites bieten wir mit unseren Bevölkerungskarten auf die gleichen ausliegenen Optionskarten, die aber diesmal eine andere, von unserer obigen Optionswahl absolut unabhängige Bedeutung besitzen: Der meistbietende bekommt Siegpunkte, weitere Bevölkerungskarten, Sonderkarten (Joker, Schwert, Flöte oder Passen), oder er darf Ratten loswerden. Alle Nicht-Meistbietenden kriegen das gleiche, nur in kleinerem Quantum.

Als Gratifikation für das Bieten darf man in sechs verschiedenfarbigen Zauberspalten nach oben rücken. Für jede eingesetzte Bevölkerungskarte um ein Feld. Am Ende bekommt jeder Spieler für jede Spalte, in der er am höchsten gekommen ist, zehn Siegpunkte. Die Nächstplatzierten deutlich weniger. Ach ja: Zum Bieten auf die farbigen Optionskarten sollte man nur Bevölkerungskarten der gleichen Farbe spielen. Andere Farben sind zwar erlaubt, bringen aber unerwünschte Ratten ein.

Die Sonderkarten (Joker, Schwert etc.) dürfen auf alle Optionskarten gespielt werden. Sie beinhalten zuweilen peinliche Nebeneffekte für die Mitspieler: Meist werden sie dabei einen erklecklichen Teil ihrer Bevölkerungskarten los.

Nach einer guten Stunde Ratten-, Optionen-, Schwerter- und Flötenkampfes prophezeite Moritz: „Ihr werdet am Ende alle lachen. Und dann nicht mehr.“ So war es. Das Rattenlimit lag außerhalb der Drei-Sigma-Grenzen , alle Spieler lagen darüber und hatten automatisch verloren. Nur Aaron überlebte als einziger. Eine ganze Stunde Rattenkampf war für die Katz!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (in unserer 5er Runde spielte es sich schlechter als in den Essener 4er Runden), Günther: 5 (man kann sich gegen die mancherlei Unbilden im Spiel nicht wehren), Horst: 7 (zwiespältig – Kommentar b.N.: für „Zwiespältigkeit“ ist 7 doch eine relativ gute Note), Moritz: 7 (das Spiel hat ganz hübsche Mechanismen), Walter: 5 (die Mechanismen sind unausgereift; das Pseudoplanspiel enthält zuviel Chaos und zu krasse Effekte).

PS: Moritz bekannte hinterher, dass er seinen Joker konsequent genutzt habe, um in der Zauberspalte nach oben zu kommen. Aber das ist wohl eine andere Geschichte.

3. “Uchronia”
Carl Chudyk hat vor fünf Jahren mit “Glory to Rome“ eine neue Kartenspielidee auf den Markt gebracht, die am Westpark immerhin mit glatten 6 Punkten bewertet wurde. Diese Spielidee hat er jetzt in einen Jungbrunnen geworfen, um eine neue bezaubernde Jungfrau reinkarnieren zu lassen, es kam aber nur der gleiche alte Drache zum Vorschein. „Uchronia“ ist ein „Rome“ im Sauriermillieu.

Wir spielen Aktivitätskarten für Construction, Production, Exploration, Trade und „Draconians“ (offensichtlich die im Pliozän üblichen Saurieraktivitäten) aus und legen damit Karten von der Hand in die private Dominion, in den privaten Stock oder das öffentliche Forum. Wir erwerben öffentlich ausliegende Gebäude (z.B. Latrine und Bazaar, offensichtlich Saurier-Gebäude), bauen sie aus und nutzen am Ende ihre tausendfältigen kleinen Vorteile für verbessertes Kartenmanagement.

Wir bauen unseren Aktivitätenpool aus, um auch mit weniger oder gar fehlenden Handkarben flüssig zu bleiben oder Mehrfachnutzungen auszulösen. Wer am Ende mit Gebäuden, Aktivitätenpool und Monopol-Bonus als erster 15 Siegpunkte erzielt hat, läutet die Schlußrunde ein.

Walter schielte schon nach wenigen Runden verzweifelt auf die doch „nur“ 6 Punkte für „Glory“ und selbst Aaron fragte öffentlich, ob die 15 Siegpunkte als Spielende-Bedingung nicht etwas zu hoch seien. Doch Moritz sonnte sich mit gefülltem Stock und Pool im Vorgefühl seines Sieges. Es reichte auch zum Einläuten der Schlußrunde, doch dann wurde er auf der Zielgraden noch von Günther überholt.

„Rome“ war schon vom Kartendesign und den Farben her bunter und klarer. Vielleicht sogar etwas konstruktiver. Ein bißchen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zäh, klein-fummelig mit den vielen Sondereigenschaften), Günther: 6 (das Drum-Herum ist ganz OK), Horst: 5 (kein einziger Lacher), Moritz: 6 („das Spiel ist total gelähmt von den pißgelben Gebäuden“), Walter: 5 (zäh, die Farb-Lähmungen auf dem Forum sind mangelhaftes Spieldesign).

4. “Hanabi”
„Hanabi“ heißt im Japanischen „Feuerwerk“. Mit dem kleinen Kartenspiel sollen wir ein solches an der Himmel zaubern. Das ist etwas zuviel versprochen. Wir können lediglich auf dem Spieltisch in Kooperation miteinander ein patience-artiges Problem lösen.

Immerhin sind dabei neuartige Mechanismen am Werk, die in Essen sehr gut angekommen sind. In den Beliebtheitsskalen war das Spiel ständig unter den Top 10 zu finden. Günther fürchtet allerdings, dass die neuartige Spielidee schnell „ausgelutscht“ sein könnte.

Jeder Spieler bekommt 5 Ziffernkarten von 1 bis 5 in den Farben rot, grün, gelb, blau und weiß in die Hand. Er darf seine Kartenhand allerdings nicht ansehen, sondern muß die Karten mit der Rückseite zu sich halten, so dass nur die Mitspieler seine Karten kennen.

Jeder Spieler zieht nun eine Karte – die er a priori erst mal nicht kennt – aus seiner Kartenhand und gibt dazu an, ob er sie „abwirft“ oder „anlegt“. Abwerfen ist wohl klar, „anlegen“ bedeutet, dass er entweder mit einer Eins einen neuen öffentlichen Stapel anfängt oder mit einer Zahl größer Eins einen bereits existierenden öffentlichen Stapel streng sequentiell erweitert: auf die Eins folgt die Zwei usw.

Wer eine Karte zum „Anlegen“ ausspielt, aber keinen Platz dafür findet, weil kein passender Stapel auf dem Tisch liegt, kassiert für alle Mitspieler einen Strafpunkt. Nach dem dritten Strafpunkt haben die Spieler verloren.

Damit das ganze aber keine zufällige Raterei, sondern eine für alle echte Patience-Herausforderung ist, darf man sich gegenseitig Tips geben: Man bezeichnet einem Mitspieler, welche Karten in seiner Hand von einer bestimmten Farbe oder einer bestimmten Ziffer sind. Auf dem leeren Tisch ist z.B. jede Benennung von Einsen hilfreich, denn damit kann ein neuer Stapel angefangen werden. Die Anzahl der zu gebenden Tips ist begrenzt, man muss sehr sparsam und überlegt damit umgehen. Den Mitspielern die passenden, notwendigen und ggf. auch überflüssigen Karten in der richtigen Reihenfolge zu zeigen, ist essentiell. Bei allen Tips muss man unbedingt auf Grips und Logik der Mitspieler vertrauen und daraus die richtigen Schlußfolgerungen ziehen. Und natürlich sollte man sich die Tips der Mitspieler gut merken und seine Kartenhand möglichst nicht durcheinanderbringen.

Nach dem ersten Spiel – weit nach Mitternacht – waren alle sofort für einen zweiten Durchgang bereit. Das spricht eindeutig für das Spiel. Zumindest für den Essen-Effekt. Die Gefahr des Ausgelutschseins ist damit noch nicht gebannt. Doch in einer vertrauten Knobelrunde sollte das Spiel immer wieder seinen Reiz entfalten.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (neuartige Kartentechnik), Günther: 7 (interessantes Knobelspiel), Walter: 7 (funktionierende Kooperation). Horst und Moritz lagen schon in ihren Heiabettchen.