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Auch wenn es nach den ausgebliebenen Session-Reports so aussieht, als hätten wir vier Wochen pausiert, waren die Westparker doch auch in der Zwischenzeit aktiv. Allerdings mit bereits bekannten und beschriebenen Spielen, einmal direkt bei Hans-im-Glück, vor allem aber ohne den Gewohnheitsschreiber Walter.
Walter durfte einige Wochen lang am Plattensee den Geburtstag der besten aller Ehefrauen feiern, und mußte sich in der dortigen Spielewüste mit „Hotel“ begnügen. Einem Westpark-Strategen kann diese Monopoly-Variante zunächst nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Doch wenn man von vorneherin davon ausgeht, keine konsequente Gewinnstrategie verfolgen zu können, sondern mit einer demütig-gelösten Kismet-Einstellung die Gaben des Würfels hinzunehmen, dann kann man unter netten Menschen auch mit einer „Hotel“-Runde zwei Stunden Spaß haben.
„Und was gefällt Euch daran so besonders?“ war hinterher die obligatorische Westpark-Gamers-Frage. „Daß man nicht denken muß!“ antwortete ein frisch gebackener Mediziner, Freund der Nichte. Und was sagte die Nichte selber zum Abschluß: „Mama, zu Weihnachten wünsche ich mir ein NEUES Monopoly.“
1. “Das kalte Herz”
Vor einem halben Jahr haben wir die Neuentwicklung von Christof und Moritz noch im Embryonalzustand in Augenschein nehmen können. Wir sollen als Flösser im Holzhandeln unsere täglichen Siegpunkte verdienen (siehe Session Report vom 17.März). Damals hieß der Arbeitstititel noch „Holzhacken im Schwarzwald“. Jetzt gehen unsere Spiele-Väter schon sechs Monate lang mit ihrem Kind schwanger und haben eine Menge zusätzlichen Pepp hineinentwickelt.
Das fängt schon mit dem Namen an. Aus den „Holzhackern“ ist „Das kalte Herz“ geworden, nach einem Märchen von Wilhelm Hauff, das den Holzhändlern in Schwarzwald gewidmet ist. Hier ein Ausschnitt aus der Hauff’schen Einleitung:
„Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen … Dort beschäftigen sich die Leute gewöhnlich mit Glasmachen; auch verfertigen sie Uhren und tragen sie in der halben Welt umher. Auf der andern Seite des Waldes wohnen andere Menschen desselben Stammes, die handeln mit ihrem Wald; sie fällen und behauen ihre Tannen, flößen sie durch die Nagold in den Neckar, und von dem obern Neckar den Rhein hinab, bis weit hinein nach Holland. Am Meer kennt man die Schwarzwälder und ihre langen Flöße; sie halten an jeder Stadt, die amStrom liegt, an, und erwarten stolz, ob man ihnen Balken und Bretter abkaufen werde; ihre stärksten und längsten Balken aber verhandeln sie um schweres Geld an die Mynheers.“
In dem Märchen kommt der kleine Kohlemunk-Peter vor, der auf seinem Abenteuer vom guten Glasmännlein beschützt und vom bösen Holländermichel bedroht ist. Dieser mythische Gut-Böse-Kontrast hat es den Autoren angetan. Zur soliden Holzhandwerksarbeit haben sie phantastische Aktionskarten gestellt, die ständig unseren Charakter verderben und uns Minuspunkte zuschustern. Zu unserer Seelenrettung müssen wir regelmäßig beten und dabei eine ständig wachsende Anzahl von Scherflein in den Opferstock geben. Wer allerdings von Haus aus zur Frömmigkeit neigt, geht überhaupt nicht mehr in den Wald, sondern schickt seine Leute ständig ununterbrochen ins Bethaus, und sammelt sich so nicht nur Schätze im Himmel, sondern auch Siegpunkte auf Erden.
Diese Strategie verfolgte Walter, wobei ihm zugute kam, daß er durch seinen zu Spielbeginn verteilten Sondercharakter von vornerherein für jede Frömmigkeitsstufe zwei Scherflein weniger zahlen mußte als im Standard-Tarif. So konnte er als Heiliger den Sudden Death herbeiführen und sich dabei noch zum Sieger küren lassen.
Es gibt noch viel zu feilen am kalten Herzen. Auch muß noch einiges vereinfacht werden. Die vielen Grübelmöglichkeiten über die effizientesten Züge für die einfachen Holzhacker und Holzhändler kosten (am Westpark) eine viel zu große Menge Denkzeit. Und warten ist lästig. Besonders für Walter, der noch dazu für seine Bete-und-Faulenze-Strategie überhaupt keine Denkzeit benötigte. Zum Glück konnte er sich den Hauff vornehmen und „Das kalte Herz“ lesend bewältigen, während seine Mitspieler Holz hackten, Baumstämme anschoben, Staudämme fluteten und Flöße zusammenzimmerten.
Ein Neunmonatskind wird „das kalte Herz“ bestimmt nicht.
Noch keine WPG-Wertung.
2. “Chairman of the Board”
Das Brettspiel wurde uns vom irischen Verlag Peca-Games zum Testen zugeschickt, mit den besten Referenzen im Internet.
Beim Auspacken erinnerte das Spielbrett eher an „Monopoly“: Um den Spielfeldrand herum sind farbige Felder gruppiert, auf die je eine Karte gelegt wird. Bei „Monopoly“ sind das Straßen, im „Chairman of the Board“ (deutscher Titel: „Der Vorstandsvorsitzende“!!) sind das Aktienanteile.
Doch es gibt keine Würfel, die Bewegung um das die Aktienfelder am Spielfeldrand erfolgt mitttels Karten. Der Mechanismus ist hier ganz ähnlich dem eines Kartenspiels, das ich als Kind unter dem Namen „Schnauz“ kennengelernt habe: Jeder Spieler erhält 3 Karten eines „normalen“ Kartendecks (Rommé, Canasta, Bridge), darf jeweils eine davon mit einer Karte vom übrigen Stapel tauschen und muß damit möglichst schnell die höchstwertige Kartenkombination erzielen. Wem das gelingt, der darf sich einen Aktienanteil nehmen. Wer dann die niedrigstwertige Kartenkombination in seiner Hand hält, muß dem Gewinner zusätzlich eine gewaltige Stange Bargeld zuschustern. Für die anderen Mitspieler tut sich gar nichts.
Moritz erklärte diese etwas seltsame Karten-Brettspiel-Nichts-Rührt-Sich mit „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Auch bei diesem absurden Stück des irischen Autors wartet man ebenfalls vergeblich darauf, daß irgendwann mal irgend eine Aktion geschieht. In „Chairman of the Board“ erhält dazu noch jeder Spieler eine „Vetokarte“, mit der er verbieten kann, daß sich ein Spieler nach der oben beschriebenen Regel einen Aktienanteil nehmen kann. So ist der Stillstand gleich doppelt gesichert.
Natürlich löste dieses vermurkste Design sehr bald ausschließlich Gelächter aus. Zumindest bei ¾ der Teilnehmer. Walter „fand es überhaupt nicht zum Lachen“, doch für Moritz war es „eines der besten Spiele, das mit je untergekommen ist“. Doch trotz diese Qualifizierung brachen wir ab, bevor auch nur der ersten Spieler einen Aktienanteil erworben hatte. „It’s not a game, it’s a joke!“ (Hallo Peca-Games: Falls Euch dieser Session-Report zu bösartig erscheint, dann könnt Ihr wenigstens noch das Moritz-Zitat in Euere Internet-Präsentation übernehmen!).
WPG-Wertung: Aaron: 2 (für das schöne, qualitativ hochwertige Spielmaterial), Günther: 2 (für die Veto-Karten), Moritz: 2 (Spielmaterial), Walter: 2 (Als Reverenz für die vielen Schnauz-Runden aus seiner Jugend)
3. “Schnauz”
Zur Demonstration eines funktionierenden Spiels mit dem oben erwähnten Kartenkombination-Tausch-Mechanismus schlug Walter ein Spielchen vom Original-Schnauz vor. Im Internet ist es mit dem Namen „Schwimmen“ geführt und hat die weiteren regionalen Bezeichnungen Knack, Wutz, Bull und Hosn obi …
Unter der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Schwimmen_(Kartenspiel) findet man die Ablaufbeschreibung:
„Der Kartengeber teilt beim offenen Spiel jeweils drei verdeckte Karten einzeln an alle Spielteilnehmer aus, an sich selbst jedoch zwei Päckchen mit jeweils drei Karten. Er sieht sich die Karten eines Stapels an und entscheidet, ob er mit diesen Karten spielen möchte, oder nicht. Will er mit den Karten des ersten Stapels spielen, so muss er den zweiten Stapel offen in die Tischmitte legen. Will er die Karten des ersten Stapels nicht behalten, so legt er diese drei Karten offen in die Mitte des Tisches und muss die Karten des zweiten Stapels aufnehmen. Die übrigen Karten werden beiseite gelegt.
Der Spieler links vom Geber beginnt das Spiel. Er kann entweder eine Karte oder alle drei Karten aus der Hand mit Karten in der Mitte tauschen – jedoch nicht zwei. Möchte er nicht tauschen, so kann er entweder schieben, d. h. keine Karte tauschen, oder aber das Spiel schließen, indem er klopft (meist mit den Fingerknöcheln auf den Spieltisch).“
Logisch, stimmig, ausgewogen, unterhaltsam. Auf keinen Fall krass.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (auch Jugenderinnerung), Günther: 5 (warum eigentlich?), Moritz: 5 (funktioniert), Walter: 7 (schnell und gute Kosten/Nutzen-Relation im Material).
4. “Flaschenteufel”
Moritz wurde ungedultig: „Jetzt laßt uns endlich nochmal ein gutes Spiel spielen!“ 23 Uhr war schon vorbei, da standen nur noch Absacker zur Auswahl. „Flaschenteufel“ ist immerhin einer von den besten.
Aaron schlug Günther gleich eine Allianz gegen Moritz und Walter vor, doch Günther hatte eine bessere Idee: „Alle drei gegen Moritz! Wenn er schon mal da ist!“
Allerdings lassen sich aggressive Allianzen in Flashenteufel kaum umsetzen .Am Ende ist jeder doch nur darum bemüht, sein eigenes Schäfchen ins Trockene zu bringen. Selbst beim Schieben von Karten in der Startaufstellung kann jeder nur an seinen eigenen Vorteil denken: Die niedrigere Karte an den rechten Mitspieler, die höhere Karte an den linken Mitspieler. Die Begründung dafür und eine Reihe weiterer Ratschläge findet man unter der Flaschenteufel-Rezension auf unserer Seite.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
5. “Bluff”
Walter stand mit 3 Würfeln im Endspiel gegen Günther mit 1 Würfel. 1 mal die Vier war Pflichtvorgabe im Kampf der 1-mal-Vier gegen 1-mal-Fünf-Kontrahenten.
Günther hatte eine winzige Eins unter seinem Becher. Wie sollte er kontern?
Er versuchte es mit 2 mal die Eins. Doch Walter, der eine Eins und zwei Zweien unter dem Becher hatte, konnte mit 2 mal die Zwei den Sack zumachen.
Günther bekam hinterher natürlich den Vorwurf zu hören, warum er die 1-mal-Vier-Vorgabe nicht angezweifelt habe. Dafür bekommt er jetzt als unser Chefmathematiker folgende Hausaufgabe aufgedrückt;
a) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, unter 3 Würfeln keine Vier zu haben.
b) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit 3 Würfeln (einschließlich der Nachwürfelmöglichkeit) besser als 2 mal die Eins zu würfeln. (Unter der Voraussetzung, dass unter unter dem Becher des Gegners eine Eins vorhanden ist.)
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
Games with artists as protagonists have a good tradition in European gaming, if one thinks of classics like ‘Princes of Florence’ or ‘Leonardo da Vinci’. There are also many games, in which artists (or at least artistically ambitious craftsmen) play an important role, like in ‘Pillars of the Earth’. It’s a well-liked theme, which perhaps can be explained by the special role of art itself in European history.
In ‘Fresco’ players emulate Michelangelo and mix their colour pots to create a huge ceiling painting. Important for this is not only good action management but also to keep one’s artist happy and inspired (that one cannot be happy and inspired with too little sleep should be common knowledge). ‘Fresco’ is one of those rare games in which theme and mechanics blend well. In fact the game is explained very easily because everything is logical and clear. In a wonderful way it is equally good as a family game (buying and mixing colours is fun) but also as a freak game (action optimizing) – therefore it can be wholeheartedly recommend to all kinds of gamers.
“Brettspiel sowie Malerei verlangen ein außerordentliches Maß natürlicher Begabung und liefern uns darin auch die seltsamsten Überraschungen; so mancher offenbar halb-gescheite Zeitgenosse, der zu einer nützlichen Tätigkeit unfähig zu sein scheint, kann sich als Genie im Brettspiel oder der Malerei erweisen.”
Aus “Die Geschichte vom Prinzen Genji” – aufgeschrieben vor ziemlich genau eintausend (!) Jahren.
Apropos „Genji“: Seit ich seinen Lebensroman gelesen habe, muß ich mich über unser leichtfertiges Herangehen an das gleichnamige Brettspiel (23.09.2009) schämen. Gedichte und Halbgedichte zu schreiben, die vom Empfänger mit Gedichten und Halbgedichten beantwortet werden, war in Japan eine tief verwurzelte höfische Sitte. Es gab keinen gebildeten Liebhaber, der in der Morgendämmerung das Haus seiner Liebsten verließ, ohne ihr unverzüglich ein selbstverfaßtes Gedicht zu schicken, und der daraufhin nicht ebenso unverzüglich ein Gedicht zurück bekommen hätte. Mit diesem Wissen muß man am Brettspiel “Genji” wenigstens den kulturellen Hintergrund würdigen. Verzeihung, verehrter Dylan Kirk!
1. “Mega Corps”
Andrea rümpfe die Nase, als Moritz dieses „Wirtschaftsspiel“ auf den Tisch legte. Aber er konnte sie sofort beruhigen: „Keine Sorge, es gibt auch Aggressionen. Es wird allerdings nicht gewürfelt.“ Ist das jetzt eine Einschränkung unseres kriegerischen Austobens oder eine Verstärkung?
In einem Schachbrettmuster liegen auf der X-Achse die verschiedenen Nationen (Europa, Russland, China, Japan usw.) und auf der Y-Achse die verschiedenen Industriezweige (Software, Öl, Metall, Medien, Verteidigung, Biotech usw.). Die hauptsächliche Tätigkeit der Spieler besteht darin, beliebige X-Y-Punkte zu besetzen, d.h. z.B. eine Biotech-Industrie in Rußland zu errichten.
In unregelmäßigen Abständen werden bestimmte Industriezweige gewertet, dann bekommen die beteiligten Mitspieler für jeden Standort eine Summe von Siegpunkten. Je weniger Mitspieler sich hier engagiert haben, desto höher ist der Ertag pro Standort. Besitzt ein einziger Spieler alle 5 Standorte eines Industriezweiges, so bekommt er ganz allein stolze 50 Siegpunkte. Sind die Standorte dagegen auf 5 verschiedene Spieler verteilt, so bekommt jeder nur 4 Siegpunkte.
Die Nationen sind ebenfalls in der Hand einzelnen Spieler, doch deren Besitz ist nur von untergeordneter Bedeutung. Zu Spielbeginn werden einige Nationen asymmetrisch an einige Spieler verteilt, andere gehen leer aus und werden dafür mit Ereigniskarten abgespeist. Man freut sich, wenn man ein paar Nationen geschenkt bekommen hat und man heuert ggf. Söldner an, um die Nationenverteilung zu verändern. Doch hinterher muß man sich fragen, ob das den Einsatz wert war. Denn bei Spielende ist der Nationenbesitz keinen Pfifferling mehr wert. Als Regierungschef kann man lediglich einen Zug opfern, um ein Unternehmen aus dem eigenen Lande zu weisen (in einer Demokratie), um es zu verstaatlichen (in der Diktatur) oder um es selbst in Besitz zu nehmen (in einer Kleptokratie). Doch diese Besitzwechsel-Effekte bringen einem Spieler nicht viel mehr ein, als wenn er auf friedliche Weise einen beliebigen freien X-Y-Punkt auf dem Spielbrett belegt.
Was sich hier noch ein bißchen planbar liest, ist in Wirklichkeit absolutes Mitspielerchaos. Dazu tragen besonders die Ereigniskarten bei. In jeder Runde darf der Startspieler eine davon ziehen und zu einem beliebigen Zeitpunkt einsetzen. Z.B. darf man damit einem Mitspieler einen Industriestandort ersatzlos wegnehmen (was dem Opfer natürlich sehr peinlich ist), oder man kann für einen Industriezweig eine Sonderwertung auslösen (was für den Auslöser natürlich sehr erfreulich ist), und ähnliche starke bis krasse Effekte. Damit wird die konsequente Planung von Industriemonopolen nahezu torpediert.
Unser heutiger Sieger konnte kurz vor Schluß mit einer Ereigniskarte einen ganzen Industriezweig an sich reißen und zweimal dafür abkassieren: einmal regulär und einmal in der Schlußwertung. Allein mit diesen zwei Wertungen machte er ungefähr sowie Punkte, wir alle anderen Spieler am Ende jeweils aufwiesen.
Doch dieser unberechenbare Ablauf war vom ersten Augenblick an vorhersehbar. Wir ließen uns schnell auf das Chaos ein und füllten Haus und Garten des öfteren mit schallendem Gelächter. Zumindest die erste Stunde lang. Dann wurde das Lachen schlapper. Es ist nicht so leicht, anspruchsvolle Kunstgenießer zweieinhalb Stunden bei Laune zu halten.
WPG-Wertung: Aaron: 3 („Das Spiel ist nicht ausgegoren.“), Andrea: 5 (fand es ganz lustig. „Das Spiel hat einige gute Ansätze.“) , Hans: 4 („Man kann (immerhin) verschiedene Schwerpunkte setzen. Offensive Aktionen sind aber nicht kalkulierbar, zu teuer und zu wenig lohnend.“), Moritz: 4 („Die Ereigniskarten sind ein totaler Scheiß. Der Sieg sollte nicht nur über die Industrien, sondern auch über den Nationenbesitz vergeben werden.“), Walter: 4 („Ein Zeitvertreib im Sinne von Zeit Totschlagen, keiner im Sinne von Vergnügen und Zerstreuung.“)
2. “Glen More”
Ein Kontrastprogramm zu „Mega Corps“: alles ist planbar, jeder Spieler hat mit jedem Zug sein Schicksal selber in der Hand.
Auf einer Rundlaufbahn liegen Landschaftsplättchen aus (Dorf, Wiese, Wald etc.) und jeder Spieler darf sich jeweils ein beliebiges davon nehmen und in seine eigene Landschaftsauslage einfügen. Jedes Plättchen bringt Vorteile, entweder an Resourcen (z.B. Stein, Holz, Getreide, Fleisch) oder an Produktionsstätten (Jahrmarkt, Krämerei, Metzgerei, Destille), wo Rohstoffe in Geld oder Siegpunkte verwandelt werden.
Die Spieler sind aber nicht reihum am Zug, sondern nach einem sehr interessanten Mechanismus darf jeweils der Letzte innerhalb des Rundkurses ziehen. Wenn z.B. noch Landschaftsplättchen zwischen ihm und dem vorletzten Spieler liegen und er mit minimaler Schrittweite vorwärts geht, darf er sogar mehrmals hintereinander ziehen.
Hier herrscht also für jeden Spieler das gegenläufige Interesse, sich das beste Plättchen ganz vorne unter den Nagel zu reißen gegenüber einem langsamen Abgrasen vieler mäßiger Plättchen am Ende des Rundlaufes. Doch damit das Abgrasen nicht allzu ausufert, wird jedes Plättchen a priori mit 3 Minuspunkten bestraft. Man sollte demnach seinen Plättchenbesitz möglichst minimieren und sich nur solche Plättchen zulegen, die es auch bringen. Dieses Spannungsfeld macht den ganzen Reiz des Spiels aus.
Es gibt sehr viele Siegpunktquellen und entsprechend viele Spielweisen, sie sich zu erschließen. Fitzelig ist die Planung, fitzelig die Einnahmen und die Wertungen, und fitzelig die Von-der-Hand-in-den-Mund-Optimierung. Erst das Spielende zeigt, wie gut man im Rennen liegt bzw. gelegen hat. Aber spielerisch-konstruktiv war es auf jeden Fall ein Vergnügen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 („Man wird gespielt,“), Andrea: 6 („Caylus ist ähnlich in der Entwicklung, aber anspruchsvoller und planerischer“), Hans: 5 („Die verschiedenen Strategien ermöglichen keine grundsätzliche Differenzierung. Jeder spielt so vor sich hin.“), Moritz: 6 („Das Spiel enthält viele hübsche Ideen.“), Walter: 6 („Es fehlt eine dynamische Steigerung der Wertungsefffekte zum Spielende hin.“)
3. “Bluff”
Gleich als erste Vorgabe begann Andrea mit 5 mal Stern. Das ist bei 25 Würfeln unter den Bechern von 5 Mitspielern deutlich über Schnitt. Moritz zweifelte an und mußte 2 Würfel abgeben. Andrea begann wiederum mit 5 mal Stern und Moritz sprang diesmal gleich auf 7 mal Stern, ohne einen einzigen Stern und dem Becher, und obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür doch geringer war als vorher. Warum das?
Er wollte die vorletzte U-Bahn erreichen! Was ihm auch auf Anhieb gelang.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
“Es ist überraschend, wie demokratisch Kinder (etwa im Alter ab 12 Jahren) miteinander Spielregeln abklären und eine gemeinsam akzeptierte Linie finden. So gehen Erwachsene niemals vor, wenn es gilt, die Regeln für das soziale (und politische und wirtschaftliche) Miteinander festzulegen und zu praktizieren.”
(Sinngemäß aus einem französischen Buch über Psychologie des Spiels der Kinder)
Warum verlieren die Menschen beim Erwachsen-Werden diese zweifellos angeborene demokratische und soziale Grundeinstellung? Sind das alles Nicht-Spieler? Oder sind es etwa gerade die Spielernaturen, die später unsozial bis kriminell nach ihren eigenen Regeln leben?
1. “Die Speicherstadt”
Nach der vorläufigen Auszähung zu unserem nächsten “Spiel des Monats” gekürt, wollten Peter und Loredana “Die Speicherstadt” unbedingt kennenlernen. Vor allem auch, wie es sich in einer Fünfer-Runde spielt.
Mit unseren Pöppeln bewerben wir uns um ausliegende Karten, die Lieferaufträge darstellen, oder Schiffsladungen mit Waren, oder sonstige Schmankerl für Siegpunkte wie Lagerhäuser, Kontore und Warenumschag. Es reicht aber nicht allein, einen oder sogar mehrere Pöppel an die gewünschten Karte zu plazieren, man muß die Karten hinterher auch noch bezahlen können. Je mehr Pöppel zu einer Karte geschickt wurden, desto teuer sind sie. Je mehr Pöppel hinterher auf den teurern Kauf verzichten, desto billiger wird sie wieder. Dieser sehr hübsch und klug ausgedachte Mechanismus ist das spielerische Herzstück der „Speicherstadt“.
Günther und Walter rissen sich um die Feuerwehrleute, die einen erheblichen Bonus bringen, wenn man die meisten davon hat, und die einen erheblichen Malus bringen, wenn man die wenigsten hat. Am zweitmeisten zu haben bringt genausoviel ein, wie am zweitwenigsten zu haben, nämlich plus-minus Null. Also geht es in dieser Feuerwehrschlacht genau darum, die absolut meisten Feuerwehrleute auf seine Seite zu ziehen. Wenn sich aber zwei Spieler um diese Position streiten, so treiben sie die Preise hoch und graben dieser Strategie das Wasser ab.
Fast ungestört konnte sich Hans die meisten Schiffe und Loredana die meisten Kontore aneignen. Und Peter ärgerte sich darüber, daß die Feuerwehrkapitäne ihnen das Leben zu wenig schwer gemacht hatten. Inhaltlich hatte er zwar Recht, aber wenn der Kampf um die Feuerwehr erst mal entbrannt ist, gibt es halt kein Zurück mehr.
WPG-Wertung: Der bisherige Schnitt von 7,3 wurde durch die Noten von Hans: 8 („keine Strategie ist konsequent durchrechenbar, das ist gut und schlecht, aber mehr gut als schlecht.“) und Loredana: 7 (findet das Mitspielerchaos gut, außerdem ist das Spiel schnell) bestätigt. Peter dagegen fiel mit erbarmungslosen 5 Punkten ab, ihm hat das unberechenbare Mitspielerchaos heute nicht gefallen.
2. “Fresko”
Heute galt es, Walter’s Hypothese von dem nicht-ausbalancierten Startspielervorteil zu verifizieren oder zu falsifizieren. (Siehe Session-Report vom 14.7.2010.) Da das Spiel nur für maximal vier Spieler ausgerichtet ist, verzichtete der Gastgeber sogar auf das Mitspielen. Dafür durfte er seit langem mal wieder das Spiel für die Neulinge erklären. Gemäß seiner großzügigen Lebenseinstellung verzichtete er auf eine bitgenaue Regeldarlegung und erging sich in lieber in Ausflüge zu taktisch-gutem Spiel. „Eine gute Startspielerstrategie ist unerläßlich für den Sieg! Deshalb so lange wie möglich den Siegpunkt-Erwerb zurückstellen!“ Ist diese Information nicht sehr viel wichtiger als gleich zu Beginn des Spieles zu wissen, daß der Bischof immer auf das Feld des aktuell fertiggestellten Freskos kommen? Oder daß man für seine Portrait-Pöppel maximal eine Sonderkarte nehmen darf, alle anderen Pöppel sich aber mit dem 3-Taler-Bonus begnügen müssen? Peter echauffierte sich über die nachgeschobenen Regeldetails: „Ich werde dich nie wieder erklären lassen!“ Der Prophet gilt halt nichts im eigenen Lande!
Günther hielt sich bewußt im Hintergrund und sammelte Farbtopf auf Farbtopf in seine Scheunen. Dann flog ihm unvermutete ein 17-Punkte-Plättchen wie eine gebratene Taube im Schlaraffenland um den Mund. Konnte er sich da noch länger zurückhalten. „Will ich jetzt tatsächlich so weit vorrutschen?“ Er rutschte und gab ab diesem Zeitpunkt die konsequente Startspielerstrategie auf. „Das Wichtigste ist, flexibel auf die gebotenen Gelegenheiten zu reagieren.“
Peter brüstete sich mit seiner Anti-Startspieler-Strategie. Doch seine Position war keineswegs herausragend. „Noch stehen wir alle zusammen!“ stellte Günther klar. Nur Loredana protestierte. Mit Recht. Fast bis zur letzten Runde lag sie mit deutlichem Vorsprung vorne. Sie hatte sich leichtfertig und leichtfüßig an die Spitze geschwommen und litt nur virtuell und dem 6 Uhr früh Aufstehen-Müssen, das ihr als Führender oft genug zugeschustert wurde. Offensichtlich ist ihre weiblicher Intuition das Pendant zur benötigten Flexibilität.
Und Walters These über die mangelnde Spiel-Balance ist eindeutig widerlegt. Es gibt zu viele andere Möglichkeiten, seine Köcher mit Pfeilen zu stopfen, so daß der goldene Schuß in der letzten Runde gewiß nicht den Ausschlag gibt. Hier ließ sich Günther mit einer ganzen Batterie an gemischten Farbtöpfen sogar noch einen dicken Fisch entgehen, von dem er fälschlich gehofft hatte, daß kein anderer die benötigte Farbkombination aufweise. Als Hans ihm den Fisch vor der Nase weggeschnappt hatte, unterstrich er mit „Jetzt spieler ich halt anders“ erneut seine Flexibilität. Er trug seine reichlichen Restfarben zum Altar und machte sich mit Erfahrung und Geschick an den Siegpunkt-Tausch über das Loser-Tableau. Seine dortigen Tränen wurden mit dem Sieg entlohnt. Nicht auszumalen, welchen Vorsprung er gehabt hätte, wenn auch noch seine Vorhaben mit der Startspielerposition alle geglückt wären.
WPG-Wertung: Hans: 8 („vorerst mal, mit Tendenz zu mehr. Das Spiel hat viele überraschende Wendungen“), Loredana: 10 (!), Peter: 9 („Bestes Spiel seit langem! Und so etwas hat Deutschland!“), Walter: 8 (früher 6; die Vielfalt der möglichen Spielalternativen hat überzeugt.)
Bemerkenswert: Walters Verzicht auf das Mitspielen wurde durch den Genuß eines platonischen Zuschauens voll ausgeglichen. Er fühlte sich keineswegs ausgestoßen, sondern war bei allen Aktionen seiner Gastspieler stets mit Lust und Liebe dabei. Zwei ganze Stunden lang. So etwas könnte ihm bei „1830“ niemals passieren. Was sagt das jetzt über „1830“ aus? Oder über „Fresko“? Oder über Walter?
3. “Bluff”
Nein, heute kein Absacker mehr. Peter und Loredana verließen schon weit vor der vorletzten U-Bahn das Lokal und die Runde löste sich auf.
Moritz ist umgezogen, von der Ludwigsvorstadt in die Isarvorstadt. Schon vor einem halben Jahr. Jetzt sind die Baukräne und das Dixi-Klo vor seiner Haustür verschwunden und für viel Geld hat er seinen Vorgarten anlegen lassen. Und jetzt spielen draußen auf der Straße die Kinder Fußball und schießen alle zwei Minuten den Ball auf seinen frischen grünen Klee! Dann stürmen sie zu zehnt über die Hecke und treten alles krumm, was der Gärtner gerade gerade gemacht hat. Ist das nicht ärgerlich?
Würdet auch Ihr dann und wann den Kindern den Ball wegnehmen und Euch der Horde erboster Kindereltern aussetzen, die den Ball für ihre Frischlinge wieder rausgerückt haben wollen? Moritz war verzweifelt, doch am Westpark erntete er mit seinem Vorgehen nur bedingt Mitleid. Ausgerechnet unser jugendlicher Draufgänger läßt sich die Rolle des pedantischen Ballwegnehmers und Kinderschrecks aufdrängen? Da muß es doch noch eine andere Lösung geben!?
1. “Age of Industry”
Offiziell ein „Brass light“, d h. eine vereinfachte Version des Spiels „Brass“ vom gleichen Autor Martin Wallace. Entsprechend tröstet das Regelheft die Spielergemeinde: „die Regeln sind etwas kürzer“. Doch das scheint ein Trugschluß zu sein. 14 Seiten umfaßt die deutsche Spielregel, und wenn ich mich vor zwei Jahren nicht getäuscht habe, waren es damals bei „Brass“ bloß 11. Wer irrt hier wen?
Wir hatten alle nur noch eine schwache Erinnerung an das alte „Brass“ und Günther mußt die Regeldetails in aller Tiefe wiederholen. Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis wir hier durch waren. Ab und zu mußten wir sogar auf die englische Version zurückgreifen, um zu verstehen, was gemeint war. Dazu ist es natürlich unglücklich, zwei verschiedene Spielbretter mit unterschiedlichen Spielelementen in einer einzigen sequentiellen Beschreibung abdecken zu wollen. Da werden Effekte beschrieben, die auf dem Spielbrett gar nicht vorkommen und die erst ein erfolgloses Suchen auslösen, bis man endlich merkt, daß man auf dem falschen Ufer ist.
Auch nach der ausgiebigen Regeldarlegung gab es ständig noch Regelunsicherheiten und Irrtümer. Selbst dem unfehlbaren Moritz unterlief eine Fehlplanung nach der anderen. Heute durfte er anstandslos alles zurücknehmen. Allein schon sein Schmuddelkinder-Andrenalinspiegel war mildernde Umstände wert.
Wie der Name schon sagt, spielt “Age of Industry” im Industriezeitalter und wir müssen Industrien (Eisen und Kohle) aufbauen, Eisenbahngleise legen, Häfen anlegen, Schifffahrtsverbindungen errichten und in diesem Netzwerk Waren erzeugen, zu den Verbrauchermärkten transportieren und dort in Geld und Siegpunkte umwandeln.
Gleich zu Spielbeginn gab es lange Gesichter: Wir haben kein Geld und müssen uns sofort auf dem Kapitalmarkt welches besorgen. Wir schwelgen nicht in Millionen, sondern wir darben bis zum Spielende am oder unter dem pekuniären Existenz-Minimum. Bemerkenswert hierbei, daß im Spielmaterial Kreditscheine bis zu 500 Dollar enthalten sind – und das bei Kosten für unsere Aktionen im Pfennigbereich!
Die Höhe des jeweils ausgegebenen Geldes bestimmt den Startspieler in der nächsten Runde. Das macht das Spiel zäh. Wir müssen nicht nur den Barverkehr abwickeln, wir müssen auch noch die aufgewendeten Summen registrieren. Dazu kommt das Handhaben der Kreditscheine und die Zinszahlungen. Lauter unnötige Vorgänge, die das Spiel verlangsamen.
Doch auch ohne diesen Geldverkehr verlief das Spiel ungeheuer zäh. Man kann nicht denken, wenn man nicht dran ist, sondern muß für seine Zugplanung das gesamte Mitspielerchaos abwarten, das uns von Runde zu Runde vor neue unvorhergesehene Spielzustände stellt.
Und dann zieht sich das Ende ewig hin. Wir haben schon fast keine Zugmöglichkeiten mehr, weil die Positionen auf dem Spielfeld schon alle vergeben sind, und das Kartendeck ist immer noch nicht aufgebraucht … Nach der einen Stunde Einführung brauchten wir noch weitere 2 ½ Stunden Spielzeit bis zur bitteren Neige. Ohne merkbare Steigerung an Spannung und Entwicklung. Schade. Das Original-Brass hat uns auf Anhieb gleich viel stärker angesprochen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (etwas entgeistert, wie sich das Spiel heute präsentiert hat), Günther: 6 (Findet das alte „Brass“ weiterhin schön; die Neuentwicklung war unnötig) Moritz: 4 („Das Spiel will ich nicht haben und nicht spielen! Ein abstraktes Rumgewixe“), Walter: 7 (Nur dann, wenn man es in einer kontemplativen Grundhaltung spielen kann.)
2. “Fresko”
„Ich brauche jetzt ein gescheites Spiel“ stöhnte Aaron. Mit „Fresko“, das es dieses Jahr bis in die Nominierungsliste zum „Spiel des Jahres” gebracht hat, sollte nichts schief gehen.
Wir sind Maler und müssen Farben kaufen, am gemeinsamen Fresco herummalen, mit privaten Portraits unsere Haushaltskasse aufbessern, die Farben für den nächsten Tag mischen, und uns am Abend noch ein bißchen zerstreuen, damit die Freude am Kunstschaffen gesteigert wird.
Das ganze läuft in engster Konkurrenz zu unseren Mitkünstlern ab. Schon allein die Uhrzeit, wann wir aufstehen um unser Tagewerk zu beginnen, unterliegt vielfältigen Überlegungen. Wer zuerst aufsteht, geht zuerst auf den Farbenmarkt und hat dort freie Auswahl. Allerdings sind dann auch die Preise noch sehr hoch. Wer erst am hellerlichten Tag dort auftaucht, kann die Farbreste zu Spottpreisen erwerben. Allerdings drückt das frühe Aufstehen auf die Schaffenskraft. Die Frühaufsteher sind mehr oder weniger davon abhängig, am Abend im Theater noch etwas zur eigenen Erbauung zu tun.
Das gemeinsame Fresko, an dem wir alle arbeiten, besteht aus einem Mosaik von Einzelteilen, für deren Fertigstellung wir jeweils Grundfarben und Farbmischungen in einer vorgegebenen Zusammensetzung bereit haben müssen. Damit erwerben wir das Mosaik und erhalten Siegpunkte sowie weitere individuelle Vorteile. Ist ein Mitspieler schneller beim Erwerb der notwendigen Farben, so schnappt er uns das Mosaik vor der Nase weg, und wir müssen uns ein anderes aussuchen. Das ist nicht ganz so peinlich, wie es sich auf den ersten Blick liest, denn die erworbenen Farben sind auch für andere Mosaikteile zu gebrauchen. Vielleicht aber hecheln wir mit unserem Farbbesitz auf der Bildfläche hin und her und jedesmal, wenn wir ein Mosaikteilchen ins Auge gefaßt haben, schreit unsere Vorgängerspieler: „ich bin schon da.“ Das gilt mit Sicherheit für die letzte Runde, wo nur noch ganz wenige Teilchen fertigzustellen sind.
Deshalb ist es enorm wichtig, vor der letzten Runde als erstes ziehen zu dürfen. Und dazu muß man in der vorletzten Runde die wenigsten Siegpunkte erworben haben. Genau dies ist die größte Herausforderung in „Fresko“: In jeder Runde immer genau soviele Siegpunkte zu machen, damit man in der daraus resultierenden Zugreihenfolge eine Position bekommt, in der man seine Ziele erfolgreich verfolgen kann. Ohne dabei natürlich total abgehängt zu sein!
Wir haben etwas frisch drauflos gespielt und so war es unvermeidlich, daß mehrere Spieler mehrmals zwischen der ersten und der letzten Spielerposition rochierten. Walter hielt dies für eine fehlende Balance im Spieldesign: Der Startspielervorteil ist zu extrem. Von Günther wurde dem eifrigst wiedersprochen: Die verschiedenen Mosaikteilchen seien in sich alle ausgewogen. Je höher die damit verbundenen Siegpunktzahl, desto schwieriger die benötigte Farbkombination. Und dies alles in einem mehr oder weniger linearen Zusammenhang.
Diese kontroverse Einschätzung bedarf zu ihrer Entscheidung unbedingt nochmals einer Spielwiederholung. Demnächst in diesem Theater.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Spiel-Mechanismus hat Probleme), Günther: 8 (das Spiel ist stimmig), Moritz: 8, Walter: 6 (Der extreme Startspielervorteil paßt nicht zur planerischen Spiel-Ausrichtung)
Zum ersten Male in zehn Jahren wurde ein Spielabend am Westpark wegen eines Fußballspiels verschoben. Das Champions Leage Endspiel der Heimmannschaft und die WM-Gruppenspiele der Nationalmannschaft konnten sich bisher nicht durchsetzen. Auch für diesen Mittwoch hatten Aaron, Hans und Peter schon zugesagt.
Am Freitag kam dann der erste Hinweis auf eine mögliche WM-Kollision von Peter:
„Indes weise ich darauf hin, dass am Mittwoch das Halbfinale mit argentinischer Beteiligung stattfinden wird. (In dem ausgesprochen unwahrscheinlichen Fall, dass jemand anderes weiterkommen sollte, wird wohl der Termin verschoben?)
Am Samstag Abend durfte Moritz frohlocken: „Es ist soooooo schön, Dich unrecht haben zu sehen, Peter :-)“
Dieser Schönheit konnte sogar Peter zustimmen: “Du hast völlig Recht :-)“. Er fragt jetzt noch zaghaft (oder gar dringlich) an:“Spielen wir statt Mittwoch vielleicht am Dienstag?“
Aaron war das egal:„ Ich kann an beiden Tagen und mir reicht ein [Fußball]Ergebnis statt 90 Minuten Langeweile. Ich finde Fußball immer noch genauso spannend wie jemandem beim Würfeln zuzuschauen, der hofft eine Sechs zu schaffen.
Hans zog dagegen seine Mittwochzusage definitiv zurück: „Nur glücksabhängig ist Fußball meiner Meinung nach nicht :-) Wie auch immer! Die Revanche gegen Spanien kann ich nicht verpassen, aus mehreren Gründen, und die Überrachung, dass es überhaupt dazu kommt, ist noch der geringste. Also bin ich leider am Mittwoch nicht zum Spielen dabei! Falls es sich ergeben sollte, aber gerne an einem anderen Wochentag …“
Aaron bekräftigte seine Meinung zur Glücksabhängigkeit: “Ich behaupte, dass bei Spielen von Mannschaften in der gleichen Klasse (z.B. Erste Bundesliga oder WM) der Glücksfaktor einfach zu hoch ist. Warum? Die Anzahl der für einen Sieg gezählten Ereignisse ist einfach zu gering (siehe 1:0 für Spanien von gestern oder die Tore wegen unglücklicher Schiri-Entscheidungen in einigen anderen Spielen). Das ist Problem Nummer eins. Problem 2 ist, dass die Zeit pro zählfähigem Versuch (i.e. Schuss aufs Tor) viel zu lang ist. Da kommt bei mir die Langeweile auf. Aber ist halt wohl Geschmackssache, denn ich finde Sportveranstaltungen anschauen immer langweilig…“
Hierin fand er jetzt Unterstützung bei Peter: “ Aarons Analyse ist vollkommen richtig; ich konnte nie verstehen, wie man Fußball z. B. dem Tennis vorziehen kann, wo immer Punkte vergeben werden und sich der Bessere automatisch durchsetzt.
Allerdings kam bei mir mit fortschreitendem Alter [Anmerkung der Verfassers: Ich glaube, er hat die 20er schon überschritten] die Erkenntnis: Genau das ist das Problem von Tennis und der Charme von Fußball. Der Glücksfaktor ist so hoch, dass halt immer etwas Unerwartetes passieren und der Underdog gewinnen kann. Der Fußballfan will keinen überlegenen 4:0-Sieg, der will einen 2:1-Sieg, bei dem die beiden Siegtore in der 89. und der 90. Minute fallen.
Oder, anders formuliert: Deswegen ist Menschärgeredichnicht erfolgreicher als Caylus. Jetzt fragst du mich, warum ich dann nicht Caylus spiele. Antwort: Weil derzeit alle Kinder Menschärgeredichnicht spielen und man Rudeltier ist.
Peinlich, aber wahr.“
Jetzt konnte sich Moritz nicht enthalten, eine große Analyse über das Siegen im Fußball darzulegen:
“Es ist doch eigentlich ganz einfach: Natürlich gehört beim Fußball Glück dazu, aber das Entscheidende ist, dass im Fußball nur derjenige Glück hat, der auch was kann. Selbst bei absolut gleichwertigen Mannschaften zählt beim Aufeinandertreffen nicht das Glück sondern zuallererst einmal die Taktik der jeweiligen Trainer, und inwieweit die Spieler diese umsetzen können. Die bessere Taktik gewinnt 99% aller Spiele, das kann man sehr oft sehen, auch in der Bundesliga. Ohne Taktik wäre Rehhagel mit seiner grottenschlechten Griechentruppe nie Europameister geworden, das war kein Glück sondern Bollwerktaktik.
Deutschland – Argentinien war der beste Beweis dafür – es ist kein Zweifel, dass die individuellen Spieler der Argentinier (Messi, etc.) besser waren als unsere, aber es war klar, dass Löw Maradonas limitierte taktische Intelligenz ausnutzen würde. Wie die deutsche Verteidigung die an sich starken argentinischen Spieler relativ mühelos neutralisierte, war schön anzusehen. Gleichzeitig fand Löw die richtigen Mittel, die argentinischen Verteidiger zu umgehen, also offensiv wie defensiv die richtigen Mittel, eigentlich ein Idealfall. Das 4:0 ist also kein Glücksergebnis – alle Tore der deutschen Mannschaft waren wunderbar aus dem Spiel herausgespielt, am schönsten zu sehen bei Podolskis selbstloser Passvorgabe zu Klose, da kam Teamgeist vor Eigennutz, und das hat Löw den Jungs erfolgreich eingedrillt. Insofern ähnelt Fußball schon einem komplexen Brettspiel und ist viel
reizvoller, als viele von euch denken. Und in der Halbzeit werden oft die einzelnen Taktiken noch einmal überarbeitet und es gibt manchmal radikale Wendungen im Spielverlauf. Aber Peter hat schon recht, dass auch das Unvorhergesehene eine Rolle spielt: Schiedsrichter, Torentscheidungen, Elfmeter, etc. Aber das ist eigentlich nur das Salz in der Suppe – denn auch in 1830 kann ich nicht jede einzelne zukünftige Entscheidung meiner Mitspieler voraussehen, da wird mich auch manches überraschen oder kalt erwischen wie eine bizarre Schiedsrichterentscheidung.
Bei WMs steigt das Glückselement natürlich etwas, aber die taktische Aufstellung wird NOCH wichtiger als in der Bundesliga, eben weil man nur eine Chance hat und die anderen Teams erst während des Turniers richtig kennenlernt. Das ist alles hochspannend. Auch ist eindeutig zu beobachten, dass die Trainerwahl eine Riesenrolle beim Erfolg spielt (sonst wären bestimmte Trainerkarrieren wie Mourinho oder van Gaal, die IMMER erfolgreich sind, egal welche Mannschaften sie trainieren, gar nicht möglich). Auch das ist der beste Beweis dafür, dass beim Fußball Taktik und Spielanlage wichtiger als Glück sind, dann wären alle Trainer einer Liga immer ungefähr gleich erfolgreich, dass stimmt aber eindeutig nicht. Manche sind und bleiben Gurken.“
Dieser musischen Logik mußte der Naturwissenschaftler Peter natürlich widersprechen: “ Wann’s so einfach wär’, würd’ ich dem Löw empfehlen, die Taktik von der Schweiz zu kopieren, die hilft nämlich gegen Spanien.
Aber was machen wir, wenn die Spanier dann die serbische Taktik übernehmen?“
Heute, post mortem [Germaniae] können wir konstatieren: “Vicente del Bosque hat den Hitzfeld kopiert. Und den Marko Pantelic. Wer wird wohl wen in 4 Jahren kopieren?“
Und was wurde am Westpark gespielt? Am Dienstag gab es einen privaten Skat und am Mittwoch einen privaten Fußball. Was am Dienstag bei Peter gespielt wurde, weiß ich nicht. Vielleicht wird es Aaron uns noch verraten.
Ein harter Kern von Fußballverweigerern traf sich trotz 1. WM-Halbfinalspiel zum Spieleabend bei Peter am sonst unüblichen Dienstag. Walter schrieb bereits etwas über die Hintergründe der Terminverschiebung. Da das Parkplatzchaos in der Maxvorstadt trotz naher Fanmeile in der Leopoldstraße nicht schlimmer war als sonst, konnten wir pünktlich starten.
Peters klarer Vorliebe für deutsches Spielegut ist bekannt und Aaron hatte trotzdem „Age of Industries“ mitgebracht, der angeblichen „light“ Version von Martin Wallace’s „Brass“. Fast lag es schon auf dem Tisch als sich dann doch eine Mehrheit für ein kurzes, einfacheres Spiel zum Start entschied.
1. „Glen More“
Aus unerfindlichen Gründen war Aaron der Meinung, dass „Glen More“ auf der Empfehlungsliste des Spiel des Jahres 2010 stünde – stimmt aber nicht. Günther kannte es bereits und war nicht so recht zu begeistern, da seiner Meinung nach ein recht hoher Glücksfaktor das eigene Geschick beeinflusst. Der Spielmechanismus ist schnell erklärt: jeder Spieler sucht sich in seinem Zug aus einer Auslage ein Landschaftsplättchen heraus, das er an seine bereits bestehende Landschaft anbaut. Dabei werden umliegende Plättchen der Landschaft zusammen mit dem neu angelegten aktiviert und liefern ihren Bonus. Das können Rohstoffe sein oder Zusatzaktionen wie den Verkauf von Rohstoffen gegen Siegpunkte. Dreimal gibt es im Spiel eine Zwischenwertung, bei der es Siegpunkte für diejenigen gibt, die mehr „Spezialdinge“ wie Whiskey, Karten oder Stammesfürsten gesammelt haben. Am Ende verlieren dann noch diejenigen mit den größten Landschaften Siegpunkte.
Der Mechanismus des Landschaftplätttchenziehens ist recht clever gelöst: die Auslage ist sequenziell und je mehr Plättchen man bei seiner Wahl überspringt, umso länger muss man warten, bis man wieder dran ist. Hier greift dann auch Günthers Argument der Glücksabhängigkeit: liegen mehrfach die für mich gute Plättchen weiter hinten, komme ich seltener dran als die anderen Spieler.
Trotzdem ist „Glen More“ ein solides Spiel, das funktioniert.
WPG-Wertung: Aaron 7 (funktioniert, aber zu wenig Interaktion); Günther 6 (weil’s funktioniert); Loredana 5 (zu zäh); Peter 7 (weil’s funktioniert)
2. „R-Öko“
Da die Stimmung immer noch nicht nach einem komplexeren Spiel rief, kam „R-Öko“ wieder auf den Tisch. Damit sanken die Chancen auf ein „Age of Industry“ an diesem Abend deutlich.
„R-Öko“ hatte schon vor ein paar Wochen gut gefallen und hatte dabei als schnelles Spiel mit neuem Mechanismus punkten können.
WPG-Wertung: Loredana 6 (kurz und schnell); Peter 6 (nett)
3. „Kuhhandel Master“
In der Erinnerung an Spieleabende vor mehr als 20 Jahren kommt „Kuhhandel“ immer noch als lustiges, durchaus anspruchsvolles Bluffspiel sehr positiv vor. Ein Wermutstropfen war damals die Profiregel, die den Geldaustausch beim Kuhhandeln so verändert, dass es zu dramatisch schlechten Handeln kommen konnte. Damals fanden wir den dadurch verstärkten Glückscharakter (andere mögen es Bluff-Charakter nennen) als zu unausgewogen. Umso erstaunter waren wir, dass die Spielregel zu „Kuhhandel Master“ genau diese Handelsform zur alleinigen Regel erklärt. Als zusätzliche „Master“-Erweiterungen gibt es das Rattenquartett, das man auf keinen Fall haben möchte und Prestige-Karten zu jeder Tiersorte, die den Wert des entsprechenden Tierquartetts erhöhen, wenn man beide besitzt.
„Kuhhandel Master“ konnte sie alten positiven Erinnerungen nicht wieder abrufen. Im Gegenteil: das Spiel erscheint aus heutiger Sicht etwas altbacken und die neuen Karten bringen keine wirklich neuen Herausforderungen. Zusammen mit dem problematischen Geldtauschmechanismus wurde hier kein besseres „Kuhhandel“ geschaffen.
WPG-Wertung: Aaron 5 (schlechter als das Original); Günther 5 (dto.); Loredana 5; Peter 5 (zu lang)
Walter musste sich diese Woche ausklinken; deshalb fand der Spieleabend bei Aaron statt. Eine Lokation ebenfalls im Münchner Westen, aber ein eher seltener Treffpunkt. Geduldig warteten Günther und Aaron auf Hans als dritten Spieler. Der traf dann mit über halbstündiger Verspätung ein, nachdem er sich hoffnungslos im Viertel der Blumenstraßen verirrt hatte. Wir lernen: nicht nur die Straßennamen auf dem Weg sollte man sich merken, sondern auch die Abbiegerichtung.
Inzwischen hatten sich die beiden Wartenden auf ein kurzes Spiel zur Überbrückung der Wartezeit geeinigt.
Mosaix
Das Spiel lag schon in einer Viererrunde auf dem Tisch und sollte nun seine Qualitäten als 2er-Spiel beweisen. Aaron hatte als ‚topologically challenged‘ Unerfahrener gleich zu Anfang deutliche Schwierigkeiten, die optimalen Würfelformationen für sich zu finden. Trotzdem lief das Spiel auf einen spannenden Endkampf hinaus, bei dem sich mit etwas Glück Aarons selbstgebaute Zwickmühle noch auflösen ließ. Hier zeigte sich die dann doch noch die Glücksabhängigkeit im Spiel, die über weite Strecken in der Zweierformation nicht wirklich eine Rolle spielte.
WPG-Wertung: Aaron 7 (schnell und einfach), Günther 6 (hat Bedenken, bzgl. der Beinflussbarkeit bei mehr als zwei Spielern)
Wasabi!
Hans liebt Sushi – eine Tatsache, die uns bisher verborgen geblieben war. Also konnte er nicht widerstehen, als er ein Spiel zum Thema in schöner Aufmachung und angemessener Komplexität fand. Beim gemeinsamen Auspöppeln der Spielsteine gab es die ersten fragenden Gesichter, die zunahmen, als Hans die englische Version der Spielregeln vortrug (die deutsche enthält, wie auch die deutsche Seite des Spielmaterials zu viele Fehler). Wie soll das denn funktioniert? Wird man hier gespielt?
Die Spieler haben die Aufgabe, Sushi-Rezepte erfolgreich aus ausliegenden Zutaten zusammenzustellen. Die Anzahl der notwendigen Zutaten reicht von zwei für die ganz einfachen Makis bis hin zu unfassbaren fünf für die exklusiven Sushis. Je mehr Zutaten, umso mehr Siegpunkte gibt es für ein komplettiertes Rezept. Und wenn die Zutaten noch in der richtigen Reihenfolge eingebracht werden, gibt es Sonderpunkte für die Schönheit. Das klingt alles ein bisschen nach „A la carte“, ist aber völlig anders. Zwar sind die Zutaten vorgegeben, aber sie müssen erst auf einem Spielplan in einer Reihe oder Spalte, möglichst in richtiger Reihenfolge, ohne Unterbrechung ausgelegt werden. Genau: ein Spielplan. Hier legt jeder Spieler in seinem Zug eine seiner drei geheimen Zutatenplättchen ab, um dann wieder auf drei Zutaten aufzuziehen. Wurde mit dem Legen der Zutat ein eigens Rezept vervollständigt, gibt es die Siegpunkte dafür und der Spieler zieht ein neues Rezept nach. So füllt sich langsam der Spielplan mit immer mehr Zutaten in buntem Durcheinander. Für zusätzliche Dynamik sorgen Aktionskarten, die es erlauben, Zutaten auf dem Spielplan zu verschieben, zu überdecken oder wieder freizulegen. Diese Aktionskarten gibt es immer dann, wenn ein Spieler ein Rezept vervollständigt hat. Da man nie mehr als zwei dieser Karten auf der Hand haben darf und auch nicht eine gerade selber ausgespielte Karte wieder aufnehmen darf, ist hier Planung und Timing gefragt.
Bereits zu Beginn gab es eine Diskussion, ob es nun besser sei, erst die „kleinen“ Rezepte anzugehen oder nicht, da diese die begehrten und im Spielverlauf notwendigen Aktionskarten schneller bringen. Wie sich dann herausstellte, war das ein Trugschluss, denn gerade zu Spielbeginn gibt es viel Flexibilität bei der Ablage auf dem Spielplan, die man braucht, um die großen Rezepte herzustellen, während gegen Spielende man nur noch über die Aktionskarten Einfluss auf die Auslage nehmen kann. Wer dann gegen Ende ohne Aktionskarten ein 5er-Rezept vervollständigen will, kann nur noch zuschauen und hoffen, dass das Spielende schnell kommt.
WPG-Wertung: Aaron 7 (nettes Thema, schöne Aufmachung, weiss was er beim nächsten Mal besser machen kann), Günther 6 (lässt sich von der Aufmachung nicht beeindrucken), Hans 6 (hatte mehr erwartet)
Die Speicherstadt
Zum zweiten Mal auf dem Tisch, diesmal in der Minimalbesetzung. Die Vermutung war, dass sich jetzt weniger Mitspielerchaos und mehr Planbarkeit beim Bieten einstellen. So war es dann auch: das Bieten lief in der Regel erwartungsgemäß ab, inklusive der kleinen Nickeligkeiten gegen Spieler mit wenig Geld. Und wieder stellte sich heraus, dass der konservative Umgang mit Geld und Diversifikation die Schlüssel zum Erfolg sind, denn der Glücksfaktor bei der Auslage (welche Karten kommen wann; welche Waren kommen wann) ist auch in einer 3er-Runde beträchtlich. Aaron hatte gleich zu Beginn aufs falsche Pferd gesetzt, denn die für ihn Geld- und Punkte bringenden grünen Waren kamen erst ganz spät, und da war er schon fast pleite. Da halfen dann auch die 14 Siegpunkte für die Kontore nichts mehr.
WPG-Wertung: keine Änderungen.
„Nach dem Spiel bleiben die Verlierer wie begossene Pudel zurück und denken über ihre Fehler und verpaßten Chancen nach. Die Meute von Zuschauern und Reportern geht mit den Siegern, zupft sie von vorne oder hinten am Trikot, um einen Blick oder Kommentar zu erhaschen. Die Sieger gehen weiter und nehmen den Trubel um sie herum kaum wahr. Sie drücken dem einen oder anderen flüchtig die Hand, damit er Ruhe gibt und sie sich aus dem Gedränge in die Kabinen retten können.“
(Dante, Purgatorium, Sechster Gesang, ca. 700 Jahre vor der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika;
wahrscheinlich konnte Dante sich gar nicht vorstellen, daß nach einer 1:0-Niederlage selbst der Verlierer glückstrahlend vom Feld gehen kann.)
1. “Die Nomaden”
Das Spiel ist noch nicht erschieden. Noch nicht einmal der Verleger steht fest. Maximillian (der von „Macht$piele“) hat es erfunden und bis zur Prototyp-Reife ausgearbeitet; heute kam er bei uns am Westpark vorbei, um es testen zu lassen.
Wer den Autor von „Macht$piele“ im Internet nachschaut, wird keinen „Maximillian“ finden. Dort versteckt er sich unter dem Pseudonym „Bauldric & Friends“, wie bei seinen anderen Spiele auch. 12 Stück hat er augenblicklich in der Mache. Für Idee und die Basisversion braucht er nur wenige Tage (!), wenn nicht sogar Stunden (!!). Bisher haben wir immer geglaubt, eine Spieleentwicklung müsse Jahre dauern. Offensichtlich geht es auch schneller.
Allerdings dauert es dann doch noch Monate, bis ein Verlag die Idee übernommen, das Thema nach der eigenen Verlagsphilosophie adaptiert und das Spiel serienfertig auf den Markt gebracht hat. Manchmal kennt der Autor dann sein eigenes Spiel nicht mehr wieder. So ging es Max auch mit seinem jüngsten Kind, das demnächst bei Hans-im-Glück erscheint. Aus dem Erwerben von liebreizenden Damen (mittels Blumen, Diamanten und flotten Sprüchen) wurde das Zusammenstellen einer Tierfarm (wahrscheinlich mit Möhrchen, doch die Details dazu haben wir nicht näher erfragt).
Max legt als kreativer Spieleerfinder (in Berufung aber nicht als Beruf) wenig Wert auf große Marktakzeptanz und hohe Verkaufszahlen. Sein Ehrgeiz ist es, bei Spielefreaks anzukommen und vielleicht einmal einen Spitzenplatz in den Charts bei Boardgame-Geeks zu bekommen. Seine grundlegende Konstruktionsidee ist Dynamik im Aufbau. Die Spieler sollen ihren Besitzstand entwicklen, aber nichts ist sicher, alles ist in Bewegung; Preise und Kosten hängen ausschließlich von den Interaktionen der Spieler ab. Dabei soll das Spiel samt Regeln nicht kompliziert sein, aber komplex. Voll dieser Richtung liegen seine „Normaden“.
Jeder Spieler führt ein Nomandenvolk durch die Jahreszeiten. Wir bewegen unsere Pöppel über die Felder jahreszeitlicher Regionen, vermehren uns, küren Häuptlinge, bauen Lagerplätze und Dörfer, ernähren unsere Bevölkerung, und ernten unsere Äcker. In den Frühjahr- und Sommerregionen bekommt wir die Nahrung umsonst. In den Winter-Regionen können wir die benötigte Nahrung nur mit Mühe zusammenkratzen. Da ist es manchmal besser, seine Pöppel in den Winterschlaf fallen zu lassen und sie erst wieder zu aktivieren, wenn der Frühling wieder da ist.
Um die fruchtbarsten Äcker zur besten Jahreszeit gibt es natürlich ein Gedränge. Nur maximal zwei Spieler dürfen einen Acker besetzen; für weitere Spieler ist das Betreten dann Tabu, es sei denn, ein sie kommen mit großer Mehrheit; dann können sie einen einzelnen fremden Spielstein verdrängen. Zwei oder mehr Spielsteine auf einem Acker (vom gleichen oder von verschiedenen Spielern) bringen höhere Erträge; d.h. das Betreten eines gemachten Bettes durch einen fremden Spieler ist nicht a priori verpönt, auch wenn die Erträge dann geteilt werden müssen.
Gemeinsamkeit macht sich auch in der „Schamanenphase“ bezahlt. Hier darf jeden Spieler einen Teil seiner Zugpotenz investieren, um die Wirtschaftlichkeit in einer Region zu modifizieren, z.B. höhere Erträge für alle oder aber auch größerer Nahrungsbedarf für alle. In Regionen, in denen viele Spieler anwesend sind, gehen die Modifikationen naturgemäß häufiger in die positive Richtung. Einer Regionen, in denen ein Spieler sich alleine engagiert hat, werden von der Mehrheit der Mitspieler mit großer Wahrscheinlichkeit die negativen Effekte aufgeladen.
So besitzen „Die Nomaden“ ein sehr komplexes Netz von gegenläufigen Abhängigkeiten:
– Schützt man sich durch paarweises Zusammenlegen seiner Pöppel vor Verdrängung, so geht das auf Kosten von Ertragsmaximierung.
– Wartet man mit „Tempozügen“ die Entwicklung der anderen ab, kann man hinterher darauf besser reagieren; allerdings sind manchmal dann schon die besten Plätze besetzt.
– Vermehrung schafft mehr Ernte- und Verdrängungspotential, erfordert aber auch mehr Nahrung und mehr Aktionspunkte beim Bewegen.
– Die Umwandlung von einfachen Nomaden in Häuptlinge löst das Ernährungsproblem, geht aber auf Kosten von Kopfzahlen.
– Auf welchen Äckern soll man sich engagieren? Einige Rohstoffe werden im Endspiel für hohe Siegpunkt-Einsätze benötigt, Nahrung hilft zum Überleben in den kalten Jahreszeiten und Aktionen (die ebenfalls auf Äckern „wachsen“) erlauben mehr Bewegung, mit denen wir den Winter-Regionen davonlaufen können.
– Soll man als Schamane seinen Handlungsspielraum opfern, um eine unglückliche Konstellation selber zu beseitign oder hofft man, dass dies ein Mitspieler tun, der noch mehr darunter leidet?
– und einiges mehr
Diese Abhängigkeiten sind so gut ausbalanciert, daß die verschiedensten Strategien zum Sieg führen können: Viele Aktionen, viele Nahrung, früher Bau von Lagerstätten und Dörfern. Selbst das oportunistische Mitschwimmen im Meer der möglichen Aktionen unter Ausnutzung des jeweils nächstbesten Zuges hat gewisse Siegchancen. Max wurde zu Beginn um seine eigene Strategie für heute gefragt. Er hielt sich bedeckt. Schließlich wollte er auch in einem Feld von Neulingen noch als Sieger hervorgehen, und dazu gehört unbedingt, daß keiner das strategische Vorgehen kennt und dagegen arbeitet. Doch für den Sieg muß die richtigen Strategie auch noch von einem ein konsequenten, fehlerfreien Vorgehen begleitet sein. Und das ist selbst bei längeren Analysieren und Planen nicht immer zu bewerkstelligen. Mit Freude konnten wir auch vom Autor solche Sprüche hören wie: „Was hab’ ich jetzt wieder für einen Scheiß gemacht!“
Dreieinhalb Stunden dauerte das Spiel (, ohne die gut einstündige mündliche Einführung). Bis zum Schluß blieb es spannend. Dazu trägt auch bei, daß einige langfristig vorbereitete Züge riesige Siegpunktmengen einbringen, und es nicht zu übersehen war, wer mit seinen Planungen am ehesten das erforderliche Limit überschreiten würde. Der Autor war’s! Knapp!
Jeder hätte noch länger an seinen Zügen herumrechnen können. Das ist vielleicht einer der Nachteile der „Nomaden“. Nicht immer hat man Zeit und Lust für ein dreistündiges Aufbauspiel. Doch das ist der einzige Nachteil!
WPG-Wertung: Günther: 6 (Einschränkung, weil das Spiel zu lange dauert; die Kompexität, auch wenn sie gut durchkonstruiert ist, ist an manchen Stellen gar nicht notwendig), Hans: 8 („auf jeden Fall“), Walter: 8 (eine Masse von hübschen Spielideen in eine runde Gesamtgestaltung gegossen) .
Die langen Denkzeiten waren heute kein Problem. Erstens gab es laufend etwas mit dem Autor zu diskutieren. Und zweitens gab es im Untergrund ein lebenswichtiges Fußballspiel, das im Life-Ticker und durch die Freudenschreie der besten aller Ehefrauen ständig für Abwechslung sorgte. Das ist vielleicht eine Möglichkeit, manche Denkerspiele für die Mitwelt überhaupt erst genießbar zu machen: Laßt im Hintergrund ein spannendes Nebenprogramm laufen (wenn keine Fußball-WM ist, tut’s vielleicht auch ein saftiger Porno), so daß die Auf-das-Ende-von-Denkprozessen-wartenden Mitspieler Ablenkung haben und zuweilen gar nicht erst zum Spieltisch zurückkehren mögen. Vielleicht kam man die notwendigen Bildbeiträge sogar gleich zusammen in der Spielschachtel ausliefern.