Wo ist Andor?

Die Legenden von Andor
Das Brettspiel
Ende letzter Woche erhielten auserwählte Spieleseiten ein kleines Päckchen ohne Absender, das ein Holztäfelchen mit merkwürdigen Zeichen und die Kopie eines Zeitungsartikels enthielt, in dem von einer Suchaktion nach einer verschwundenen Archäologin im Potsdamer Forst die Rede war. Nach kurzem Rätselraten unter anderem in einer Facebookgruppe war klar: Der Prolog in Form eines Alternate Reality Game, kurz ARG, „zu „Die Legenden von Andor“ hat begonnen, dem ersten Spiel von Michael Menzel, der sich bislang als Spieleillustrator einen Name gemacht hat.

KOSMOS ist damit der erste Verlag, der diese Art von Online-Spielen begleitend für ein großes Brettspiel anbietet. Bis Mitte September können sich Spielebegeisterte auf eine abenteuerliche Spurensuche nach dem Weg ins Land Andor begeben, denn Andor ruft nach Helden. Das Königreich ist in Gefahr, sehr bald werden die ersten Feinde die Burg von König Brandur erreicht haben und den Frieden für lange Zeit beenden. Wie müssen die Spieler sich beweisen, um den Weg nach Andor zu finden und was haben eine junge Archäologin und eine Brandkatastrophe im Jahr 1912 mit den mysteriösen Ereignissen zu tun?

Fans von ARGs und Geocaching können sich auf einen Prolog zum Brettspiel freuen, der sich zwischen Social Media-Netzwerken, GPS-Daten und realen Orten, fast vergessenen Mythen und fantastischen Welten entfaltet. Über die Homepage www.wo-ist-andor.de starten die Spieler in das Abenteuer. Dort und auf der Facebook-Seite facebook.com/legendenvonandor lässt sich die Suche nach dem Weg ins Land Andor mitverfolgen.

Das Brettspiel für 2-4 Spieler wird im September im Kosmos Verlag erscheinen.

Grundlagen der Spiele-Entwicklung

Yunnan coverNachdem ich mich nun seit über einem Jahr mit der Entwicklung zweier Spiele beschäftige (“Yunnan” und “Trawler”) stelle ich fest, dass der Aufwand dafür erheblich größer ist, als anfangs gedacht. Zwischen den ersten Ideen für das Thema  und den Randbedingungen für die Mechanismen (“Strategiespiel mit viel Spielerinteraktion, Spielzeit unter 90 Minuten, keine oder nur wenige Glückselemente”) und der ersten wirklich spielbaren Version lagen viele Monate und etliche Themenwechsel. So wurde aus dem ursprünglichen Eisenbahnspiel ein Weltraumspiel und daraus dann das endgültige(?) Thema der Teelieferung aus Yunnan über die Tea-Horse-Road (ein dickes “Danke Schön” an Peer aus Berlin für den Tipp!). Beim etwas später entstandenen “Trawler”, dessen “Initialzündung” auf einer Tauchsafari in der Adamanensee stattfand, blieb das Thema (Hochsee-Fischfang) konstant und auch die Mechanismen passten von Anfang an recht gut. Zeigt sich da soetwas wie eine Lernkurve?Trawler cover

Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen mir, dass Spiele entwickeln doch irgendwie gelernt werden muss. Kreativität alleine reicht nicht, denn viel Schweiß fließt in das Balancieren der Spielmechanismen und deren Parameter. Von einer “Vermarktung” der Prototypen wollen wir hier noch gar nicht reden.

Die Jahresbände der Spieleautorentagung boten zu vielen Theman bereits eine erste Hilfestellung, aber dennoch habe ich das Gefühl, viel zu wenig Wissen mitzubringen, um vielleicht eines Tages ein eigenes, von einem Verlag produziertes Spiel in den Händen halten zu können.

Eher durch Zufall stieß ich auf Christward Conrads Seminar “Grundlagen der Spiele-Entwicklung”, das diese Jahr zum vierten Mal in Bad Homburg abgehalten wird (brettspiele.de.to/fortbildung-fuer-spieleautoren.html). Das Programm klingt interessant, der Kontakt zu anderen Spieleautoren vielversprechend, und die Möglichkeit, in neuer Runde die eigenen Spiele zu testen ist auch noch gegeben. Was will man mehr?

Also habe ich mich für das Seminar angemeldet und freue mich auf interessante Vorträge, Diskussion und Kontakte. Und wer schon immer mal einen Westpark Gamer persönlich kennenlernen wollte, selber Spiele entwickelt oder entwickeln möchte und vom 14.9. bis 16.9.2012 Zeit hat nach Bad Homburg zu kommen, kann sich ja noch bei Christward anmelden.

27.07.2012: Elektronik auf der Seidenstraße

Traditionsgemäß wird der Auswahl zum “Spiel-des-Jahres” am Westpark (und in anderen Vielspielerkreisen) mit einer gewissen Skepsis entgegengesehen. Ohne Günther kam der diesjährige Preisträger „Kingdom Builder“ auf glatte 5 Punkte. Am Samstag verschickte Günther per Email seine eigenen Eindrücke dazu:
„Ich habe gestern bei den Spuiratzn zweimal Kingdom Builder gespielt.
Als Familienspiel ist es schon recht komplex – speziell durch mehrere erworbene Eigenschaften und den mehreren Siegpunktbedingungen. Ja, es verführt sogar zum Grübeln – was in einigen Runden problematisch werden kann. Trotzdem spielt es sich recht flott- so ca. 1 Stunde braucht man für eine Viererpartie. In den ersten handvoll Runden muss man sehr aufpassen, denn es ist extrem wichtig, sich die für die weiteren Runden notwendigen Eigenschaftsplättchen zu sichern.
Ich gebe dem Spiel 7 Punkte- wenn der Grübelfaktor nicht wäre, sogar etwas mehr …“

1. “Octago”
2008 hat die PublicSolutions GmbH in Dresden unter dem Namen „Yvio“ eine elektronische Spielkonsole herausgebracht, die das Herzstück für eine ganze Serie von neuen Brett- und Party-Spielen sein sollte. Die Konsole steuert den Spielablauf, sie übernimmt all die lästigen Aufgaben wie Erklären, Vorgeben, Verteilen, Zählen und Werten, und kommentiert in wohlproportionierten Abständen den Spielverlauf. Eigentlich eine gute Idee.

Yvio Konsole
Die Yvio Konsole

Auch die Ausführung ist technisch sauber und spielerisch einladend gelungen. Trotzdem war das Konzept kein Markterfolg. Vielleicht hat es an dem hohen Preis von 70 bis 80 Euro pro Spiel-Realisierung gelegen. Die Firma ging geradewegs in den Konkurs und Günther hat aus der Konkursmasse für nur 50 Euro gleich 3 Spiele erstehen können.

In „Ortaco“ zieht jeder Spieler mit seinem Pöppel auf einem runden Spielbrett beliebige Felder vorwärts oder rückwärts auf rote, grüne, gelbe oder blaue Kreise, Sterne, Dreiecke oder Quadrate in einer roten, grünen, gelben oder blauen Region. Je länger eine Farbe oder Form nicht betreten wurde, desto mehr Form-Farben-Punkte gibt es für das Betreten des Feldes. Diese Punkte werden virtuell jedem Spieler zugeordnet und regionsspezifisch hochgezählt.

Durch Drücken der Wertungstaste kann ein Spieler jederzeit seine Form-Farben-Punkte einer Region in Siegpunkte umwandeln. Dabei wird die Punktanzahl mit einem Faktor multipliziert, der umso höher ist, je länger die vorhergehende Wertung in dieser Region zurückliegt. Ganz schön abstrakt, mit Hilfe der Spielkonsole aber kinderleicht zu bewältigen.

Reiner Knizia hat sich das ausgedacht und die damalige Presse hat es als „fantastisches neues Strategiespiel“ propagiert. Übliche journalistische Fehlinformation. “Octago” ist begrenzt phantastisch und enthält Null Strategie. Dafür genügend Raum für opportunistische Taktik: Es gewinnt der, der ein gutes Gedächtnis hat und sich am besten merken kann, auf welchen bunten Formen er und seine Mitspieler in jüngster Zeit gestanden haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (funktioniert, fraglicher Wiederspielreiz), Günther: 5 (das yvio-Spielprinzip als solches erhält 7 Punkte), Walter: 5 (die elektronische Führung ist gelungen, für einen älteren Herrn zuviel Memory-Bedarf).

2. “Quizzen” in der “Partytime”
Ebenfalls ein Spiel aus der Serie für die yvio-Spielkonsole. Diemal macht uns die Konsole einen geilen Quizmaster. Er führt uns akkustisch durch ein Quiz, „das Euch in den Wahnsinn treiben wird“. Es werden Auswahlfragen gestellt, die alle Mitspieler gleichzeitig mit einer der Antwortkarten A, B, C oder D beantworten sollen. Die schnellste richtige Antwort bringt zwei Punkte, eine langsame richtige Antwort einen Punkt und für eine falsche Antwort wird ein Punkt abgezogen.

Die Fragen sind von einem mittleren Günther-Jauch-Schwierigkeitsgrad. Z.B. „Was haben die Waisen aus dem Morgenlande nicht dabei? A: Gold? B: Seide? C: Myrrhe? oder D: Weihrauch? Zwischen die Fragerunden sind Intermezzos eingestreut, bei denen die Führenden etwas Federn lassen müssen und dem Letzten ein paar Trostpunkte zugeschustert werden. Sachgerecht und partygerecht.

Lustig – zumindest für die erste Begegnung – sind die Kommentare des Quizmasters. Er bescheinigt einem „intellektuellen Schlußlicht“ schon mal eine „besonders erheiternde Unfähigkeit“. Für Fragen, die kein einziger Spieler richtig beantwortet hat, kommt der Kommentar “Ihr habt alle verkackt“.

Wenn sich die lustigen Sprüche wiederholen, ist ein Großteil des Spielreizes wohl dahin. In unserem einen Quiz-Durchgang passierte das erst ansatzweise, doch die Tendenz ist erkennbar. Dann bleibt nur noch das Quiz übrig. Immerhin können acht Spieler daran teilnehmen. Manche mögens’s heiß.

Keine WPG-Wertung für ein Unterhaltungsspiel, das im richtigen Teilnehmerkreis die Wogen hochschlagen lassen kann.

3. “Yunnan”
Aaron legte mit Freuden der Dreierrunde den aktuellen Stand seiner Eigenentwicklung über den Handel auf der Tee- und Seidenstraße auf. Das vierte Mal allein in diesem Jahr (22. Februar, 11. April, 11. Juli) und seine beiden Mitspieler waren keineswegs nur aus Höflichkeit eifrig bei der Sache.

Beim letzten Mal hatten wir in einer 5er Runde die sagenhaften Möglichkeiten der Abstauber-Rolle in der Bank kennengelernt. Wer in den ersten beiden Runden zweimal hintereinander die Spielereinsätze auf seine Seite bringen konnte, dem ist der Gesamtsieg wohl nicht mehr zu nehmen. Doch Aaron hat hier jetzt eine Bremse eingebaut: Wer in die Bank geht, muß in der gleichen Runde auf alle Entwicklungsfortschritte verzichten: er darf keine Lager errichten, keine Händler einstellen, seinen Einfluß nicht stärken und seine Reichweite nicht erhöhen.

Dessen ungeachtet ging Günther als Startspieler mit seinem ersten Pöppel unverzüglich auf die Bank los. Aaron und Walter konterten mit einer Allianz und teilten das Angebot an Entwicklungsrichtungen zu billigsten Preisen unter sich auf. Günther konnte gerade soeben mal sieben Yüan auf sein Konto buchen.

Jetzt ging niemand mehr in die Bank. Der früher so begehrte Abstauberposten hatte seinen Glanz verloren. Doch für den Spielverlauf war das kein Verlust an Spaß und Dynamik. Es taten sich neue überraschende Spielzüge aus, deren Reichweite auch für die Analysten vom Westpark noch lange nicht auskalkuliert sind. Und die Bank blieb eine ständige Droh-Option für den Fall, dass die Mitspieler versuchen sollten, sich zu hohen Preisen gleich mehrfach Entwicklungsfortschritte an Land zu ziehen.

Früher als in früheren Spielen wurde bereits in der vierten Runde der Endspurt angezogen. Ein spannender Moment, der aber auch schon im Vorbereitungsgerangel der ersten Runden ständig in den Köpfen parat ist und parat sein muß. Eine Runde später war der Kampf entschieden. Den Schaden, den Günther mit seiner Geldgier in der ersten Runde erlitten hatte, war nicht mehr gut zu machen.
Alle waren bereit, sofort ein zweites „Yunnan“ zu absolvieren. Diesmal ging im gesamten Spielverlauf keiner in die Bank. Die größere Reichweite unter Vernachlässigung der Body-Check-Qualitäten bei taktisch-richtigem Ausnutzen der Zugreihenfolge gab den Ausschlag. Günther leitete noch früher, nämlich schon in der dritten Runde, den Endspurt ein und war – bei leicht überdurchschnittlicher Denkarbeit – nach 25 Minuten Spielzeit Sieger.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Black Jack
Über die schönsten Dinge des Lebens, über Internet-Fernsehen und Niederschlagsradar kam die After-Work-Diskussion zu Black Jack. Wußtet Ihr, dass bei optimalem Vorgehen (Einsatz Verdoppen, Splitten, Versichern etc.) ein Spieler seinen Basis-Einsatz durchschnittlich um 11,67% erhöht und am Ende NUR 0,53% pro Spiel verliert (Wikipedia)! Dieser Verlust ist noch deutlich geringer als beim Roulette! Und das macht es plausibel, dass man durch genaues Beobachten der verbrauchten Karten und entsprechendes Setzverhalten an einem „heißen“ Tisch den Gewinn-Erwartungswert über die Nullgrenze heben kann. Vielleicht!

Trotzdem bin ich beim Black Jack immer schneller mein Geld los als beim Roulette. Eine Runde ist ja auch viel schneller durchgezogen (geschätzte dreißig Sekunden dauert eine Austeilung gegenüber etwa zwei Minuten zwischen zwei „Rien-ne-va-plus“). Und ich muß ununterbrochen meinen Einsatz tätigen, während ich beim Roulette abwarten kann, bis meine Favoritenzahlen lange genug nicht gekommen sind!

Um 2 Uhr 30 war heute die Bank gesprengt und die Runde löste sich auf. Zwei Stunden später (!) als die Spielbank in Garmisch, der ich eine Woche zuvor mit meiner Tochter einen Besuch abgestattet hatte, und die bei einer noch geringeren Beteiligung als heute am Westpark gegen Mitternacht die Pforten schloß.

18xx Kartenspiel “Express 01” als Crowdfunding Projekt

SpieleschmiedeSeit gestern ist die erste Crowdfunding Plattform nur für Spiele online, die Spieleschmiede bei www.spiele-offensive.de. Dort werden aktuell für das erste Spiel “Express 01” noch Sponsoren (“Schmiede”) gesucht. Wie bei anderen vergleichbaren Plattformen kommt das Projekt erst zustande, wenn der benötigte Minimalbetrag (hier: €10.000) eingegangen ist. In nur 24 Stunden wurden schon über 60% dieser Summe gesponsort, ein auch im Vergleich zum Marktführer Kickstarter sensationelles Ergebnis.

“Express 01” ist ein strategisches Kartenspiel inspiriert von den Eisenbahnspielen der 18xx-Reihe. Autor des Spiels ist Jörg von Rüden, verlegt werden wird es bei Eggertspiele in einer Kleinauflage.

11.07.2012 : Eigengemachtes und Wiedergekäutes

Ein deutscher Spitzenspieler, ehemaliger Präsident des Deutschen Bridge Verbandes, traf kürzlich bei einem größeren Bridge-Turnier in den USA auf einen ehemaligen Weltmeister. Auch wenn auf solchen Turnieren jeweils nur zwei Partien gegeneinander gespielt werden, kann man dabei doch an Reizung und Abspiel erkennen, wes Geistes Kind die Gegner sind. Beide waren offensichtlich nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen gekommen.

Wenige Tage später trafen die beiden Paare bei einem kleineren Club-Turnier erneut aufeinander, und der Weltmeister sagte zu seinem Partner: „Here we meet two excellent Bridge players from Germany.“ Die Frau unseres Präsidenten korrigierte bescheiden: „Only one.“ Unverzüglich ergänzte darauf der Partner (des Weltmeisters): „I am sure, he will improve fast.“
Was ist hier größer, die Schlagfertigkeit oder die Galanterie?

1. “Yunnan”
Aaron bat darum, seine geburtswehende Eigenentwicklung im Fünferkreis vorzustellen zu dürfen. In wochenlangen Studien hat er weiter an den Balance-Schräubchen gedreht. Jetzt wollte er seine aktuellen Einstellungen gegenüber den unabhängigen Vorgehensweisen von fünf kritischen Geistern testen.

Wir sind Händler auf der Tee- und Seidenstraße noch weit hinter der Türkei und müssen unser Verkaufsnetz optimal ausbauen, um damit mehr Yuans einzufahren als die Konkurrenz. Mindestens drei verschiedene Strategien stehen zur Auswahl, die alle erfolgreiche Aussichten auf den Sieg eröffnen:

  • Manpower-Strategie: Die Anzahl unserer Händler erweitern, um schließlich mit vielem Kleinvieh den großen Mist zu machen.
  • Bodycheck-Strategie: Die brachialen Fähigkeiten unserer Händler ausbauen, so dass sie mit links die Konkurrenz aus dem Feld räumen können.
  • Wide-Area-Network-Strategie: Die Reichweite unserer Händler steigern, so dass sie als erste und einzige ihren Chá in den entfernteren Winkeln der Welt vermarkten können.

Innerhalb dieser Strategien müssen wir noch unser Verhältnis zur Startspieler-Position austarieren und unser Vorgehen beim Umtausch von flüssigen Geldmitteln in stationäre Siegpunkte optimieren.
Aaron hatte im Zuge seiner Spielentwicklung noch eine weitere Strategie ausgemacht:

  • Abstauber-Strategie: Bei jeder Gelegenheit zur Bank gehen und von dort die Hälfe der eingezahlten Geldmittel unserer Mitspieler auf unsere Seite bringen. Mit diesem – zur Zeit noch – ungeheuren Geldfluß dominieren wir nach wenigen Runden alle Investionsmöglichkeiten des Spiels.

Die 90 Minuten Spielzeit waren gekennzeichnet durch Spaß, Spannung und ein Höchstmaß an Interaktion. An allen Ecken und Enden prallten Potenzen und Strategien aufeinander. Horst gewann, weil er mit kaufmännischer Überlegung seine jeweils nächsten Runden plante und als erster in den Endspurt loszog, d.h. Geldgewinn in Siegpunkte verwandelte. Aaron wurde trotz Abstauberstrategie nur Zweiter; aber nur deshalb, weil er aus Testgründen bis zum Spielende am Abstauben festhielt und auf den Siegpunkt-Endspurt verzichtete.

Günther wurde Letzter! (Solche Ergebnisse darf man bei unserem Seriensieger für Strategiespiele immer ins Protokoll schreiben!) Sollte das etwa ein Hinweis darauf sein, dass „Yunnan“ kein Strategiespiel ist? Nein, das kann es nicht gewesen sein. Günther fühlte sich in der originären Startspieler-Reihenfolge zu Spielbeginn benachteiligt. (Idee bei Nachschrift: den Spielern abhängig von ihrer Startspieler-Position unterschiedliche Summen an Startkapital zukommen lassen!) Zudem saß er – wie immer – direkt hinter Aaron und litt so am meisten unter dessen konsequenter Abstauber-Strategie!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Horst und Walter waren mit der augenblicklichen Fassung schon höchst zufrieden. Mindestens ein 7-Punkte Spiel. Moritz hält sich bei „Workerplacement-Spielen“ vornehm zurück. Günther war mit der aktuellen Balance für die Abstauberstrategie absolut nicht einverstanden. Seine Behauptung, als fertiges Spiel bekäme „Yunnan“ in der jetzige Fassung am Westpark das Attribut „broken“, erntete allerdings heftigen Widerspruch.

2. “Rex – Final Days of an Empire”

Dreadnoughts
Nachdem Moritz geduldig auf der Tee- und Seidenstraße malocht hatte, durfte er als nächstes seinen Fantasy-Adventure-War-Game-Favoriten „Rex“ auflegen. Es ist ein Remake von Avalon Hill’s „Dune“ aus dem Jahre 1979. Fantasy Flight Games hatte aus der AH-Konkursmasse die Rechte am Spiel und seinen Mechanismen aufgekauft, der Titel war aber schon bei der Filmproduktion gelandet, so dass das Remake unter einem neuen Namen herauskommen musste.

Auf dem galaktischen Spielbrett sind 18 Regionen luftstraßen-artig miteinander verbunden. Wir bewegen unsere Pöppel durch die Regionen der Galaxis und sind zu einem Vernichtungskrieg gezwungen, wenn wir dabei auf eine Region stoßen, die schon ein Mitspieler besetzt hat. Das Ergebnis dieser Vernichtung wird einerseits durch die – erkennbare – Anzahl von Pöppeln bestimmt, die jeder Gegner dabei zu opfern bereit ist, und andererseits durch die – unbekannte – Kraft der jeweiligen Führer und deren geheime Waffenkarten, die sie mit ins Spiel bringen.

Jeder Spieler hat unterschiedliche Eigenschaften: Einer kassiert für jede Truppenbewegung in der Galaxis, ein anderer beim Kauf von Waffenkarten durch die Mitspieler, einer kann kostenlos Rekruten von den Toten auferwecken und galaktieren, ein anderer darf sich einen Einblick in zukünftige Drohungen und Versprechungen verschaffen. Nicht alle diese Eigenschaften sind gleichwertig. Muß auch nicht sein. Wir haben es ja nicht mit einem Euro-Spiel zu tun.

Damit die Kriegstreiber nicht allein unter sich sind, gibt es noch eine neutrale Figur, die nach einem zufälligen Bewegungsschema durch die Milchstraße fliegt und alles plattmacht, wo sie sich niederläßt. Daher der sinnige Name „Dreadnought“ (Fürchte-Nichts).

Detlev-Aaron hätte gemäß seiner Basis-Eigenschaft in Waffenkarten schwelgen können. Wenn er sich nur welche hätte leisten können. Nach zwei Runden hatte er sein Pulver via Truppentransporte und Scharmützel verschossen. Kein Geld, kein Einfluß, keine Einkommensquelle, kein Aktionsradius! Er hätte nur dann wieder ins Spiel kommen können, wenn ihm einer seiner Kriegsgegner (!) freiwillig etwas abgegeben hätte. Da wir alle noch bei Trost waren, blieb ihm so als einzige Unterhaltung sein Ipod mit den neuesten Nachrichten vom Tage. Diese ungebührliche Beschäftigung wurde gaudihalber von keinem Mitspieler moniert!

Hacan-Walter gewann! Ein Fantasy-Kriegsspiel!? Kein Wunder: nachdem Hacan als Basis-Eigenschaft die Rubel zum Betreiben der Kriegsmaschinerie nur so zufliegen, war es ein Nobrainer, die drei Regionen in der Galaxis zu besetzen, die zum Sudden-Death-Sieg notwendig waren. So wurden heute alle Strategie- und Wargame-Klischees vom Westpark durcheinandergemischt!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (das Dreadnought-Modell findet er cool, ansonsten war er drei Runden lang – 60% der Spielzeit – mit Nachrichtenlesen beschäftigt; vielleicht sind seine 8 Punkte mit den 8 Einflußpunkten korreliert, die er hätte einstreichen können, wenn ihm Moritz nicht in die Quere gekommen wäre), Günther: 3 (Atmospäre allein ist für ihn kein Güte-Kriterium. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Er mag diesen Spieltyp grundsätzlich nicht;), Horst: 6 (ausnahmsweise – unverständlicherweise – fand er diesmal nicht ins Spiel), Moritz: 9 (Ist ein Fan von dieser Art von Spielen. Allein die verschiedenen Charaktere findet er spannend. 10 Punkte bekommt – schon pietäthalber – nur das „Dune“-Original, das er mit anhaltender Begeisterung bestimmt mehr als 100 mal gespielt hat), Walter: 4 (akzeptierte nach der Yunnan-Arbeit den Rex-Dödel-Kontrast).

3. “Bluff”
Im 1:1 Endspiel Aaron gegen Horst fing Aaron mit der ungebrochen-grandiosen Vorgabe von 1 mal die Vier an. Horst hob auf 1 mal Stern!

Ist das ein guter Konter? Von der Theorie her gewiß nicht! Hat Horst tatsächlich einen Stern unter seinem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er dies glaubt; hat Horst keinen Stern unter dem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er anzweifelt. Die Siegchancen für die „1 mal Stern“-Antwort sollten eigentlich weniger als 50% sein!

Doch der Erfolg gab ihm recht. Post-Mortem-Einschätzungen werden angenommen, ob Horst jetzt einen Stern gewürfelt hatte oder nicht.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Pictomania” is our Game of The Month

It’s no secret that Vlaada Chvatil is one of our favorite designers – nobody has created so much innovation in the gaming scene of recent years, and he is always trying new things in each of his games. When “Pictomania” hit our table we were skeptical at first, as usually we don’t really like party and family games from a hardcore gamer perspective. But what is so convincing in this game is the scoring system, which refines the simple basic idea of the game (draw something that the others can recognize) in such a way that it makes it different from similar games of this genre. This system results in something that has been unseen before and which only can be described as “tactical drawing”. This alone makes the acquisition of this game a must!

“Pictomania” ist unser Spiel des Monats

Es ist kein Geheimnis, dass Vlaada Chvatil einer unserer Lieblingsdesigner ist – tatsächlich hat kaum jemand wie er die Spieleszene von der innovativen Seite her beeinflusst, und er ist jemand, der in jedem seiner Spiele Neues versucht. Als „Pictomania“ bei uns auf den Tisch kam, waren wir erst skeptisch, sind doch Party- und Familienspiele eher selten Hits bei den Westpark Gamers. Was uns aber überzeugte war, wie Chvatil ein wirklich geniales Punktebewertungssystem entwickelt hat, das der simplen Grundidee des Spiels (zeichne etwas, das die anderen erkennen können) eben die Würze gibt, die es von anderen Spielen dieses Genres unterscheidet. Dieses System resultiert in etwas, was man wirklich nur als „taktisches Zeichnen“ beschreiben kann, und allein dies ist die Anschaffung dieses Spiels wert.

04.07.2012: Portwein für den Krieg der Genies

Bis morgens um halb Drei mit Aaron und Günther palavert. Über Beruf, Banker, Politiker, Autos und Massagen. (Anlässe sind immer gegeben.) Teilgeschlafen. Die beste aller Ehefrauen mit guten Wünschen auf ihren Weg ins Büro begleitet. Ausgeschlafen. Üblicher Rentner-Vormittag. Jakobsmuscheln auf Kartoffel-Kohlrabi-Püree zum Mittagessen gekocht. (Probekochen für den nächsten Skat-Abend.) Küchendienst. Zur ersten Massage des Lebens. (Thai-Öl-Ganzkörper-Massage.) Wie beim nächtlichen Palaver prognostiziert, keine erkennbare Wirkung. (Nulla effectus in corpore sano!) Höchste Zeit, sich an den Session-Report zu machen, bevor es zum Donnerstag-Bridge in den Club abgeht.

1. “Vintage”
Ein portugiesisches Spiel für den internationalen Markt. Der Titel läßt im Deutschen erahnen, dass es um Weinbau geht. Als Anglizismus bezeichnet es einen besonders ausgezeichneten Jahrgang eines Weines, Portweins oder Whiskys (Wikipedia). Das englische Wort „Vintage“ hat aber eine größere Spannweite. Als Eigenschaftswort reicht seine Bedeutung von „altmodisch“ bis zu „hervorragend“ (LEO), und als Hauptwort hat es sich auf die Mode verlegt und bezeichnet ein Kleidungsstück, das mittels künstlicher Löcher und ausgewaschenen Farben auf „gebraucht“ getrimmt ist. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wir bleiben beim Wein, genauer gesagt bei der „Portweinproduktion im Douro-Tal, der ältesten abgegrenzten Weinregion der Welt“. Das Spielbrett zeigt das Douro-Tal mit den umliegenden Weinbergen. Jeder Spieler läßt seinen Aufseher und seine vier bis sechs Arbeiter darin werkeln:

  • neue Weinberge anzulegen – hierbei sind Preis, Ertragreichtum, Qualität und Transportkosten in Einklang zu bringen.
  • Rebsorten anzupflanzen – Sortenreichtum ist geboten, vollständige Bepflanzung erhöht die Qualität.
  • Trauben zu lesen – mit Schwankungen in der Jahrgangsqualität.
  • die Trauben in die heimischen Weinkeller zu transportierenen – entfernt liegende Weinberge binden erhebliche Manpower für den Transport.
  • den Wein reifen zu lassen – dieser Prozess kommt im Spiel leider überhaupt nicht vor. Eingelagerte Weine sind unverzüglich auch verkaufsfähig. Schade eigentlich, die klassische Herstellung von Vinyard Port mit dem Stoppen der Vergährung durch Zugabe von Branntwein hätte noch vielfältige weitere Aufgabenstellungen abwerfen können. Im Spiel wird der Branntwein lediglich als unabkömmliches Lockmittel für die Arbeiter im Weinberg gebraucht. Wer hier seinen letzten Tropfen verbraucht hat und bei der zugehörigen Weinlese nicht gleich im selben Atemzug für neuen Nachschub sorgt, kann nach Hause gehen. Nie wieder wird er seine Arbeiter zum Arbeiten im Weinberg verlocken können.
  • den Wein verkaufen – mit dem Würfel wird noch ein bißchen an der Qualität gedreht, die Lagerkapazitäten limitieren den Ertrag. Maximal zwei Einheiten des besten Weines gehen als „Colheita“ für vier Siegpunkte über die Kellerschwelle. Im schlimmsten Fall von Überproduktion muß man je fünf Einheiten seiner Spitzenproduktion als „Tawny“ für einen einzigen Siegpunkt verkaufen.

Das ganze riecht nach sehr viel Arbeit. Ist es auch. Eine geschlagene Stunde brauchte Günther allein, um uns die Arbeitsanweisungen näher zu bringen. Dann fängt das Spiel äußerst zäh an und hört mittelprächtig zäh auf. In der ersten Runde können wir gerade mal einen neuen Weinberg erstehen. Damit ist unser Anfangskapital von drei Siegpunkten auch schon erschöpft. Der neue Weinberg hat zunächst weder Trauben noch Arbeiter; außer der Kapitalbindung bringt er keinen Effekt.

Mit dem Miniweinberg unserer Startaufstellung können wir gerade mal einen einzigen Zuber Trauben lesen und eine einzige Flasche Branntwein erzeugen. (Wenn wir hier die Branntwein-Produktion vergessen, können wir gleich nach Hause gehen, siehe oben!) Verkaufen können wir in der ersten Runde nichts, denn für Transport und Verkauf reicht unser Stammpersonal nicht mehr hin.

Wir dürfen unser Arbeiter aber nicht so mir-nichts-dir-nichts an die Arbeitsplätze schicken. Wir müssen für jeden Arbeitsschritt zuerst eine Arbeitsgenehmigung einholen. Bezahlen müssen wir das mit Arbeitern, deshalb stehen wir auch so schnell ganz ohne da. Der Preis für die Arbeitsgenehmigung wächst zudem linear. Die erste Traubenlese pro Runde kostet einen Arbeiter. Die zweite kostet schon zwei Arbeiter. Wieviel kostet wohl die dritte Lese? Und wie oft könnte der vierte Mitspieler seine Arbeiter zur Lese schicken, wenn er, wie zu Spielbeginn, gerade drei Arbeiter im Personalbüro hat? Richtig geraten, überhaupt nicht mehr!

Zum Glück gibt es den Aufseher, der fast überall hinkommt und nur den einfach Preis bezahlen muß. Und es gibt Zauberkarten, die manche Erledigung unserer Aufgaben erleichtern oder beschleunigen; doch ihr Erwerb und ihre Nutzung kostet Zeit und bindet ebenfalls Personal, das wir gerade am Anfang nicht haben.

Wenn wir dann nach der zweiten oder dritten Runde den ersten Wein in unseren Verkaufsregalen liegen haben, dann ist er von Menge und Qualität so gering, dass wir dafür mit viel Glück höchstenfalls einen oder zwei Siegpunkte erlösen können. In der Regel reicht es nur, ein paar Flaschen in das Regal mit dem Tawny-Schrott zu stellen. Zum Leben zu viel, zum Sterben zu wenig. Nach einer Stunde Spielzeit hatten wir die Hälfte der Runden geschafft, vegetierten aber größtenteils immer noch mit unseren zwei Weinbergen herum und hatten zwischen 0 (Null!!) und 5 Punkten auf dem Siegpunktkonto! Kein Geld, kein Schnaps, keine Leute! Das sind offensichtlich die Charakteristika von Vintage.

Nach sieben Runden und zwei Stunden Spielzeit kam der Sieger über die Besitzstandswertung am Schluß auf 27 Punkte. Die er wohl durch die glückliche Startspielerposition, eine glückliche Weinbergskauf-Zauberkarte und unbehelligtes Bepflanzen des frühen zweiten Weinbergs mit schwarzem „vigna antica“ zusammenkratzen konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (stumpfe Optimiererei, es fehlt der Pfiff. Unnötig viel zu überlegen), Günther: 5 (man muß was tun, um es interessant zu machen. [Im Moment weiß ich nicht mehr, was er damit sagen wollte.]), Moritz: 4 (ist halt ein Workerplacementspiel; wenn es mit Eisenbahn-Thematik zu tun hätte, bekäme es einen Punkt weniger), Walter: 4 (der Konstruktionsentwurf verdient 8 Punkte, doch an der Ausarbeitung mangelt es hinten und vorne; die einzige Spannung liegt im Hinterherlaufen bei den begehrten, bitter notwendigen Arbeitsplatz-Angeboten.).
Ich schlage „Vintage“ für den „Horst des Monats“ vor.

2. “Wiz War”
Auf einem schachbrettartigen 10 x 10 Labyrith liegen von jedem Spieler verstreut zwei „Schätze“. Jeder Spieler hat einen Genie-Pöppel (vielleicht auch Zauberer genannt), den er durch das Labyrinth bewegt. Aufgabe ist es, so schnell wie möglich zwei fremde Schätze aufzulesen und im eigenen Heimat-Quadrat abzuliefern. Wem das als erstes gelingt, der hat gewonnen.

Pro Zug dürfen wir uns uns standardmäßig um drei Felder vorwärts-rückwärts-seitlich-bei bewegen. Durch Ausspielen entsprechender (Energie-)Karten auch noch um bis zu fünf Felder (pro Karte!) weiter. Diese Karten, von denen wir bis zu sieben auf den Hand haben, die wir pro Zug alle ausspielen dürfen, und von denen wir pro Zug zwei nachziehen dürfen, sind das Salz in der Suppe. Sie dienen nicht nur zur Erweiterung unseres Bewegungspotentials, mit ihnen können wir auch Breitseiten auf unsere Gegner abfeuern (Gegner sind alle unsere Mitspieler), wir können sie in ein Salzsäure-Bad tauchen oder wir bauen Mauern, um uns und unsere Schätze vor ihnen in Sicherheit zu bringen.

Natürlich gibt es auch Karten, um uns zu schützen, um die Mauern wieder einzureißen oder um gegnerische Schadenspunkte auf sie zurück zu lenken. Und es gibt Karten, mit denen wir die Kartenhand der Gegner bestehlen oder dezimieren können.

Zum Spielziel erklärte Moritz: „Man gewinnt, wenn man zwei Siegpunkte hat!“ Großes Gelächter auf allen Seiten. Selbst beim äußerst ertragsarmen „Vintage“ waren es mehr Siegpunkte gewesen. Seine Einführung beendete Moritz mit der Behauptung: „Der Kampf ist total strategisch! Ohne Glück!“ Großes Gelächter von seiner Seite. Galgenhumor zum Überspielen seiner üblichen Zwecklüge.

Der ideelle Konflikt bei allen Aktionen besteht darin, dass wir einerseits ausrücken müssen, um freme Schätze aufzuladen und nach Hause zu transportieren; dass wir andererseits aber damit unsere eigenen Schätze als Beute für die Gegner frei herumliegen lassen müssen. Im Mittelspiel trug Günther wie eine gute Känguru-Mutter einen seiner eigenen Schätze auf seinen Beutezügen mit sich herum. Solange, bis er einen fremden Schatz aufnehmen konnte und dafür seinen eigenen Schatz dort abladen mußte. Vielleicht ganz tricky, beim dem Angebot an herumliegenden Schätzen aber leicht überflüssig.

Um zu gewinnen muß man gute Kartenpflege betreiben. (Nachdem man ausreichend gute Karten gezogen hat.) Vor allem Potential für den Schlußspurt. (Wenn man keine bösen Gegner hat, die einem die besten Karten der Hand wegstehlen.)

Ein Wiz, eine Mauer, eine Heimatbasis und ein Schatz

Walter wußte – wie immer bei solchen Fantasy-Adventure-Kriegsspielen – nicht, was er mit seinen Karten anfangen sollte. Wenn schon Waffen-Karten in der Hand, dann auch abfeuern. Auf wen? Auf den, der am nächsten steht. Wenn schon Mauern-Karten in der Hand, dann auch Mauern bauen. Wohin? Dorthin, wohin der Nächste nicht weglaufen sollte. Beidesmal traf es Aaron. Strategisch und taktisch unsinnig. Er ertrug es tapfer. Stellt Euch mal das Lamentieren vor, wenn Walter seine irrationale Spielweise gegen Moritz ausgeübt hätte! Hallo Aaron, es tut mir jetzt noch leid, dass ich uns dieses Vergnügen vorenthalten habe!

Günther äußerte Verständnis: „Das Spielziel liegt darin, möglichst viel Chaos zu erzeugen und dann irgendwie durch Zufall zu gewinnen.“

WPG-Wertung: Aaron: 3 (funktioniert, möchte es aber nicht nochmals spielen. Vielleicht frustriert von Walters Chaos-Strategie), Günther: 4 (das Spiel lebt vom Chaos, die [Pseudo-Stimmung-suggerierenden] Texte auf den Karten sind lächerlich.), Moritz: 6 (das Spiel ist lustiger als „Vintage“), Walter: 3 (nur wenn man in Chaos-Stimmung ist)

Zu Beginn des Spiels wollte Moritz nicht jedem Spieler seine traditionellen Farben geben, sondern verteilte sie zufällig. Großer Protest. Bevor er auch nur das Spielbrett ausbreiten konnte, hatte sich jeder durch heimliches Tauschen wieder seine Favoritenfarbe an Land gezogen. Moritz versuchte zwar, dagegen zu argumentieren, doch gegen die Phalanx der befriedigten Favoriten kam er nicht an.
Auch beim Aufstellen des Spielbretts ging Moritz (spielregel-gerecht?) nach einem Zufallsprinzip vor. Anstatt jedem seine Lieblingsfarbe vor die Tür zu legen, wie es sich für die Go-Maxime: „Ein guter Go-Spieler spielt bei sich selbst!“ gehört. Gibt es für die strenge Verfolgung der Zufallsverteilungen eine im Spielablauf liegende logische Begründung? Ich sehe keine. Nicht für das erste Spiel und nicht für das hunderste Spiel. Die Zufallsauswahl der Karten, das was man damit anfängt, und die freien Bewegungen bringen die Abwechslung ins Spiel. Sie alleine!

27.06.2012: Spiele des Jahres, Fußball des Tages

Die Goethe-Universität in Frankfurt hat nach einem statistischen Modell berechnet, wer die diesjährige Fußball-Europameisterschaft gewinnen wird. Basis für die Rechnerei ist die schlichte Erkenntnis, dass die Ergebnisse von Fußballspielen Zufallsereignisse mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten sind. Jede Mannschaft schießt etwa 9 mal direkt aufs Tor. Die eine Mannschaft trifft aber häufiger als die andere. Die Wahrscheinlichkeit für das Häufiger-Treffen wird aus den Ergebnisse von früheren Begegnungen und aus der derzeitigen FIFA-Punktzahl gebildet.
Finales Ergebnis der jungen Goethes:
Deutschland kommt mit 62,14% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 31,92%.
Italien kommt mit 41,61% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 19,77%.
Spanien kommt mit 57,71% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 29,64%.
(Näheres unter http://www.fussballmathe.de)

Diese Ergebnisse stammen offensichtlich aus der Zeit vor dem heutigen Portugal-Spanien-Spiel, denn jetzt ist Spanien bereits mit 100% im Finale. Und warum die Summe aus den Final-Wahrscheinlichkeiten für Deutschland und Italien keine 100% ausmacht, das ist auch nicht ganz plausibel. Mir zumindestens nicht. Ich weiß nur, dass der alte Goethe als Naturwissenschaftler ein paar dicke Kalauer vom Stapel gelassen hat. Warum nicht auch die jungen Goethes?
Morgen wissen wir mehr, und am Sonntag wissen wir alles.

1. “Vegas”
Auf die recht harsche Kritik von letzter Woche hat uns Rüdiger Dorn eine ruhige, sachliche Antwort zukommen lassen. Er verwies auf die Störer-Variante: Jeder Spieler bekommt zu seinen acht eigenen Würfeln noch zwei fremde Würfel eines Dummy-Mitspielers dazu, die er unabhängig von seinen eigenen Würfeln legen kann. Damit kommt etwas mehr Schadenfreude ins Spiel. Es geht nicht mehr allein darum, mit Blut, Schweiß und Tränen an ein paar Dollars ran zu kommen, jeder hat a priori zwei Würfel in der Hand, die ausschließlich dazu da sind, den Mitspielern beim Aneignen begehrter Pfründen in die Suppe zu spucken.
Moritz spürte sofort, dass das Spiel „deutlich lustiger“ wurde. Günther schränkte ein: „Aber nicht weil das Spiel auf diese Weise lustiger ist, sondern weil wir uns darüber lustig machen!“ Aaron bilanzierte. „Es ist halt ein gehässiges Spiel:“ Zur Versöhnung gab Moritz noch eine seiner unendlichen Weisheiten zum Besten:
„Das Spiel will nicht mehr als es ist!“.
Wir hätten alle gerne etwas mehr gehabt und bastelten an Varianten. Beispielsweise:

  • Es gibt Joker-Würfel
  • Die letzten drei Würfel dürfen / brauchen nicht mehr ausgelegt werden.
  • Eine Spielrunde endet mit Sudden Death, sobald ein Spieler alle seine Würfel plaziert hat.
  • Würfel müssen nicht immer ausgelegt, werden, sie dürfen auch einfach beiseite gelegt werden.
  • Augenzahlen sind kombinierbar.

Sicherlich haben Autor und Verlag viele Vegas-Varianten ausprobiert. Das oberste Ziel war aber offensichtlich die Einfachheit der Regeln. Schließlich kann heutzutage nur so ein Spiel-des-Jahres entstehen.
WPG-Wertung für Vegas mit der Störer-Variante: Aaron: 6 (glatt, vorher 6-minus), Günther: 4 (bleibt), Moritz: 4 (die erste Runde war noch ganz lustig, nach der zweiten Runde habe ich mich gelangweilt), Walter: 4 (vorher 3).

2. “Infiltration”
Infiltration“In ‘Infiltration’ two to six players control futuristic thieves, known as operatives, infiltrating a highly secure corporate facility to steal digital files. Each operative attempts to outwit his counterparts and collect the most data. But most importantly, each operative must escape the facility before the security mercs arrive.” – So steht es in der Game-Overview. Der Google-Translator übersetzt das (leicht verbessert) zu: „In ‚Infiltration’ steuern zwei bis sechs Spieler futuristische Diebe, als Arbeiter bekannt, die eine hochsichere Corporate Facility infiltrieren, um digitale Dateien zu stehlen. Jeder Arbeiter versucht, seine Amtskollegen zu überlisten und die meisten Daten zu sammeln. Am wichtigsten ist aber, dass der Arbeiter die Anlage verläßt, bevor die Sicherheits-Söldner ankommen.”
Wie infiltrieren wir die Facility? Indem wir die Aktionskarte „Advance“ spielen. Mit jeder Advance-Karte kommen wir ein Feld (=Raum der Facility) vorwärts. Wie stehlen wir Dateien? Indem wir die Aktionskarte „Download“ spielen. Solange der Vorrat reicht. Wenn die letzte Datei vom Feld, auf dem wir gerade stehen, entwendet wurde, gibt es nichts mehr zu holen. Dann sollten wir ins nächste Feld ziehen. Wie? Siehe oben.
Wie kommen wir aus dem Spielfeld wieder heraus? Indem wir die Aktionskarte „Retreat“ spielen. Damit gehen wir ein Feld zurück in Richtung Ausgang. Wenn wir “Retreat” mindestens so oft gezogen haben, wie wir im bisherigen Spielverlauf advanciert sind, sind wir draußen. Wann kommen die Sicherheits-Söldner? Wenn die Summe aller Augen, die wir mit dem Zeitwürfel gewürfelt haben, die Hundert überschreitet. Durchschnittlich könnte man mit 100 geteilt durch 3 ½ Zeitwürfel-Würfen rechnen. Da die Uhr aber schneller geht und immer wieder eine zusätzliche Zeitspanne addiert wird, ist das Spiel schneller aus als man denkt.
Wer noch schneller fertig werden will, spielt gleich im ersten Zug die „Retreat“-Karte. Unverzüglich ist er draußen und kann sich das aufregende Portugal-Spanien-Spiel anschauen.
Gibt es noch was? Ja, jeder hat ein paar Item-Karten auf der Hand, die er anstatt oder zusätzlich zu seiner Aktionskarte spielt. Damit kann er sich ein bißchen schneller bewegen. Vorwärts und rückwärts!
Nachdem jeder ein paar Runden lang advanced und downloaded hatte, entfuhr es Aaron: „Das kann es doch nicht sein, was wir jetzt machen.“ Moritz beruhigte: „Es ist halt ein No-Brainer“. Zu Deutsch: Ein Kinderspiel! Höchstenfalls!
Günther stieg als erster aus. Dabei wollte er nicht einmal das Fußballspiel anschauen. Er hatte nur eine Item-Karte in der Hand, mit der er die Restspielzeit gleich um ein Drittel verkürzte. Er war der einzige, der überlebte. Für alle anderen reichte die Zeit nicht mehr, im Retreat-Tempo den Ausgang zu erreichen. Moritz hat es trotzdem Spaß gemacht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (störte sich an der unterschiedlichen Wertigkeit des Diebesgutes. Der zufall-bestimmte Unterschied kann bis zu 300% betragen), Günther: 4+ (zu viel Text, d.h. Brimborium, für die einfachen Züge), Moritz: 7 (würde ich sofort wieder spielen. Thematisch überzeugend), Walter: 3 (würde es nicht nocheinmal spielen, wenn man ein Drittel der Feld-Effekte kennengelernt hat, ist das abstrakte Thema ausgelutscht).
Walters Ausgelutscht-Aussage konterte Aaron mit dem Hinweis auf die Geisterbahnen auf Rummelplätzen. „Jeder weiß, was da drin ist, und trotzdem gehen alle rein.“ Ach! In den Geisterbahnen will man doch nicht neue Geister kennen lernen. Zum Küssen sind sie da!

3. “Pictomanic”
PictomaniaEin Unterhaltungs- und Familienspiel, das es heuer bis auf die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres” gebracht hat. Jeder bekommt einen unterschiedlichen Begriff vorgegeben (Auto, Ball, Cafe), dann malen alle gleichzeitig ihren Begriff und versuchen, als erster die Begriffe zu raten, die ihre Mitspieler malen. Ein ähnliches Prinzip wurde schon sehr erfolgreich mit dem Spiel-des-Jahres „Barbarossa“ verfolgt.
Punkte gibt es für das richtige Raten, für das richtige Geraten-Werden und für die Geschwindigkeit, mit der man das erledigt.
Das Spiel hat einen netten Unterhaltungswert, wie alle Spiele dieser Art. Tragisch ist es nur für den, der als einziger vom Fach ist, und dessen fachkundigen Gemälde nicht erkannt werden. Wie leicht kann für einen Nicht-Astronomen aus der Jungfrau ein Stier werden. Moritz hielt Walters Gitarre für eine Geige, Günthers Steinpilz war zweifellos ein Fliegenpilz und alle hielten Aarons Hyäne für einen Fuchs.
Die vorgegebenen Begriffe haben einen steigenden Schwierigkeitsgrad. Wir waren bald überfordert. Nicht nur mit Gitarren, Hyänen und Steinpilzen. Wie malt man denn einen „Algorithmus“? Reumütig und einsichtig kehrten wir zu den Anfängerbegriffen zurück.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hoher Wiederspielwert, die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade sind eine gute Idee, vorzügliche Skalierbarkeit für 4 bis 6 Personen), Günther: 7, Moritz: 7 (das Punktesystem ist das genialste am Spiel), Walter: 6 (die Idee ist nicht neu, der Zeitdruck stört die Kontemplation, das geilste sind die abwaschbaren Mal-Tableaus).

4. “Sequence”
Das Spielbrett zeigt ein Muster von Bridge-Karten. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von 6 Karten und spielt reihum eine frei wählbare Karte daraus aus. Die ausgespielte Karte gibt das Feld auf dem Spielbrett an, wo der Spieler einen Chip hinlegen darf. Ist es einem Spieler gelungen, fünf Chips in waagrecht, senkrecht oder diagonal benachbarte Felder zu legen, so hat er gewonnen. Bei vier Spielern bilden die beiden gegenübersitzenden Spieler ein Team und gewinnen (oder verlieren) gemeinsam.
Wie beim Gobang-Spiel müssen ständig zwei Ziele im Auge behalten werden: eine eigene Fünfer-Sequenz zu bilden und beim Gegner eine solche zu verhindern. Beim Gobang hat dabei aber jeder Spieler unendliche künstlerische Freiheit, in „Sequence“ können nur die maximal 6 verschiedenen Felder gemäß der eigenen Kartenhand belegt werden. Ein kleines bißchen Aufpassen über die Gebilde der Gegner schadet nicht, der Rest ist Kartenglück.
Der italienische Untertitel des Spiels lautet: “Un emozionante gioco di strategia“, der englische Untertitel: „An exciting game of Strategy“. Deutscher Untertitel: Fehlanzeige. In Mini-Schrift darunter gesetzt: „Mit Strategie und Glück gewinnen.“ Wir Deutschen sind entweder sauertöpfisch oder humorlos. Oder schlichtweg wahrheitsliebend.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (möglicherweise als Absacker geeignet), Günther: 7 (nur zum Zeitvertreib), Moritz: 5, Walter: 5 (reines Glücksspiel, plus ein bißchen Wahrnehmen, was das Glück uns geboten hat).
Inzwischen hat Spanien das Elfmeterschießen gewonnen.

5. “Zooloretto – Würfelspiel”
Zooloretto WürfelspielEin Spiel-des-Jahres ist immer eine Variation wert. 2007 hat das Brettspiel „Zooloretto“ den begehrten Titel gewonnen, 2012 kam die jetzige Würfelversion heraus.
Mit Hexawürfeln, auf denen Zooloretto-Tiere abgebildet sind, würfeln wir die Tierearten aus, die auf dem Markt zu haben sind, und laden sie auf Transporter. Jeder Spieler kann wählen, ob er zwei weitere Tiere herausbringt oder ob lieber die Tiere auf einem der beladenen Transporter in seinen Zoo einreiht. Am Ende bestimmt der beste Zoo den Sieger.
Für Aaron eine gelungene Kombination von „Choice“ und „Vegas“. Für Walter war auch noch ein bißchen „Kniffel“ dabei.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht besonders spannend), Günther: 7 (die beste Umsetzung eines Brettspiels als Würfelspiel), Moritz: 6 (das Original-Zooloretto ist besser), Walter: 5 (Würfelspiel mit der üblichen chaotischen Abhängigkeit von den Aktionen der Mitspieler).

20.06.2012: Zocken und Malochen

Kritik und Freude
Kritik, einseitige und ungerechte ebensogut wie verständige, macht dem, der sie übt, so viel Vergnügen, dass die Welt jedem Werk, jeder Handlung Dank schuldig ist, welche viel und viele zur Kritik auffordert: denn hinter ihr her zieht sich ein blitzender Schweif von Freude, Witz, Selbstbewunderung, Stolz, Belehrung, Vorsatz zum Bessermachen. – Der Gott der Freude schuf das Schlechte und Mittelmäßige aus dem gleichen Grunde, aus dem er das Gute schuf. (Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches II)

1. “Vegas”
Erstens von Rüdiger Dorn, zweitens bei Alea verlegt, drittens in der „Spielbox“ hoch gepriesen, viertens in wenigen Tagen zum „Spiel des Jahres 2012“ gekürt (vielleicht). Für Aaron genügend Gründe, das Spiel trotz massiver Unkenrufe von Günther (negativer Spannungsbogen, am Ende wird man gespielt) zu erstehen.

Auf dem Tisch liegen sechs Stapel („Casinos“) mit ein bis drei Geldscheinen in der Stückelung von 10 bis 90 (Tausend) Dollar. Jedem Stapel ist eine der Würfelaugen 1 bis 6 zugeordnet.Vegas 2012
Jeder Spieler würfelt zu Beginn mit 8 Würfeln, wählt davon alle Würfel einer Augenzahl aus und legt sie zum zugehörigen Geldstapel. Das geht reihum so. Wenn ein Spieler wieder an der Reihe ist, würfelt er mit seinen restlichen Würfeln, wählt wiederum eine Augenzahl aus und legt sie an den entsprechenden Geldstapel. Das geht so lange, bis alle Spieler alle ihre Würfel irgendwie auf die Geldstapel verteilt haben. Zuerst mit einer gewissen Auswahlmöglichkeit, zuletzt ohne jeden Freiheitsgrad, denn der letzte Würfel muß zwangsläufig an den einzig vorbestimmten Geldstapel gelegt werden. Wenn die beiden letzten Würfel die gleiche Augenzahl haben, ist ihr gemeinsamer Bestimmungsort auch schon vorbestimmt. Wenn ein Spieler zufälligerweise gleich beim ersten Wurf acht gleiche Zahlen würfelt (die Wahrscheinlichkeit dafür ist 1: 279936), dann muss er alle seine Würfel ebenfalls an den einzigen vorbestimmten Geldstapel legen und beendet für diese Runde seinen Zug.

Jetzt erfolgt die Würfelwertung: Wer an einem Geldstapel die meisten Würfel liegen hat, bekommt den höchsten dort ausliegenden Geldschein, die zweitmeisten Würfel bekommen den zweihöchsten Geldschein usw. Gleichviel Würfel patten sich aus, keiner der Würfelbesitzer bekommt etwas und es lacht der Dritte.

Was gehört zur Taktik des Spieles? Bevor Aaron dem reinen Glücksspiel auf der Soll-Seite ein „gutes Würfelmanagement“ zubilligen konnte, hatte Günther auf der Ist-Seite schon ein „Man muß gut würfeln“ untergebracht. Claro, wenn jeder Spieler reihum seine letzten Würfel plazieren muß, können leicht noch neue Mehrheiten entstehen oder Führungshoffnungen mittels Patt sich in Luft auflösen. Zwangsweise, wohlgemerkt.

Natürlich gibt es was zu freuen, wenn sich zwei starke Goliaths eliminieren und der kleine David den Reibach absahnt. Aber mindestens zwei Mitspieler freuen sich dann NICHT. Birgit flehte: „Oh Gott, lass es eine 5 sein!“ Es war eine 5 und sie übernahm die Anwartschaft auf 80 Kilo Dollars. Doch dann bekam Aaron auch eine 5, zog mit ihr gleich und die 80 Kilos erhielt schlußendlich der mickrige Zufalls-Dritte. Als Günther vor seinem letzten Würfelwurf stand, murmelte irgend jemand: „Wenn er jetzt eine 3 würfelt, ist das Spiel blöd!“ Das Spiel war blöd!

Wir hätten vielleicht nicht mit „Vegas“ anfangen sollen! Wir waren noch nicht vorgeglüht. Erst wenn jeder eine Flasche Rotwein in sich hat, kann das saublöde Würfeln seine volle Unterhaltungskraft entfalten.

WPG-Wertung: Aaron: 6- (das Spiel funktioniert, ist schnell erklärt und ansonsten ein reines Glücksspiel), Birgit: 4 (hat am Anfang ein bißchen Spaß gemacht, dann war es langweilig), Günther: 4 („Kniffel“ ist wesentlich besser), Horst: 6+ (zum Ködern von Nicht-Spielern, könnte sogar Suchteffekte auslösen, andere Spieler ärgern ist schließlich eine positive Emotion), Walter: 3 (nach zunächst euphorischen 7 Punkten! Ist dem Alter entwachsen, wo Sich-ärgern oder Sich-über-den-Ärger-anderer-Freuen“ genügend Wiederspielreiz ergibt.)

Lieber Rüdiger, mit Schrecken habe ich in der After-Party-Diskussion erfahren, dass Du der Autor dieses Spiels bist. Tut mir leid, mein Spiel ist es nicht. Zu meinem Spielspaß gehören:

  • Eine nette Spielrunde. – Das haben wir auch ohne Dich.
  • Neue, hübsch ausgedachte Spiel-Ideen kennenlernen. – Das mit dem sukzessiven Würfel-Verteilen ist höchstenfalls eine Richtung, aber noch kein Ziel.
  • Vor und während des Spiels einen Plan haben können. – Bei Glücksspielen ist das Fehlanzeige.
  • In Konkurrenz kämpfen und mit spielerischen Mitteln ein Ziel verfolgen. – Bei Glücksspielen ist …

Günther hatte heute zufälligerweise auch Dein „Goa“ dabei. Vor kurzem hat ihm das bei den Münchener Spuiratzn mal wieder außerordentlich gefallen. Mit diesem Superspiel kannst Du auch bei mir punkten. Mit „Vegas“ leider nicht. Glücklicherweise – für Dich – hat die Jury von „Spiel des Jahres“ aber einen anderen Geschmack als ich. Und sie läßt sich von unseren Spielkritiken auch nicht beeinflussen.

2. “Stone Age – Mit Stil zum Ziel”
Walter forderte einen Platztausch mit Günther. Offiziell wollte er dabei der Birgit besser in die Augen schauen können, inoffiziell fürchtete er im Steinzeitalter die ständige Interessenkollisionen mit Günther und wollte sich dafür die Zug-Priorität sichern. Was kann man daraus schließen? Zumindest diese beiden hatten bereits vor dem Spiel einen taktisch-strategischen Plan. Entweder Kinder-Kriegen und Hungern-Lassen oder Schmuck-Handel und damit die Welt-Aufkaufen. 1:0 für „Stone Age“ gegen „Vegas“.

Aaron wurde Startspieler und riß sich gleich den Kreißsaal unter den Nagel, so dass Walter – erfreulicherweise – nur noch der Juwelierladen übrigblieb. Selbstverständlich wählte er auch als Startspieler in der zweiten Runde diese Option. Günther hatte (zunächst) beide Male das Nachsehen.

An dieser Stelle kritisierte Birgit das Einschwingverhalten von „Stone Age“. Offensichtlich gehört es unabdingbar zur Siegstrategie, in den ersten Runden mit höchster Priorität den Schmuckhandel zu wählen und als zweites das Kinder-Kriegen. Stimmt das? Das entspräche einem strategischen Freiheitsgrad von Null. Günther – Theoretiker oder HiG-Parteigänger – legte dagegen sofort Widerspruch ein: „Und wie steht es mit Nahrung, wie mit der zusätzlichen Würfel-Kampfstärke?“

Nun ja, als er selber die freie Auswahl hatte, engagierte er sich selbstverständlich ebenfalls ohne Zögern im Schmuckhandel. Allerdings folgt im „Stone Age“ nach dem Recht der ersten Nacht noch ein wahres Feuerwerk an weiteren Zugriffsmöglichkeiten. Günther wählte die „Symbolstrategie“. Er sorgte dafür, dass er immer ausreichend Schmuckstücke im Beutel hatte und erwarb sich damit immer – sofern noch verfügbar – die offen ausliegende Mit-Stil-zum-Ziel-Sonderkarte und zugleich auch noch die verdeckte Zusatzkarte, um sich mittels der quadratisch anwachsenden Schlußprämie für die Anzahl verschiedener Symbole auf den ersten Platz hochzukatapultieren. Das gelang. 64 Siegpunkte für die Symbole und ein paar weitere Prämienkarten hievten ihn in der Schlußwertung vom letzten auf den ersten Platz. Besitzt die Stil-Erweiterung von „Stone Age“ schlußendlich doch eine eindeutige und damit triviale Gewinnstrategie?

WPG-Wertung: Birgit: 8 (macht Spaß), Horst: 8 (die Wartezeit bei 5 Spielern tendiert ins Negative), Aaron reduziert in einer 5-Spieler-Runde seine Wertung auf 6-Punkte.

Frage: Ist Geschwindigkeit und Spielspaß in einer 5er Runde nicht bei jedem Spiel geringer als in einer 4er Runde. Aus dem Stegreif fielen uns als Ausnahmen von der Regel nur „Bluff“ und „1830“ ein!

3. “Rapa Nui”
Nach dem anstrengenden 2 ½ stündigen Werkeln im Steinzeitalter waren Birgit und Horst abgeschlafft und begaben sich mit dem vorvorletzten Fahrrad zu Kind und Kegel nach Hause. Das Rest-Trio suchte für die letzte Stunde noch einen angemessenen Absacker. Beim Vorschlag „Rapa Nui“ leuchteten alle Augen auf. Ein flottes, leichtes, gefälliges, interaktives Kartenspiel zum Sammeln, Auslegen und Werten von Karten, mit reichlich Freiheitsgraden, mit einer heuristischen Planung und mit sanften Zufallseffekten.

Diese hübschen Eigenschaften hat sogar die Jury von „Spiel des Jahres“ entdeckt. Das Spiel wurde in die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres 2012“ aufgenommen. Ein Oberlehrer und eifriger Leses unserer Homepage ist mit dieser Einschätzung allerdings nicht einverstanden. Er schrieb: “Mit HANSA TEUTONICA, LONDON und BUBU habt Ihr sogar drei meiner absoluten Top Five der letzten Jahre auf den Schild als Spiel des Monats gehoben. Bravo! Da kann ich über Belanglosigkeiten wie zuletzt SEELAND und RAPA NUI gern mal hinwegblicken.“

Lies und blicke weiter, lieber Leser!

Keine neue WPG-Wertung für ein hübsches Spiel.