Archiv der Kategorie: Spieleabende

09.05.2012: Väter und Großkopferte auf dem Lande

Wir sind Vater.
Siri (umgangssprachlich für Sigrid = die schöne Siegerin) Marie (Nebenform von Maria = widerspenstig) Eggert (Abwandlung von Eckehart = starke Waffe) heißt sie, heute, Mittwoch um 14:44 Uhr ist sie zur Welt gekommen und das schönste neugeborene Mädchen der Welt.
Herzlichen Glückwunsch, liebe Andrea und lieber Moritz, von allen Westpark-Gamers, die sich mit großer Freude als ihr Vater (wegen mir auch als ihre Mutter) fühlen möchten oder dürfen.

1. “Village”
Wir sind Oberhaupt einer bis zu elfköpfingen Sippe und müssen unsere Familienmitglieder eifrig und umsichtig durch die verschiedenen Stationen wirtschaftlicher und politischer Betätigung innerhalb eines Dorfverbandes führen.

  • Wir fahren die Ernte in die Scheuer.
  • Wir tauschen Getreide in Pferde, Ochsen, Pflüge, Karren, Schreibwaren oder Geld.
  • Pferde und Ochsen steigern unsere Ernte-Erträge. Außerdem läßt sich das ganze Geraffel auf dem Markt in klingende Siegpunkte umsetzen.
  • Wir steigen in die kommunale Rathauspolitik ein und streichen dafür öffentliche Privilegien ein.
  • Wir gehen auf Reisen und lernen die Welt kennen.
  • Wir heiraten und kriegen Kinder (Andrea hat das vorgemacht; das ist eine der leichtesten Übungen auf dem Lande.)
  • Wir schicken unsere Familienmitglieder zum Beten in die Kirche und lassen uns unsere überirdische Dominanz mit irdischem Segen vergelten.
  • Wir lassen unsere Familienmitglieder altern und sterben, und füllen anschließend mit ihren Heldentaten die Blätter der Dorfchronik.

Die Auswahl unserer Aktionen wird von Aktionssteinen begrenzt, die in jeder Runde auf die dörflichen Tummelplätze ausgelegt werden (Ernte, Handwerk, Markt, Rathhaus, Reise, Hochzeit, Kirche, Chronik und Friedhof). Jeder Spieler wählt aus dem Angebot an Aktionssteinen einen Stein und führt die entsprechende Aktion aus. Wenn der Hochzeitvorrat erschöpft ist, gibt es keine Kinder mehr. Wenn der Kirchenvorrat erschöpt ist, wird die Kirche geschlossen.

Ein neuartiges und sehr gelungenes Element des Spiel ist das Hantieren mit dem Alter. Anstatt auf den dörflichen Aktionsfelder unseren Tauschhandel mit Ware gegen Ware abzuwickeln, können wir fast alle unsere Begehrlichkeiten auch mit Alter bezahlen: Anstatt einen Ochsen zu verkaufen halsen wir lieber unserer Oma ein paar Jährchen auf und schicken sie umgehend über den Jordan. Die Dorfchronik wird sie stets in lebendiger Erinnerung behalten.

Es gibt an vielen Rädchen zu drehen, viele innere Abhängigkeiten und Progressionen sind zu berücksichtigen, um besser zu fahren als unsere Mitspieler. Alles bringt Siegpunkte ein, mal mehr mal weniger, mal schneller mal langsamer.

Walter ging ganz besonders ökonomisch mit seinem Polster an Altersguthaben um. Das war nicht der Hit.

Aaron favorisierte das Herumreisen. Reisen ist angenehm und bildet. Doch der Reiseproviant ist teuer und das Ummünzen der Welterfahrung in Siegpunkte ist limitiert.

Horst schickte Kind und Kegel ganz konsequent in die Kirche. Der Kasten klingelte und die Seele sprang aus dem Fegefeuer in den Himmel. Nur nicht weit genug.

Günther ließ seine Manschgerl sterben wie die Fliegen und füllte mit ihren Untaten Blatt für Blatt in der Dorfchronik. Das reichte zum Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (reizvoller Denksport, viele kleine Baustellen, ohne damit zu überfordern), Günther: 8 (locker, nicht so kniffelig wie „Ora et labora“), Horst: 9 (Optimierungsspiel auf hohem spielerischen Niveau, athmosphärisch sehr schön, hoher Wiederspielreiz), Walter: 8 (sehr rund, sehr schön, allerdings mit einem erheblichen Solitär-Patience-Anteil und gebremster Interaktion).

2. “Handelsfürsten – Herren der Meere”
Seit langem mal wieder ein Knizia-Spiel am Westpark. Jeder Spieler hat zwei Schiffe vor sich liegen, die mit je einem bunten Warenstein (rot, grün, gelb, blau etc.) beladen sind. Jeder Spieler bestimmt die Farben auf seinen Schiffen selber – langsam aber sicher: pro Zug darf er je einen der Warensteine gegen eine beliebige andere Farbe umtauschen.

In der Mitte des Tisches gibt es einen Markt mit sechs Plätzen für bunte „Warenkarten“ in der gleichen Farbe wie die Warensteine. Hierin legen die Spieler reihum Karten aus ihrer Kartenhand ab.

Die Farben kommen auf dem Markt unterschiedlich häufig vor. Es kann sein, dass in einem Augenblick keine einzige rote, dafür aber fünf gelbe Karten dort liegen. Oder umgekehrt.

Wenn ein Spieler eine Karte einer bestimmten Farbe (oder mehrere Karten der gleichen Farbe) auf den Markt gebracht hat, werden alle Warensteine dieser Farbe auf allen Schiffen aller Spieler prämiert: Jeder Warenstein ist soviel Siegpunkte wert, wie insgesamt Warenkarten dieser Farbe auf dem Markt ausliegen. Abstrakt aber fassbar.

Das Betreben jedes Spielers muss es sein, auf seinen Schiffen möglichst viele Warensteine einer bestimmten Farbe zu haben und möglichst viele Karten dieser Farbe auf dem Markt ausspielen zu können.

Die Karten in der Hand bestimmt der Zufall, bei den Farben auf dem Markt haben die Mitspieler ein gewaltiges Wörtchen mitzureden. Sie versuchen ja das gleiche zu tun und die Farben ihrer eigenen Schiffsladungen zur Geltung zu bringen. Im chaotischen Kampf aller gegen alle kommt keiner so recht auf einen grünen Zweig.

Deswegen muß man auch bestrebt sein, ein bißchen Ordnung in das Chaos zu bringen und sich die Farb-Interessen und Farb-Potenzen seiner Mitmenschen zunutze zu machen. Hier zählt insbesondere der Vordermann. Wenn er sich z.B. viel Grün aufgeladen hat und die Farbe Grün mit reichlich grünen Karten auf dem Markt werten läßt, können wir bei einer eigenen Grünorientierung in seinem Zug gehörig mitabsahnen und mit unserm eigenen nachfolgenden Zug die grünen Prämien noch toppen. (Warum wir anschließend allerdings mehr Siegpunkte auf unserem Konto haben sollen als er, das entzieht sich dieser vordergründigen Logik.)

Im Spannungsfeld zwischen eigener Hegemonie und Trittbrettfahrerei bewegt sich der Reiz der Handelsfürsten. Keine tiefschürfende Kalkulation, aber ein flexibles Regieren auf die Farbvorlieben der Mitspieler und die Farbkarten in der eigenen Hand. Zum Aufwärmen gut geeignet.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein einziges zufälliges Dahinplätschern), Horst: 5 (das Spiel plätschert nicht, man braucht einen „Handelsriecher“), Günther: 4 (fast 5, vermisst die Möglichkeit „to have a plan“), Walter: 5 (schnell, einfach, anspruchslos aber stimmig, enthält einen Schuß Hoffnung und einen Schluß Psychologie, in diesem Sinne ist es besser als „Die Tore der Welt“).

3. “Die Tore der Welt – Das Kartenspiel”
Letzte Woche war unsere Notengebung recht streng bei diesem eigentlich sauberen Kartenspiel um Bausteine, Tücher, Medizin und Frömmigkeit. Unisono nur 4 Punkte für unsere enttäuschten Erwartungen, die sich am großen Brettspiel-Bruder orientiert hatten. Wir vermißten Herausforderung, Engpässe und Dynamik. Beim Kartenspiel ist alles gemäßigter, alles geht konstant aufwärts, ca. 30 Minuten lang mehr oder weniger immer im gleichen Trott.

Heute waren Horst und Günther waren deutlich gnädiger gestimmt: “4 Punkte sind absolut unterbewertet”!

WPG-Wertung: Günther: 5 (weiß nicht, wie er die Steinlastigkeit einordnen soll), Horst: 7 (besser als die „Handelsfürsten“, ein idealer Absacker, danach hat man richtig Lust, ins Bett zu gehen“. Wir haben vergessen zu fragen: „Alleine?“), Aaron bleibt bei seinen 4 Punkten, Walter legt einen Punkt zu.
Das Spiel kostet z.Zt nur 6 Euro beim Hugendubel am Marienplatz. Bei diesen Preis ist es für jede friedliche, konstruktiv eingestellte Familie durchaus empfehlenswert.

4. “Irre genug”
Wie kommt die Erotikdame zur Demokratie? Oder die Koks-Edith mit dem Ampelidiot wer weiß wohin? Günther wußte es und stellte uns auf die Probe. Wer sich für die Auflösung dieser Buchstabenverdrehungen und eine Menge zugehörige Wissensfragen aus Staat und Politik interessiert, wende sich an die Bundeszentrale für politische Bildung. Für 1,50 Euro ist man dabei.

Keine WPG-Wertung für ein nur oberflächlich vorgestelltes Bildungsspiel.

02.05.2012: Housebreaking at Nightfall

Letzten Donnerstag ist im Domizil der Westpark-Gamers eingebrochen worden. Als der Hausherr von einem Bridge-Turnier nach Hause kam, war die Haustür von innen mit einem Stuhl verrammelt. Wollte sich die beste aller Ehefrauen etwa gegen eine unerwartete Rückkehr des besten aller … schützen? Nein, sie war es nicht gewesen, das Haus war leer und stockdunkel. Nur die Terrassentür stand sperrangelweit offen und im ersten Stock hing ein Fenster schräg im Rahmen.

Wie man es von Film und Fernsehen weiß, hatten die ungebetenen Gäste Schränke, Kommoden, Schubladen und Nachtischkästchen durchsucht und dabei ihren Inhalt (relativ säuberlich) auf dem Boden verstreut. Sie waren allerdings sehr geschmacklerisch: Für Computer, Pässe, Kreditkarten und ähnliche Dinge zeigten sie keinerlei Interesse. „Stone Age“, „Bluff“ und sogar ein fabrikneu eingeschweißtes „1830“ würdigten sie keines Blickes. Mengen von Gummibärchen, Crossies und Kartoffelchips, sowie der gesamte Weinkeller blieben unangetastet. Nur Bargeld – ausgerechnet ungarische Forinth – und Modekluncker fanden sie auflesenswert. Kein einziges der vielen, frei herumhängenden Original-Gemälde der Hausfrau ließen sie mitgehen. Dabei hätten sie sich damit bei der Künstlerin wahrscheinlich sogar ein bißchen Sympathien erwerben können …
Die Polizei kam um Mitternacht. Zuerst ein Streifenwagen zum Verfizieren, dass keine Finte vorlag. Die beiden grünen Männchen vermittelten auch gleich einen 2-Tages-Psycho-Kurs bei der Polizei, auf dem sich die Hausherren von ihrem Schock erholen können. Dann kamen drei Kriminale zur Vernehmung, und schließlich ein Spezialist von der Spurensicherung, der auch auf Anhieb den zunächst rätselhaften Einbruchsweg zum Fenster im ersten Stock ermittelte. Um halb vier Uhr morgens war die Arbeit beendet, zur gleichen Zeit wie einen Tag vorher der WPG-Spielbericht. (Und wie der von heute.)

1. “Nightfall”
„Einbruch der Dunkelheit“ übersetzt LEO den Titel. Das wird wohl auch die Stunde vom Einbruch bei den Westparkgamer gewesen sein. In „Nightfall“ sind es keine Einbrecher, mit denen wir fertig werden müssen, wir sind eher selber welche. In Form von Monster-Karten. Alle Spieler bekommen zu Spielbeginn ein identisches Kartendeck mit Anfangs-Monstern. Jedes Monster kämpft oder verteidigt, erzeugt Schadenspunkte und Wunden, verliert Leben und wird früher oder später in die Spielschachtel zurück “verbannt”.

Regelmäßig kaufen wir uns mit unserem Kartendeck neue und stärkere Monster und reichern damit unser Kartendeck an. Diese systematische Verbesserung der Kartenhand erinnerte Moritz an „Dominion“. Wohlwollend. In “Nightfall” geht es nämlich nicht konstruktiv darum, mit einem guten Kartendeck möglichst viele Siegpunkte für sich selbst zu erwerben, es geht ausschließlich destruktiv darum, mit dem Kartendeck die Mitspieler möglichst viel zu schädigen. Wer am Schluß die wenigsten Wunden hat, ist Sieger, alles andere zählt nicht: auch keine Super-Totschläger und Wunderheiler, die man unter Vertrag hat.
Nach einer vorgegebenen Farb-Harmonie-Regel schicken wir die Monster in den Kampf. Wer sich an die Farb-Harmonie gut angepaßt hat, kann einen Großteil seiner Kartenhand zum Einsatz bringen, wer hier nicht aufgepaßt hat oder vom Glück weniger begünstigt ist, macht sich als Solist auf die Socken. Letzteres allerdings nicht besonders erfolgreich. Heißt es doch schon in der Spielregel: “Sei aggressiv! Du kannst die unbarmherzige Welt von Nightfall nicht beherrschen, wenn du nur dasitzt und wartest.”

Gegen welchen Mitspieler wir losziehen, ist unserer Willkür überlassen. Dass damit von Haus aus eine gewaltige Portion Kingmakerei in das Spielgeschehen integiert ist, stört einen geborenen Warrior natürlich nicht. Er findet dahinter vielleicht sogar eine Logik.

Moritz schlug die ersten Wunden bei Aaron und erhielt postwendend von Aaron die ersten Wunden zurück. Walter war beide Male lachender Dritter und hoffe schon auf eine Allianz der reiferen Generation gegen den jungen Spielebesitzer. Schon aus tiefster Freude an diesem Genre schlug auch er auf Moritz ein. Als Aaron auch noch seinen zweiten Schag – 6 vollständige Wunden – komplett bei Moritz unterbringen wollte, regte sich von dort rhetorischer Widerstand. Das kann doch kein rationaler Vorgang sein! Um zu gewinnen müsse sich Aaron unbedingt gegen Walter wenden. Und was dergleichen Argumente mehr sind, um in einem chaotischen Rundumschlagsmodell die Schläge von sich abzuwenden. Nenne man diesen Vorgang jetzt taktisches Jammern oder nicht. Impliziert die Aussage: “Wir spielen es nachher nochmal richtig!”, dass wir – wer immer das war – es jetzt falsch gespielt haben?

Lautstark wurden Argumente ausgetauscht, denen geglaubt werden konnte oder auch nicht. Die Vergleiche bei der Unterstellung von spiel-religösem Fanatismus reichten von Benedikt XVI bis zu den Zeugen Jehovas. Aaron lies sich nicht erweichen; Moritz mußte seine geballte Monsterschlagkraft einstecken und war quasi schon aus dem Spiel. Doch moralisch war die Front aufgeweicht; in den nächsten Zügen gingen die Senioren dann schon gegenseitig aufeinander los und häuften Wunde für Wunde auf ihr Altenteil. Als der Wundendampf verzogen war, war Aaron mit 9 Wunden Sieger, ganz knapp vor Moritz und Walter. Es hatte sich also doch gelohnt, zunächst mal erst den einen Gegner total auszuschalten, bevor man sich an den zweiten heranmacht. Hätte aber auch schief gehen können.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (1 Punkt weniger als Dominion, mag keine Deck-Building-Spiele), Moritz: 9 (genausoviel wie „Dominion“), Walter: 2 (genausoviel wie „Pergamemnon“, hat keine Lust, irgendwelche Schadenspunkte nach einem nicht verstandenen Algorithmus auf seine Mitspieler zu verteilen).

2. “Die Tore der Welt – Das Kartenspiel”
Sehr ähnlich wie im Brettspiel sammeln wir die „Güter“ Baumaterial, Tuch, medizinischen Wisses und Frömmigkeit, um sie bei günstiger Gelegenheit in Siegpunkte umzutauschen.
Im Gegensatz zu „Nightfall“ handelt es sich um ein absolut friedliches, kontemplatives Spiel. Keiner kann dem andern etwas am Zeug flicken, ganz im Gegenteil: Indem man seinen eigenen Zuwachs an Gütern optimiert – hierauf legt man wohl das einzige Augenmerk- , schustert man auch den Mitspielern nur Gutes zu.

Ab und zu einmal kommen Kirche und Staat vorbei und verlangen ihren Obolus. Den sollte man beizeiten angespart haben, um bei Siegpunkten keine Verlust zu erleiden. Aber weh tut es auch nicht, wenn man Papst und Kaiser leer nach Hause schicken muss.

Ja, nichts tut weh in diesem Kartenspiel. Das Ansammeln von Gütern und der Umtauschkurs von Gütern in Siegpunkte bleibt während des gesamten Spiels annähernd konstant. Hier haben wir ein bißchen Dynamik vermißt. Und wenn es auch nur eine größere Fressgier seitens der Kirche gewesen wäre.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (1 Punkt weniger als das Brettspiel), Moritz: 4(langweilig, ich weiß nicht, ob ich es noch einmal spielen wollte), Walter: 4 (zu flach).

3. “Mondo sapiens”
Das Landschaftslegespiel von letzter Woche wurde am Wochenende mit dem Fortuna-Düsseldorf-Neffen Thilo (44 Jahre) und seinem Sohn Jonas (14 Jahre) wiederholt. Als schneller Absacker vor dem Schlafen-Gehen kam es recht gut an, 6 Punkte vom Neffen und 8 Punkte vom Großneffen („anspruchsvoll“).

Heute durfte es Moritz kennenlernen. Mit der Topologie der Landschaft kam er bestens zurecht. Erstaunlich wie konstruktiv bis fehlerfrei er seine Felder und Wiesen, Wege und Regionen, Holzhacker und Schäferinnen in Szene setzte. Selbst für die Optimierungen nach der Expertenregel hatte noch genügend Gehirnwindungen frei.

WPG-Wertung: Moritz blieb mit seinen 7 Punkten beim bisherigen Durchschnitt („Das Spiel ist zwar recht solitär, dafür aber kurz.“, Überlegt ernsthaft, ob er es für seinen Milo (4 Jahre) anschafft).

25.04.2012: Stadt und Spiel in neuer und alter Welt

Drei gesetzte, friedliche Herren trafen zusammen. Im Nachspann ging das Thema über Grass zu Friedman, Löwenthal, Bohlen, Harald Schmidt, Loddar Maddäus, Wulff, Firmenwagen und Kurzarbeitergeld. Harmonischer Austausch von Fakten und Meinungen.
Genauso harmonisch gingen wir auch die Spieleauswahl an. Ohne uns in die getroffene Auswahl eingepreßt zu fühlen. Einvernehmlich hätten wir jedes Spiel bei Nichtgefallen abgebrochen.

1. “Mondo sapiens”
Ein „Hektik“-Spiel, d.h. eine Art von Patience-Legen im Wettrennen gegen die Uhr.
Aus einer offenen Auslage suchen wir asynchron – d.h. jeder so schnell, wie er kann – quadratische Landschaftsplättchen mit Mischformen von Feld, Wald und Wasser heraus und bauen uns daraus – jeder für sich – eine neue Welt. Hinterher wird jede Welt prämiert. Kriterien dabei sind:

  • Anzahl getrennter abgeschlossener Feld-Wald-Wassergebiete
  • Anzahl Figurenbilder in der neuen Welt
  • Länge des gebildeten Straßennetzes
  • Anzahl von aktiven Vulkane in der neuen Welt (ergibt Minuspunkte)

Die Plättchen in jeder Welt müssen an ihren Kanten landschaftlich zusammenpassen. Jeder abrupte Übergang einer Landschaftsart in die andere wird mit Punktabzug bestraft.
In den Spielvarianten für Fortgeschrittene und Experten kommen weitere Landschaftspättchen zum Zug und die Prämierungsregeln werden (noch) komplizierter. Am besten setzt man sich erst einmal ganz alleine mit dem Spielmaterial auseinander, schaut welche Plättchen wie oft vorhanden sind, wie sie sich zusammenfügen lassen, wie daraus abgeschlossene Gebiete entstehen und welche Eigenschaften beim Straßenbau berücksichtigt werden müssen. In diese topologischen Betrachtungen nimmt man dann die angebotenen Figurenbilder (positiv) und die Vulkane (negativ) auf. Erst wenn man damit ausreichend Erfahrung gesammelt hat, sollte man sich an die Konkurrenz mit den Mitspielern und der mitgelieferten Stoppuhr wagen.
Bei uns legte das Spiel die unterschiedlichen Spielertypen an den Tag. Walter war in jedem Durchgang der schnellste und strich dafür die Geschwindigkeitsprämien ein; allerdings hatte seine Welt die meisten Fehler und Defizite und er landete weit abgeschlagen am Ende. Günther nahm jedes einzelne Plättchen genau unter die Lupe bevor er es in seine Welt einbaute, er war in jeder Runde der langsamste, doch die Qualität seiner Welt machte dieses Handicap mehr als wett. Aaron besetzte die goldene Mitte.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (schnell, zum Aufwärmen gut geeignet, die Expertenversion trägt die Gefahr einer Gehirnverknotung in sich), Günther: 6 (oder waren es 7?, lockeres Familienspiel), Walter: 6 (es hat Spaß gemacht, doch der Wiederspielreiz ist fraglich. Fände es noch besser, wenn eine Runde auf 1 Minute Legezeit begrenzt würde …).

2. “Die Speicherstadt – Kaispeicher”
Vor zwei Jahren erschien die Grundversion und hatte uns auf Anhieb sehr gut gefallen. Herzstück des Ganzen ist ein Bietsystem um siegpunktträchtige Karten (Aufträge, Waren, Sondergebäude, Sondereffekte). Der erste Spieler, der auf eine Karte geboten hat, bekommt das Vorkaufsrecht. Allerdings muß er auch am meisten für diese Karte berappen: Für jeden Spieler, der beim Bieten noch dabei ist, muss er eine Münze zahlen. Er kann auf den Kauf auch verzichten, dann darf nächste Spieler entscheiden, ob er seinerseits kauft oder verzichtet.
Das Geld ist immer sehr knapp. Manchmal krebsen wir mit nur 2-3 Münzen in der Hand durch den Hafen. Allein durch das Mitbieten auf eine Karte können uns die miesnickeligen (= strategisch ausgerichteten) Mitspieler eine Karte unerschwinglich teuer machen.
Mit der Erweiterung „Kaispeicher“ kommen neue Karten (für Aufträge etc.) ins Spiel. Doch das wesentlich Neue daran ist eine weitere Kartenauslage, in der die Karten nicht nach dem ursprünglichen Bietsystem vergeben werden, sondern in der sich jeder Spieler in Zugreihenfolge eine beliebige Karte vorreservieren kann. Die Anzahl der Vorreservierungen entscheidet am Ende über den Preis. Hier gibt es eine sehr destruktive Interessen-Tendenz: Begehrte Karten, die man nicht selber ersteigern will, wählt man zuerst für die Vorreservierung aus. Die werden dann die teuersten und kommen oft nicht zum Zug.
Aaron gefiel diese Erweiterung nicht. Sie verlängert die Spielzeit und räumt dem Zufall (zufällig optimale Karten in der Auslage bei günstiger Startspielerreihenfolge) einen größeren Einfluß ein. Günther und Walter fanden die Erweiterung deutlich als Bereicherung. Die Preisbildung paßt sich gut in die Mechanismen beim bisherigen Bietsystem ein, doch man muß man nicht so viel Hoffnungs-Biet-Schweiß vergießen, um eine bestimmte gewünschte Karte zu bekommen; man kann zur Abwechslung einfach zulangen.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (ein Punkt weniger als ohne Erweiterung), Günther: 8 (für Vielspieler ist die Erweiterung besser, für Gelegenheitsspieler empfielt er eher die „reine“ Variante, Walter: 8 (ein Punkt mehr; das Spiel wird besser, mehr Geld, weniger Entwicklungssackgassen).

3. “Elfmeterschießen Real – FCB”
Gerade rechtzeitig zum Elfmeterschießen war die Speicherstadt zusammengepackt worden. Jubel beim Gastgeber, verhaltene Emotionen bei den Non-Fußballern.
Aus Barcelona kam per Facebook noch blitzschnell der Kommentar:
“Felicidades desde Catalunya !! Aquí la gente tira petardos, Bayer campeón. Força Bayer !!!“

4. “Trans Europa”
Zu früh für einen Absacker, zu spät für ein spielerisches Vollprogramm. Die Frage: „Zu welchem der vielen, von uns hochbewerteten Brettspielen hätten jetzt ein jeder noch wirklich Lust?“ Keine spontane Antwort. Bedenklich, oder? Günther entdeckte oben auf einem Spielestapel das „Trans-Europa“. Unangefochten für alle die beste Wahl des Augenblicks.
Eingekleidet in das Verlegen von Eisenbahnschienen werden wir vor ein hübsches Transportoptimierungsproblem gestellt. In einem mehr oder weniger gemeinsam zu bauenden Eisenbahnnetz muß jeder Spieler fünf vorgegebene Städte verbinden. Sobald es der erste geschafft hat, ist das Spiel zu Ende.
In einer Dreierrunde gibt es viel weniger Gewurrl in der Mitte des Spielplans als mit vier, fünf oder gar sechs Mitspielern. Viel länger kann jeder sein eigenes Streckensüppchen kochen, und hoffen, dass die Mitspieler nolens volens die notwendigen Verbindungen in den anderen Teilen Europas herstellen. Voraus-zu-Ahnen, wohin die anderen bauen müssen, ist der halbe Sieg. Die andere Hälfte liefert ein günstiges Glück beim Verteilen der individuellen Städteaufgaben, die jeder Spieler lösen muss.
Im Regelheft steht: „Es ist meist vorteilhaft, nicht zu nahe neben dem Startpunkt eines anderen Spielers mit seiner Strecke zu beginnen.“ Ist das zutreffend? Wahrscheinlich ein bis heute ungelöstes geographisches, mathematisches und psychologisches Problem.
Keine neue WPG-Wertung für 8-Punkte Spiel.

18.04.2012: Erweiterungen und Fragen ohne Antwort

„Was immer noch nicht gesagt werden darf!“ Eine leidenschaftliche Diskussion zwischen Urlaubern und Einheimischen bestimmte das verbale Präludium. Das Hörner-Motiv läßt die Deutschen nach-wie-vor in die beiden Lager Ahörnchen und Behörnchen zerfallen. Zumindest werden sie in die entsprechenden Schubladen eingerümpelt. Heute wurden Konjunktive zu hysterischen Rundumschlägen hochstilisiert und Indikative als rhetorische Unschärfe abgetan. Das aus blindwütiger Überzeugung in den Ring geworfene Schlagwort „Rückfall“, wurde aus provokativer Lust mit dem Schlagwort „Neger“ gekontert. Glücklicherweise wurde niemand dabei verletzt.

"Was gesungen werden muss"

Nach seinem viel kommentierten Chanson hatte der – heute nicht anwesende – Moritz in einem Interview mit der New York Times gesagt: “Every time you speak out and say something that isn’t super politically correct, there is a 99 percent chance that you are regarded as right wing.” Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Loredana drängt mehrmals darauf, endlich mit dem Spielen anzufangen. Erst als die Argumentation in die Fäkalsprache abdrifte, konnte sie sich durchsetzen.

Zwei Spiele-Erweiterungen standen zur Auswahl: eine zu „Stone Age“ und eine zu „Speicherstadt“. Günther hatte beide gewogen und für gut befunden, doch Peter zierte sich. Da entschied Aaron: „Wir spielen beide, und Peter darf sich aussuchen, welches zuerst.“

1. “Stone Age – Mit Stil zum Ziel”
Der „Stil“ in dieser Erweiterung sind Schmuckstücke, die wir erwerben und bei passenden Gelegenheiten in die benötigten üblichen Rohstoffe (Gold, Stein, Ziegel oder Holz) umwandeln können.

Das vorzüglich ausbalanzierte „Stone Age“, vor vier Jahren in die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ gekommen, unterstrich wieder seine überzeugenden Qualitäten. Planbarkeit, wohldosierte Zufallseffekte, interne und externe Abhängigkeiten, Interaktion, Risikomanagement, Zukunftsstrategien und Gegenwartsopportunismus sind in einer meisterhaften Balance zusammengeschmiedet. Es gibt keinen Leerlauf, keine Blockaden, keine Frustration, nur konstruktive, nur gute und weniger gute, aber keine schlechten Züge.

Die Stil-Ziel-Variante hat einen Dorfplatz mehr: Hier werden Schmuckstücke erworben, und vor allem wird peut-a-peut die individuelle Umtauschquote Schmuckstücke in Rohstoffe verbessert. Damit wird das Spieltempo spürbar erhöht: Alle Rohstoffarten können leichter erworben werden; in quasi allen Zugoptionen steigt die Flexibilität und Effizienz. Zugleich wird den bisher schon vielfältigen Strategien (Nachkommen, Hunger, Werkzeuge, Gebäude, Karten) eine ganz neue, durchaus konkurrenzfähige Gewinnstrategie hinzugefügt: Beschreite ganz konsequent den Schmuckpfad und löse alle Deine materiellen Defizite als Schmuckhändler.

Aber natürlich ist auch diese Strategie wohlausgewogen in die Gesamtbalance des Spiels integriert. Nichts ufert aus. Jeder Spieler kann jedem anderen in die Strategie-Suppe spucken. Gerade das ist es, was die herausragende Eigenschaft von „Stone Age“ auszeichnet: Jeder hat für sich selber eine Menge konstruktive Züge; aber jeder hat auch einen wirksamen Einfluß auf dem Tummelplatz der Mitspieler.

In jedem Fall ist frühzeitiges Poppen angesagt. Eine große Nachkommenschar läßt uns an allen Brennpunkten ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Doch wie im richtigen Leben zeigt auch im Spiel diese Aktivität einen natürlichen Bogen: Zu Beginn poppt man aus Strategie und Lust, im Mittelspiel, weil man keine besseren Alternativen hat, und am Ende gar nicht mehr.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt mehr), Günther: 8 (1 Punkte mehr), Loredana: 8 (2 Punkte mehr), Peter: 7 (1 Punkte mehr; kann sich nicht mehr erinnern, was ihn vor ziemlich genau vier Jahren an „Stone Age“ genervt hat, Walter: 9 (1 Punkt mehr; auch der Level 1 unter „1830“ verdient eine gewisse Population).

2. “Speicherstadt”
Jetzt wäre eigentlich die Erweiterung von „Speicherstadt“ dran gewesen, doch Peter holte unverzüglich seine WPG-Hinterlassenschaft „Zoff im Zoo“ aus dem Regal. Es gab Einspruch. Walter forderte eine demokratische Abstimmung über das nächste Spiel und richtete an Peter die provokante Frage: „Oder bist Du immer noch kein Demokrat?“ Doch Peter ist rhetorisch nicht zu schlagen. Mit der simplen Antwort „Loredana entscheidet“ schlug er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: er behielt seine potentielle politische Korrektheit und bekam zugleich die drohende Speicherstadt vom Tisch.

3. “Zoff im Zoo”
Ein Stichkartenspiel mit Chaos und Planung, mit Solos und Partnerschaften, mit Elefanten und Mücken. Günther war noch am Berechnen seines ersten Ausspieles, als er von Aaron den Rat bekam: „Einfach drauf los spielen.“ Peter ergänzte: „Dann gewinnst Du“.

Günther hielt sich konsequent an diesen Ratschlag, doch Peters Prophezeihung bewahrheitete sich nicht. Ganz im Gegenteil. Sogar Aaron fühlte sich in Günthers Partnerschaft von dessen (scheinbarem) Einfach-drauf-los-Spielen mit in den Abgrund gerissen.

Ein erfahrener Bridge-Spieler behielt die Oberhand. Aber das lag nicht an der bridgelichen Planung, eher am zoologischen Chaos.

Keine neue WPG-Wertung für ein lustiges 8,2 Punkte-Spiel.

4. “Bluff”
Eine Menge Würfel waren bereits herausgelegt, da kostete das Setzen auf 9 mal den Stern vier Spielern je einen Würfel. Das nächste, logisch keinesfalls abwegige Feld „18 mal Eins“ hätte einen Spieler gleich alle seine fünf Würfel gekostet.

Frage: Wieviele Würfel waren noch im Spiel? Nebenbedingung: Unter den bereits offen herausgelegten Würfeln befanden sich zwei Dreier!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Seeland” is our Game of the Month

Günter Burkhardt is the author of 54 games; Wolfgang Kramer developed more than 200 (plus variants). “Seeland” is their first joint effort. No surprise that with such potent fathers their offspring is immaculate.

A single elegantly constructed roundel is used to keep track of our moves, their changing costs and our remaining capital. We buy seed and mills to cultivate a plot in Zeeland, gaining points if we manage to create a healthy biotope in the vicinity of our mills. Being Simple, interactive and fun, “Seeland” is an excellent family game.

11.04.2012: Abenteurer, Ausleger, Ausrutscher und Anerkennung

1. “The Adventurers – The Pyramid of Horus”
Ein gleichnamiges und artverwandtes Adventurer-Spiel haben wir bereits vor zweieinhalb Jahren gespielt. Diesmal lag die brandneue Variante „The Pyramid of Horus“ auf dem Tisch. In Ägypten ist gerade eine neue alte Pyramide entdeckt worden, und wir sind Abenteurer, die sich so schnell wie möglich ihre Schätze unter den Nagel reißen wollen, wie es Grabräuber und Archäologen seit Tausenden von Jahren tun.
Mit freudiger Räubererwartung begeben wir uns leichten Schrittes in die Grabstätte, ein Spielbrett mit großkariertem Muster von 52 Quadraten. Wir durchforsten Ecken und Kanten nach siegpunkt-trächtigen Schätzen und laden die Beute in unsere Rucksäcke. Im Laufe der Zeit wird die erbeutete Last immer schwerer und unsere Schritte entsprechend schleppender. Zuweilen sticht uns auch ein Skorpion und hemmt damit unsere Bewegungsfreude. Ganz im Inneren der Pyramide schleichen Mumien umher (oder sind „Mummies“ etwa süße kleine Mütterchen?), denen wir ebenfalls nicht begegnen sollten, wenn wir keinen Schaden nehmen wollen.
In regelmäßigen Abständen kommt es zu einem Steinschlag, und ein per Zufall bestimmtes Quadrat des Spielbrettes wird unpassierbar. Jetzt liegt es an unserem wohlkalkulierten Risiko, noch weiter in der Grabstädte herumzustreichen, um weitere Schätze zu finden und sie als Siegpunkte nach Hause zu tragen, oder lieber schleunigst den Ausgang aufzusuchen, bevor der Rückweg versperrt ist, oder uns die Decke auf dem Kopf fällt.

Doch Siegen ist wichtiger als Überleben. Lieber in Lebensgefahr noch ein paar Siegpunkte zusammenraffen, als mit minimaler Ausbeute die Grabstätte verlassen. Der Tod währt glücklicherweise ja auch nicht lange. Nach wenigen Runden ist die Sache entschieden, der Ausgang verschüttet und die Überlebenden machen unter sich den Sieger aus.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schatzgräberstimmung gut umgesetzt), Andrea: 5 (schönes Familienspiel), Moritz: 7 (nette Adventurers-Variante, er hat es schon mit seinem 4-jährigen Milo gespielt), Walter: 5 (schnell, viel Freiheit in der Bewegung, hübsche Ausstattung).

2. “Robologie”
Die noch nicht veröffentlichte Neuentwicklung von Christoph Tisch lag zum zweiten Mal bei uns auf dem Tisch (siehe Report vom 21.3.2012). In einem abstrakten Kartenspiel müssen wir uns überlegen, ob wir Karten an öffentliche Stapel anlegen oder unsere private Auslage damit bereichern. Durch Anlegen an den öffentlichen Stapel erhöhen wir die Anzahl der Siegpunkte, die mit diesem Stapel zu vergeben sind, und beschleunigen zugleich den Zeitpunkt seine Wertung. Durch Einfügen in die private Auslage sorgen wir dafür, dass wir selber auch etwas von den ausgeschütteten Siegpunkten abkriegen. Schnell, locker, spielerlisch.

WPG-Wertung: Vor drei Wochen hat Moritz noch kommentiert: „Es gibt nichts zu verbessern.“ Unisono wurden damals von Günther, Moritz und Walter je 7 Punkte vergeben. Heute waren Aaron und Andrea deutlich schlechter drauf. Aaron: 4 (entschuldigend “das gilt bei mir ja schon als gut“), Andrea: 4 (Thema unanschaulich, Mechanismen nicht überzeugend.).

3. “BVB – FCB”
„Rochadirecta“ machte es möglich, das Spitzenspiel der Bundesliga mit englischem Kommentator per Internet zum empfangen. Wenigstens die letzten Minuten, mit dem schönen Tor von Lewandowski und dem häßlichen Elfmeter von Robben. Selbst Aaron machte aus den Not eine Tugend und las genüßlich die Texte aus dem Lifeticker vor.

4. “Yunnan”
Schon im Vorfeld hatte Aaron seine Toleranz für das Fußball-Intermezzo davon abhängig gemacht, dass wir anschließend seine Eigenentwicklung „Yunnan“ begutachten. Auf seiner Neuseelandreise hat er wieder an einigen Regel-Schräubchen gedreht. In Singapur fand er auch aktuelles Kartenmaterial für die chinesischen Provinzen rund um die Teeroute herum.
Wir sind Handelsdynastien und stehen in einem höchst interaktiven Kampf um

  • Stärke, damit wir unsere Gegner verdrängen können oder gegen eine Verdrängung ihrerseits geschützt sind.
  • Reichweite, damit wir weiter entfernte und deshalb einträglichere Gebiete erreichen können.
  • Manpower, mit denen wir unsere Stärke und Reichweite zur Geltung bringen.
  • Geld, mit denen wir die Fortentwicklung unserer Dynastie finanzieren.

Die Konkurrenz ist groß. Es brennt an allen Ecken und Enden, und wir können nur einen Teil des Feuers unter Kontrolle bringen. Einerseits müssen wir uns in allen Kriterien entwickeln, um überall mitreden zu können; andererseits sollten wir in einem einzigen Kriterium der Höchstentwickelte sein, um hier unangefochten ökonomische Nischen besetzen zu können. Ein hübsches Spannungsfeld für unsere Spielplanung. „To have a plan“ wird ganz groß geschrieben.

Die eine Stunde Spielzeit verging wie im Flug. Andrea war mit Feuer und Flamme dabei: „Ich finde das wirklich toll!“. Selbst der bei Wirtschaftsspielen etwas zurückhaltende Moritz zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen und kommentierte mit deutlicher Anerkennung in der Stimme: „Es ist eigentlich ziemlich gut!“

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in statu nascendi.

04.04.2012: Zaubern mit Vernunft

Nach sechs Wochen Enthaltsamkeit in Neuseeland ist Aaron an den Spieltisch am Westpark zurückgekehrt. Horst fiel sofort auf, was er an ihm vermißt hatte: Sein Hadern mit dem Schicksal, sei es wegen schlechter Würfel, schlechter Karten oder unglücklicher Sitzpositionen. Aaron seinerseits fiel im rhetorischen Gegenzug Walters chaotisches Vorwärts- und Rückwärts-Drehen von Spielzügen ins Auge. Das war ihm in Neuseeland abgegangen. Heute war alles wieder beisammen.

1. “Grimoria”
„Im Schein des Kerzenlichts blättert der alte Zauberer von Grimoria in seinem Zauberbuch“ und sucht einen kompetenten Nachfolger. Dieser muß die mächtigen Zaubersprüche weise einsetzen, die schwarze Magie besonnen nutzen, sich im rechten Moment zu schützen wissen und vor allem kluge Gefährten um sich scharen.

Wir sind also alle mögliche Nachfolgekandidaten. Jeder hat ein hübsches Zauberbuch (mit identischen Zaubersprüchen) zur Hand und wählt daraus simultan und verdeckt einen Zauberspruch aus. (Das ist topologisch äquivalent zum verdeckten Ausspielen einer Karte aus einem Satz von Aktionskarten, in „Grimoria“ aber viel poetischer gelöst.) Die Sprüche verschaffen uns Besitzstand an Geld, Gefährten oder Grundbesitz, oder sie erlauben uns, Gefährten von reichen Mitspielern abzuwerben oder uns gegen eine solche Abwerbung zu schützen.

Ein wesentlicher Nebeneffekt der Zaubersprüche ist ihr Einfluß auf die Spielerreihenfolge. Wer den „billigsten“ Spruch gewählt hat, darf in der „Abenteuerphase“ als erster ziehen. Haben allerdings mehrere Spieler den gleichen Spruch gewählt, landen sie am Ende der Zugfolge.

In der Abenteuerphase darf sich jeder Spieler aus der offenen Karten-Auslage bedienen und seinen Besitzstand um einen Gefährten oder um ein Stück Grundbesitz erweitern. Wer zuerst kommt, hat die freie Auswahl. Aber alles ist mehr oder weniger gut.

Am Ende wird der beste Besitzstand prämiert: In erster Linie zählt die Summe der angesammelten Werte für Gefährten und Grundbesitz. Weiterhin liefern einige Gefährten Zusatzprämien für eine besonders gelungene Besitzstandsstruktur.

Das Spiel beginnt ganz flott: Wir haben fünf Zaubersprüche zur Auswahl und noch keinen Besitzstand, d.h. also wir können nichts verlieren und niemandem nichts wegnehmen. Das ändert sich aber ganz schnell an. Am Ende können wir unter 15 Zaubersprüchen wählen und haben eine ganze Reihe von Gefährten unter Vertrag, deren Prämienpotenz wir uns in jedem Fall sichern möchten, wobei wir zugleich aber gerne den Mitspielern noch den einen oder anderen Kraftheini abluchsen würden. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Walter beklagte sich, dass bei 5 Mitspielern hier 15 hoch 5, d.h. ca. eine Dreiviertel-Million Zauberspruch-Kombinationen miteinander in Korrelation zu setzen sind. Und dann gab es noch jemanden, der darauf erwiderte: „Die Leute, die dieses Spiel spielen, wissen gar nicht, wie man Korrelation schreibt, geschweige denn, was das ist.“

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein Punkt wäre es mehr, wenn es kürzer wäre und keine Strategie-Möglichkeiten vorgaukeln würde), Günther: 5 (lockeres Familienspiel), Horst: 8 (die Ausstattung ist hübsch, und noch dazu hat es einen sehr fairen Preis), Moritz: 7 (in Neuseeland wäre es wohl „Spiel des Jahres“ geworden, plant beim Sex auch nicht immer die nächste Stellung voraus), Walter: 5.

Was bei der Handhabung an Zaubersprüchen in “Grimoria” vermisst wird, nämlich ein gewitztes Reagieren auf die Sprüche der Kontrahenten, schildert das Bechstein-Märchen „Der alte Zauberer und seine Kinder“. Hier der Schluß:

„Gegen den Abend war der böse Zauberer den Kindern wieder ganz nahe, und die Schwester zagte zum drittenmal und gab sich verloren; aber der Knabe sprach wieder einen Zauberspruch, den er aus dem Buche gelernt hatte, da ward er eine harte Tenne, darauf die Leute dreschen, und sein Schwesterlein war in ein Körnlein Gerste verwandelt, das wie verloren auf der Tenne lag.
Als der böse Zauberer herankam, sah er wohl, daß er zum drittenmale geäfft war, besann sich diesesmal aber nicht lange, lief auch nicht erst wieder nach Hause, sondern sprach auch einen Spruch, den er aus dem Zauberbuche gelernt hatte; da war er in einen schwarzen Hahn verwandelt, der schnell auf das Gerstenkorn zulief, um es aufzupicken; aber der Knabe sprach noch einmal einen Zauberspruch, den er aus dem Buche gelernt, da wurde er schnell ein Fuchs, der packte den schwarzen Hahn, ehe er noch das Gerstenkörnlein aufgepickt hatte, und biß ihm den Kopf ab. Da hatte der Zauberer, wie dies Märlein, gleich ein Ende.“

2. “Zeitalter der Vernunft”
Nach der Einleitung im Regelheft war die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts das Zeitalter der Vernunft. Ansonsten wird über Vernunft nicht mehr viel Federlesens gemacht. Weder im Zeitalter noch in diesem Spiel des verdienten Martin Wallace.

Auf einer Weltkarte mit europäischer Dominanz und überseeischen Randerscheinungen breiten wir uns aus, indem wir Kampfkarten spielen, mit denen wir unschuldige Einheimische oder schuldige Mitspieler von dort verdrängen (massakrieren, ausrotten, niedermetzeln, abschlachten, töten, eliminieren, säubern oder wie immer das in der Fachsprache heißt). Die Stärke der ausgespielten Kampfkarten entscheidet über Sieger oder Verlierer eines Kampfes; zum erhöhten Vergnügen wird der Kampfwert der Karten per elegantem Kampfwürfelwurf aber noch um 0 bis 200 (zweihundert!) Prozent erhöht.

Taktisch sinnvoll ist es, seine Truppen in ein Ausbildungslager zu schicken bevor man in den Kampf zieht. Damit können sie immerhin um 20% der Würfelspannweite stärker werden. Oder man bildet einen Reservesturm, mit dem man dann einen Kampfwürfelwurf wiederholen darf. (Die mathematische Berechnung dieses Vorteils überlasse ich jetzt Günther.) Doch Kämpfe sind in jedem Fall sehr teuer. Das halbe Bruttosozialprodukt muß ein Staat berappen, nur um eine einzige Schlacht schlagen zu können. Und selbst wenn sie nur knapp gewonnen wird, steigt die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Im Zeitalter der Demokratien würde sie dann die alternative Kriegsparteil wählen; im Zeitalter der Vernunft verliert man dafür ein paar Siegpunkte.

Hübsch ist der Mechanismus, mit dem pro Runde die Spielerreihenfolge und Allianzen versteigert werden. Als Erster zu ziehen, ist natürlich immer von Vorteil, schließlich sind einige Kampf- und Erwerbs-Möglichkeiten nur Einmalaktionen, die vorbei sind, wenn sie einmal genutzt wurden. Die „Allianzen“ hingegen bestimmen, wer wen angreifen darf, und wer wen im Kampf unterstützen kann. Hat man das Auge auf eine bestimmte Eroberung geworfen, darf man mit dem Gegenpart nicht in einer Allianz stehen. Umgekehrt, falls mehrere Spieler einem anderen (dem Führenden, wem sonst?) gemeinsam ans Zeug flicken wollen, müssen sie miteinander in einer Allianz stehen. Wenn die Welt im Laufe des Spiels allmählich aufgeteilt ist, sollte man für Allianz-Ambitionen schon etwas hinblättern.

Allerdings sind Allianzen eine sehr nebulöse Angelegenheit. Es ist keineswegs gewährleistet, dass ein Verbündeter sich einmischt. Warum soll man auch eine Menge Geld spendieren, nur um einem Doch-auch-Konkurrenten zum Gewinn einer Schlacht zu verhelfen? Den Teufel mit Beelzebub austreiben heißt das schon in der Bibel. Bei uns hielten sind alle Alliierten während des gesamten Spiels aus allen Kampfhandlungen heraus.
Walter wurde gleich zu Spielbeginn von Horst der erste Kampf aufgedrängt, bei dem er trotz massivsten Kampfmitteleinsatzes gnadenlos Würfel-verdroschen wurde. Demotiviert warf er daraufhin die Flinte ins Korn, wandelte seine Schwerter in Pflugscharen um und versuchte sich als Ananaszüchter in Alaska. Moritz lächelte herablassend bis mitleidsvoll: „Ich habe einen Plan!“ Pflugscharen gelten im Zeitalter der Vernunft offensichtlich nicht als Plan.

In drei Wertungen wird der jeweilige Welt-Eroberungsstand gewertet. Wer am Ende die meisten Siegpunkte hat, weist die größte Vernunft auf. Ein Spiel für für Hasardeure. Einer wird gewinnen. Und der freut er sich dann. Oder auch nicht. Die Mitspieler ebenfalls.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (Würfelspiel ohne Planbarkeit), Günther: 6 (Allianzen gibt es nur aus negativer Motivation), Horst: 6 (am Westpark versteht man leider nichts vom gemeinsamen Kampf gegen den Führenden), Moritz: 6 (ketzerisch gesagt: die Aktionen sind uninteressant), Walter: 2 (um mich mit Würfelentscheidungen zu amüsieren spiele ich lieber „Mensch-ärgere-Dich-nicht“.).

3. “Bluff”
Moritz stellte leicht ungehalten fest, dass Aaron ihn immer wieder anzweifelt. „Immer, immer!“ Ist Aaron deswegen ein höchst parteiischer Bluffer? Nein, es liegt nur an der traditionell festgelegten Sitzreihenfolge am Westpark.

21.03.2012: Karten, Bambus, Würfel und der FC Bayern

Fangen wir mit dem Ende an: Dank Aarons Abwesenheit wurde mit 3 Stimmen und 1 Enthaltung toleriert, dass Moritz über sein iPhone die Übertragung des Halbfinales Mönchenglattbach gegen den FC Bayern schallen ließ. Als es allerdings darum ging, die Session zu unterbrechen und die zweite Halbzeit des Fußballspiels am Fernseher anzuschauen, legte Günther ein Veto ein. „Das macht die Ute jetzt auch; da hätte ich gleich zuhause bleiben können.“
Erst beim Elfmeterschießen ließ er sich erweichen, und die vier Westparker sahen sich gemeinsam den traditionellen Fußballkrimi an. Auf welcher Seite unsere Sympathien nach dem letzten Schuß lagen, kann man auf dem beigefügten Foto wohl einwandfrei erkennen.
1. “Robologie”
Die Neuentwicklung von Moritz’ Freund Christoph Tisch ist auf dem Markt noch nicht erhältlich, aber sie ist bereits ausgereift, die Spielregeln sind fertig gedruckt und wir sollten heute unseren Tester-Senf dazu geben.
Ein taktisches Kartenspiel für 2 bis 5 Spieler. Vier Kartenfarben (rot, grün, gelb, blau) gibt es mit den – teils mehrfachen – Werten von 2 bis 6. Pro Runde werden 5 Karten offen ausgelegt und die Spieler können sich beginnend mit dem Startspieler reihum eine davon aussuchen. Diese Karte muß sofort ausgelegt werden, entweder an den privaten Stapel, den jeder Spieler von jeder Kartenfarbe vor sich liegen hat, oder an die 4 öffentlichen Stapel jeder Kartenfarbe. Wenn an einem der öffentlichen Stapel eine festgelegte Anzahl von Karten liegt, wird die Farbe gewertet: Wer von dieser Farbe die höchste Summe an Kartenwerten vor sich liegen hat, ist Sieger. Er muß seinen Farbstapel komplett abräumen und bekommt dafür alle öffentlich ausgelegten Karten als Siegpunkte. Der Spieler mit der zweithöchsten Summe darf eine Karte aus seinem privaten Stapel als Siegpunktkarte zur Seite legen. Alle anderen Spieler gehen leer aus, dafür behalten sie aber alle ausgelegten Karten in ihren privaten Stapeln für eine mögliche nächste Wertung dieser Farbe.
Bei der Entscheidung, ob man die ausgesuchte Karte öffentlich oder privat ablegen soll, muß man berücksichtigen

  • ob die Kartenfarbe in dieser Runde überhaupt zur Wertung kommt oder kommen kann.
  • ob man die Kartenfarbe jetzt selber zur Wertung bringen will.
  • ob man bei der Wertung Erster werden kann und damit einen reichlichen (ggf. auch einen mageren) öffentlichen Kartenstapel als Siegpunkte einheimsen kann.
  • ob man bei der Wertung Zweiter wird und dann eine eigene hohe Siegpunktkarte auf seinem Konto verbuchen kann.
  • ob man bei der Wertung leer ausgehen will, um seine Karten dann komplett bei der nächste Wertung in die Waagschale zu werfen

Es ist ein höchst taktisches Rangeln um kurzfristige oder langfristige Vorteile. Für ein bißchen weiteren Pepp sorgen die vier Karten, die jeder Spieler als Startausstattung erhält. Er darf sie im Laufe des Spiels irgendwann mal zusätzlich öffentlich bzw. privat auslegen, um schnell noch eine Wertung auszulösen oder eine Mehrheit zu verändern.
Interessant ist auch die Startspielervergabe: Wer in einer Runde die niedrigste der offen ausliegenden Karten gewählt hat, wird in der nächsten Runde Startspieler. Für den freiwilligen Verzicht auf ein paar sofortige Potenzpunkte handelt man sich die freie Auswahl und ein paar weitere Vergünstigungen in der nächsten Runde ein. Ein sehr lohnendes Geschäft, besonders wenn es auf den Schluß zugeht. Und der kommt schnell. In weniger als 30 Minuten ist ein Spiel über die Bühne. Randbedingungen sorgen dafür, dass das Spiel immer im Fluß ist, und alle Farbstapel mehr oder weniger schnell zur Wertung kommen.
Die Gewinnwertung und den Startspielerwechsel hatten wir zunächst falsch gehandhabt. Ein Anruf bei Christoph Tisch brachte uns wieder auf die richtige Spur. Alle waren zu einer sofortigen Spielwiederholung bereit. Nicht aus Pflicht, sondern aus Lust und Neugier. Es lohnte sich. In unseren Augen hat das Spiel keine Macken mehr.
WPG-Wertung: Günther: 7 (es funktioniert gut), Horst: 7 (viel besser als vieles), Moritz: 7 (es gibt nichts zu verbessern), Walter: 7 (schnell, taktisch, mit einer wohldosierten Portion Zufallseinfluß).

2. “Takenoko”
Ein neues Spiel von dem Erfolgsautor Antoine Bauza („7 Wonders“). “Takenoko” bedeutet wörtlich „Bambussprosse“, das ist das Futter für einen süßen kleinen Pandabär. Der Kaiser von China hat ihn seinem japanischen Kollegen geschenkt und der ganze Hof ist damit beschäftigt, ihn damit zu füttern, um ihn vor dem Verhungern zu retten.
„Ein Spiel für Birgit! Soll ich sie schnell noch holen?“ Das hübsche Spielmaterial mit den Bambuspflanzen, dem Panda, dem Gärtner und den Bewässerungskanälen hätte bestimmt ihr Entzücken ausgelöst. Auch das teils in Comic-Format angelegte Regelheft überzeugt. Horst wird wohl um einen Ankauf nicht herumkommen.
Die Spieler legen peut-a-peut rote, grüne und gelbe Landschaftshexagons zu einer gemeinsamen Region zusammen, auf der roter, grüner und gelber Bambus gedeiht. Sie legen Wassergräben als Grundvoraussetzung für den Bambus, sie bewegen einen Gärtner, der das Pflanzenwachstum fördert und sie bewegen den Panda, der die heranwachsenden Sprossen frißt. Die gefressenen Sprossen erhält ein Spieler als Trophäen und erfüllt damit seine individuellen Fress-Siegpunktkriterien; z.B. bringen zwei grüne Bambusse 3 Siegpunkte und je ein roter, grüner und gelber Bambus bringen 6 Siegpunkte.
Weitere Siegpunkte erhält man, wenn in der gemeinsamen Bambusregion bestimmte Farbmuster entstanden sind, die individuellen Regions-Siegpunktkriterien entsprechen: eine Kette von drei gelben Hexagons steuert 3 Punkte, ein Dreieck von drei roten Hexagons 4 Punkte und ein Doppelpack mit zwei roten neben zwei gelben Hexagons gleich 5 Punkte bei.
Eine dritte Siegpunktquelle ergibt sich aus der Höhe vom gewachsenen Bambus. Z.B. liefert eine gelbe Bambusstaude der Höhe 4 dem Spieler, der eine entsprechende Siegpunkt-Kriterien-Karte auf der Hand hat, 5 Siegpunkte, zwei rote Stauden der Höhe 3 liefern 6 Punkte.
Das ganze Spiel ist eine kurzweilige Jagd nach Karten mit Siegpunktkriterien und nach Gestaltung der Landschaft, um diese Kriterien zu erfüllen. Daneben gibt es auch noch einen Würfel, der offiziell „Wetterbedingungen“ auswürfelt, im Grunde aber lediglich ein bißchen Variation in die Aktionen der Spieler bringen soll: Das Wasser fließt von alleine, der Bambus wächst schneller oder der Panda frißt mehr. Alles ist hübsch konstruiert und locker zu spielen. Leider fehlt die Interaktion. Das Wachsen der Bambusregion ist selbstverständlich und das Erfüllen der Siegpunktkriterien mehr oder weniger zwangsläufig. Ein planvolles Gegeneinanderarbeiten gibt es praktisch nicht; schon allein deshalb, weil man die individuellen Siegpunktkriterien der Mitspieler gar nicht kennt.
WPG-Wertung: Günther: 6 (Familienspiel; für die Ausstattung einen Sonderpunkt), Horst: 6 (kein Familienspiel, für den Panda einen Sonderpunkt), Moritz: 6 (originell aber kein Superhit), Walter: 6 (konstruktiv, leider zu solitär).

3. “Und noch ein Zivilisationsspiel”
Das vierte Selbst-Bastel-Spiel aus der Reihe “spielbox Wallace Edition”. In Heft 7 / 11 der Spielbox war es enthalten.
Die Spieler würfeln die Aktionen aus, die sie durchführen dürfen:

  • eine Wertmarke bekommen
  • einen Pöppel in den Vorrat bekommen
  • einen Pöppel vom Vorrat aufs Spielbrett setzen
  • einen Pöppel auf dem Spielbrett um 1 bis 3 Felder vorwärts bewegen

Jede Bewegung eines Pöppels auf dem Spielbrett löst Effekte aus: Man bekommt Wertmarken, Münzen oder Siegpunkte; man darf einen Würfelwurf wiederholen oder (auf dem Spielfeld „Krieg“) einen beliebigen gegnerischen Pöppel rauswerfen. Sobald ein Spieler mit einem Pöppel das Zielfeld erreicht hat, hat der Spieler mit dem meisten Siegpunkten – gewonnen. (Was sonst?)
Die Siegpunkte, die man auf bestimmten Spielfeldern bekommt, muß man mit Wertmarken und Münzen bezahlen. Man kann also nicht blindwütig auf das Zielfeld lossteuern, man muß unterwegs auch einige Wertmarken- und Münzenfelder abgrasen.
Ansonsten wird nicht viel Taktik geboten und auch nicht erwartet. Das Vorwärtswürfeln Richtung Ziel erfolgt analog „Gänsespiel“ wie vor gut 5000 Jahren, kurz danach haben die Inder das Hinauswerfen von gegnerischen Pöppeln a la Pachisi ebenfalls schon praktiziert. Im 10 Jahrhundert von Christus sagte auch schon der König Salomo: „Nichts Neues unter der Sonne!“ Oder war das ein alter Grieche?
Viele bereits bekannte Mechanismen zu neuen Kombinationen zusammenzufügen, ist ein schöpferisches Werk und manchmal entsteht dabei etwas grundlegend Neues. Diesmal nicht. Aber nur knapp daneben.
WPG-Wertung: Günther: 3 (lieber gleich Leiterspiel und Mensch-ärgere-Dich-nicht), Horst: 5 (Grundidee gut, das Kriegsfeld war kontraproduktiv), Moritz: (vom Ansatz her sah es ganz passabel aus, konnte aber den guten ersten Eindruck nicht halten), Walter: 4 (Würfelspiel).
4. “Bluff”
Vier Spieler mit noch allen 5 Würfeln, insgesamt also 20 Stück. Walter fing mit 5 mal Stern deutlich über Schnitt an. Moritz hob auf 10 mal die Zwei, Horst auf 12 mal die Fünf und Günther auf 7 mal Stern. Mit 3 Sternen unter dem Becher fiel es Walter noch leicht, auf 8 mal Stern zu erhöhen.
Moritz steigerte auf 16 mal die Drei! Das war ein seltsames Gebot. Auch wenn viele Sterne unterwegs zu sein schienen, war ein Wechsel auf eine neue Zahl in dieser Höhe nur schwer rational nachvollziehbar. Horst ging auf 9 mal Stern und Günther jetzt sogar noch auf 10 mal Stern.
Walter zweifelte an. Und verlor. Alle seine Würfel! Dreimal, ja sogar viermal schallendes Gelächter! Warum? Liebe Leser, könnt ihr euch das erklären?
Kleine Hilfestellung: Mönchenglattbach – FC Bayern : Entscheidung im Elfmeterschießen!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

14.03.2012: Catan im 20. Jahrhundert

“Pastinaken”
Am Westpark werden nicht nur Spiele gespielt und bewertet, sondern auch Kochrezepte ausprobiert und kommentiert. Diese Woche gab es einen „Pastinaken-Spinat-Gratin“ nach Vorschlag vom „Chefkoch“. Hier die Kritik des Hausherrn:

Das Rezept ist mein erstes und letztes Rezept mit Pastinaken. Schon beim Schälen der Wurzel erinnerte mich der Geruch an die Wasserrüben, die wir als Buben auf dem Heimweg von der Schule aus den umliegenden Rübenäckern ausgerissen haben. Die Assoziation an den Bubenstreich war positiv, die Assoziation an den damaligen Gourmet-Genuß eher nicht. Der Verdacht auf einen heute zumindest problematischen Kochversuch erhärtete sich beim Kosten der vorgedampften Scheiben: hart, harsch, scharf und bitter. Doch tapfer wurde das Rezept buchstabengetreu durchgestanden. Vielleicht gibt die Hitze im Ofen ja erst den richtigen Genuss?

Am Ende kam zwar ein hübsch anzusehender Auslauf aus der Backröhre, doch genießbar war er nicht. Lediglich der Spinat gab, nachdem wir die Pastinakenscheiben alle herausgepuhlt hatte, zu Reis und Schlemmerfisch eine akzeptable Beilage. Tröstlich war meine Frau, die sich diesmal mit expressiv Kritik an meiner Kochkunst einfühlsam zurückhielt, sondern mich eher um meine vergebliche Koch-Liebesmühe bedauerte.

Nachdem zu diesem Rezept hier auf dieser Internet-Seite so viele zustimmende Kritiken zu lesen sind, frage ich mich, ob ich a) etwas falsch gemacht habe, ob b) mein Gemüsehändler mich mit seinen Pastinaken verschaukelt hat oder ob c) man über Geschmack halt nicht streiten kann.

Vom Chefkoch kam bisher noch keine Antwort. Deshalb die Frage an unsere Leserschaft: Wer von Euch hat schon einmal in seinem Leben Pastinaken zubereitet und war hinterher mit dem Ergebnis zufrieden?

1. “Carrée” und “Ming Mang”
Günther steckte zwischen Starnberg und Fürstenried in einem Unfallstau und kündigte per Handy eine Stunde Verspätung an. Dieweil griffen Horst und Walter in die historische Schatzkiste des Wünnenberg Verlags (Gott hab’ ihn selig) und zogen sich auf die Schnelle zwei 2-Personen-Spiele rein. Bei Gefallen hätte sie Horst zu seiner Birgit mit nach Hause nehmen dürfen.

„Carrée“ wurde eigens für die Wünnenberger Spielreihe entwickelt. Nach Art des Mühlespiele setzen wir zu Spielbeginn unsere Spielsteine abwechselnd auf freie Positionen im Spielbrett. Dann ziehen wir mit den Steinen und versuchen dabei die gegnerischen Steine zu schlagen. Auf einer knappen DIN-A5-Seite sind die Regeln dargelegt. Mit den beiden lapidaren Sätzen:

  • Die Steine ziehen horizontal und vertikal über beliebig viele freie Felder

und

  • Spielzüge können über den Spielfeldrand hinausgehen, wenn das im rechten Winkel angrenzende Feld unbesetzt ist.

haben wir bereits 50% der Regeln hinter uns gebracht. Leider aber noch nix verstanden. Horst befand: „Es ist eine Kunst, in einer so kurzen Anleitung so viele Fragen offen zu lassen!“ Oder ist das vielleicht gerade keine Kunst? Nach dem ersten Versuch mit dem Trivial-Ablauf „Schlägst du meine Tante, schlag ich deine Tante“ dämmerte uns, das wir vieles falsch gemacht haben mußten. Doch wir verzichteten auf eine detailierte Fehler-Analyse.

Das zweite Spiel war das alte tibetanische Spiel „Ming Mang“. Auch hier ist das Spielziel das Schlagen aller gegnerischen Steine.

  • Geschlagen wird ein Stein, wenn er auf zwei Seiten von gegnerischen Steine eingeschlossen ist, ohne Rücksicht auf dazwischenliegende freie Felder.

Sehr schnell hatten wir eine Dead-Lock-Situation erreicht, wo jeder Spieler in seinem Schneckenhäuschen unbehelligbar hin-und-her-ziehen konnte, ohne dass er dabei vom Gegner eingeschlossen und geschlagen werden konnte. Auch hier müssen wir einiges nicht verstanden haben.

Inzwischen hatte Günther den Stau hinter sich lassen können und hinderte uns daran, in den 43900 Google-Treffern zu „Ming-Mang“ nach den tibetischen Strategie-Geheimnissen zu suchen. Horst verzichtete auf ein Mitbringsel für seine Frau.

2. “Das 20. Jahrhundert”
In dem Spiel von Vladimír Suchý geht es nicht – wie bei dem gleichnamigen Spiel von unserem Moritz – um die Kriegsbewältigung des letzten Jahrhunderts (neben den beiden Weltkriegen gab es da noch tausendfach weiteren Mord-und-Totschlag zwischen zivilisierten Nationen), sondern um die Weiterentwicklung des technologischen Fortschritts unter der Vermeidung von Müll. Wir ersteigern Landschaftplättchen mit Quellen für Geld, Fortschritt und/oder Siegpunkten und mit „Recycling-Anlagen“. Damit bauen wir uns eine Landschaft zusammen, die uns mit den zivilisatorischen Glücksgütern versorgt. Zwangsläufig erzeugen wir dabei auch mehr oder weniger Müll und deshalb betreiben wir eifrig unsere Recycling-Anlagen – sofern wir welche erstanden haben – , um den Müll wieder los zu werden.

Der Kampf gegen den Müll ist die dominante Auseinandersetzung im „20. Jahrhundert“. Immer wieder spuckt uns das Regelwerk Müllpakete in die Landschaft und wir müssen rudern, um darin nicht zu ersticken. Über sechs Runden geht der Kampf. Jedes Landschaftsplättchen, auf dem danach noch eine Menge Müll liegt, bringt Minuspunkte ein. Dagegen stehen dann die kumulierten Werte aus unseren Siegpunkt-Quellen und weitere Prämierungen unseres Besitzstandes bei Spielende. Wer dann in dieser Gewinn-Verlust-Rechung die meisten Siegpunkte auf seinem Konto hat, ist Sieger.

Für den Erfolg in dieser ansprechenden Optimierungsaufgabe müssen wir

  • die beiden Versteigerungsprozesse um Gewerbe und Fortschritt kostengünstig abwickeln
  • uns einen optimalen Mix von Landschaftsplättchen zulegen, wobei das Optimum sich während des Spielverlaufs verschiebt
  • zugreifen können, wenn die Mitspieler schwächeln
  • bescheiden sein können, wenn die Kosten-Nutzen-Relation ins Negative abgleitet. (Es gilt also nicht das in vielen Wirtschaftsspielen obligatorische „Keep fully invested!“)
  • die notwenige Handlungsfreiheit beim Fortschritt einkaufen, um für Feuerwehr-Einsätze bei Müll und Produktion gewappnet zu sein
  • das richtige Timing für unsere Feuerwehr-Einsätze einhalten.

Es gibt viel zu rechnen im „20. Jahrhundert“. Am Westpark eine willkommende Herausforderung. Zugleich aber auch ein Fluch, wenn zuviele Denker mit ihren mechanischen Rechenmaschinen ans Werk gehen. Heute waren wir nur glücklicherweise nur zu dritt. Die Stimmung war gelöst. Keiner verlor die Contenance. Und das war gut so.

WPG-Wertung: Günther: 7 (gute Mischung aus gemeinschaftlichem Bieten und solitärer Optimierung), Horst: 7, Walter: 8 (bei drei Mitspielern, sonst weniger).
Horst hatte sich im Vorfeld in die Spielregeln eingearbeitet und möchte darauf hinweisen, dass das 12-seitige Regelheft keine Unklarheit offen gelassen hat. Und dass die deutsche Übersetzung der tschechischen Original-Spielregeln eine sehr saubere Arbeit ist.

3. “Die Siedler von Catan – das schnelle Kartenspiel”
Ein Art von Quartettspiel mit Ärgerfaktor. Wir ziehen Rohstoffkarten, tauschen sie auf dem offenen „Markt“ oder mit dem verdeckten Nachzugsstapel oder bei verdutzten Mitspielern gegen andere Rohstoffkarten, und legen sie gebündelt als „Catanische Quartetts“ in unsere Siegpunkt-Speicher. Ziegel und Holz ergeben eine Straße, Stein, Schaf und Korn ergeben einen Ritter, 3 mal Stein und 2 mal Korn ergeben eine Stadt, und was sonst noch alles als Ablage-Paket möglich ist. Glücklich gezogenen Karten ergeben glückliche „Quartette“.

Und damit das ganze nicht zu linear abläuft, darf man von seinen Mitspielern fertige Quartette stehlen. Anstatt eine Straße beim Tiefbauer in Auftrag zu geben, nimmt man sie einfach entschädigungsfrei aus dem Besitzstand eines Mitspielers. Manche mögen’s lustig.

WPG-Wertung: Günther: 5 (schnelles Familienspiel), Horst: 5 (freut sich auf ein Siedlerspiel mit seinem Sohn), Walter: 5 (reiner Zeitvertreib, mag’s nicht so lustig.)

07.03.2012: Parasiten im Fischteich

Kann ein Dirigent reden? Und wie! Moritz mußte heute Abend einen solchen Redeschwall über sich ergehen lassen, dass ihm Hören und Sehen verging. Er vergaß Zeit und Raum und ließ die Westpark-Gamers eine geschlagene Stunde sang- und klanglos auf seine Ankunft warten. Man kann ja wohl auch nicht zum Handy greifen, wenn ein Dirigent auf einen einredet.

1. “Rapa Nui”
Zum dritten Mal bei uns auf dem Tisch. Heute als Aufsacker, um die Zeit bis zu Moritz’ Eintreffen zu überbrücken. Ein sehr gefälliges Spiel, leicht und locker. Ein wenig Planung für sehr viel Hoffnung, und gerade die richtige Prise Zufall, um das spielerische Element zu erhalten und die Schweißtropfen auf den Denkerstirnen erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Walter gewann mit akzeptablem Vorsprung. Keiner wußte warum. Er auch nicht. Hat vielleicht die Startspielerposition geholfen, mit einer frühen Mehrheit bei den Holzfällern? Vor allem aber ließen die freundlichen Mitspieler seine Holzquellen eifrig sprudeln. Mit diesem Geld konnte er sich reichlich Moais zulegen und seine Rosenzucht – ebenfalls mit selbstloser Unterstützung der Mitspieler – in der Schlußwertung auf Höchstpreise treiben. Doch warum sich seine Osterinsel-Ökonomie so prächtig entwickelte, bleibt vorerst noch Fortunas Geheimnis. (Nicht der aus Düsseldorf.)
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.

2. “Village”
Horst wollte das Spiel für heute mitbringen, doch seine Birgit legte ein Veto ein. Das Spielmaterial hat ihr so gut gefallen, dass sie die Defloration unbedingt selber vornehmen wollte. Doch keine Chance: Günther war schon schneller. Er verspricht, das „auf jeden Fall 7-Punkte-Spiel“ bei nächster Gelegenheit auch den Westparkern zur Verfügung zu stellen.
Noch keine allgemeine WPG-Wertung

3. “Panic Station”
Bei Stars-and-Strips-Adventure-Game geht Moritz immer sofort in die Defensive: „45 Minuten! – Heißt’s!“ verkündete er gewollt zuversichtlich. Mit einem deutlich beschwichtigenden Unterton und unverkennbarer Eigenskepsis zu diesen Angaben. Dabei hatte sich keine einzige Gegenstimme gegen dieses „kooperative Spiel mit Verräter-Element“ erhoben.

Die Spielidee stammt aus der Horror-Erzählung „Who Goes There“ von John W. Campbell, die bereits 1951 als „Das Ding aus einer anderen Welt“ verfilmt worden war. Im letzten Jahr wurde eine Vorgeschichte dazuerfunden und unter dem Titel „The Thing“ verfilmt. Im fixen Spiele-Business Grund genug, auch ein zugehöriges Spiel auf den Markt zu bringen. Moritz hat es in Essen gekauft.

Als „gute“ Menschen werden wir alle geboren. Im Spielablauf legen wir Raumkarte für Raumkarte zu einer mosaikartigen Region zusammen. Hier können wir unsere beiden Spielfiguren in beliebige Richtungen bewegen. Wir erkunden den Raum, d.h. wir dürfen neue Raumkarten auf die Hand nehmen, wir finden Waffen, Munition, Schutzschilde und Benzinkanister. „Parasiten“ entstehen und machen uns das Leben schwer. Oder wir ihnen.
In einer frühen Spielphase mutiert einer von uns zufällig und unversehens zum „Bösen“. Ab dann spielt er kontraproduktiv, d.h. er sorgt eher für ein Anwachsen der Parasiten als für deren Beseitigung. Das sollte er aber nicht zu auffällig machen, damit er nicht so schnell als „Böser“ entlarvt und in seinen Infektionskreisen gestört wird. Bei uns wurde Moritz – wer konnte es auch anders sein? – zum ersten „Bösen“ der Weltgeschichte. Dabei fand Horst ein untrügliches Anzeichen, Moritz als solchen zu erkennen: Bei allen Kooperationsspielen redet Moritz ununterbrochen mit Anteilnahme und Leidenschaft auf seine Mitspieler ein, um sie auf seine genialen Meisterzüge einzuschwören. Wenn er dann plötzlich den Mund hält und seine Ratschläge nur noch sparsam und vor allem emotionsgebremst fließen, dann ist er der Böse geworden.

In „Panic Station“ wird irgendwann im Laufe der Gebietserkundung eine Raumkarte mit dem „Nest der Parasiten“ entdeckt. Jetzt kann das Spielziel angegangen werden: Wenn es einem der „guten“ Mitspieler gelingt, mit drei Benzinkanistern in der Hand zu diesem Nest vorzudringen (und es mit einem Flammenwerfer zu zerstören), dann haben die „Guten“ gewonnen. Ist es den Bösen gelungen, vorher alle Guten zu infizieren, dann haben die Bösen gewonnen.

Wie infiziert man? Wie im richtigen Leben: durch Berühung. Wenn ein Spieler eine Raumkarte betritt, auf der bereits ein anderer Spieler steht, tauschen sie zwangsweise – natürlich verdeckt – je eine Handkarte aus. Wenn dabei ein Böser einem Guten eine „Infektionskarte“ gibt, schwupp ist der Gute angesteckt und ebenfalls ein Böser geworden. Der Gute kann sich noch dagegen wehren, indem er – zufällig oder ahnungsvoll – als Gegenkarte einen Benzinkanister gewählt hat. Doch diese Karten darf man nicht leichtfertig aus der Hand geben, sie werden ja für den Endsieg gebraucht. Außerdem hat man in der Grundausstattung nur einen Benzinkanister, so dass man dem nächsten Infektionsangriff ohnehin schutzlos ausgeliefert ist. So ergibt sich für die Guten das Dilemma, entweder die Siegchancen aufzugeben oder Böse zu werden. Walter fühlte sich in dieser Situation gespielt:

  • das Spiel bietet wenig räumliche Handlungsfreiheit
  • es bietet viel zu wenig materielle Handlungsfreiheit (zwei Spieler hatten während des gesamten Spiels keine einzige Waffe und keine einziges Stück Munition in ihrer Hand! Man braucht beides für einen einzigen Schuß!)
  • es läuft im höchsten Grade determiniert ab
  • der Spielausgang ist entschieden und wir müssen trotzdem weiterspielen: wenn der letzte übrig gebliebene Gute nicht mehr genügend Mittel zur Hand hat, um zu gewinnen, so wissen es alle, doch keiner darf es wegen der Geheimhaltungspflicht laut aussprechen; so trotteln wir weiter durch den Weltraum, bis endlich der letzte Gute das Licht ausmacht.

Moritz war mit diesen Kritikpunkten nicht einverstanden. Für ihn war der unvermeidliche Übergang von Gut nach Böse lediglich ein Paradigmawechsel. Auch sah er beim Vorwurf des Gespielt-Werdens klare Parallelen zum „Rapa Nui“. Auch da ist man nicht völlig Herr seines Schicksals, sondern von den gutmütigen Zügen seiner Mitspieler abhängig. Doch hierbei gibt es einen gravierenden Unterschied: in „Panic Station“ werden wir von den Einfällen und Mechanismen des Autors gespielt, in „Rapa Nui“ von den Ambitionen der Mitspieler. Darin liegt ein größerer Unterschied als zwischen Tag und Nacht.

WPG-Wertung: Günther: 4 (Tendenz zu 3), Horst: 6 (mit Potential zu mehr), Moritz: 7 (hofft, durch häufiges Spielen und Beherrschen der Mechanismen noch auf 8 Punkte zu kommen), Walter: 3 (dreimal soviel Punkte wie ein grottenschlechtes Spiel. Das Spiel funktioniert, das ist aber auch alles.)

4. “Upon a Salty Ocean”
Das nagelneue Spiel der italienischen Giochix.it Edizioni hat verdammt viel Ähnlichkeit mit Aaron’s „Trawler“. Es gibt:

  • eine taktisch wichtige Startspielerreihenfolge
  • 1 bis 3 Fangschiffe mit unterschiedlichen Transport-Kapazitäten
  • Werften für neue Schiffe in der Fischfangflotte
  • Kabeljaus und Heringe als Fischerei-Ertrag
  • einen Markt mit variabler Preisgestaltung

Dazu gibt es noch viel mehr Elemente, von denen „Trawler“ zunächst nur träumen kann:

  • Salinen zur Salzgewinnung. Damit wir auf hoher See unsere Fische sofort konservieren können. Ohne Salz kein Fisch
  • Depots zum Lagern von Salz oder Fisch. Was nicht gelagert werden kann, geht verloren.
  • Piraten und Stürme in veränderlicher Zusammensetzung, die unsere freie Seefahrt beeinträchtigen
  • eine Mole für die Reparatur beschädigter Schiffe
  • Bank, Finanzamt und Rathaus für monetäre Ambitionen
  • eine Kapelle mit einem Schutzheiligen gegen die Piraten.
  • eine Kirche mit einer großen Rosette für ewige Verdienste bei Spielende.

Die Spieler engagieren sich reihum auf den verschiedenen Gebieten in Stadt-Land-Fluß, sie laden Salz, fahren zur See, tauschen Salz in Fische, bringen sie nach Hause, verkaufen sie auf dem Markt und beten je nach Strategie und Konfession in Kirche und Kapelle um höheren Segen. Alles ist rund, alles ist schön. Aber alles ist zuviel. Elendige Optimierungsrechungen sind notwendig, um den besten Zug auf Erden oder im Himmel zu berechnen. Sollen wir erst noch unseren Anti-Piraten-Obolus zum heiligen Maclou tragen oder fahren wir lieber gleich zur See und nehmen die fälligen Mengen-Einbußen in Kauf? Besonders bei den je nach Saison oder Marktkonkurrenz steigenden bzw. fallenden Preisen! Erweitern wir die Salzausbeute in unserer Saline oder die Kapazität in unserem Lager oder unsere Schiffstonage? Rechnen, Rechnen, Rechnen.

Jeder kann beliebig viele Aktionen durchführen, solange er sie bezahlen kann. Die erste Aktion einer Art kostet nichts, jede weitere einen Gulden mehr. Dahinter steckt Fluch und Segen. Für zehn Gulden kann jeder mehr oder weniger fünf Aktionen durchführen. Danach geht es deutlich ins Geld. Ein Krösus kann leicht noch fünf weitere Aktionen planen und durchführen, während die Armhälse auf das Ende der Runde warten müssen. Und auf das Fertigwerden der Finanzberater, die dem Krösus immer noch eine Aktion mehr empfehlen, wenn sie nur 10 Gulden kostet aber 11 Gulden einbringt.
Günther kam auf die Idee, die Fische gar nicht erst zu fangen mit dem ganzen umständlichen Pipapo aus Salz, Seefahrt und Handel. Er ging einfach auf den Markt, kaufte sich Heringe für vier Gulden das Stück, wartete die erkennbare Preissteigerung bei Rundenende ab und verkaufte sie in der nächsten Runde für sechs Gulden das Stück. Einschließlich der Aktionskosten ein Reingewinn von knapp 15 Gulden. Für einen ungefährdet geplanten und durchgeführten Solo-Zug.

Für die sichere Durchführung dieser Transaktion mußte er nur Startspieler in der nächste Runde werden. Da er aber bereits Startspieler war und seinen Kreditrahmen maximal ausgeschöpft hatte, konnte ihm keiner diese wiederholte Startspieler-Rolle nehmen. Ist das im Sinne des Erfinders?

Horst hatte sich von vorneherein auf das Beten verlegt. Runde für Runde stellte er Opferkerzen vor den Altar der heilige Jungfrau und bastelte ihr eigenhändig die große Fensterrosette. Dafür revanchierte sie sich am Ende mit 70 Jahren erspartes Fegefeuer. Doch das reichte diesmal nicht zum Sieg. Günthers schnöder Mammon war stärker.

Fazit: „Upon a Salty Ocean“ ist eigentlich ein sehr schönes Spiel. Viele Elemente sind sehr gut kombiniert und ausbalanciert. Das klare, durchsichtige Spieldesign ist leicht zu handhaben. Die Kohle fließt und die Gulden rollen über das Aktionstableau. Doch irgend etwas stimmt nicht. Der Grübelfaktor ist zu hoch und die Spiellaune sankt von Runde zu Runde. Selbst bei den Siegern. Sehr schade um das hübsche Räderwerk, das hier zusammengebaut wurde.

WPG-Wertung: Günther: 5 (Grübelfaktor), Horst: 5 (einfach und flüssig, 1 Sonderpunkt für die Graphik), Moritz: 4 (sinkende Spiellaune), Walter: 5 (schön aber schweißtreibend)