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24.06.2009: Spielen mit Lisi

Heute war Walters Hochzeitstag. Er hatte dieses Jubiläum bereits gestern in den Tag hineingefeiert und heute mit einem feierlichen Champagner-Abendessen abgeschlossen. Die Tischdecke bekam auch ein Gläschen ab. Die Westpark Gamers konnten ohne eheliche Gewissensbisse empfangen werden.
Aaron brachte auch einen Schaumwein mit. Damit durften wir seinen letzte Woche erfolgreich unterschriebenen Vorruhestands-Vertrag begießen. Zunächst mal nur in den jeweiligen Kehlen. Günther steuerte ein B0027JTCN8 bei : “Leitfaden für Spieleerfinder und solche die es werden wollen.” Moritz wird Konkurrenz bekommen!
Lisi, eine junge Nachbarin, war heute auch mit von der Partie. Ihr Debut am Westpark hatte sie bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrtausends gegeben. Damals war sie halb so alt wie heute, aber schon durchaus ein ernsthafter Konkurrent bei unserem Patronatspiel “1830”. Ihr Lieblingsspiel praktiziert sie allerdings auf der Geige. Meisterhaft. Mit bereits vielen Debuts in allen Teilen Europas.
1. “Trans Europa”
Walter durfte erklären. Kurz, knapp, zwingend! Einfach Spitze. Keine einzige Rückfrage zu den Regeln, nicht mal von Lisi. So genial erklärt? Oder so genial verstanden?
Wir bauen Gleise von Madrid bis Moskau und von Sankt Petersburg bis Yspahan. Jeder für sich und im Grunde doch alle gemeinsam. Sobald der erste Spieler seine fünf Pflichtstädte verbunden hat, ist eine Runde zu Ende. Für alle Streckenabschnitte, die den Mitspielern zu ihren Pflichtstädten noch fehlen, gibt es Minuspunkte. Wer nach mehreren Runden die wenigsten Minuspunkte hat, ist Sieger.
Zuerst spielten wir ohne die Expansion mit den privaten Gleisabschnitten. Sie bringt im Prinzip kein neues Element ins Spiel, sondern verlangsamt nur durch Einbau leicht-überwindbarer Schikanen.
Nach drei Runden lagen wir immer noch alle dicht beieinander, und Aaron schlug vor, jetzt doch die Expansion hinzuzunehmen. Durch geeignetes Abschotten teuerer Bauabschnitte kann der am glücklichsten operierende Spieler den anderen noch ein paar zusätzliche Minuspunkte aufdrücken. Die Siegpunkt-Differenzen werden größer.
Nach wie vor ist die Frage ungeklärt, ob man besser im Zentralbereich oder in der Peripherie anfängt.
WPG-Wertung: Lisi bliebt mit 7 Punkten leicht unter dem bisherigen Durchschnitt.
2. “Dice Town”
Aaron muß noch eine Rezension schreiben. Da kommt jede Gelegenzeit zum Üben recht. Er durfte auch das Spiel erklären, ist er doch “einer unser besten Erzähler, besonders, wenn er vorliest!”
Jeder muß sich mit Spezialwürfeln eine optimale “Pokerkombination” zusammenwürfeln. Anschließend wird – im Gegensatz zu Poker – nicht das beste Ergebnis bewertet, sonder alle Blätter (Würfelkombinationen) bringen ihrem Besitzer irgend etwas Nützliches ein: Goldnuggets, Dollars oder Sonderkarten. Entweder bekommt man das von der Bank oder man darf es von den Mitspielern stehlen. Wie lustig! Am Ende wird die gesamte zusammengeraffte Habe in Siegpunkte umgerechnet.
Die Fitzeligkeit , d.h. die Betrugsmöglichkeit mit dem heimlichen Würfeln und Würfel-Zusammenstellen ist nach wie vor ein deutlicher Kritikpunkt. Die Freude am randomisierten Chaos verebbt schnell, leider sehr viel schneller als die Spieldauer lang ist. Wie schon beim ersten Versuch brachen wir nach ca. 1 Stunde Spieldauer ab. Es tut sich nichts Neues mehr. Gleichförmiges Würfeln und den Mitspielern Sonderkarten Wegnehmen verliert am Westpark schnell seinen Nährwert.
Wir trösteten uns mit Aaron Cremant, so erfolgreich, daß auch diesmal wieder Tisch und Bänke etwas davon mitbekamen. Wie diese Substanz dabei auch in Walters Augen geriet, ließ sich nachträglich nicht mehr genau rekonstruieren. Wenigstens fand er dabei eine neue Wette für Thomas Gottschalks berühmte Sendung: “Wetten, daß ich alle Schaumweine der Welt am Brennen in meinen Augen erkennen kann!”
WPG-Wertung: Lisi konnte auch mit gnädigen 6 Punkten den WPG-Durchschnitt nicht über die 5 Punkte-Hürde heben.
3. “Wind River”
Aaron strapazierte wieder von vorneherein die geringen Kingmaker-Kapazitäten dieses tadellosen strategischen Meisterwerkes des Jahres 2009. “Ich spiele so, daß ich möglichst schnell einen Spieler eliminiere” bekannte er, als sein auffällig asymmetrisches Agieren kritisiert wurde. Wen hatte er “zufällig” wieder als Opfer ausgesucht? Natürlich weder den heeren Strategen Günther noch den attraktiven Sonnenschein Lisi. Es war Walter, der selbst an seinem Hochzeitstag seinem Schicksal nicht entgehen konnte.
Der hielt (und hält) diese Spielweise für “bescheuert”, widerspricht sie doch dem Kantschen kategorischen Imperativ: “Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.” Wenn wir in “Wind River” alle danach streben würden, möglichst schnell einen Spieler zu eliminieren, geht das sehr schnell gegen den schwächsten, der gegen die vereinigte Übermacht niemals eine Chance hat. Zumindest für diesen wird das Spiel dann a priori frustrierend! Auch so kann man ein Super-Spiel kaputtmachen.
Walters Menetekel: “Du hast noch keine Wind River Partie gewonnen, du wirst auch in Deinem ganzen Leben keine mehr gewinnen. Solange ich mitspiele”.
WPG-Wertung: Lisi lag mit 8 Punkten ziemlich genau im WPG-Durchschnitt
4. “Flaschenteufel”
Walter durfte wieder erklären. Ein Kartenspiel, das auf den ersten Blick chaotisch abläuft, das in seiner inneren Struktur aber klare logische Schlußfolgerungen erfordert. Dann kann man auch überdurchschnittlich oft gewinnen.
Nach vier Spielen mit hohen Umsätzen hatte Lisi gewonnen. Lag es an ihrer spielerischen Genialität oder lag es auch diesmal wieder an Walters genialem Regelvortrag?
5. “Bluff”
Mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen legte Lisi einen Riesenbluff aufs Parkett und schickte Aaron damit ins Grab: Vier Würfel auf einen Streich reduzierten seine Lebensflamme auf ein spärliches Flackern, das der nächste Windhauch gänzlich ausblies. Balsam auf Walters Wind-River-Wunden.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

03.06.2009: “Dice Town” in ” Bombay”

Galileo, das ProSieben Wissensmagazin, hat unseren Moritz eingeladen, in einer Sendung über Gesellschaftsspiele Winner-Tipps abzugeben. Moritz hat sich sehr viel Mühe gegeben und einen Feature-Entwurf für die komplette Sendung erarbeitet.
Seine Spielvorschläge waren “Siedler von Catan”, “Carcassonne” und “Monopoly” (nicht ganz freiwillig), und seine fundierten Detail-Analysen (z.B. Bahnhöfe kaufen) rundete er ab mit allgemeinen Hinweisen wie:
a) Have a plan
b) “Lese” Deine Mitspieler
c) Spiele nicht allein um zu Gewinnen
Ziemlich geschockt war er, als von der Redaktion die knallharte Vorgabe kam: “Als Spielauswahl stehen ausschließlich: Schnick-Schnack-Schnuck (Knobeln), Neunerln, Jenga, 4-gewinnt, Black Jack, Schiffe versenken und Monopoly zur Verfügung.” Ein Kraut und Rüben von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen, doch nichts zum Wissen, Planen und gute Ratschläge geben. Moritz fühlte sich wie ein Kenner von Horrorfilmen, der über das Rotkäppchen befragt werden soll.
Moritz schluckte diese Kröte und noch einige andere und machte sich mit der hoffnungsvollen Erwartung auf den Weg, im Studio wenigstens ein paar anregende Spielstunden mit gestandenen Spielern verbringen zu können. Doch auch hier riß der Krötenstrom nicht ab. War seine Erwartung nativ oder legitim, jedenfalls warteten anstelle von Profis lediglich [!?] blonde Models auf ihn, die keinerlei Ahnung von Schloßallee und Parkstraße hatten, und auch nicht unbedingt die Ambitionen hatten, klüger nach Hause zu gehen. Die Kamera diktierte die Maßstäbe, nicht die Vorlieben für Tisch und Brett. Selbst der Würfel-Sex war gefaked! Krone der Schöpfung waren Szenen im Biergarten über einem Schiffchen-Versenken mit Papier und Bleistift. Wo und womit kann man denn sonst seine blonden Neuerwerbungen zum Höhepunkt bringen?
Erkenntnis: Selbst Redakteure von Aufklärungsreports sind bestenfalls nur Menschen. Tröstlich: Auch der Pate der Sendung hat schon unter alleinseligmachenden Knowhow-Trägern leiden müssen.
Moritz’ Eigenbalsam auf seine Wunden: “Schlechte Spiele [in einer fragwürdigen Sendung] ruinieren wenigstens nicht den Ruf unseres Hobbys.”
1. “Bombay” von Ystari
Wir sind Händler in Indien, trampeln mit unserem Elefant auf die verschiedenen Märkte um Warenballen aufzuladen, transportieren sie zu Städten, in denen die Ware benötigt wird, verkaufen sie und werden damit reich.
Es sind sehr hübsche Elefanten, mit denen wir in “Bombay” als Spielerpöppel ausgestattet werden. Leider stinken sie. Gewaltig. Nicht nach Elefantenlosung, sondern nach China-Plastik. Hoffentlich gibt sich das.
Das Warenangebot auf den Märkten wechselt nach zufälligen Regeln. Die Preise auf den Märkten fallen systematisch mit dem Angebot. Mit dem erwirtschafteten Geld können die Spieler auf den Wegekreuzungen Herbergen bauen. Wer hier vorbeikommt, muß Wegezoll bezahlen.
Keiner wurstelt für sich alleine herum, jeder ist von den Aktionen der Mitspieler beeinträchtigt:
a) Die Waren sind knapp. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer Pech hat, dem schnappt der Vorgänger den letzten Warenballen vom Markt.
b) Wer eine Ware zuerst verkauft, erzielt den doppelten Preis. Für die wichtigen monetären Siegpunkte muß man auch hier die Nase vorn haben.
c) Auf Wegekreuzungen darf immer nur eine Herberge stehen. Wer zuerst baut, lacht zuerst. Und zuletzt.
d) Eigene Herbergen fördern die Geldquellen, fremde Herbergen fördern die Konkurrenz.
Alle diese Spielmechanismen bewirken, daß jeweils nur der aktive Spieler einen Grund zur Freude hat, alle anderen eher einen Grund zu Ärger und Neid. Das ist leider kein Nullsummenspiel. Gehobene Spielstimmung kommt nur selten auf; der Eggert-Faktor liegt unter 0,2.
Günther fand in “Bombay” ein “Valdora light”, weil das Brimborium mit den Aufträgen und Auftraggebern weggefallen ist. Walter hielt es umgekehrt eher für ein “Valdora heavy”, weil es immerhin ein gerüttet Maß an Interaktion kennt, auch wenn sie nicht immer erfreulich ist.
Doch einen Vorteil muß man “Bombay” unbedingt lassen: In einer halben Stunde kann man die 5 Sätze á drei Runden mit je 3 Aktionen problemlos hinter sich bringen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (fehlende Dynamik), Günther: 6 (warten ohne Aufgabe), Loredana: 5 (“hat mich genervt”), Peter: 6 (einzige Spannung geht darum, ob die anderen schneller sind), Walter: 6 (die Interaktionen sind alle negativ).
Ystari schwächelt. Auch Günther hat nicht gewonnen, nur fast.
2. “Dice Town”
Von Bruno Cathala, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Faidutti, mit dem er “das Halsband der Königin” gemeinsam gemacht hat. Um einen vom anderen zu unterscheiden, bemerkte Aaron: “Der macht eher chaotische Spiele!” Welcher jetzt?
Wie der Name schon sagt ist “Dice Town” ein Würfelspiel. Jeder Spieler bekommt fünf Würfel und einen Würfelbecher und darf sich damit die gelungenste Poker-Kombination zusammenwürfeln. Pro Wurf muß man einen Würfel zu seiner anvisierten Kombination aussondern. Wer will, darf auch gleich mehrere Würfel herausnehmen, oder auch gar keinen, dann muß er aber dafür bezahlen.
Am Ende werden die besten Würfel-Kombinationen begutachtet. Die meisten Einser bringen Gold-Nuggets (Siegpunkt-Währung) ein, die meisten Zweier bekommen das Geld aus der Bank, ebenfalls eine Siegpunkt-Währung, die meisten Dreier kriegen Karten mit direkten Spiegpunkt-Zuteilungen, die meisten Vierer dürfen von Mitspielern Siegpunkt-Karten wieder wegnehmen, …
Die von Natur aus unberechenbaren Würfelmechanismen sind reichlich angereichert mit Zufalls- und Chaos-Effekten. Kassieren, wegnehmen, bestechen, betrügen und ärgern sind die wesentlichen Spielzüge. Problematisch ist die Würfelehrlichkeit (natürlich nicht bei uns): Beim Zusammenwürfeln der besten Kombinationen sind Taschenspielertricks unter dem Würfelbecher nicht zu kontrollieren, für ein reinrassiges Poker-Spiel eine problematische Angelegenheit.
Nach einer guten Hälfte der voraussichtlichen Spielzeit – verifizierbar an den übrig gebliebenen Gold-Nuggets – kam der Gedanke an einen Spielabbruch auf. Peter: “Nur weil es neu ist, brauchen wir es nicht bis zur bitteren Neige zu spielen”. Dieses Argument überzeugte.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (Dödelspiel, man muß einige Maß getrunken haben, um Spaß daran zu finden; dafür ist es dann aber wieder zu kompliziert), Günther: 5 (kein Kommentar), Loredana: 3 (“auf jeden Fall weniger als Bombay”), Peter: 4 (“ich würde schreien, wenn ich es nochmals spielen sollte”), Walter: 4 (nicht für mich).
3. “Zoff im Zoo”
Nach dem Spielabbruch war noch eine Menge Zeit für richtige Spiele. Peter bestand auf “Spielen, die ich kenne und schätze” und war auch gleich mit “Zoff im Zoo” bei der Hand. Aaron (mit Dice-Town-Kopfschmerzen) und Günther (“aus Prinzip”) waren dagegen. Doch als sich für keine der vorgeschlagenen Alternativen wie “Frage der Ähre”, “Byzanz” oder “Maori” eine Mehrheit fand, konnte sich Peter schließlich doch noch durchsetzen.
Das lustige Tier-Fress-Kartenspiel ist genauso chaotisch wie die anderen Spiele des heutigen Abends, aber wenigstens intelligent chaotisch. Deshalb bekam es bei uns schon vor geraumer Zeit gute 8,1 Punkte.
Keine neue WPG-Wertung.
4. “Bluff”
Peter hob im 3:4-Endspiel gegen Aaron auf 7 mal die Fünf. Gab es da noch eine Chance außer anzuzweifeln? Jawohl, Aaron fand noch einen Ausweg. Er legte einen zweiten Stern heraus, hob auf 4 mal den Stern und würfelte mit seinem letzten Würfel nach. – Einen Stern! Das war der Anfang vom Ende. Erfolgreich.
Keiner erwähnte sein sprichwörtliches Würfelpech.