Archiv der Kategorie: Spieleabende

16.06.2011: Nomaden im Westpark

Im Westpark sammelten sich ungezählte Freunde des Sternenhimmels, um bei Sekt und Kaviar das seltene Schauspiel einer totalen Mondfinsternis zu genießen. Auf der Terrasse am Westpark sammelten sich fünf Freunde vom Brettspiel, um bei Rotwein und Gummibärchen den wöchentlichen Spielabend zu absolvieren.
1. “Die Nomaden”
Der Spieleautor Maximilian Thiel („Macht$piele“) hat uns mal wieder beehrt und seine „Nomaden“ mitgebracht, die vor ca. einem Jahr bei uns gut angekommen sind, von den professionellen Verlegern aber nur unflätige Kommentare geerntet haben.
Jetzt ist es an vielen Stellen nach den Vorgaben der Profis überarbeitet worden. Es gibt noch keine gedruckte Spielregel, aber der Autor konnte sie natürlich aus dem ff mündlich darlegen. In 30 Minuten war er durch. Bei später nachgeschobenen Details gab es keinerlei Widersprüche, schließlich spielte Maximilian ja nicht mit, so dass pro-domo Verschiebungen ausgeschlossen waren.
Jeder Spieler führt immer noch ein Nomadenvolk über die Felder des Spielbretts und möchte mit ihm die siegpunktträchtigste Entwicklung hinlegen. Wir bewegen Häuptlinge, Familien, Clans und Stämme, besetzen Quellen, die uns verschiedenerlei Rohstoffe liefern, besetzen Märkte, auf denen wir Rohstoffe in passende Kombinationen tauschen, besetzen Entwicklungsfelder, in denen wir unser Volk qualitativ oder quantitativ erweitern können, und besetzen Aktionsfelder, in denen wir unseren Besitzstand in Siegpunkte umwandeln können.
Prototyp von Maximilian Thiels "Die Nomaden"Eine der Herausforderungen bei den „Nomaden“ sind die schlechten Jahreszeiten, in denen es keine Nahrung gibt. Entweder laufen wir mit allen unseren Familienmitgliedern diesen Jahreszeiten davon, oder wir besorgen uns in den fetten Monaten ausreichend Getreide, um damit die mageren Monate zu überstehen. Die ständige Flucht vor dem Winter läßt durchaus Nomadenstimmung aufkommen.
Wer meint, seine Leute ausreichend gut positioniert zu haben, beendet die Bewegungsphase und bekommt dafür den „Schamanen“. Mit diesem Privileg kann er die Erträge an ausgewählten Rohstoffquellen erhöhen bzw erniedrigen, oder er kann den Nahrungsbedarf innerhalb einer Jahreszeit modifizieren. Damit kommt ein bißchen Chaos in das ansonsten streng planbare Spiel: Wer sich gerade einen festen Zuwachs an Ziegen oder Kamelen ausgerechnet hat, muß dann bei einem miesnickelig plazierten Schamanen durch die Röhre schauen, oder der größere Hunger seiner Familienmitglieder frißt ihm die Siegpunkte vom Kopf.
Es gibt eine Menge zu beachten, um Rohstoffbesitz, Rohstofferwerb und Rohstoffbedarf an den ausgewählten Konvertierungsfeldern in die richtige Konstellation gebracht zu haben. Mehr als einmal konnte man auf der Terrasse am Westpark den Seufzer hören: „Ich habe mich wieder vertan.“
Aber heute ging es ja weniger um das Gewinnen, als viel mehr um konstruktive Kritik an einem Spiel in der Entwicklungsphase. Ja, ausgereift sind die Nomaden noch nicht. Hübsch ist das Thema mit dem Zwang zur Familien-Bewegung. Es dauerte aber mehr als die Hälfte der geplanten Rundenzahl, bis die Rohstoffquellen wirklich sprudelten und wir in unserer Entwicklung nicht mehr von der Hand in den Mund leben mußten. Dann kam Moritz mit seinem überlegen geplanten Spiel am besten aus den Startlöchern und entschwand mit seiner Nomaden-Familie in unerreichbare Ferne. Sollte im Spieldesign das frühzeitige Unerreichbar-Sein nicht vermieden werden?
Manche der progressivsten Spielelemente kamen überhaupt erst in der letzten Runde und nur bei wenigen Spielern zum Zug. Daran muß noch gedreht werden. Uns fielen auch einige gute Ideen dazu ein. Angefangen von einer verbesserten Startausstattung zu Spielbeginn bis zu Nahrungs- und Bewegungshandcaps bei den bevölkerungreichsten Familien. Maximilian fuhr mit einem ganzen Rucksack voller Verbesserungsvorschläge wieder nach Hause. Und mit einer gewissen Enttäuschung über den nicht unerheblichen Entwicklungs- und Balancierungsweg, den er noch zurücklegen muß.
Und mit einer Enttäuschung über seinen Freund Horst, der von den drei Stunden Spiel- und Diskussionszeit „total erschöpft“ war und zum ersten Mal am Westpark in der Stunde vor Mitternacht nach einer Tasse Kaffee verlangte.
Noch keine WPG-Wertung für ein Freak-Spiel mit Potential.
2. “Bluff”
Im ersten Spiel beim ersten Wurf hatte Moritz fünf (!) Sterne unter seinem Becher. Zum ersten Male in seinem Leben; zum ersten Male in unser aller Leben. Schließlich klappt das durchschnittlich nur alle 7776 mal. Und wenn wir pro Spielabend zwei Durchgänge Bluff spielen, dauert es etwa 80 Jahre, bis so ein Wurf zustande kommt.
Sein Super-Wurf half ihm aber nichts. Er mußte dafür trotzdem einen Würfel abgeben. Und mit ihm noch drei weitere Mitspieler!
Im zweiten Spiel hob Moritz beim ersten Wurf nach den Vorgaben 7 mal Fünf, 4 mal Stern, 8 mal Fünf und 9 mal Fünf auf 5 mal Stern. Das kostete ihn gleich alle seine fünf Würfel. Unter 25 Würfeln gab es keinen einzigen Stern. Wenn Excel richtig gerechnet hat, kommt das durchschnittlich etwa jedes 100ste mal vor. Dazu braucht man dann nur noch knapp ein Jahr wöchentliches Spielen.
Offen ist die Frage, wieviele Jahre man am Westpark „Bluff“ spielen muß, um im ersten Spiel 5 Sterne zu würfeln und im zweiten Spiel mit der Vorgabe 5 mal Stern gleich nach Hause gehen zu müssen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

08.06.2011: Himmlische Themen

Complete and finished – An English Lesson for All
No English dictionary has been able to explain the difference between the two words ‘complete’ and ‘finished’ in a way that’s so easy to understand. Some people say there is no difference between COMPLETE & FINISHED, but there is:
When you marry the right one, you are COMPLETE …
And when you marry the wrong one, you are FINISHED …
And when the right one catches you with the wrong one, you are COMPLETELY FINISHED !
1. “Luna”
Auf der Suche nach unserem Spiel des Monats Mai landeten wir bei „Luna“, das diesen Titel bereits im Februar dieses Jahre errungen hatte. Moritz war a priori einverstanden, klang der Titel doch nach Weltraum, Kampf und Abenteuer. War’s aber nicht. In „Luna“ notiert der Novize Stephanus in seinem Tagebuch, dass seine verehrte Mondpriesterin bald eine Nachfolgerin auswählen wird. Doch von dieser mystischen Andeutung ist im Spielverlauf keine Spur zu finden. In einem rein abstrakten „fiesligen und fummeligen“ (Aaron) Spiel schwimmen unsere Pöppel von Inseln zu Insel, bringen neue Pöppel ins Spiel („Missionierung“), setzen Holzklötzen („Kultstätten“) auf die verschiedenen Inseln, punkten auf der Prioritätenleiste („Priesterrat“) und lassen sich im Allerheiligsten Siegpunkte auszahlen.
Die zahllosen Spielelemente greifen sehr gut ineinander, sind sehr gut ausbalanciert und gewähren den Spielern einen großen Spielraum für verschiedenste langfristige Planungen. Bewegung und Sitzsamkeit, Häufelung und Verteilung, der Erste und der Letzte sein, alles hat zur richtigen Zeit seine Vorteile. Viele originelle Mechanismen sind hier verwoben. Doch Moritz fand zu recht: „Der Name ist verfehlt, das Spiel hat überhaupt keine thematische Handlung.“ Selbst das Regelheft schweigt sich im Grunde genommen darüber aus. Günther „fand dies ehrlich“. Poetisch kreativ ist es gewiß nicht. Oder vielleicht doch, und nur wir materialistischen Kalkulisten sind zu nüchtern, dies nachzuvollziehen?
Dafür machten wir uns reichlich männliche Illusionen, was wir alles mit der Mondpriesterin anstellen konnten. „Ich habe sie gehabt! Aber als Dritter!“ Das gibt immerhin noch einen Siegpunkt. Günther als erfahrener Selenit sicherte sich bei ihr gekonnt jeweils die Priorität. Und viele andere Privilegien. Mit seinem Punktevorsprung hätte er nicht nur die Mondpriesterin vernaschen können, sondern auch gleich die Nachfolgerin mit.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (alles funktioniert. Er ist allerdings zur Zeit mit spielerischen Optimierungsaufgaben dieser Art ziemlich überfüttert. Und er hat in letzter Zeit sehr viel „1830“ am Computer gespielt und so seine kritische Messlatte am Spiel der Spiele unerbittlich hochgeschraubt), Günther: 8 (bleibt), Moritz: 8 (originell und interessant), Walter: 8 (bleibt).
2. “Der Herr der Ringe – das Kartenspiel”
Ein Kooperationsspiel aus einer großen thematischen Vergangenheit mit einer großen kommerziellen Zukunft. Alle Mitspieler sind die „Guten“ und wir spielen im gemeinsamem Kampf gegen die vom Autor inszenierten „Bösen“ unsere uns zufällig ausgeteilten guten Karten (hoffentlich) koordiniert aus, um die zufällig gezogenen bösen Karten zu überstechen. Kämpfen, verteidigen, verwunden, heilen, erschöpfen und sterben sind die beherrschenden Aktionen.
Mehr als hundert verschiedenen Charaktere kommen zum Zug, alle haben unterschiedliche Effekte und Nebeneffekte, kosten Potenzpunkte, können zuschlagen, können Schläge einstecken, haben Verwundungspotential und Schattenpotenzen. Im angekündigten Expansionskonzept werden nach und nach hunderte weitere Charaktere auf den Markt kommen und die passionierten Rollenspieler jahrelang damit in Atem halten, sich die richtige Charakter-Mischung zusammenzustellen, um gegen die Monster-Anforderungen der Zukunft optimal gewappnet zu sein.
Schon die heute vorliegenden Karten-Eigenschaften und Attribute erfüllen die härtesten Anforderungen an „Euromechanismen“. Wobei Moritz bei dieser Feststellung ganz gewiß an Euro-Games und nicht an Euro-Drachmen gedacht hat.
Jawohl, die Karten sind ideenreich erfunden. Aber warum sollen eigentlich mehrere Spieler damit spielen, wenn hier eine Aufgabensequenz gestellt wird, die vom Prinzip her nur ein einzelner Kopf optimal bewältigen kann? Wo bleibt das Mehrkammern-Prinzip, wenn jeder eigenständige Mitspielergedanke im großen gemeinsamen Kampf nur kontraproduktiv sein kann? Aaron wollte zwar explizit „auch eine Heldin haben, die er einmal pro Runde erschöpfen durfte“. Für ihn persönlich machte es einen gewaltigen Unterschied, ob er oder ein andere Spieler diese Chance wahrnehmen durfte. Doch für das Überleben unserer Rasse war es unerheblich.
Und wie sieht es mit dem Thema aus? Für wen Aragorn eine Region in Spanien und Boromir ein russischer Astronaut ist, der findet im Kartenspiel „Herr der Ringe“ genauso wenig thematische Substanz wie unser Künstler auf dem Mond.
Spielzeit: Moritz hat nach eigenen Angaben ein Solitär-Spiel in 20 Minuten über die Bühne gebracht; im Quartett brauchten wir dazu 90 Minuten plus Erklärung. So lang kam uns das recht einfältige Einsteiger-Szenario auch vor. Nur Moritz hatte das Gefühl, es seien nur 20 Minuten vergangen.
WPG-Wertung: Moritz: 8. Die anderen enthielten sich der Stimme, weil das Spiel ihren Vorstellungen von einem „Spiel-Spiel“ einfach nicht entspricht.
3. “Bluff”
Moritz war mit einem Würfel im Endspiel gegen vier Würfel von Günther. Mit der Vorgabe 3 mal Vier setzte er Günther gleich das Messer auf die Brust. Günther legte eine Vier und einen Stern heraus, hob auf 4 mal die Vier und würfelte nach. Was sollte Moritz mit seiner einsamen Vier unter dem Becher anfangen? Beim Anzweifeln hatte er mit 2/3 Wahrscheinlichkeit, und beim Erhöhen sogar mit 8/9 Wahrscheinlichkeit verloren.
Manchmal spielt die Wirklichkeit allerdings gegen die stumpfsinnige Statistik. Auch in dieser Situation. Echt geil wäre es gewesen, wenn das schöpferische Genie die kühle Kalkulation in die Knie gezwungen hätte. Dagegen wäre es echt tragisch gewesen, wenn Moritz’ 3-mal-die-Vier-Vorgabe ein Bluff gewesen wäre.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Now the session-report is complete and I am finished.

01.06.2011: Gurken, Tiere und eine Stadt

Letzte Woche, auf dem Höhepunkt des Kesseltreibens gegen die spanischen Gurken als Auslöser der gefährlichen EHEC-Infektionen, war Aaron in Friesland und hat auf grünen Wiesen jede Menge glücklicher Kühen gesehen. Das Ergebnis seiner Beobachtungen veröffentlichte er in Facebook: „Ich hab im Internet Bilder gesehen, die würden erklären wie die Darmbakterien an die Gurken gekommen sind.“
Ein kommentierender Westparker konnte sich Aarons Einsichten nur via schmutziger Videos unter YouTube erklären. Honi soit qui mal y pense.
Heute ist es offiziell: die verdächtigten spanischen Produkte aus der Familie der Kürbisgewächse sind unschuldig.
1. “Caylus”
Vor fünf Jahren lag „Caylus“, unser absoluter Spitzenreiter in der WPG-Rangliste, zum letzten Mal auf dem Tisch. Neuling Horst war schon lange scharf auf diese Delikatesse, alle Altlinge stimmten dem Spielvorschlag freudig zu.
Peter durfte erklären und frohlockte sogleich als gewiefter Diplomat: „Man darf verhandeln!“ (In der vierten Spielphase, wenn es darum geht, den Vogt zu versetzen.) Horst erkannte das zugrundliegende Prinzip: „Verhandeln heißt Drohen“. Schuster Walter blieb bei seinen Leisten: „Ich verhandle nicht!“. Aaron bekam das Prädikat desjenigen, der seine ausgehandelten Versprechungen blitzschnell bricht. Für Moritz (abwesend) ist Verhandeln gleichbedeutend mit Bestimmen. Loredana verhandelt (nach eigenen Angaben) je nach Laune bzw. je nach Wein. (Über was auch immer!)
„Caylus“ ist nach wie vor ein geniales Glanzstück aus dem Hause Ystari. Unabhängig von den komplexen, aber doch leicht versteh- und erlernbaren vorzüglichen Spielmechanismen um den Aufbau von Gebäuden, die Bausteine, Geld, Gunst und im Endeffekt Siegpunkte einbringen, zeigen schon allein ein paar Randdetails die Handschrift des Meisters.

  • Der Startspieler wechselt nicht automatisch reihum, sondern er wird durch Investitionen gewonnen. Eine der vielen Aufgaben für eine wohlausgewogene Kosten-Nutzen-Analyse.
  • In der Hauptphase des Spiels haben die Spieler unterschiedlich viele Züge frei – solange sie sie bezahlen können. Diese Möglichkeit ist durch die freien Plätze auf dem Spielbrett sowie durch ein oberes Limit noch weiter begrenzt, so dass an keiner Stelle die Balance gefährdet ist.
  • Das Spielende ist flexibel und liegt in der Hand der Spieler. Damit kann man seine frei gewählte Siegpunkt-Strategie fördern. Wer auf mittelfristigen Gewinn ausgegangen ist und rechtzeitig gut gepunktet hat, kann durch ein schnelles Ende den langfristigen Strategen mit den möglichen Riesengewinnen am Schluß einen Strich durch die Rechnung machen.
  • Heute nahm das Spiel mal wieder einen ganz ungewöhnlichen Verlauf. Alle hatten sich sehr früh in der Schloßmauer engagiert und damit einen Großteil ihrer Baustein-Resourcen verpulvert. Anschließend zog sich das weitere Baugeschehen ziemlich langsam hin. Am Ende waren ingesamt nur zwei (!) grüne Wohnhäuser und nur ein einziges (!) blaues Luxusgebäude erbaut worden. Doch die daraus resultierenden 25 Siegpunkte reichten Loredana nicht für den Sieg. Aaron arbeitete auf ein schnelles Spielende hin, um sich den zweiten Platz zu sichern. Peter und Loreadana konnten ihr angesammeltes Potential nicht mehr nutzen. Eine einzige Runde länger hätte sie als Sieger gesehen. Aber so führte das komische Spiel auch zu einem seltenen Sieger mit einer eigentlich nur mäßigen Aus-dem-Bauch-heraus-Planung. Aber ihm war nahezu das ganze Spiel über das Startspielerprivileg zugestanden. Hier haben alle (anderen) Spieler sträflich geschlafen.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, auch wenn er sich wundert, warum er für die lange Spieldauer mit den repetitiven Abläufen soviele Punkte vergeben hat), Horst: 8 (stimmig, enormes Potential), Loredana 7 (früher 10, heute zunächst 6, aber vom Ehegatten noch um einen Punkt hochgeprügelt: zu lang, zu langweilig, lange Zeit ist nichts passiert.), Peter: 10 (bleibt), Walter: 9 (bleibt).
    2. “Zoff im Zoo”
    Ein schnelles Kartenspiel, gerade richtig zum Absacken nach den geistigen Hochflügen bei Caylus. Das Wissen um die „Wer-frißt-wen“-Reihenfolge im Tierreich sowie das Gedächtnis über das „Wer-hat-wen-schon-gefressen“ zum Auszählen der Kartenhände bei den Mitspielern sind der Schlüssel zum Sieg. – Neben einer gehörigen Portion Glück beim Austeilen der Karten.
    Keine neue WPG-Wertung.
    3. “Bluff”
    Neuer Rekord: Im ersten Spiel des ersten Durchgangs wurde Walter mit einem einzigen Streich alle seine Würfel los! Peter hatte mit einer hohen Bluff-Vorlage begonnen, Aaron und Horst hatten jeweils nachgewürfelt und Walter hatte beim Erhöhen auf insgesamt 11 Fünfen unter 25 Würfeln den Braten noch nicht gerochen.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    25.05.2011: Nominierte und vergessene Spiele

    Die Kandidaten für „Spiel des Jahres 2011“ sind nominiert. Die gemeinen Vielesspieler (lusor multiplex communis) sind zufrieden oder rümpfen wie gewöhnlich die Nase. Wir vom Westpark haben von den drei Top-Kandidaten immerhin schon zwei gespielt, das eine davon „cum laude“ und das andere „sin laude“. Falls das dritte das Rennen macht, wird es als Pflichtmenu bei uns wohl auch noch auf den Tisch kommen, ansonsten eher nicht.
    Der auf der Spiel-2010 in Essen sehr populäre Spitzenreiter „7 Wonders“ hat es in der Kategorie „Kennerspiel“ bis in die Runde der letzten Drei geschafft. Anerkennenswert von der Jury, dass sie jetzt diese neue Kategorie eingerichtet haben, in der auch anspruchsvollere Spieler sich wiederfinden können. (Hallo Wilhelm, du darfst Dich mit deiner Klientel natürlich in jeder der beiden Kammern tummeln.)
    Unser Leicht-locker-komplex-Favorit „Pantheon“ ist ganz durchgefallen. Vielleicht war er zu spät dran, vielleicht ist er aber auch im Spielablauf zu chaotisch, oder vielleicht war die ausufernde Balance gegen Spielende für kritische Analysten nicht mehr akzeptabel.
    1. “Merkator”
    Wir reisen als Kaufleute durch Europa, liefern an den verschiedenen Handelsplätzen wohldefinierte Warensortimente gegen Geld und Siegpunkte ab, säckeln die dort herumliegenden Handelswaren kostenlos ein, und bringen sie in unseren Kontor, um sie beim nächsten Zug von dort wiederum gebündelt in Aufrägen an anderen Zielorten abzuliefern.
    Es ist eine scharfe Optimierungsaufgabe, bei der wir viele Mechanismen im Auge behalten müssen:

  • Auf dem Spielbrett liegen an den verschiedenen Orten in der Menge stetig anwachsende Handelswaren einer Sorte herum, bis sie mit einem Schlag von einem der Spieler abgeräumt werden.
  • Das Sortiment der Waren im eigenen Kontor muß mit dem Warensortiment gemäß den individuellen Aufträge, die ein jeder Spieler zu erfüllen hat, in Einklang gebracht werden.
  • Für einzelne Handelsplätze besitzt ein Spieler individuelle Bonuskarten zum Einheimsen für kostenlose Zusatzwaren; diese sollten mit Priorität angefahren werden.
  • Den Gelderlös kann man zum Erwerb von Siegpunktkarten einsetzen, um damit in der Schlußwertung den eigenen Besitzstand nach verschiedenen Kriterien in Siegpunkte umwandeln zu können. In der Anfangsphase des Spiels kann / sollte man damit aber auch Bonuskarten erwerben, damit man bei Anfahren der entsprechenden Handelsplätze die Zusatzwaren einsäckeln kann.
  • Man kann sich bei den Handelsreisen der Mitspieler als Trittbrettfahrer betätigen. Das kostet ein paar „Zeitmarken“ und bringt auch keine der herumliegenden Handelswaren ein, aber es erfüllt Aufträge für Geld und Siegpunkte.
  • So gilt es eine ganze Reihe von kurzfristigen bis mittelfristigen Alternativen abzuwägen. Eingebaut in “Merkator” sind auch ein paar sanfte Zufallseffekte: Die Aufträge, die ein jeder abwickeln muß, sind nahezu zu 100 Prozent vom Zufall gesteuert, und das Angebot an Siegpunktkarten kann, besonders in der Schlußphase, optimal zu den eigenen Mitteln passen oder halt auch eine gewisse Verlustleistung unvermeidlich machen. Als Spieler haben wir keinen entscheidenen Einfluß darauf. Unser Großhandelsexperte Horst fand hier das Glück des Tüchtigen: Mit seinem letzten Pfennig konnte er sich gerade noch die Siegpunktkarte kaufen, die ihn von einer umkämpften Führungsposition auf den unumstrittenen Siegesplatz emporhievte.
    WPG-Wertung: Günther: 6 (wünschte mehr Einfluß auf die Aufträge, die man erledigen muß), Horst: 7 (vor dem anschließenden „Pantheon“ waren es noch 8, „hat sehr viel Spaß gemacht, nicht schweißtreibend, mit 1 ½ Stunden passend in der Spieldauer, kann man einfach drauf los spielen“), Walter: 7 (funktioniert, enthält aber zu wenig Interaktion)
    2. “Die Goldene Stadt”
    Horst hatte sich gewissenhaft auf dieses Spiel vorbereitet, doch als wir es anfangen wollten, hatte er leider das Regelheft zu Hause vergessen. Lange Gesichter.
    3. “Pantheon”
    Hat schon mehrmals auf unserem Tisch gelegen, so dass wir uns einen ausführlichen Session-Report ersparen und uns auf eine verlängerte Nachtruhe freuen konnten.
    Walter versuchte sich in Moritz’ Säulenstrategie. Durch einen unglücklich-glücklich gemischten Kartenstapel fielen ihm die Bewegungskarten nur so vor die Füße. Nur ein krasser Spielfehler (Geld in Bewegungen anstatt in Säulen investiert) verhinderte die 12. Säule und ließen ihm 15 Siegpunkte (48 minus 33) durch die Lappen gehen. Doch auch so hätte es nicht zum Sieg gereicht. Günther fuhr die Götterstrategie und konnte sich in den letzten beiden Runden nahezu alle Götter unter den Nagel reißen. Das reichte mit einem großen Vorsprung für den Sieg.
    Wahrscheinlich sind bei jeder Spieleranzahl die Siegesstrategien anders. Schließlich gibt es dann jeweils unterschiedliche Konkurrenzen bei den siegpunktträchtigen Dominanzen. Planbar, spielerisch, mit jeder Menge Interaktion beim Wettlauf um die siegpunktträchtigsten Züge ist „Pantheon“ allemal. Nur die extrem gestiegen Auswahlmöglichkeiten am Ende mit ihren rasanten Bewegungen und Doppelzügen sind etwas problematisch. Einerseits schaffen sie ein schnelles Spielende herbei (plus), andererseits kann der allerletzte Zug nochmals leicht über 10 Prozent der Siegpunkte entscheiden (minus) und öffnet damit einer Menge chaotischer Unberechenbarkeit Tor und Tür.
    WPG-Wertung: Horst setzte sich mit 8 Punkten zur Mehrheit der übrigen Westparker.
    “Fussball”
    Wir gratulieren der Borussia von Mönchenglattbach und ihrem Trainer Lucien Favre für die erfolgreiche Krönung ihrer spektakuläre Aufholjagd um den Klasseninhalt in der Bundesliga.

    18.05.2011: Zerfallende Inseln und verlustreiche Eisenbahnen

    Birgit hat erstmals ihren Frischling Sebastian der Mutter überlassen und sich mit Horst in die Spielhölle am Westpark gewagt. Aber nur knapp drei Stunden lang. Dann hat sich das Junge-Mutter-Herz doch durchgesetzt und sie hat die Hölle den vier Knaben überlassen. Schön wars mit Dir. Viele Grüße an Mutter und Kind.

    Pokal
    Der "Verbotene Insel" Spezial Eisbecher

    1. “Die verbotene Insel”
    „Ein Team, ein Abenteuer, ein Ziel“ heißt es plakativ in der Spielanleitung. Mit dem Slogan „Erlebe das Abenteuer, wenn du dich traust“ werden wir Unbedürfigen hinter dem warmen Ofen hervorgelockt. Auf die „verbotene Insel, die jahrhundertelang unentdeckt blieb … bis jetzt.“ Da darf der Unbedürftige doch mal kritisch hinterfragen, wer eine unentdeckte Insel verbietet, und wie er das Verbot durchsetzt.
    Nun ja, Papier ist geduldig. „Die verbotene Insel“ ist schlichtweg eine Ansammlung von quadratischen Teilchen, von denen per Zufallskarten ausgewählt wird, welches zuerst flutet und dann untergeht. Wir Spieler sind ein kooperierendes Team, das sich über die Insel bewegt, zufällig verteilte Artefaktekarten findet, um sie zu Quartetten zusammenzutragen, und dazwischen emsig damit beschäftigt ist, die Inselteile wieder trocken zu legen, bevor sie endgültig versinken.
    In unserer Runde war die Natur stärker als der Geist: Bevor wir die vier Artefakte-Quartette zusammen hatten, war ein lebenwichtiges Inselteil untergegangen und wir konnten die Team-Aufgabe nicht mehr zu erfüllen.
    Vielleicht sind wir nicht optimal vorgegangen. Vielleicht haben wir unseren Aktionsspielraum mit dem Retten weniger essentieller Teile vergeudet und nicht immer das Allernotwendigste zuerst getan. Doch dafür müßte man die Eigenschaften und Abhängigkeiten der verschiedenen Quadrate eingehender studieren und sich in der Reihenfolge (und im Unterlassen) der durchzuführenden Aktionen der Teammitglieder einen exakten Plan zurechtlegen. Das kann man aber am besten in der Solitärversion tun, wenn man sich hinter den warmen Ofen verkriecht und dort die optimale Lösung ergrübelt. Viel Spaß!
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel ist schnell), Birgit: 4 (Thema verfehlt; es geht nur um ein ständiges Drehen und Wenden der Insel-Quadrate), Günther: 4 (“Pandemie” ist besser), Horst: 7 (eher eine Beschäftigung als ein Spiel), Walter:5 (solange noch unbekannt ist, welches die optimale Vorgehensweise ist, anschließend weniger).

    2. “Trias”
    Schon bald zehn Jahre alt ist dieses Spiel um eine zerfallende Insel, und durchschnittlich alle 4 Jahre kam es bisher einmal bei uns auf den Tisch.
    Wir weiden unsere Herden auf den Hexagons der Insel, lassen sie sich vermehren und über die Insel ausbreiten. Dies geht absolut friedlich vor sich, hier gibt es keinen Kampf auf Leben und Tod um Weideplätze oder Überleben: wenn die Kapazität eines Hexagons erreicht ist, darf man sich darauf weder vermehren noch dürfen fremde Spieler durchziehen oder gar Stunk machen.
    Allerdings darf bzw. muß pro Zug jeder Spieler auch noch ein relativ frei wählbares Insel-Hexagon versetzen. Damit kommt die Aggression ins Spiel: Die Herden auf dem Hexagon fallen ins Wasser und müssen von dem jeweiligen Herdenbesitzer explizit auf Nachbarhexagons gerettet werden, wenn sie nicht untergehen sollen. Reichlich Stoff für spielerische Freude und Schadenfreude.
    Wird durch das Versetzen eines Hexagons ein Inselstück vom Rest abgetrennt, kommt es zu einer Zwischenwertung: Wer auf der neu entstandenen Insel die Herdenmehrheit hat, bekommt Siegpunkte: zwei Punkte, unabhängig von der Größe der entstandenen Insel. In der Schlußwertung bekommt jeder Spieler nochmals einen Siegpunkte für jedes Hexagon jeder Insel, auf der er eine Mehrheit hat.
    Um zu gewinnen, muß man also nicht die größte Herde bis zum Spielende hochgezogen haben, sondern man muß während des Spiels viele – notwendigerweise kleine – Inseln mit eigenen Mehrheiten entstehen lassen und man muß am Ende des Spiels auf möglichst großen Inseln mit Mehrheit vertreten sein. Keine leichte Aufgabe und geometrische bzw. topologische Übersicht ist zweifellos eine nützliche intellektuelle Voraussetzung. Doch in jedem Fall dominiert eine spielerische Grundstimmung. Hübsch.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, obwohl er unter Kartenpech gelitten hat und nicht diejenigen Hexagons versetzen konnte, nach denen er gelüstet hat), Birgit: 7 („viel zu tüfteln“ – War das jetzt gut oder schlecht?), Günther: 8 (bleibt), Horst: 7 (7 plus, solides Spiel, aber er vermißt die Würfel), Walter: 8 (spielerisch, große Interaktion, große Handlungsfreiheit).

    3. “First Train to Nürnberg”
    First Train to NürnbergWenn, nach Regelheft, “vor 175 Jahren die ersten Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde”, wann kam dann „First Train to Nürnberg“ auf den Markt? Richtig, letztes Jahr in Essen war es eines der hoch gehandelten Favoriten. Vom International-Games-Award-Preisträger Martin Wallace.
    Das Spielbrett zeigt die Landkarte zwischen Nürnberg und Fürth mit Grundstücken, Grundstückseigentümern, roten und grünen Passagieren, mit gelben Postsäcken und grauen Bierkästen. Wir bauen Eisenbahngleise über die verschiedenen Grundstücke (sofern darauf Grundstückseigentümer darauf herumlaufen, müssen wir die erst enteignen), kaufen Züge mit variabler Kapazität für Personen und Güter, und transportieren die Personen bzw. Güter, die am Wege liegen, zum Bestimmungsort. Für den erfolgreichen Transport bekommen wir Siegpunkte, müssen sie aber am Ende gegen die Größe unseres Eisenbahnnetzes verrechnen. Wenig Netto vom Brutto! Zum Sieg ist es also äußerst wichtig, unser Privatnetz rechtzeitig an die staatliche Eisenbahnverwaltung übertragen zu haben. Am besten tut man das jeweils gleich am Ende jeder Runde.
    Das Herzstück des Spiels ist die Versteigerung von Einflußpunkten, die in fünf verschiedenen Kategorien benötigt werden:

  • Priorität beim Bauen von Eisenbahnstrecken
  • Priorität beim Kaufen von Zügen und beim Transport
  • Potential zum Verbinden und Auflösen grüner Zugverbindungen
  • Potential zum Verbinden und Auflösen roter Zugverbindungen
  • Potential zum Enteignen von Grundstückseigentümern
  • Alle Kategorien sind wichtig, doch was am wichtigsten ist, wo wir am meisten punkten können, wo wir unsere Konkurrenten am stärksten schädigen oder uns am ehesten gegen deren Angriffe schützen können, ist nicht leicht zu erkennen. Hier ist das Spiel zweifellos komplex, obwohl die Regeln recht einfach und durchsichtig sind. Wir sind abhängig von den Ambitionen und Aktionen der Mitspieler, allerdings nicht in einem unberechenbaren Chaos, sondern in einem geplanten bzw. planbaren Im-Weg-Stehen. Wer zuerst Züge kaufen darf, kann sich die optimale Kombination von Passagier- bzw. Warenkapazität heraussuchen; die Nachfolger müssen hier ggf. mit Transporteinbußen leben. Wer zuerst seine Züge beladen darf, kann sich die knappe Fracht unter den Nagel reißen, die Nachfolgen gehen u.U. sogar ganz leer aus.
    In meinen Augen hat das Spiel hier allerdings einen Geburtsfehler: Das Verkehrsaufkommen ist nicht progressiv, sondern degressiv: Wenn die zu Spielbeginn auf dem Spielbrett verteilten Passagiere und Waren ihr Zeit erreicht haben, sind sie weg, und das Spielbrett wird leerer und leerer. Am Ende entsteht ein Gerangel um den letzten zu transportierenden Passagier.
    Freilich, es geht nicht darum, am Ende das größte Netz mit den besten Transportmöglichkeiten zu besitzen, sondern seine Gleise möglichst wieder alle losgeworden zu sein, und während des Spiel den besten Mix von Transportaufgaben erfüllt zu haben. Da muß man von Anfang an den richtigen Peil haben und die richtigen Weichen stellen. Fehlertolerant ist „First Train to Nürnberg“ nicht. Wer nicht den gesamten Spielablauf – einschließlich der spärlichen Einkommen am Ende – mehr oder weniger ständig im Auge hat, gerät ins Abseits. Aber das darf man dem Spiel nicht ankreiden. Es geht schließlich eher um Blut, Schweiß und Tränen als um Spaß an der Freud.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (die 2 Stunden Spielzeit vergingen ihm wie im Flug, nur den Schluß fand er “sehr unbefriedigend”), Günther: 5 (es funktioniert), Horst: 5 (fummelig und popelig), Walter: 5 (spielerische Elemente fehlen).

    11.05.2011: PI-mal-Daumen Widerstand in der Kingsburg

    Unsere Spielabende gehen gewöhnlich zwischen Mitternacht und 2 Uhr früh zu Ende. Manchmal folgt danach noch ein Palaver über die aktuellen Themen der Menschheit. Anschließend setzt sich Walter an den Computer und schreibt das Session-Protokoll. Zwischen 3 und 4 steht es im Internet. Am nächsten Morgen nimmt sich Aaron das Korrekturlesen vor und hängt ggf. ein Foto hinein. Zu dieser Zeit haben bereits 20 unserer Stammleser den Artikel gelesen. 200 Leser sind es gewöhnlich in der ersten Woche und mehr als 2000 im Laufe der Jahre.
    Hallo Birgit, viel Spaß beim Frühlesen! Komm doch mal wieder selber vorbei!
    1. “The Resistance”
    Ein Deduktionsspiel, bei dem jeder Spieler verdeckt eine „gute“ oder „böse“ Rolle zugeteilt bekommt. Die Bösen kennen sich gegenseitig (und dementsprechend die anderen), jeder Gute kennt nur seine eigene Rolle.
    Jetzt stellt der jeweilige Kommandant Teams für (virtuelle) Missionen auf und alle Mitspieler müssen mehrheitlich offen der Teamzusammensetzung zustimmen. Bei Ablehnung erfolgt ein Wechsel auf dem Kommandantenplatz, der ein neues Team aufstellen muß.
    Hat die Teamzusammensetzung eine Mehrheit gefunden, stimmen die Teammitglieder (nur noch diese) geheim ab, ob die Mission erfolgreich ist oder nicht. Eine einzige Gegenstimme läßt die Mission scheitern. Sind drei von fünf Missionen gescheitert, haben die Bösen gewonnen, andernfalls die Guten.
    Das Bestreben der Guten muß es sein, Teams mit nur Guten auf die Reise zu schicken und gegen alle Teams zu stimmen, bei denen vermutlich mindestens ein Böser dabei ist. Doch das „Vermutlich“ heißt natürlich, nix Genaues weiß man nicht, zumindest am Anfang. Die Bösen müssen möglichst lange unentdeckt bleiben, sonst haben sie schnurstracks verloren.
    Wenn – zufällig – zwei Gute die erste 2-er Mission absolvieren, dann ist die Mission zu 100% erfolgreich. Ist umgekehrt die erste 2er Mission erfolgreich, so heißt das aber noch lange nicht, dass zu 100% zwei Gute dabei waren. Ein Böser in der ersten Mission muß sich verleugnen, sonst haben die Bösen keine Chance.
    Moritz litt unter seinem Spiel-Ruf als Immer-Böser. Obwohl in den Teams mit seiner Beteiligung alle Indikatoren dafür sprachen, dass er ein Guter ist, wurde ihm diese Rolle nicht abgenommen. Das war diesmal (ausnahmsweise) falsch und die Guten verloren die entscheidende fünfte und letzte Mission.
    Ansonsten haben bei 5 Mitspielern die Bösen keine Chance. Dieser Behauptung von Walter wurde zwar genauso heftig wiedersprochen wie seiner Goliath-Gewinnstrategie beim Bluff. Doch ist sie genauso richtig. Oder falsch.
    Bei mehr als 5 Mitspielern (Minimalanzahl!) mögen sich die Gewinnaussichten verschieben. Hoffentlich. Dann ist das Spiel auch nicht mehr so eingleisig durchsichtig. Immerhin können sich bis zu 10 Spieler hieran vergnügen.
    WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 6, Horst: 7, Moritz: 8, Walter: 6 (triviales Dödelspiel).
    2. “Kingsburg”
    Heute in einer 5er Runde. Und mit den neuesten Expansions.
    Die Spielbrett-Modifikationen wurden verworfen. Bei unserem Erfahrungsstand sind die aktuellen Spielbretter kompliziert genug. Wir akzeptierten die Spezialregel für die regionale Vorausscheidung zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel 2009: In der Kampfphase wird die königliche Unterstützung nicht erwürfelt, sondern jeder Spieler fordert dafür Soldaten in den Mannschaftsstärke 0 bis 4 an. Die bei Spielende nicht angeforderte Mannschaftsstärke wird als Siegpunkte gutgeschrieben. Damit wird der erhebliche Zufallsanteil beim – u.U. sehr peinlichen – Ausgang der Kampfphase eingeschränkt.
    Als zweite Erweiterungsoption bekam jeder eine Startkarte mit einem individuellen Vorteil zugeteilt. Entweder materielle Vorteile zu Spielbeginn, oder zusätzliche Handlungsfreiheiten bzw. Würfelmanipulationsmöglichkeiten während des Spiels.
    Ansonsten würfelten wir wie gehabt um Rohstoffe, Kampfstärken und Siegpunkte. Mit den Rohstoffen bauten wir Gebäude mit Vorteilen in Rohstoffen, Kampfstärken oder Würfelmanipulationen. Und immer mal wieder setzte es Siegpunkte.
    Das größte Problem in einer 5er-Runde ist das Ausrechnen, welche Würfelkombinationen JEDER Mitspieler mit seinen 3-4 Würfeln, seinen Würfelbonus-Plättchen und seinen Würfelmodifiern hat, und welche Felder er demnach besetzen könnte. Da jedes Feld nur einmal besetzt werden kann, ist es natürlich spielentscheidend, die begehrtesten Plätze als Erster zu nutzen. Im Prinzip die einzige Interaktion im Spiel.
    Das bewirkt natürlich eine lästig-lange Auszeit bei den Mitspielern. Walter hatte keine Probleme, ohne nennenswerte Spielverzögerung Fotos aufzunehmen, sie auf dem Rechner seiner Frau runterzuladen, per USB-Stick auf seinen eigenen Rechner zu übertragen und dort zu bearbeiten. Trotzdem kam dieses Verhalten nicht gut an. Nun ja, nicht immer ist die Schwiegermutter zu Besuch und schläft im Computerzimmer der Ehefrau.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (fand das Aufbauspiel „öde“ und die Auszeiten „katastrophal“; vielleicht sollten die Autoren mal Moritz Podcast über „Gaining Speed“ etwas genauer studieren.), Günther: 7 (mag diese Spiele), Horst: 8 („hoher Wiederspielreiz“), Moritz: 7 (bleibt), Walter: 7 (honoriert die ungeheure Entwicklungsarbeit der Autoren für eine erfolgreiche Balance der verschiedenen Bonusfelder und Entwicklungslinien für verschiedenste opportunistische Strategien.)
    3. “PI mal Daumen”
    In einem (ziemlich) trockenen Wissenspiel liest reihum jeder Spieler eine Wissenfrage von einem Kärtchen vor, deren Ergebnis eine Zahl ist. Z.B. „Wieviel Volt kann ein Aal erzeugen“ oder „Wieviel mal dicker ist die Haut an den Fußsohlen als die Vorhaut.“ Der dem Frager im Uhrzeigersinn folgende Spieler darf die erste Antwort geben. Ist sie innerhalb definierter Grenzen richtig, bekommt der Antwortende 6 Pluspunkte und der nächste Spieler darf das nächste Frage-Kärtchen vorlesen. Ist die Antwort nicht richtig, gibt es je nach Abweichung von der Standardantwort 0 bis 5 Punkte und der nächste Spieler darf versuchen, eine bessere Antwort zu geben. Das geht solange, bis jeder einmal antworten durfte oder die Reihe wieder beim Vorleser angelangt ist.
    Aaron fühlte sich als erster Gefragter „verarscht“. Horst, der noch an Aarons 4 Kingsburg-Punkten schwer knabberte, forderte ihn genervt auf: „Sag doch mal was Positives!“ Spontane Reaktion: „Ich finde es total klasse!“ Hallo Horst, bist Du mit dieser Antwort immer noch nicht zufrieden?
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („es fehlt ein Bluff-Faktor“), Günther: 4 (von einem spielerischen Allesfresser heißt das schon was!), Horst: 8 („schon allein für die Eltern von der Birgit“), Moritz: 4 („spielerisch nicht überzeugend“), Walter: 4 („nicht witzig, nicht ausgewogen in der Fragestellung“).
    Das Genie Moritz war deutlich unterfordert. Um sich mental auszulasten nahm er seinen iPhone vor und wickelte zwischen den Fragen und Antworten der Mitspieler simultan eine Partie Online-Carcassonne ab. Allerdings nicht so einpassungsneutral, wie es erforderlich war. Sein Gehirn hätte das sicherlich noch leicht verkraftet, aber nicht seine Ohren. Regelmäßig mußte er sich die Fragen und die bisherigen Zwischenantworten wiederholen lassen.
    Das Femegericht hat ihm dafür hinterher einstimmig eine gelbe Karte verpaßt!
    4. “Bluff”
    Nach dem geistlichen Absacker war noch Bedarf nach einem körperlichen Absacker.
    Im ersten Endspiel hätte Horst fast sein Husasenstück von letzter Woche wiederholt und mittels seiner Stern-Bluff-Technik aus einem 1:4-Rückstand noch einen Sieg gemacht. Doch beim Stand von 1:1 stach ihn der Hafer. Selbst mit einem vorzüglichen Fünfer unter dem Becher fing er mit 1 mal Stern an. Das brach ihm den Hals.
    Es bleibt die psychologische Frage, warum die Sterne-Bluffs allgemein so gerne geglaubt werden?
    Das zweite Endspiel bestritt Walter mit 3 Würfeln gegen drei 1-Würfel-Spieler. Sein Gebot von 2 mal Stern brachte alle drei Armhälse mit einem Streich ins Grab.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    04.05.2011: Cuba und andere große Fische

    Fliegende Panzer in Flugverbotszonen, Privatvillen als Kommandozentralen, Lynchjustiz aus Notwehr, mörderische Mitfreuden unter christlicher Führung, Meerbestattung als Entsorgung, das waren die thematischen Schlagwörter nach dem Absacken.
    Ach laßt uns doch lieber die Augen zu machen und spielen!
    1. “Cuba”
    Wir befinden uns auf der Zuckerinsel noch vor der Revolution. Wir lassen muskulöse Arbeiter darin werkeln, um Baustoffe (Wasser, Holz und Stein) für unsere Plantagen herzustellen, wir bringen unsere Rohstoffe (Tabak, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte) von attraktiven Händlerinnen zum Markt, um damit Geld zu machen. Wir lassen uns von hemdsärmeligen Architekten Fabriken bauen, in denen unsere wohlgeformten Vorarbeiter für die Veredelung unserer Rohstoffe (zu Rum und Zigarren) sorgen. Und unsere smarten Bürgermeister lassen die Waren zu den Schiffen im Hafen bringen und streichen die Siegpunkt-Erlöse ein.
    Dazwischen beeinflussen wir die Gesetzgebung, um auf unsere eigenen Resourcen und Besitztümer größere staatliche Subventionen zu lenken als auf die unserer Konkurrenten.
    Der Ablauf ist im Prinzip (natürlich nicht in den Details) ähnlich wir bei den „Burgen von Burgund“: Im Schweiße unseres Angesichtes müssen wir uns den Siegpunktsegen erarbeiten. Komplex, kompliziert und funktionell. Eine stimmige neue Kombination von vorhandenen bewährten Mechanismen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viele fummelige Elemente), Günther: 7 (man braucht viel Erfahrung, um die Wirkungsweise und die optimale Position der verschiedenen Fabriken zum Umwandeln von Baustoffen und Rohstoffen in Produkte und Siegpunkte zu verstehen und zu beherrschen), Horst: 8 (hat das Spiel schon 4 mal gespielt, spielt es aber immer noch aus dem Bauch einfach drauflos), Walter: 7 (die Abläufe, vor allem bei der Konkurrenz, sind klarer vorhersehbar als bei den „Burgen“, insofern ist „Cuba“ planbarer. Wenn man es versteht.)
    2. “Trawler”
    Trawler PrototypAaron’s Eigenbau „Trawler“ hat mal wieder einen Reifegrad erreicht, der unter die Lupe genommen werden sollte. Schon die Schachtel, der Spielplan und das Material sahen so hübsch und professionell aus, dass Walter gleich den Prototyp-Status vergaß und gleich mit ergonomischen Verbesserungsvorschlägen ankam. Doch Aaron wehrte ab: „Bitte redet mir nicht über das Spielmaterial!“
    Wir sind Fischer, schicken unsere Trawler auf Fischfang aus, erfüllen mit vorgeschriebenen Mengen an Krabben, Schollen oder Heringen unsere Lieferaufträge, verkaufen den überschüssigen Fang auf dem Markt, um mit dem Gelderlös unsere Flotte aufzurüsten, und versuchen bei all diesen Aktivitäten, möglichst viele Siegpunkte auf unser Konto zu bringen.
    Die Konkurrenz ist groß, besonders die Fanggebiete in der Umgebung des Fischereihafens sind im Nu leergefischt. Wir müssen sehr schnell die Reichweite unserer Schiffe ausbauen, damit wir mit ihnen überhaupt noch ein Fischlein nach Hause bringen können.
    Der Startspieler hat gewaltige Vorteile. Manchmal kann nur er noch mit seinem kleineren Kutter eine Beute einfahren; die anderen Spieler sollten in solchen Runden besser ihre Boote zur Aufrüstung in die Werft bringen,wenn sie sich nicht mit dem harten Brot von Hafenrundfahrten über Wasser halten wollen. Natürlich wechselt die Startspielerrolle reihum, und über jeden ergießt sich einmal ihr Füllhorn. Und natürlich kann man auch vorausrechnen, wann das sein wird, und seine Planungen entsprechend darauf einrichten. Doch krass ist dieser Effekt allemal.
    Auch die anderen Spielelemente prasseln ziemlich brutal auf die Spieler herab. Wenn alle Dockplätze belegt sind, gibt es kein Aufrüsten, wenn die Hafenrundfahrten ausgebucht sind, bleibt das Schiffspersonal selbst von diesem Hartz-IV-Einkommen ausgeschlossen; wenn am – immer engen – Markt der letzte Hering verkauft ist, können wir evtl. unsere Lieferaufträge nicht erfüllen und müssen mindestens eine Runde länger auf neue Liquidität warten, was u.U. unseren Entwicklungszeitplan gewaltig durckkreuzen kann.
    Doch wenn man sich erst einmal an diese krassen Elemente gewöhnt hat, dann zeigt sich die Farbigkeit des Gesamt-Designs. Alle Elemente funktionieren. Man darf nicht alles auf eine Karte setzen, sondern muß mit Augenmaß die verschiedenen notwendigen Schritte tun, um flüssig zu bleiben, eine wohlproportionierte Fischereiflotte zu besitzen, reiche Fanggründe zu erreichen und in der Summe die lohnendsten Lieferaufträge zu erfüllen.
    Dabei geht das alles sehr flott über die Bühne. Grade fangen wir an, in Geld und Flotte zu schwelgen, sind die Aufträge auch schon alle vergeben und das Spielende erreicht. Es braucht nur noch an wenigen Stellschrauben minimal gedreht werden, und wir haben ein rundes neues Spiel vor uns, das mit seinen schnellen, klaren und doch überraschenden Spielzügen gefällt bis entzückt.
    Noch keine WPG-Wertung für diese Entwicklungsphase.
    3. “Great Western”
    Great Western - Spielbox EditionDer April-Ausgabe der „Spielbox“ lag dieses erste Spiel der “spielbox Wallace Edition” bei: zwei Papierseiten mit einer Landkarte von Südengland, auf der wir Eisenbahnstrecken bauen, Städteverbindungen herstellen und damit Siegpunkte einheimsen.
    Der Spielablauf ist ganz einfach:
    Pro Runde wird pro Spieler ein Zug zum Einsatz gebracht. Die Züge haben unterschiedliche Wertigkeit, die durch Würfel ermittelt wird: die mickrigsten Züge bringen gerade mal 0 (Null!) bis 1 „Marker“ (Währungseinheit) ein, die üppigsten Züge erlauben einen stolzen Ausbau zu siegpunktträchtigen Strecken.
    Die Züge werden versteigert, Geld ist knapp. “Keep fully invested” ist sicherlich eine gute Devise, denn je mehr Städte man bereits verbunden hat, desto höher sind die rundlichen Einnahmen. Wer am Ende in Summe die lukrativsten Städte verbunden hat, ist Sieger.
    Horst konnte sich – mehr oder weniger unfreiwillig – in den ersten Runden eine ganze Reihe billiger Städte südöstlich von London zulegen und hatte ständig die höchsten Rundeneinnahmen. Er konnte auch noch einen großen Satz von Portsmouth nach Yeovil tun, um auch im Westen Cornwalls mitzumischen. Damit sah er wie der sichere Sieger aus. Doch mit dem letzten Satz hatte er sich total verausgabt; in der anschließend notwendigen pekuniären Erholungspause wurde er von der weiteren Entwicklung nach Westen abgesperrt und konnte nur noch ohne weiteren Zugewinn vor sich hindümpeln.
    Walter hatte – teils geplant, teils notgedrungen, teils zufällig – die Verbindung Swindon – Gloucester herstellen können und war damit unversehens in den Besitz des alleinigen Zugangs zur Krösus-Strecke nach Port Taliban gelangt. Während die Mitspieler mit langen Gesichtern das Auswürfeln der restlichen Züge abwarten mußten, ohne selber noch ins Geschehen eingreifen zu können, konnte Walter entspannt auf die Vollendung der Verbindung zu den letzten vier Städte warten, die sein Siegpunktpolster verdoppelte. Wir verzichteten auf das bittere Ende.
    Peters übliche, etwas bösartige Einschätzung von Wallace’ Design-Technik war diesmal vollauf berechtigt: Einige hübsche Ideen, die aber in der Realisierung ein erhebliches Feintuning vermissen lassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5, Horst: 5, Walter: 6.
    4. “Bluff”
    Horst kämpfte als David mit einem einzigen Würfel im Endspiel gegen die vier Würfel vom Goliath Günther.
    Seine erste Vorgabe: 2 mal die Eins. Günther hatte selber 2 Einsen, 1 mal die Drei und 1 mal die Fünf unter dem Becher. Anstelle mit dem logischen Goliath-Konter, 3 mal die Eins, den Sack zu zu machen, wollte er lieber einen eleganten Bluff-Sieg hinlegen und erhöhte auf 2 mal die Fünf. Horst hatte keine andere Chance als anzuzuweifeln und verkürzte so auf 1:3.
    Seine zweite Vorgabe: 1 mal die Fünf. Günther hatte eine Fünf und einen Viererpasch unter dem Becher und fürchtete sich sowohl vor der logischen Goliath-Ansage 2 mal die Vier wie auch vor dem Risiko-Gebot 2 mal die Fünf. Sein abwartendes Zwischengebot von 1 mal Stern wurde von Horst ungerührt angezweifelt. Es stand nur noch 1:2.
    Horst schwenkte jetzt auf Walters überlegene Immer-4-Strategie um und begann mit 1 mal die Vier. Günther hatte nur eine Eins und eine Drei unter dem Becher, da konnte ihm auch seine berüchtigte Immer-5-Strategie nicht aus der Patsche helfen.
    Auch das 1:1-Endspiel konnte Horst spielend mit der Immer-4-Strategie zu seinen Gunsten entscheiden. Großes 3:1-Gelächter!
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    27.04.2011: Götzenbilder in Burgund

    In seinem Begleittext zu „London“ als unserem neuesten “Spiel des Monats” hatte Walter geschrieben: „Es gilt, in Bescheidenheit und ölologischer Vernunft seine Kartenfreiheit zu nutzen“. Aaron, der die Übersetzung ins Englische besorgt und schon häufiger über Walters Schreibfehler gestolpert ist, hat rückgefragt, ob “ölologische Vernunft” ein Wortspiel ist oder “ökonomische Vernunft” heißen soll. Eigentlich hatte Walter „ökologisch“ gemeint, aber dies ließ Aaron nicht gelten. Dieser Begriff war ihm einfach zu neu und zu deutlich auf den Umweltschutz des 20. bzw. 21. Jahrhunderts gemünzt.
    Frage an die Londoner Experten: Ist das Vorgehen, dass man für ein erfolgreiches Vorgehen in „London“ benötigt jetzt “ökologische Vernunft” oder “ökonomische Vernunft”?
    1. “Pantheon”
    Seine schlechte Wertung für „Pantheon“ (pures „Chaos“) hat Aaron nicht schlafen lassen. Die ganzen Osterfeiertage über hat er Abläufe und Schwachstellen unserer ersten Begegnung vom 20. April analysiert und wollte seine Ergebnisse heute am lebenden Objekt nochmals verifizieren.
    Wie gehabt ziehen wir in sechs Runden unsere Trampelpfade vom Zentral-Tempel zu verschiedenen Markern und hinterlassen unsere Duftmarken in Form von Füßen und Gebetstrommeln. Nach jeder Runde sammeln wir unsere Füße wieder ein, die Trommeln bleiben stehen und liefern uns am Ende nach einer quasi quadratischen Formel einen riesigen Batzen Siegpunkt-Einkommen. „Riesig“ ist das Einkommen zumindest für den, der in der Quadrat-Formel auf der Trommel-Abszisse gewisse Schwellwerte überschritten hat. Wer hier nur gekleckert hat, wird in der Schlußwertung auch entsprechend klecklich behandelt.
    Auch die Götzenstrategie hat ihren Charme. Wir verschaffen uns damit fortlaufend Vorteile für unsere künftigen Spielzüge: größere Reichweite, größeres Einkommen, linear anwachsende Siegpunktprämien und gegebenenfalls die Erlaubnis für Doppelzüge, mit denen wir – mit ein bißchen Glück – in der letzen Runde ebenfalls gewaltige Siegpunkt-Summen einstreichen können.
    Die explosionsartig anwachsende Siegpunkten-Flut, die über uns Spieler hereinbricht, ist im Design von „Pantheon“ sicherlich etwas außer Balance geraten. Ganz kleine Effekte, wie z.B. der Aufbau einer einzigen weiteren Gebetstrommel oder eine einzige, mehr oder weniger zufällig passende Aktionskarte zum Erwerb des letzten Götzenbildes, das dann in einer Kettenreaktion ganze Siegpunkt-Lawinen über uns herunterkommen läßt, machen eine seriöse Planung sehr fragil. Aber vielleicht ist das auch das Schöne daran: Kaum hat man sich mit den Mechanismen angefreundet und schmiedet Pläne für reiche Siegpunkternten, da ist mit einem rasanten Knalleffekt das Spiel auch schon zu Ende.
    Heute lief alles ganz anders als beim letzten Mal. Trotzdem konnte sich auch diesmal wieder die Trommelstrategie (im Tie-Break) vor der reinen Götzenstrategie durchsetzen. Beide Strategien wurden jeweils durch das individuelle Privileg zur Startaufstellung (1 Bewegungsschritt mehr bzw. 1 Aktionskarte mehr) nahegelegt. Der Startspieler, für den kein solches richtungsweisendes Privileg mehr übrig war, büßte notgedrungen einen Milligramm Strategie-Konsequenz ein und hatte so keine Chance mehr auf einen der vorderen Plätze.
    In einer Stunde waren wir durch. Daraus folgerte Aaron einen deutlich gestiegenen Wiederspielreiz. Seine Gleichsetzung von „Pantheon“ mit „7 Wonders“ konnte Walter allerdings nicht unwidersprochen hinnehmen: Freilich lebt „Pantheon“ auch von Karten, doch der Freiheitsgrad beim Ziehen der Karten und den daraus resultierenden möglichen Aktionen ist in „Pantheon“ um ein Mehrfaches größer. Freilich bringen auch in „Pantheon“ die gezogenen Aktionskarten einen deutlichen Zufallseinfluß mit sich. Doch hier sind noch wesentlich mehr Zufallseinflüsse gegeben, aber alle fein, wohlabgestimmt und spielerisch in den Gesamtablauf integriert. Für mich!
    WPG-Wertung: Aaron: 7 („kurzweilig“, 2 Punkte mehr), Günther und Walter blieben bei ihren 8 Punken: .
    2. “Die Burgen von Burgund”
    In einem (gemäß Regelheft) „außergewöhnlichen Aufbauspiel um Weiden, Waren und Würfel“ sollen wir unsere hexagonalen „Ländereien durch überlegten Handel und Wandel aufblühen lassen.“
    Zunächst einmal würfeln wir, jeder mit zwei Würfeln. Der Würfel bestimmt, welches der offen ausliegenden Landschaftsplättchen wir in unseren Vorrat, und welches Plättchen wir vom Vorrat auf welches Feld in unseren Ländereien legen dürfen. Passt uns das Würfelergebnis nicht, dürfen wir uns für einen Würfel zwei Arbeiter zulegen, die es uns erlauben, beim nächsten Wurf die geworfene Augenzahl nach oben oder unten zu verschieben. So ganz stupide sind wir dem Würfel also nicht ausgeliefert. Ein bißchen aber schon.
    Mit jedem Plättchen in unseren Länderreien gewinnen wir Vorteile: die Erlaubnis, noch ein weiteres Plättchen legen, ein paar Arbeiter für die Würfelaugen-Modifikation, Geld (zum Erwerb von Landschaftsplättchen völlig am Würfelergebnis vorbei), oder Siegpunkte. Alle Rädchen wirken ineinander und alle Aufbauleistung wird belohnt. Allerdings riecht alles unweigerlich nach Schweiß, der von der Stirne tropfen muß, damit das Werk den Meister loben kann. Würfel-Modifier durchrechnen, die Erreichbarkeit von Plättchenauslagen abschätzen, die Ambitionen der Mitspieler vorhersehen und sich dagegen vorsehen, das ist alles ziemlich anspruchsvoll. Aaron und Walter fanden hier sogleich Ähnlichkeiten zu „Agricola“. Wer dieses Spiel liebt, wird auch an den „Burgen von Burgund“ seine Freude haben. Und wenn die Jury von „Spiel des Jahres“ wieder einen Sonderpreis für das „komplexeste Spiel des Jahres“ vergeben will, dann sind die „Burgen“ ein heißer Anwärter.
    Doch für Spielen im eigentlichen Sinn des Wortes fehlen deutlich spielerische Elemente. Und die Interaktion beschränkt sich auf den Wettlauf um die Prämienplätze bei den vielfältigen Etappenzielen. Und das Thema? Der Rioja auf dem Tisch hat mehr Assoziationen mit Burgund aufkommen lassen als die Masse der 240 Spielelemente.
    WPG-Wertung: Aaron: 6 („der Spannungsbogen fehlt, 5 Runden lang der gleiche Ablauf“), Günther: 8 („für Freaks, komplexes Aufbauspiel mit zahlreichen Entfaltungsmöglichkeiten, objektiv ein Highlight des Jahres 2011, subjektiv vielleicht nicht“), Walter: 6 („ein Hoch für den Schweiß, den der Autor bei der Spielentwicklung vergossen hat, kein Hoch für den Schweiß, den die Spieler beim Spielablauf vergießen müssen“).

    20.04.2011: Vermessung von Göttern und Halbgöttern

    Der 20. April ist der 110. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 111. in Schaltjahren), somit verbleiben noch 255 Tage bis zum Jahresende.
    Im Jahre 1653: In England vertreibt Oliver Cromwell mit 30 Bewaffneten die rund 100 Abgeordneten des Rumpfparlaments, die sich in den Tagen zuvor geweigert haben, die Selbstauflösung des Parlaments zu beschließen.
    Im Jahre 1902: Marie und Pierre Curie gelingt die Isolierung des chemischen Elements Radium.
    Im Jahre 2010: Die Ölplattform Deepwater Horizon explodiert und sinkt zwei Tage später. Das größte Ölleck der Geschichte entsteht, mit unabsehbaren Folgen für die Menschheit.
    Im Jahre 2011: Hauptversammlung der Münchener Rück im Messegelände. Ein Schwerpunktthema: Erdbeben, Tsunami und Atom-GAU in Japan. Wertung der Experten: Die Japan-Katastrophe ist „nur“ ein Jahrhundertereignis. Sie wird die Firma ca. 1,5 Mrd Euro kosten. Das schmälert den Gewinn, frißt ihn aber nicht auf. Die „Rück“ ist grundsätzlich auch für Jahrtausendereignisse gewappnet und hat dafür Geschäftsmodelle entwickelt.
    Nachfrage: Was ist ein „Jahrhundertereignis“? Eines, das in hundert Jahren durchschnittlich einmal auftritt? Das also bei 100 Versicherungsfällen durchschnittlich einmal im Jahr auftritt? Keine Nachfrage und keine Antwort zu der denkwürdigen Konstellation: Wieviele Atomkraftwerke sind auf der Welt versichert?
    1. “Cinco”
    Cinco EndstandDas Spielbrett ist in hexagonale Flächen aufgeteilt und die Spieler setzen abwechselnd je einen Spielstein aufs Brett. Wem es als erstes gelingt, in einer Linie fünf seiner Spielsteine nebeneinander abzulegen, hat gewonnen. Auf den ersten Blick erinnert das an das wohlbekannte ehrwürdige Gobang. Auf den zweiten Blick auch. Nur gibt es sechs anstelle von vier Richtungen zu berücksichtigen.
    Ein Spieler darf seine Spielsteine aber nicht auf beliebige Felder des Spielbretts legen, sondern er zieht Karten mit einer Zahl, die die ihm erlaubten Felder angeben: Die Einschränkung erschwert natürlich eine konsequente Gewinn-Planung, im gleichen Zuge natürlich aber auch die Gegenmaßnahmen der Mitspieler. Doch in einem Mehr-Personen-Spiel ist eine Planung ohnehin obsolet. Gegen zwei mittelmäßig aufmerksame Mitspieler hat selbst ein Genie keine Chance, eine nicht mehr verhinderbare 5er-Kette viele Züge lang voraus zu planen.
    Zwei von uns konnten sich vorstellen, dass das Spiel ein hübsches, abstraktes 2-Personen-Strategie-Spiel ist. Einer konnte oder wollte sich das nicht vorstellen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 6 (zu zweit, 4 zu dritt oder mehr), Walter: 7 (zu zweit, 4 zu dritt oder mehr).
    2. “FITS”
    Tetrisartige Bausteine fallen vom Himmel bzw. werden jedem Spieler zum Einräumen in sein Spielbrett vorgegeben. Wer am Ende die meisten vollständig überdeckten Reihen aufweist hat gewonnen.
    Vor anderthalb Jahren zum ersten Mal am Westpark gespielt, hat das semi-rationale Geometrie-Puzzle noch positiv überraschen können. Diesmal ist nur Günther bei seinen Punkten geblieben. Aaron und Walter haben den möglichen objektiven Spielreiz für andere beiseite gelassen und eine knallharte subjektive Wertung abgegeben.
    WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 7, Walter: 4.
    3. “Pantheon”
    Ein Spiel des bekannten Petersburger Trios Michael Tummelhofer. Günther hat es schon viermal gespielt: während der Prototyp-Entwicklung bei Hans-im-Glück, bei den Münchener Spuiratzn und in anderen Non-WPG-Spielrunden. Alle waren von dem Spiel sehr angetan.
    Gegen die kritischen To-have-a-plan-Fanatiker vom Westpark baute Günther aber gleich vor: „Es geht absolut ungerecht zu. Schließlich spielen wir mit Göttern und Halbgöttern.“ Das Glück soll sich im Laufe des Spiels allerdings ausgleichen, zumindest nach dem Gesetz der großen Zahlen. Was aber nicht bedeutet, dass in der Realität die Glücksbilanz beliebige Ungleichgewichte aufweisen kann.
    In sechs Epochen sammeln wir Aktionskarten mit Geldscheinen, Bewegungspunkten und Opferzertifikaten. Mit den Geldscheinen kaufen wir Fußvolk, Gebetstonnen und Opferrabatte. Mit Fußvolk und Bewegungspunkten erzeugen wir Trampelpfade durch das hexagonale Spielbrett, und zwar vom Ausgangstempel bis zu besonderen Markern, die uns Vergünstigungen und Prämien einbringen. Mit genügend Opferscheinen (volatile) und Opferrabatten (permanent) erwerben wir Halbgötter, Götter und Siegpunkte. Auch der Besitz von Gebetstonnen wird periodisch belohnt.
    Die Menge unseres Fußvolkes, die Potenz unserer Opferrabatte und der Götterlohn für den Erwerb eines Hausaltars steigen permanent an. 10-15 Siegpunkte für einen Zug sind in der letzten Epoche keine Seltenheit, in der ersten Epoche muß man sich mit vielleicht nur einem Siegpunkt pro Zug begnügen. Diese Steigerung enthält natürlich genügend Dynamik, um die Spielerpositionen von Epoche zu Epoche gehörig durcheinanderzumischen, und sie läßt auch dem Schlußlicht bis zur letzten Runde eine Hoffnung auf den Sieg. Unser Moritz hatte sich von vornherein auf die lukrativen Gebetstonnen verlegt, die erst in der allerletzten Schlußwertung die in ihnen enthaltene Musik aufspielen lassen. Mit 48 Siegpunkten für alle seine 12 Gebetstonnen konnte er sein bisheriges Punktekonto etwa verdreifachen und sich damit unangefochten an die Spitze setzen.
    „Pantheon“ erlaubt ganz verschiedene Schienen zu fahren. Das ist eine der Stärken des Spieles. Nicht nur Moritz’ Gebetstonnen, auch Hausaltäre können zum Sieg führen. Nur konsequent muß man dabei vorgehen und ein feines Gleichgewicht zwischen dem permantenten und den volatilen Opfereinsatz finden.
    Eine andere Stärke ist der wohldosierten Einbau von Zufallselementen, die den spielerischen Charakter unterstreichen und eine trockene ingenieursmäßige Optimierung der Spielzüge abwehren. In den Karten, die jeder zieht, und im Angebot an Göttern, die es zu erwerben gibt, liegt eine gewisse zufällige Streuung drin. Aber keinesfalls so, dass alles chaotisch und unplanbar wäre. Für diese Qualität bürgt schon allein das Haus Hans-im-Glück.
    WPG-Wertung: Walter 8 (erlaubt viele verschiedene, miteinander ausbalancierte Strategien), Aaron: 5 (es gibt den Anschein, als erlaube es viele verschiedene Strategien, doch im Grunde herrscht nur Mitspielerchaos) , Günther: 8 (bestreitet das Chaos), Moritz: 8 (fiel nur „Phallus“ ein, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Säule auf dem Deckblatt).
    Bei „Pantheon“ haben wir zum ersten Mal in unserer Geschichte den DGT-Cube zum Messen der Denkzeiten eingesetzt. Das sorgte für eine gewisse Nervosität und konstruktive Spannung während des gesamten Spiels. Jeder achtete darauf, das die Zeit für Klärungsfragen oder allgemeingültige Spielabläufe nicht zu Lasten seiner privaten Denkzeit gingen. Das überraschende Ergebnis: Die Summe aller Denkzeiten der einzelen Spieler lag um weniger als 20% auseinander. Walter war (selbstverständlich!) mit 10:42 Minuten der Schnellste, ganz knapp vor Aaron mit 10:44 Minuten, Günther lag (darauf sollten wir in Zukunft vielleicht achten!), mit 12:21 Minuten an der Spitze, doch diese Differenzen sind noch tragbar.
    Zu diesen Individual-Denkzeiten von insgesamt gut 45 Minuten kommen nochmals etwa 45 Minuten für Spielvorbereitung, Epochenvorbereitung, Zwischenwertung und Endwertung. Die somit 1 ½ Stunden Gesamt-Spieldauer für ein Aufbauspiel a la „Pantheon“ geht durchaus in Ordnung. Vielleicht hat diesmal aber der DGT-Cube dazu beigetragen, dass es nicht wesentlich länger wurde.
    4. “Artus”
    Die Altmeister Kramer und Kiesling zeichnen als Autoren. Aber vielleicht haben sie Ghostwriter bemüht. Oder sie bereiten sich gerade vor auf einen Absprung in die Abteilung „Kinderspiele“ beim Zoch-Verlag.
    Auf dem Tisch liegt eine Drehscheibe, die am Rand grüne positive Zahlen von 1-10, rote negative Zahlen von -1 bis -15 und gelbe Nullen enthält. Die Spieler bewegen jeweils einen ihrer je 4 Pöppel um diese Drehscheibe herumlaufen und buchen für jeden Zug soviele Pluspunkte bzw. Minuspunkte, wie die Drehscheibe am Beginn des Zuges für den bewegten Pöppel angibt.
    Die Schrittweite, wieviel sich ein Pöppel bewegt, wird durch Bewegungskarten angegeben, von denen jeder Spieler bei Spielbeginn einen identischen Satz erhält.
    Damit das Ganze nicht zu berechenbar wird, kann man mit bestimmten Bewegungskarten auch die Drehscheibe selbst bewegen, so dass ein Spielstein, der gerade soeben noch auf der grünen Plus-10 gestanden hat, im nächsten Zug bereits auf der roten Minus-15 steht. Und da jeder Spieler erst wieder dann am Zug ist, wenn vor ihm drei andere Spieler Pöppel und Drehscheibe bewegt haben, kann man sich leicht ausmalen, wieviel eigenes Glück jeder Schmied in seiner Hand hat.
    Um wenigens zwei oder drei Milligramm davon eigenhändig schmieden zu können, durfte – gemäß Fortgeschrittenen-Regel – jeder Spieler pro Zug zwei Bewegungskarten ausspielen. So konnte er wenigens mit der ersten In-den-sauren-Apfel-beißenden-Karte dafür sorgen, dass er mit der zweiten Karte in einen süßen Apfel beißen durfte. Am Westpark gehen solche Vergünstigungen natürlich auf Kosten der Denkzeit. Jetzt hat man ja was zu denken! Und weil man erst Denken kann, wenn man wirklich am Zug ist, sind alle Denkvorgänge linear, d.h. additiv. Destruktiv lang.
    Weil bei man der langen Denkzeit (der anderen) so selten dran kommt, muß man seinen Zug dann sehr gut überlegen. Und je länger man überlegt, desto länger müssen die anderen warten, und umso seltener (pro Zeiteinheit) kommen sie dran. Ein richtiger Teufelskreis. Da hätte wohl auch ein DGT-Cube nicht viel ausrichten können.
    Wir hätten doch nur die 9-Jährigen-Version hernehmen sollen, wo jeder nur eine Bewegungskarte spielen darf. Den einen optimalen Zug herauszufinden ist dann die Trivial-Aufgabe: Bestimme den höchsten Drehscheibenwert, auf dem einer Deiner Pöppel steht! Diese Aufgabenstellung und der daraus resultierende Spielablauf hätte zu „Artus“ besser gepaßt.
    WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther: 4, Moritz: 5 (das Thema paßt: Kingmakerei), Walter: 4.

    13.04.2011: Das Plagiat des 20. Jahrhunderts

    Aaron und Moritz arbeiten beide unabhängig voneinander an je zwei verschiedenen Spielen. (Insgesamt also an vier Spielen.) Auch zum Spiele-Erfinden gehört, wie zu jeder anderen künstlerich kreativen Arbeit 1 % Inspiration und 99 % Transpiration. Eine ihrer gemeinsamen Erfahrungen in diesem Metier: Kleine Änderungen im Design können ganz große Wirkungen auf die Balance haben. Negative natürlich.
    Spiele-Erfinder der Welt, hört die Signale: Auch wenn wir Euere Produkte zuweilen explizit zerreißen, eine Hochachtung vor Euerer produktiven Arbeitsleistung und Euerem vertropften Schweiß wollen wir hiermit doch in jedem Fall implizit ausgedrückt haben.
    1. “Rumis”
    Eine Test-Session für Moritz erstes Werk (auf dem Spielesektor) war angesagt. Der vierte Spieler kam extra aus Frankfurt angereist. Seine Verspätung nutzen wir zu einem Warming-Up mit „Rumis“, einem lockeren Spiel um das konkurrierende Aufstellen von Bauklötzchen, bei dem selbst ältere Herren ihren Kreislauf in Schwung bringen können.
    Auch die topologische Phantasie ist gefordert. Und hinterher ist es natürlich leicht, klüger zu sein. „Schon Dein erster Zug war falsch. Eine Reihe weiter zur Mitte hättest Du Dir gleich ein größeres Eigengebiet abstecken können.“ Die Kritik wurde akzeptiert und mit der vorgeschlagenen Anfangsposition sofort ein neues Spiel angefangen. „Nach Deinem Tip bin ich jetzt ja noch schlechter gefahren als vorher!“ „Jetzt war Dein zweiter Zug zu defensiv, in dieser Phase darf man nicht absichern, sondern muß aggressiv nach vorne spielen!“ „Stimmt, ich widerspreche Dir nicht. Ich spiele nicht gut, aber ich mag das Spiel!“
    Lauter friedliche Kommentare zu einem konstruktiven Konkurrenzkampf, bei dem trotz unterschiedlichsten Grundeinstellungen niemals die sachliche Argumentationsebene verlassen wurde. Das war bisher in all den hundert Partien der Fall, die ich schon gespielt habe. Auch diese Sachlichkeit ist ein Qualitätsmerkmal von „Rumis“.
    Keine neue WPG-Wertung für ein 7,7 Punkte Spiel.
    2. “Das verfliXXte Jahrhundert”
    Bereits vor zweieinhalb Jahren setzte uns Moritz seine Eigenentwicklung zum ersten Mal vor, und am 12.11.2008 wurde seine Spielidee mit seinem richtigen Namen „Das 20. Jahrhundert“ bereits in unserem Session-Report vorgestellt. Doch das Spiel hat die notwendige Reife immer noch nicht erreicht. Jetzt hat Vladimír Suchý bei Czech Games Edition auf der Spiel 2010 in Essen ein eigenes „Das 20. Jahrhundert“ herausgebracht, das mit Moritz’ Erfindung auch nicht das Geringste zu tun hat. Es ist also keinesfalls ein Plagiat. Nur der Name ist weg. Und Moritz ist auf der Suche nach einem neuen. Wie wär’s mit „Das verfliXXte Jahrhundert“?
    Mit von der Partie war heute ein Gast aus Frankfurt: Christof Tisch, Chefgraphiker bei Hans-im-Glück, der gemeinsam mit Moritz die Kanten und Ecken des ehemaligen 20. Jahrhunderts abschleifen hilft.
    Wir bewegen unseren Pöppel durch die Epochen des (immer noch) 20. Jahrhunderts, beteiligen uns an den Kriegen, die damals rund um die Welt stattgefunden haben (es sind viel mehr, als sich der gesunde Menschenverstand träumen läßt), wir entwickeln unsere Kompetenzen in sieben Forschungsgebieten (Wissenschaft, Kultur, Politik, Militär, Industrie, Religion und Krieg), wir nehmen politischen Einfluß in über 20 verschiedenen geographischen Zonen auf vier Kontinenten, und wir steigern unser Potential in fünf Aktionsfeldern (Einfluß, Globale Kontrolle, Schicksal, Diplomatie und Forschung).
    Motor unserer Bewegung sind Aktionskarten, von denen jeder Spieler zu Beginn einen identische Satz erhält. Im Laufe des Spiels kann man sich weitere und mächtigere Aktionskarten zulegen, die alle mehr oder weniger wrap-around genutzt werden. Eine Art Währung sind Einflußwürfel, die wir bei verschiedenen Aktionen in unterschiedlichen Quantitäten einsetzen dürfen oder müssen, und von denen wir uns immer eine genügende Reserve zurückhalten sollten.
    Kriege sind kurz und schmerzlos. Sie werden en-passant abgewickelt, sofern sich mindestens eine kriegsführende Partei dafür gefunden hat. Die Gewinner erhalten politischen Einfluß in den unterlegenen Länderzonen, was zwar erfreulich, aber keinesfalls spielentscheidend ist. Kriege bieten auch eine günstige Gelegenheit, Einfluß in Geld zu verwandeln. Hier fiel das böse Wort von den „Gnomen von Zürich“.
    “Das verfliXXte Jahrhundert” ist ein äußerst komplexes Spiel. Es enthält hunderte von Schräubchen und Rädchen, die alle mehr oder weniger stark voneinander abhängen. Am liebsten möchte man an allen ein bißchen drehen, aber manchmal sind sie zu weit weg, manchmal hat man nicht genug Kraft und manchmal braucht man einfach eine Menge Geduld. Alle Elemente bieten eine progressive, zuweilen sogar explosive Steigerung; der Umsatz an Einfluß, Diplomatie und technischem Fortschritt nimmt gewaltig zu. Das Spielmaterial auf dem Spielbrett, von denen die Effizienz unserer verschiedenen Züge abhängt, wird immer umfangreicher. Das hat natürlich auch zur Folge, dass die Spielzüge immer langsamer werden. 90 Minuten brauchten wir für die erste Epoche, zwei Stunden für die zweite Epoche. Die vorletzte U-Bahn verhinderte die dritte und letzte Epoche. Wir konnten zwar unisono feststellen: „Die Zeit ist schnell vergangen“, was grundsätzlich ein Kompliment an das Spieldesign ist, doch für Eurogames ist eine 6-stündige Spielzeit noch nicht zumutbar.
    Wir diskutierten einige der zahlreichen Möglichkeiten, das Spiel zu vereinfachen und zu verkürzen. Moritz war mit keiner davon sehr glücklich. Jedes einzelne Element ist für ihn ein unter Schmerzen geborenes und liebgewordenes Kind seiner Thematik. Der stromlinienförmige Euro- oder gar German-Style soll keine Dominanz bekommen.
    Für das Gelingen der Synthese von Funktionalität, Spielbarkeit und Thema wünschen wir Dir und Christof noch glückliche Händchen in vielen glücklichen Stunden künstlerischer Kreativität.
    Noch keine WPG-Wertung.