07.08.2013: Kartoffeln nach Griechenland und China

Vor dreißig Jahren haben sich Wilhelm und Günther als Komilitonen in Bielefeld kennengelernt. Neben der Mathematik war damals Doppelkopf das verbindende Element. Die Verbindung ist nie auseinandergerissen. Seit zwanzig Jahren treffen sie sich jährlich mindestens einmal auf Spielermesse in Essen. Bei uns am Westpark war Wilhelm heuer zum dritten und vierten Mal dabei. Immer ein gern gesehener Gast. Mit Esprit, Lust und Leidenschaft.

1. “Olympus”
Das klassische Worker-Placement-Spiel wurde schon letzte Woche in einem leicht veränderten Kreis erstmals auf den Tisch gebracht. In drei Humankategorien (Wissen, Population und Kampfesstärke) und drei Produktionskategegorien (Getreide, Fleisch und Fisch) dürfen wir uns recht frei und unabhängig entwickeln. Lediglich die Population muß ausreichend vorhanden sein.

Wilhelm und Günther, die Schnellen Brüter in Olympus
Wilhelm und Günther, die Schnellen Brüter in Olympus

Gut konstruiert ist das Setz-Tableau. Wer ein Entwicklungs- oder Erntefeld als Erster besetzt hat, kann den doppelten Effekt nutzen. Falls die Mitspieler das gleiche Feld nutzen wollen, müssen sie umgehend mitziehen, bekommen dafür aber nur den einfachen Effekt. Es gibt also keinen totalen Engpass, und in einer Vierrunde bekommt jeder auch genügend Gelegenheit für einen sinnvollen eigenen Doppler-Effekt.

Gegen mögliche Entwicklungsengpässe gibt es auch noch die zusätzlichen Setzfelder „Zeus“ und „Hera“, mit denen man sich beliebige andere der gebotenen Entwicklungsoptionen zu eigen machen kann. Neben der – beschränkten – Konkurrenz um die besten Alpha-Plätze gibt es noch zwei weitere Setzfelder, die zur Steigerung der Interaktion dienen: Mittels „Ares“ kann man ein bis zwei Mitspielern den Krieg erklären und ihnen Produkte rauben. Mittels „Apollon“ bekommt man unmittelbar Siegpunkte und/oder man kann seinen Mitspielern die Pest auf den Hals hetzen und ihre Bevölkerung dezimieren. Das hat dann als Nebeneffekt auch Auswirkungen auf ihre Limits in den anderen Entwicklungskategorien.

Günther fand das Apollon-Konstrukt überhaupt nicht gut. Jeder Spieler kann sich nämlich durch das Beta-Feld des Apollon gegen die Pest schützen. Dann läuft das ganze nur auf eine Verlangsamung des Spiels hinaus: Ein Spieler investiert seine Zugpriorität, um dafür einen Siegpunkt zu bekommen und bei seinen Mitspielern die Pest auszulösen. Die Mitspieler opfern einen Spielstein (ohne Zugverlust), um den Schaden von sich abzuwenden. Endergebnis: Die Zugpriorität hat dem Spieler in summa summarum einen einzigen (!) Siegpunkt eingebracht.

Ist man weniger pestig aufgelegt, kann man auf dem Apollon-Feld auch gleich zwei Siegpunkte einstreichen und die Pest bleibt unter Verschluss. Dies ist die sogenannte „Affenstrategie“: So oft als möglich zu Apollon gehen und ausschließlich Siegpunkte bei ihm abholen. Falls kein Mitspieler diese Strategie fährt, bekommt man einmal pro Runde zwei sichere Siegpunkte, mit seinen anderen Pöppeln wird man problemlos auch noch je einen Siegpunkt an Land ziehen, im Durchschnitt also vier Siegpunkte pro Runde. Das ist in Olympus schon eine ganze erkleckliche Menge.

Zu ergänzen ist, dass man aus geernteten Produkten „Gebäude“ bauen kann, die ihrerseits Siegpunkte und Entwicklungsvorteile einbringen, und ggf. auch noch die Mitspieler schädigen. Z.B. bewirkt der Besitz vom „Tempel der Athene“, das bei jedem Setzen auf das Athenefeld alle Mitspieler in einer ihrer Entwicklungskategorien um einen Schritt zurück fallen. Ein ganz schön mächtiges Gebäude; in jedem Fall eine Empfehlung wert.

Günther als erfahrener Harung hatte sich den Athene-Tempel unverzüglich unter den Nagel gerissen, anschließend innerhalb seiner Entwicklungskategorien aber zu sehr diversifiziert. Er endete weit abgeschlagen als Letzter. (Solche Jahrhundertereignisse dürfen am Westpark nicht unerwähnt bleiben.) Walter versuchte sich in der Militär-Strategie. Weil die Mitspieler ihre Rohstoffe aber jeweils umgehend investierten, konnte er damit vordergründig aber keine erfolgreichen Beutezüge starten. Immerhin setzte er damit seine Mitspieler in ihrer Rohstofflogistik unter Druck. Zudem diente ihm seine üppige Militär-Ausstattung ab dem Mittelspiel auch noch als ein willkommener Plünderungsfundus bei Zwangsopferungen für die Zivilisation. (Wäre dieses ökonomische Prinzip nicht auch einer Überlegung im realen politischen Leben wert? Wobei man die Ausstattung der Nachrichtendienste gleich mitabwracken könnte.) Es reichte mit 27 Punkten zum Sieg.

Wäre hier die „Affenstrategie“ erfolgreicher gewesen? Jawohl! Sieben Runden a vier Punkte hätten in Summe 28 Siegpunkte ergeben. Hallo Ralf (ravn): Kannst Du uns verraten, wieviel Punkte Deine Spielrunde pro Spielrunde durchschnittlich macht? Die zwei Apollon-Punkte pro Pöppel kommen mir hier im Vergleich zu anderen Strategien keineswegs „kümmerlich“ vor.

WPG-Wertung: Günther: 6 (Pest und Kampf hätten besser gelöst werden müssen; die Stärke der Affenstrategie macht bedenklich), Moritz: 7 (ein italienisches Spiel mit „deutschen“ Design-Qualitäten), Walter: 8 (das Spiel ist rund, konstruktiv und vielseitig), Wilhelm: 7.

2. “Yunnan”
Zwischen Urlaubskofferpacken und Abendgebet brachte Aaron noch schnell sein „Yunnan“ vorbei, um Frischling Wilhelm eine Kostprobe davon zu ermöglichen. Gegen drei Experten. Doch der Experten waren zuviele. Vor allem, weil sie nur Halbwissende waren. Die professionellen Designer vom Argentum Verlag, der das Spiel in zwei Monaten in Essen herausbringt, haben den Spielplan optimiert, viele gewohnte Formalien geändert und an vielen kleinen Balance-Rädchen gedreht. Statt konsequent die fertige Spielregel durchzuarbeiten, gab jeder sein – nicht immer sattelfestes – Wissen zum Besten, so dass Wilhelm einen guten Eindruck davon bekam, wie schnell sich rein sachliche Erinnerungen in Mathematiker- und Künstlerköpfen verflüchtigen. Statt fünf Minuten dauerte es eine gute halbe Stunde, bis das Spiel in geordneten Bahnen verlief und die Mechanismen von Zugeihenfolge und Verdrängungs-Prioritäten der Händler und Kommissare auf der Tee- und Pferderoute wieder rund liefen.
Dann gewann Wilhelm mit einem klaren Vorsprung vor den Experten. Was kann man daraus schließen? Yunnan wird nicht unbedingt von Experten gewonnen, sondern von dem, der im Händlerkampf sein Pulver trocken hält und zum richtigen Zeitpunkt das Schicksal beim Schopf faßt und den Siegpunkt-Endspurt einläutet. Jede Partie verläuft anders. Obwohl das Spiel keine Glückselemente enthält, ist man selbst beim Argentum-Verlag auch nach vielen hundert Testspielen noch nicht hinter das Geheimnis gekommen, wie man „Yunnan“ gewinnt. Eine lang-andauernde Herausforderung.
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase

3. “Potato Man”
Ein hübsches kleines Stichkartenspiel mit ein paar neuen pfiffigen Ideen. Die Karten sind Zahlen von 1 bis 18 in unterschiedlichen Farben. Wieviele Spieler, soviele Farben. Zu einem Stich muss man nicht bedienen, ganz im Gegenteil, man darf keine Karte einer Farbe zugeben, die schon daliegt.

Die höchste Zahl gewinnt und erhält eine Prämienkarte in der Farbe, die den Stich gemacht hat. Fast wie bei “Diggers” in der Experten-Version! Ein listiges Spekulieren auf die richtige Farbe zum richtigen Zeitpunkt. Damit das Ganze noch etwas choatischer wird, sind die schwächsten gelben Karten auch noch stärker als die stärksten roten Karten, d.h. die gelben 1, 2 und 3 stechen die rote 16, 17 oder 18. Naturlich nur dann, wenn eine dieser roten Karten im Stich liegt. Und damit auch diese Konstellationen nicht allzu einfach durchgerechnet und abgepaßt werden können, werden nur etwa drei Viertel aller Karten ausgeteilt, so daß niemand weiß, welche Karten überhaupt im Spiel sind.

Taktik? Strategie? Kartenpflege? Die Mitspieler zwingen, ihre besten Karten zuzugeben, ohne dafür dicke Prämien einzustreichen? Eine Menge Wissen und Erfahrung ist notwendig, um das Spiel zu gewinnen. Systematisch zu gewinnen! In Worte fassen kann ich das noch nicht. Auch der in hunderten von Kartoffel-Partien erfahrene Wilhelm konnte das noch nicht. Oder liegt Sieg und Niederlage doch nur an der ausgeteilten Kartenhand? Ausschließlich?

Zumindest kann man bei jedem Spiel etwas über gutes und besseres Spiel dazulernen. Das ist doch schon etwas. Schnell geht es auch. Unter Umständen ist eine Runde schon beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat, nämlich dann, wenn ein Spieler nur (noch) Karten in der Hand hat, die im aktuellen Stich bereits vorhanden sind. Das kann u.U. sogar gleich im ersten Stich passieren. Überraschend aber durchaus stimmig.

WPG-Wertung: Günther: 6 (große Kartenabhängigkeit, fühlt sich zu oft gespielt), Walter: 7 (schnell, unbeschwert, neuartig und stimmig), Wilhelm: 7 (unterhaltsam).

31.07.2013: Willi statt Wagner

wagnerwalterAlle paar Jahre schafft es die Gattin unseres Hosts Walter, Karten für Bayreuths Wagner Festspiele zu ergattern. Und ebenfalls alle paar Jahre beglückt uns der Willi aus Unna mit seiner Anwesenheit in München. Diesmal trafen beide Ereignisse auf denselben Tag. Also wurde der Spieleabend von der Terrasse am Westpark in Peters trautes Heim in der Maxvorstadt verlegt.

1. Olympus

Das bereits vor drei Jahren erschiene Spiel war ein Geschenk Willis an Günther. Wer Günthers Spielesammlung kennt weiß, dass ein Spiel als Geschenk mehr als gewagt ist, denn er besitzt fast alles, was in den letzten 20 Jahren erschienen ist. Aber, große Überraschung, Olympus ist noch nicht darunter!

Die beiden italienischen Autoren sind schon seit „Kingsburg“ bekannt, das recht gute Bewertungen von uns erhielt. „Olympus“ erschien vor drei Jahren und flog bisher unter unserem Radar – ähnlich wie „Kingsburg“, das wir auch erst 4 Jahre nach seiner Veröffentlichung entdeckten.

„Olympus“ ist ein klassisches Worker Placement Spiel. Mit anfangs drei Priestern je Spieler huldigen wir einem von insgesamt zehn Göttern, der uns dafür seine Gunst in der Form von Nahrung, Wissen, Bevölkerung, Gebäuden, Militär  oder schlichten Siegpunkten schenkt.

Der aktive Spieler der Runde wählt ein noch nicht besetztes Götterfeld, um dort eine Zeremonie abzuhalten und die zugehörige Gunst zu erhalten. Die übrigen Spieler dürfen sich an der Zeremonie beteiligen, wenn sie wollen, werden aber spärlicher mit dem göttlichen Segen bedacht.

Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen die Gebäude, die man mit der Gunst des Hephästus bauen darf, vorausgesetzt man kann die entsprechende Nahrung für die Bauarbeiter vorweisen. Diese Gebäude geben wichtige Zusatzeigenschaften, die den weiteren Fortschritt deutlich beschleunigen. Ungewohnt  ist, dass jeder Spieler den gleichen Satz mit 33 Gebäuden besitzt, die er im Laufe des Spiels bauen kann. Aber ein bisschen Konkurrenz beim Bauen gibt es dennoch, denn zusätzlich stehen weitere 13 Spezialgebäude nur einmal zur Verfügung und hier baut zuerst, wer zuerst kommt.

Die Vielzahl an Gebäuden hat allerdings den Nachteil, dass die Einstiegshürde des Spiels recht hoch ist. Zu unübersichtlich sind die Abhängigkeiten der Gebäude untereinander und zu schwierig ist es für Neulinge, eine halbwegs optimale Baureihenfolge zu finden.

Während des Spiels meinte Loredana, dass sie schlecht gespielt habe, weil es das Beste sein, einfach nur die Siegpunkte zu nehmen, die Apollo als Gunst verteilt. Nach dem Spiel ergab eine kleine Überschlagsrechnung, dass bei unserer Fünfer-Runde in der jeder viermal aktiver Spieler war, selbst der Sieger mit 42 Punkten weniger Punkte ergattert hatte, als mit dieser „Affenstrategie“ möglich gewesen wäre. So blieb „Olympus“ erst einmal ohne Bewertung wegen des Verdachts, dass es „broken“ sein könnte.

Weitere Diskussionen an den darauffolgenden Tagen zeigten aber, dass „Olympus“ der Affenstrategie doch etwas entgegensetzt. Was genau, sei hier noch nicht verraten, denn das müssen wir erst durch weitere Spiele verifizieren.

24.07.2013: Tenemos cojones

Mit Liebe und erzeugerstolzem Ehrgeiz hat Moritz seinen heute sechsjährigen Milo an das Brettspiel herangeführt. Auspöppeln, ausräumen, spielen, würfeln, Karten legen, kombinieren, gewinnen und wieder einräumen: all diese Aufgaben hat Milo mit Bravour bewältigt. Jetzt hat er sich ohne Aufsicht an die Spielesammlung seines Vaters gemacht und die unteren Regale ausgeräumt, die Schachteln zerdrückt, wertvolle jungfräuliche Original ausgepöppelt, Spielmaterial verschlampt und Karten, Pöppel und Würfel in heillosem Durcheinander hinterlassen. Kein Wunder, dass schon am 4. Juni dieses Jahres von Moritz Spielvorschlag „Ascension“ die Hälfte der Karten gefehlt hat.

Frage an den Kinderpsychologen: Warum macht ein – wohlgemerkt hochbegabtes – Kind so etwas? Hat es noch keinerlei Gefühl für Recht und Unrecht? Ist ihm in seinem freien Forscherdrang das erzeugte Chaos über den Kopf gewachsen? Wollte er nur seine Grenzen austesten oder mal wieder einen tobenden Vater erleben? In jedem Fall: Tenía cojones!

1. “Deadwood”
Bei jeder Verwendung von „cojones“ glänzen die spanischen Augen, auch wenn der Engländer hier mit seinem „sometimes the bull wins“ eher auf Schadenfreude setzt. „Deadwood“, ein verlassenes Nest in South Dakota wäre – nach dem Regelheft – der letzte Ort, für den wir unsere Cojones riskieren.Deadwood
Jeder Spieler führt eine Bande von Outlaws und terrorisiert damit die strebsamen Go-Westler in den Saloons, Hotels, Casinos, Banken und Wäschereien, beim Schmied, Büchsenmacher oder Totengräber. Die entsprechenden Gebäude sind fein säuberlich in der Landschaft aufgereiht. Wir können sie mit unseren Outlaws betreten und berauben oder Schutzgelder erpressen. Das erfolgt kampf- und risikolos, wenn sich kein anderer Outlaw im Gebäude aufhält. Ist ein Gebäude aber bereits besetzt, und der Platzhirsch hat Cojones und nimmt kein Reißaus, so kommt es zum Schußwechsel – einem eleganten Würfelkampf um Verwundungen und den finalen Treffer – und einer verläßt als Leiche die Städte der Begegnung. Vielleicht auch beide.

Sehr schnell kann man seine drei Outlaws zu Grabe tragen und damit das Spiel beenden. Für alle! Andere Bedingungen für das Spielende sind eher konstruktiv: die Fertigstellung des vierten Eisenbahnabschnitts oder das Ausstellen des 29. Steckbriefes. Diese Erledigungen können die Spieler sehr dosiert angehen und das Spiel stundenlang offen halten. So lange es beliebt.

Walter hatte auf den Totengräber spekuliert. Seine Kampfwürfel zeigten allerdings Ladehemmung, und er wurde Opfer seiner eigenen Angriffslust. Nach wenigen Minuten war nur noch einer seiner Outlaws am Leben. Jetzt konnte es für ihn nur noch darum gehen, auch noch den letzten Getreuen abmurksen zu lassen und das Spiel damit regelgerecht zu beenden. Das Bestreben der Mitspieler war es hingegen, diesen letzten Outlaw gerade nicht umzubringen und allen Kämpfen aus dem Wege zu gehen. Erfolgreich. Die Eisenbahn erlöste sein frustierendes Pendeln zwischen Ranch und den stärksten Gegnern in „Deadwood“.

Seine Kritikpunkte: Es gibt zu viel (zugegebenermaßen schönes) Material, das gar nicht zum Einsatz kommt. Es gibt zu wenige Outlaws in der Startausstattung, so dass der erste Tote bereits einen unaufholbaren Rückstand bedeutet. Der Sheriff und andere wichtige Schlüsselpositionen in „Deadwood“ sind zu wenig angreifbar.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (Tendenz zu 4, zu viele Kingmaker-Effekte; er findet es nicht gut, dass ein Spieler schon kurz nach dem Start erfolgreich auf das Spielende zusteuern kann), Günther: 4 (Tendenz zu 5, langweilig, keinerlei Strategie, am Ende tut man doch immer nur das Gleiche), Horst: 6 (reines Fan-Spiel [Habe ich diesen Ausdruck richtig verstanden?], nicht unlustig, hätte länger dauern können), Moritz: 7 (lustig, mit Spielespaß, Komplexität stimmig), Walter: 5 (Tendenz zu 4, wer Pech hat [Moritz: Wer sich dumm in einen Kugelhagel begibt], ist blitzschnell draußen und kann nur noch auf das Spielende spekulieren.)

Tangastrukturen bei String Railway
Tangastrukturen bei String Railway

2. “String Railway”
Eisenbahngleise brauchen nicht immer aus Hexagons zu bestehen, viel schöner ist doch ein Eisenbahnnetz aus Fäden, Schnüren, Kordeln oder Tangas. Das dachte sich auch der Japaner Hisashi Haysshi und erfand ein konstruktives Eisenbahnspiel, bei dem wir unsere Bahnhofsplättchen – eines nach dem anderen – frei auf dem Tisch verteilen und sie durch richtige Fäden (Schnüre, Kordeln …) verbinden. Jeder angeschlossene Bahnhof bringt Punkte, sich kreuzende Fäden bringen Abzüge; eine hellblaue Fluß-Kordel und eine weiße Berg-Kordel sollten ebenfalls vermieden werden.

Hübsch und konstruktiv. Ein altes Thema in neuem Gewand.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Legen der Schnüre ist eine ziemliche Fummelei), Günther: 6 (erfrischend schnell), Horst: 6 (erfrischend anders), Moritz: 6 (schön ist es nicht), Walter: 6 (Einschränkung wegen der zufälligen und damit höchst ungerechten Verteilung lukrativer Bahnhöfe.

3. “Fiese 15”
Ein reinrassiges Würfelspiel für reinrassige Würfelmathematiker. Wir würfeln mit sechs verschiedenfarbigen Würfeln und müssen damit versuchen, für jeden Würfel eine vorgeschriebene Augenzahl nicht zu überschreiten. Bei einer Sechs ist das natürlich ein Kinderspiel, bei einer Eins hingegen eher schon ein Geduldsspiel.

Wir dürfen beliebig oft würfeln. Aus jedem Wurf müssen wir mindestens einen passenden Würfel herauslegen. Haben wir genügend viele Würfel herausgelegt, dürfen wir auf weitere Würfe verzichten und bekommen die ausliegende Augenzahl als Siegpunkte gutgeschrieben. Haben wir fünf Würfel herauslegen können, gibt es fünf zusätzliche Siegpunkte. Konnten wir alle sechs Würfel herauslegen, verdoppelt sich die Summe der ausliegenden Augenzahl. Das kann schon mal auf einen Schlag dreißig Siegpunkte einbringen.

Leisten wir uns einen Fehlwurf mit keinem einzigen passenden Würfel, bekommen wir als Trostpreis immerhin noch die Summe der Augenzahlen aller nicht-erreichten Würfel gutgeschrieben. Der Trostpreis kann höher sein als die zuletzt herausgelegten Augen, im Maximum sind es fünfzehn Punkte, wenn schon beim ersten Wurf kein einziger Würfel gepasst hat.Weltformel
Bei jeden Wurf gilt es also die noch erzielbaren Punkte mit ihrer Wahrscheinlichkeit in Ansatz zu bringen und dagegen das Verlustrisiko zu stellen. Schon größere Geister als ich haben dafür eine Weltenformel aufgestellt, die ich hier nur kommentarlos wiedergeben möchte.

Bei uns ist Aaron seinem sprichwörtlichen Ruf als schlechter Würfler voll gerecht geworden. Doch weil das in „Fiese 15“ ja gerade pro-produktiv ist, konnte er sich mit mehreren 14-15 Punkten-Nieten an die Spitze setzen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (1 Punkt weniger als Quixx), Günther: 6 (kurzweilig), Horst: 7 (ein gutes Spiel im Würfelspiel-Kosmos), Moritz: 4 (möchte es nicht nocheinmal spielen, nicht variabel genug), Walter: 6 (einschließlich des Bonuspunktes für die Erinnerung an das Alterswürfeln seiner Eltern, lustig, locker).

4. “Bluff”
Vor einem Vierteljahr das letzte Mal gespielt. Vereinzelt zeigten sich bei den Westparkern schon Entzugserscheinungen. Die heutige 5er Runde konnte erfolgreich dagegensteuern.

Horst stand mit einem Würfel im Endspiel gegen Aarons vier. Mit Lust und Laune konnte er auf 1:3 verkürzen. Selbst ein 1:2 lag schon greifbar, doch mehr oder weniger lustig und launig gab er den Kampf auf. Dabei hätte doch gerade ein Sieg aus dieser Außenseiter-Situation heraus den Ehrgeiz anstacheln können. ¿No tienes cojones?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Steam Noir: Revolution”
Nein, wir haben das Spiel von letzter Woche heute nicht noch einmal gespielt. Wir haben nur diskutiert, wie man des Kaisers Cojones abschleifen kann. Doch nicht allein der hierfür fehlenden Instrumente wegen kann das Spiel bei uns nicht punkten. Wir wunderten uns, warum das Spiel in diesem Jahr den 2. Platz im Autorenwettbewerb vom Hippodice Spieleclub gewonnen hat.

In der Kurzmitteilung dazu heißt es: „Das Spielziel ist auf raffinierte Weise zweigeteilt: man kann versuchen, die eigene Fraktion nach vorn zu bringen, ohne dabei allzu sehr aufzufallen. Andererseits kann man aber auch die Obrigkeit dabei unterstützen, die Oberhand zu behalten.“ Diese Zweiteilung ist zweifellos ein gelungenes Element. Warum aber soll man beim “nach vorn bringen“nicht „allzu sehr auffallen“? Weil dann die Mitspieler über einen herfallen und alle anderen ungeschoren davonziehen lassen? Muss man hier die Mushroom-Strategie fahren und den Kopf im Dreck lassen, bis die Entscheidungen gefallen sind?

Weiterhin heißt es: „Dabei sind Bluffs, Tricks, Fehlinformationen und geheime oder offene Absprachen nicht nur möglich, sondern sogar explizit vorgesehen.“ Frage an den Autor: Ist es also im Sinne des Erfinders, die Mitspieler zu einer Pro- oder Contra-Koalition zu überreden, um sie dann möglichst auflaufen zu lassen?

Noch eine Frage an Dich, lieber Daniel: Wenn Du das Spiel beginnt: Welche Fraktion stellst Du als erstes auf Deiner „Zeitweilige Unterstützung“ ein? Und welche Fraktionskarte legst Du als erstes bei Kaiser oder Revolution an? Welchen Entscheidungskriterien kann es für Dein Vorgehen hier geben?

Oder gilt für Dein Spiel ganz simple Aarons Erkenntnis: „Man muss den Spaß daraus ziehen, dass das Ganz ein Mitspieler-Chaos ist!“

“Tenía cojones”
Nachdem dieser Mittwoch ganz im Lichte hochkarätigen Fußballs stand, hätten es hierher gepaßt, unser Insider-Wissen über die Trennung von Mario Gomez und dem FCB zum Besten zu geben. Der Sohn von R. geht mit dem Sohn von H’s Friseur in die gleiche Klasse und hat es verraten. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt bis zu uns.

Doch Aaron hat über die Geschichte im Internet recherchiert, und siehe da, es ist alles schon bekannt. Wagner, ja der vom Tristan aus Bayreuth, hätte ein Libretto daraus gemacht.

“Brügge” is our Game of the Month

This year’s Feld round-up displays a bonanza of victory point generators similar to what we have seen in former years. While “Brügge” is no exception, it is lighter than many of Feld’s former creations. A lucky draw of just the right (or wrong) card combined this a relatively short playing time adds good replay value. And the extra pinch of ‘Gotcha!’ seasoning creates an entertaining and overall fun game.

“Brügge” ist unser Spiel des Monats

Der aktuelle Feld-Spielejahrgang bietet wieder einmal eine Vielzahl mehr oder weniger kräftig sprudelnder Siegpunktquellen. „Brügge“ ist hier keine Ausnahme, stellt sich dabei aber spielerischer, leichter dar, als man es sonst von Feld gewohnt ist. Nicht zuletzt das Kartenglück (oder –pech) lockert auf und bietet dank der kurzen Spielzeit einen hohen Anreiz, gleich noch eine Runde zu spielen. Gewürzt mit einer kleinen Portion Ärgerelementen, die man gegen die Mitspieler richten kann, wird daraus ein kurzweiliges Spiel, das einfach Spaß macht.

17.07.2013: Partyspielchen in der Sommernacht

„Drum schätze ich auch besonders die Genies. Sie taugen nur zu einer Sache. Darüber hinaus zu nichts. Sie wissen nicht, was es heißt, Bürger zu sein, Vater, Mutter, Bruder, Verwandter, Freund. Unter uns: man sollte ihnen durchaus gleichen; aber nur nicht wünschen, daß ihr Same Allgemeingut werde. Menschen muß es geben; aber Genies – mitnichten.“ (Denis Diderot)

1. “Steam Noir: Revolution”
Mittels „Startnext Crowdfunding“ (einer deutschen Projekte-Förderung nach dem amerikanischen „KickStarter“-Prinzip) wurde dieses Kartenspiel auf die Welt gebracht. Heute wurde es ausgeliefert und Aaron hat es gleich zum Mittwoch-Spielabend am Westpark mitgebracht.

Friedliche Revolutionen am Westpark
Friedliche Revolutionen am Westpark

Jeder Spieler bekommt zufällig sieben „Fraktionskarten“ ausgeteilt. Jede Karte ist einer von fünf Fraktionen zugeordnet und besitzt eine “Stärke” zwischen vier und acht Punkten. Pro „Woche“ spielt ein Spieler drei Karten davon aus. Die Karten werden einzeln, verdeckt, und von allen Spielern gleichzeitig ausgespielt. Dabei muss jeder Spieler wählen, ob er regierungstreu bleibt und mit seiner Karte den “Kaiser” unterstützt, oder ob er rebelliert und sich den Revolutionsfraktionen anschließt.

Hat der Kaiser in einer Woche zusätzlich zu seiner nicht unerheblichen Hausmacht von den Mitspielern mehr Punkte bekommen als jede Fraktion, so steigt das kaiserliche Siegpunkt-Konto. Hat eine Fraktion mehr Punkte bekommen, so wächst entsprechend das Siegpunkt-Konto der Fraktion.

Auch wenn der Kaiser gewonnen hat, werden zusätzliche Siegpunkte an die Spieler verteilt, die die relativ stärkste Revolutionsfraktion am meisten unterstützt haben. Diese Siegpunkte bekommt aber nicht die offen unterstützte Fraktion, sondern die Fraktion, die der Spieler als seine „Zeitweilige Unterstützung“ geheim eingestellt hat.

Nach jeweils vier Wochen werden nochmals Siegpunkte verteilt: Diesmal an die Fraktion, die innerhalb des “Monats” die meisten Punkte erhalten hat – wie auch immer. Nach drei „Monaten“ ist das Spiel zu Ende und der Sieger wird ermittelt.

1) Hat der Kaiser die meisten Siegpunkte auf seinem Konto, so hat die Fraktion gewonnen, die am wenigsten rebelliert hat, d.h. die die wenigsten Siegpunkte aufweist.
2) Hat eine Fraktion mehr Siegpunkte auf dem Konto als der Kaisers, so hat diese Fraktion gewonnen. Es sei denn, sie hat einen Kantersieg mit einem zu großem Vorsprung eingefahren. In diesem Fall gewinnt die zweitbeste Fraktion.

Und welcher Spieler gewinnt mit der Fraktion? Das wird gleich zu Beginn des Spiele festgelegt, indem jedem Spieler fest eine bestimmte Fraktion zugeordnet wird. Enthüllt wird diese Zuteilung erst ganz am Ende. Während des Spiels kann sich jeder Spieler mit seinen Fraktionskarten für oder gegen jede beliebige Fraktion entscheiden.

Die variable Sieger-Ermittung – der Beste, der Zweibeste oder der Letzte in der Rangfolge gewinnen – könnte ein spannendendes Finish auslösen, wenn … ja, wenn die Fraktionen auch nur den Hauch einer Chance gegen den Kaiser hätten. In unserer Fünfer-Runde gewann in zwölf Entscheidungen des Vierteljahres nur ein einziges Mal eine Revolutionsfraktion. Elfmal gewann der Kaiser und sammelte dabei mehr Punkte auf seinem Konto, als mit dem ausgelieferten Spielmaterial anzuzeigen war: Zehnmal mehr als der stärkste Rebell.

Diese Konstellation war natürlich bereits nach der zweiten Woche des ersten Monats vorauszusehen. Ein schallendes Gelächter ob dieses Design-Fehlers begleitete jedes Aufdecken der gespielten Karten mit der Unterstützung für den Kaiser.

Ursprünglich hatten wir sogar den Regelpassus übersehen, der jedem Spieler nur einmal pro Woche die Kaisertreue erlaubt. Da kam blitzschnell die Gewißheit auf: „Das Spiel ist total broken.“ Als Moritz dieses Regelmißverständnis erkannte und korrigierte, konnten wir das „total“ zurücknehmen, das Spiel ist nur noch broken. Vorher konnte jeder Spieler allein das Spiel kaputt machen, danach mussten schon mehrere zusammenhelfen. Doch Interesse daran – wohlverstandenes Eigeninteresse – hat jeder allemal. Wer lässt sich schon „Siegpunkte“ auf sein Konto laden, wenn hinterher derjenige mit dem niedrigsten Kontostand gewinnt?! Es ging doch nur darum, dies möglichst zu verhindern. Und die geballte Kraft der Mitspieler verfolgte genau das Gegenteil, nämlich den Spieler mit dem aktuell geringsten Kontostand kräftig aufzupäppeln. Gegen dieses Wohlwollen hat ein einzelner Spieler keine Chance. Jeder kann in seinem Kampf gegen die Punkte lediglich auf die göttliche Vorsehung hoffen und beten.

Haben wir etwas falsch gemacht? Zur Spielidee schreibt der Autor: “Neben der Punkten und dem Timing gibt es einen weiteren Aspekt: die Manipulation der Mitspieler: Man kann nämlich über alles reden – Absprachen, Lügen, Desinformation und Bluffs inbegriffen.” Herrschaftszeiten! Gibt es denn nicht nur unter den Politikern, sondern auch unter den Spieldesignern (und Spielern) so viele asoziale Elemente, die es als idealen Sinn und Lebenszweck betrachten, ihren Mitmenschen betrügerisch das Fell über die Ohren zu ziehen?!

Ach ja, Kartenpflege kann man auch betreiben: Jeder Spieler darf eine seiner gespielten Karten wieder auf die Hand nehmen und im übrigen beliebig viele einzelne Karten – bis zu seiner komplette Kartenhand – ablegen und vom verdeckten Stapel gleichviele neue Karten ziehen. Genial? Eher banal!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (die Kaiser-Dominanz ist unbefriedigend), Andrea: 4 (unausgewogen, eine eigene Spielplanung ist total blockiert), Günther: 4 (es gibt nur destruktive Spielzüge), Moritz: 5 (die Grundidee ist interesssant, darum herum gibt es aber zu viele sinnlose Schnörkel und in deren Zusammenspiel gravierende Designfehler), Walter: 4 (allein für unser herzhaftes Gelächter über die Ungereimtheiten).

Aaron hat das Gefühl, dass sich das Spiel in einer Dreierrunde ganz anders spielen würde als heute zu fünft. Ansonsten wartet er immer noch auf das erste Spiel, für das sich seine Hebammendienste gelohnt haben.

2. “Heidelbär”
Jeder Spieler bekommt Kärtchen mit Wörtern, die alle die Silbe „bär“ enthalten, z.B. „Bärlusconi“ oder „Drückebärger“. (Ein germanistischer Pendant mag hier zuweilen die Schreibweise monieren, aber das stört doch keinen großen Geist.) Diese Wörter muss man mit einem einzigen kurzen Satz, der mit „Mein Bär …“ beginnt, beschreiben, und die Mitspieler müssen den Begriff erraten, z.B. „Mein Bär wohnt in Nordfrika!“ – Da sollte es sich wohl um einen Doppelbär, den „Bärbär“ handeln. Oder „Mein Bär verschluckt Flugzeuge!“ – Dann sollte es höchstwahrscheinlich das Bärmuda-Dreieck sein.

Für das richtige Erraten und das Erraten-Werden gibt es Siegpunkte. Wer am Ende die meisten hat, ist Sieger. Claro.

WPG-Wertung: Moritz: 6 (das Spiel ist OK; „nur“ 6 Punkte, weil es bessere Spiele dieser Art gibt), Andrea: 6 (das Spiel ist kreativ; „immerhin“ 6 Punkte, weil es schlechtere Spiele dieser Art gibt), Günther: 6 (das Spiel ist lustig und funktioniert), Aaron: 6 (als Partyspiel), Walter: 5 (für Wortgenies).

3. “Brautkraut”
Bevor Aaron das Zungenbrecherspiel von letzter Woche (siehe Session-Report vom 10.7.) seiner Irina übergibt, legte er es noch einmal der Fünferrunde am Westpark vor.

Andrea und Walter hatten die wunderschöne laue Nacht am Westpark mit dem besten Haselnußgeist der Welt (aus der Edelbrennerei Dirker in Mömbris) noch lauer gemacht; das ging spürbar auf Kosten der akzeptierbaren Aussprache von „Blau“, „Braut“, „Kleid“ und „Kraut“, solo und in den verschiedenen Metamorphosen.

WPG-Wertung: Die sehr mauen Noten von letzte Woche wurden in der lauschigen Sommernacht in ungeahnte Höhen gehoben: Andrea: 8 (weil es anstrengend ist! [Für welchen Körperteil? Für die Zunge! Natürlich!], Günther: 6 (lustig, auf Dauer zu anstrengend [Walter, bei Nachschrift: Hast Du „nervtötend“ gemeint?], Moritz:8 (als Partyspiel)

4. “Dog Royal”
Die erste Ableitung (oder die tausendste) des uralten „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ haben wir uns vor genau vier Jahren schon einmal reingezogen. Diesmal kam die Ableitung der Ableitung (oder die tausendundeinste) dran.

Statt wie im Original zu würfeln, spielen wir mit Zugkarten, nach denen wir unsere vier Pöppel vom Startfeld in Richtung Zielfeld um 1 bis maximal 13 Felder bewegen dürfen. Zusätzllich erlauben bestimmte Karten, zwei beliebige Pöppel zu vertauschen oder einen Pöppel über beliebig viele Felder bis zum nächsten Pöppel vorwärts zu schieben.

Den vier Pöppeln eines Spieler sind unterschiedliche Fähigkeiten zugeteilt, im Wesentlichen werden damit die Überholmanöver massiv eingeschränkt. Oft genug kann man sich mit seinen Zugkarten überhaupt nicht bewegen, oder man muß seinen Pöppel über die Zielfelder hinaus bewegen und damit in eine unfreiwillige weitere Runde starten.

Heute spielten wir die Team-Version: Zwei und drei Spieler bildeten ein Team: sie durften sich mit ihren Zugkarten gegenseitig unter die Arme greifen. Sie können nur gemeinsam siegen oder verlieren. Doch im Grunde war es immer noch das gleiche „Mensch-ärgere-Dich-nicht“-Gefühl wie vor tausend Jahren.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (am Ende zäh), Andrea: 5 (lustig), Günther: 7 (königliches Hundeherrchen), Moritz: 4 (das Spiel zieht sich), Walter: 5 (hat mit dem Original Mensch-ärgere-Dich-nicht schon vor 40 Jahren bei den Jusos geile Spielenächte erlebt; auf die Stimmung kommt es an.)

10.07.2013: In der Vorstadt von Neu-Amsterdam

Was versteht man im Deutschen nicht alles unter „Spiel“! Vom Fußball reicht es über Schach und Skat bis zum Roulette und den einarmigen Banditen der Spielcasinos. Millionen spielen Lotto, Moritz spielt Klavier, und Brettspieler spielen „Monopoly“. Wer mit einer nicht-spielenden Lebensgefährtin durchs Leben geht, hört bei gemischten Aktivitäten in allen diesen doch so grundverschiedenen Arten zu Spielen immer mal wieder die Mißbilligung: „Spielst Du schon wieder?!“ Als ob alles das Gleiche wäre.
Und dann gibt es noch Partyspiele.

1. “Brautkraut”
ist so eines. Kein Brett- und kein Kartenspiel, und deswegen auch kein bevorzugtes Objekt der Begierde am Westpark. Aber Aaron hat es aufgelegt, und er weiß auch schon, wem er damit eine Freude machen wird.
Auf insgesamt 66 Karten sind paarweise jeweils zwei von insgesamt vier Bildmotiven abgebildet: Braut, Kleid, Blau und Kraut, z.B. also die Kombination Braut-Kleid oder Blau-Kraut. Doch die Zusammenstellungen enthalten auch irr-witzige Kombinationen wie Blau-Braut und Kleid-Kraut. Und weil genau vorgeschrieben ist, welcher Begriff vorne und welcher hinten steht, gibt es auch Kleid-Braut und Kraut-Blau.
Jeder Spieler erhält 11 dieser Karten. Reihum legt jeder eine davon auf einen offenen Stapel und muss dazu entsprechend der Karte, die er hinlegt, laut so etwas sagen wie „Aus Brautkleid wird Blaukraut“. Wer sich dabei irrt oder verspricht, muss den offenen Stapel an sich nehmen. Wer seine letzte Karte ohne Zungenfehler ablegen konnte, hat gewonnen.
Bemerkenswerte Erkenntnis: Uns Menschen prägen sich akustische Reize viel leichter ein als optische. Es ist äußerst schwierig, sich die Bilder der beiden zuletzt aufgedeckten Karten in Erinnerung zu rufen. Dagegen ist es nahezu problemlos, das richtige Brautkraut-Schlagwort aus dem Satz des Vordermannes sachgerecht vom Ohr auf die Zunge zu bringen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (im richtigen Spielerkreis), Horst: 4 (wenn ich nüchtern bin, 7 Punkte, wenn ich betrunken wäre), Walter: 3 (in einer Runde mit Dir, geschätzte Irina, wäre es mindestens das Dreifache).

2. “Suburbia”
Wer will, findet hierin eine gewisse Ähnlichkeit mit „City Tycoon“. Aus einem gemeinsamen Vorrat wählen wir Stadtplättchen aus und bauen daraus eine Stadt mit Wohnhäusern, Fabriken, Theatern, Parks, Seen und dergleichen. Abhängig von der Umgebung, in die wir die Teile legen, erhalten wir Geld, Reputation oder mehr Bevölkerung. Geld brauchen wir, um die Stadtplättchen legen zu dürfen. Reputation läßt die Bevölkerung anwachsen und die Bevölkerung ist ein Synonmy für die Siegpunkte, mit denen am Ende das Spiel gewonnen wird.
Unterschiede zu „City Tycoon: Jeder baut an seiner eigenen Stadt (plusminus). Die Plättchen sind hexagonal und nicht quadratisch (plusminus). Wir können sie peut-a-peut während des Spiels auswählen und nicht alle auf einmal zu Beginn des Spiels (plus). Alles ist statisch, wir brauchen keine dynamische Versorgung mit Strom und Wasser (minus). Eine ausgeglichene Bilanz.

Suburbia auf der Terrasse - oder umgekehrt
Suburbia auf der Terrasse – oder umgekehrt

Beide besitzen die gleiche Fieseligkeit, die Querwirkungen aller Plättchen zu erkennen, vorauszuplanen und hinterher zu bewerten. Wenn man sich noch die Mühe machen würde, bei der Auswahl der Teile nicht nur die eigenen Vorteile, sondern auch noch die Nachteile auf Seiten der Mitspieler zu maximieren, wäre sogar das gesamte Spiel fies. Im Charakter und in der Spieldauer. So ist es glücklicherweise nur ein Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (unbefriedigend, zu viel Material, zu viele in ihren Abhängigkeiten nicht vorhersehbare Plättchen-Typen, die im Endeffekt dann doch wieder nur einen zufälligen Spielablauf ergeben), Horst: 5 (eigentlich finde ich es nicht schlecht, aber mit der massiven Punktausschüttung für die Erfüllung von Sonderzielen ist die gesamte Strategie am Arsch), Walter: 5 (zu statisch, zu fieselig, zu solitär).

3. “Nieuw Amsterdam”
Nachdem wir letzte Woche das Regelheft von White Goblin Games’ „Saqqara“ deutlich kritisiert haben, wollen wir diesmal das Regelheft von „Nieuw Amsterdam“ des gleichen Verlages gebührlich loben. Auf zwölf Seiten ist das komplexe Spiel höchst sauber erklärt. Es blieb keine Frage offen.
Wir sind Mitglieder der Niederländischen Westindien-Kompanie und treiben Fellhandel mit den nordamerikanischen Indianern. In der Grundidee tauschen wir Waren gegen Felle, verschiffen die Fälle und erhalten dafür Geld, Siegpunkte und neue Waren.
Diese Grundidee ist in eine Fülle von begleitenden Aktivitäten eingehüllt.

  • Wir siedeln in den sechs Bezirken von Manhattan, betreiben dort zuweilen eine Volkszählung und lassen uns unsere Mehrheiten mit Siegpunkten honorieren.
  • Wir erwerben Land [ Landerwerb = simples Beanspruchen, ohne Eintrag im indianischen Katasteramt ], roden es, säen und ernten Getreide, um damit unsere Bevölkerung in Downtown zu ernähren, und erhalten als Dreingabe auch noch Siegpunkte dafür.
  • Wir treiben vielfachen Warentausch, um unsere Handel- und Besiedelungsaktivitäten zu fördern: Geld in Holz zum Bauen, Geld in Getreide für die Ernährung, Holz in größere Mobilität.
  • Wir können sogar den gesamten Fellhandel mit den Einheimischen links liegen lassen und unseren Warebedarf ausschließlich auf dem Schwarzmarkt decken. Das ist nicht besonders preisgünstig, doch unsere Quellen als Schiffseigner sprudeln hinterher genauso reibungslos.

Vor den Preis haben Autor und Verlag eine Versteigerung gesetzt: die Erlaubnis für die verschiedenen Spielzüge (Stadt, Land, Handel) müssen wir uns auf einem Versteigerungstableau ersteigern. Jeder bekommt etwas, auch wer nichts bietet. Wer sich aber die besten Züge und dazu noch den Startspieler-Vorteil beim Ziehen sichern möchte, muss entsprechend viel hinlegen. Jeder darf pro Zug-Paket nur einmal bieten, es kommt also darauf an, genau zu bewerten, welche Züge in der aktuellen Spielsituation den größten Vorteil bieten, und entsprechend hoch einzusteigen. Oder aber ein Spiel-Paket auszuwählen, auf das Mitspieler ein Auge geworfen haben, so dass sie hier einsteigen und damit die eigenen Zug-Ambitionen aus der Schußlinie bringen. Das letzten Paket kostet naturgemäß nichts mehr.

Alles ist rund, alles ist gelungen, alles ist ausbalanciert. Nieuw-Amsterdam ist eine Reise wert. Allerdings darf man nicht hoffen, nach dem ersten Spiel schon ein fliegender Holländer zu sein.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (Vorzügliche Summe von Mechanismen, spielerisch, marginales (wohl-dosiertes) Glückselement), Horst: 8 ([zusätzlich zu den vielen ungenannten Pluspunkten] angenehme Spieldauer, mnemotechnisch ausgezeichnet gestaltet), Walter: 8 (spielerischer Ablauf, thematisch gelungen, erlaubt vielseitige Taktiken, leider ein etwas zäher Einstieg [für die vom Biet-Schicksal zwangsläufig Benachteiltigten]).

Aarons 8 Punkte gelten explizit nur für die 3er Runde. In einem größeren Kreis, vor allem mit Günther, der bei jedem seiner Züge eine auf drei Kommastellen genaue Kosten-Nutzen-Rechnung durchführen muss, könnte die Spielfreude leicht bis in der Gegend vom Nullpunkt sinken!

4. “Diggers”
Als Horst schon gegangen war, nahmen sich Aaron und Walter noch eine Schmuse-Runde mit Aarons Sieben-Monats-Kind vor. Keine neuen Regeln, nur eine Stabilisierung der letzten Punktwertung.
Jeder spielte für zwei Farben. Da keiner sein eigener King-Maker sein wollte und die Sieg-Ambitionen irgendwo in der Vorstadt von Neu-Amsterdam geblieben waren, plätscherte das Spiel ruhig und friedlich vor sich hin. Doch auch so lief es rund. Auch so war es zweifellos ein gefälliges Kartenspiel. Ein Spiel!
Immer noch keine WPG-Wertung.

04.06.2013: Kartoffelzüchter in der Sahara

“Ich selbst habe sonst leidenschaftlich gespielt, besonders Whist und Hombre. Aber hauptsächlich folgende Umstände haben mir das Spiel entleidet und verhaßt gemacht. Eine Dame in unserer Stadt, die, obschon sie nie vor zehen Uhr Vormittags aus dem Bette sich zu erheben gewohnt war, es doch öfters auf vielerlei Spielpartieen von einer Morgenwache bis zur anderen brachte, war damit nicht zufrieden. Unter seche Robbern im Whist durfte man nicht vom Platz und im Hombre ließ sie nie die Remisen theilen. Entweder, und das war noch gnädig, wurde ihre Ausspielung auf ein anderes mal verschoben, oder man blieb sitzen, bis sie zu Ende waren. Ihre Spielwuth war so heftig, daß sie bey einer Gesellschaft in meinem Hause, allen Widersprüchen ihrer Mitspieler zum Trotz, nicht eher nachließ, als bis die letzte Bete heraus war, welches bis halb eilf Uhr in der Nacht dauerte, ungeachtet alle übrigen Gäste sich schon zwey Stunden früher entfernt hatten und ich bei der strengsten Kälte absichtlich das Feuer in jemen Gemach ausgehen ließ, auch mich selbst zur Ruhe legte. Die Whistpartien wurden von ihr noch dadurch in die Länge gezogen, daß öfters, wenn das Glück dem einen, oder dem anderen Theile nicht hold war, die Karten, statt abzuheben, auseinander geworfen wurden, um nochmals gemischt zu werden, und dies gewöhnlich dreymal nach einander.”(Theresius Freyherrn von Seckendorf um 1780 in „Lebensregeln mit Erfahrungen aus dem Leben belegt für Jünglinge die in die größere Welt treten wollen und hin und wieder für Erwachsene die Regeln brauchen oder dulden können.“)

1. “Saqqara”
Aaron war fest davon überzeugt, dass wir das Spiel schon einmal gespielt haben. Ganz deutlich konnte er sich an Spielbrett und Material erinnern. Doch in unseren Archiven fand er keinen Hinweis darauf. Auflösung: Auf der Spiel 2012 in Essen hatte er am Stand von „White Goblin Games“ zugesehen oder mitgespielt.

Aaron und Günther mokkieren sich über das Regelheft von „Saqqara“
Aaron und Günther mokkieren sich über das Regelheft von „Saqqara“

Ob wir jetzt alte Griechen oder Ägypter oder Hottentottenhäuptlinge sein sollen, ist aus dem Spielablauf nicht ersichtlich. Dass auf den vier wohldefinierten Marktplätzen des Spielbretts himmelblaue Fischchen, violette Tuchballen, holzige Holzstäbchen und goldige Goldbarren herumliegen, läßt keine lokalen Rückschlüsse zu.

Jeder Spieler hat das gleiche Set von Bietkarten mit Zahlen von 2 bis 9. Daraus zieht er in jeder von fünf Runden eines Jahres blind vier Karten und ordnet sie sehend, aber verdeckt je einem der Marktplätze zu. Dann werden die Bietkarten synchron aufgedeckt, und wer die höchste Karte auf einen Marktplatz gesetzt hat, bekommt die dort lagernde Ware (Fischchen, Tuch …). Kostenlos! Die anderen gehen leer aus. Lustig? Intelligent? Spielerisch?

Dabei stehen aber nicht alle vier Marktpätze so wohlfeil zur Verfügung: Die Ware eines Marktplatzes wird nur dann vergeben, wenn eine Mindestanzahl von Waren auf ihm vorhanden ist. Diese Mindestzahl wird pro Runde zufällig gezogen und bewirkt, dass ca. die Hälfte der Marktplätze unbrauchbar sind. Die Spieler könnten hier zwar etwas nachhelfen, indem sie aus ihrem eigenen Vorrat Waren dazulegen, um so auf die geforderte Mindestzahl zu kommen. Im Prinzip eine hübsche Idee. Wer aber opfert bei einer solch ungewissen Erwerbslage schon gerne eigenes Besitztum? Die hübsche Idee ist nicht zu Ende gedacht!

Noch weitere Märkte können durch Zufallseffekte von vorneherein geschlossen werden, so dass wir, statt in einem üppigen Angebot zu klotzen, eher bei ein paar mickrigen Bröseln kleckern müssen. Das Ganze wird auch nicht viel ergiebiger, wenn unter unseren Bietkarten zwei Händler und ein Bettler sind, die unter Umgehung von restriktiven Auflagen vom öffentlichen Eigentum etwas abstauben dürfen.

Fazit: Mit zufällig gezogenen Zahlen sollen wir verdeckt die zufällig gezogenen Zahlen unserer Mitspieler überbieten, um damit unsere Fischchen aufs Trockene zu bringen, falls sie überhaupt da und falls sie nass sind.

Was machen wir dann mit den an Land gezogenen Fischen? Und den Tüchern, Hölzern, Goldbarren? Wir handeln sie gegen Entwicklungspotenzen ein, mit denen wir uns Vorteile für unser zukünftiges Marktgebaren verschaffen: mehr Ware, tauschbare Ware, Siegpunkte. Und zusätzlich können wir damit in einer brutalen Verdrängungsrunde, einmal pro Jahr, Privilegien ersteigern, die uns ebenfalls näher an mehr Ware und mehr Siegpunkte bringen. Brutal ist diese Versteigerung deshalb, weil ein Spieler mit nur geringfügig mehr Ware in seinem Besitz als die Mitspieler, hier ALLE Privilegien auf seine Seite schaffen kann, während die Mitspieler ihren Einsatz loswerden und hinterher doch nur in die Röhre schauen.

In den ersten drei Runden hatte überhaupt nur Günther genügend Ware ergattern können, um sich über ihre Verwendung Gedanken machen zu können. Als es dann an die Versteigerungsrunde ging und Günther ihre bescheuerten Details darlegte – er hatte sie bei seiner Regelerklärung ganz bewusst bis zu diesem Zeitpunkt zurückgehalten – , war allen einvernehmlich klar, dass wir jetzt nur noch unsere Vorurteile verifizieren wollten, um das Spiel anschließend abzubrechen. Ein Jahr Saqqara, eine gute halbe Stunde Zufallskarten im Saharasand zu verteilen, das reichte. Die restlichen fünf Jahre respektive zwei Stunden wendeten wir uns flüssigeren Dingen zu.

Auch in einem anderen Güntherschen Spielkreis wurde das Spiel genau an dieser Stelle abgebrochen. Und Aaron erinnerte sich, dass er letztes Jahr in Essen auch an dieser Stelle sein Interesse an Saqqara verloren hatte.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (es funktioniert NICHT, zuviel Zufallsabhängigkeit bei enorm viel Frustfaktoren, Spieldauer für diese Prinzip zu lang), Günther: 3 (das Versteigern ist broken, das Bietkarten-Prinzip ist broken, ich finde überhaupt nichts an dem Spiel schön), Walter: 3 (das Einschwingen ist viel zu langsam. Das, was läuft, ist wie der Neumond: weder rund noch schön).

2. “Saint Malo”
Ein Kniffel-Spiel für Anspruchsvolle. Mit topologischen Herausforderungen. Inka und Markus Brand haben es erfunden und Alea hat es herausgebracht. Günther hat es gekauft, weil er ja durchaus auch lockere Spielchen mag, und weil Alea schließlich für Qualität verbürgt.

Wir würfeln mit 5 Würfeln und versuchen damit, wie im richtigen Leben, möglichst viele gleiche „Zahlen“ zu würfeln. Wer am Zug ist, hat drei Würfe, aus denen er beliebig viele seiner geworfenen Würfel herauslegen oder erneut würfeln kann.

Statt „Zahlen“ gibt es auf den Würfeln Symbole

  • Köpfe, aus denen wir je nach erwürfelter Anzahl eine bestimmte „Amtsperson“ bilden können: Tagelöhner, Soldaten, Prieser, Händler, Baumeister, Gaukler oder Adelige, die jeweils unterschiedliche Effekte zum Erwerben oder Verteidigen von Siegpunkten auslösen.
  • Piraten, die dem Würfler keinerlei Nutzen bringen, denen wir aber von Zeit zu Zeit Paroli bieten müssen, damit wir keine Federn lassen müssen
  • Mauern, die unsere Verteidiungskraft gegen Piraten erhöhen
  • Kirchen mit der Wertigkeiten (Würfelhäufigkeit) 1 bis 5, die mit wachsender Vielfalt eine quadratisch ansteigernde Summe von Siegpunkten einbringen
  • Holz, das beizeiten gesammelt werden muss, um mit einem erwürfeltenden Baumeister auf einen Schlag möglichst viele siegpunkt-trächtige Bauwerke bauen zu können.
  • Kisten, die unser Potential zum Gelderwerb erhöhen. Das Geld brauchen wir zum Einlagern von Holz. Mit dem Geld können wir auch einzelne Würfel beliebig verdrehen. Eine sehr effektive Methode, auch seltene hohe Würfelkombinationen zustande bringen zu können.

Das Ergebnis seines Wurfes trägt jeder Spieler in ein privates Tableau mit 7 mal 7 Feldern ein. Kisten und Mauern belegen pro Würfel jeweils ein eigenes Feld. Kirchen und Köpfe füllen nur insgesamt ein einziges Feld mit dem Endergebnis des Wurfes. Entsprechend füllen sich je nach Würfelergebnis und im gewissen Sinne auch je nach Ambitionen der Spieler die einzelnen Tableaus verschieden schnell. Sobald der erste Spiele alle 49 Felder gefüllt hat, ist das Spiel zu Ende.

Da die Würfelergebnisse, insbesondere die Amtspersonen, eine starke „Querwirkung“ besitzen, d.h. dass ihre Effekte beim Eintragen in das Tableau sehr stark von der bereits vorhandenen Besetzung der Nachbarfelder abhängen, ist eine gewisse Vorplanung der Feldernutzung zu Beginn des Spiels und eine opportunistische Ausnutzung der jeweiligen Würfelergebnisse während des Spiels spielentscheidend. Ein deutlicher Mehrwert gegenüber einem trivialen Kniffel-Spiel.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (es hat mich nicht vom Hocker gerissen), Günther: 6 (wahrscheinlich ist es in einer Zweierrunde noch schneller, schöner, spaßiger), Walter: 6 (lustiges, lockeres Würfelspiel; ein runder Zeitvertreib für ein ausgedehntes Zeittotschlagen).

3. “Dicke Kartoffeln”
Aaron setzt seine Nostalgiewelle fort. Diesmal brachte er das 25-jährige „Dicke Kartoffeln“ von Doris und Frank mit. Auch dieses Spiel haben wir vor einem Vierteljahrhundert des öfteren und immer mit Vergnügen gespielt. Mal sehen, wie es im neuen Jahrtausend ankommt.

Wir sind Kartoffelbauern. Bis zu fünf Äcker können wir bewirtschaften und dabei drei verschiedene Sorten anbauen. Die Erträge und die Erlöse sind je nach Sorte unterschiedlich. Auch sind sie sehr davon abhängig, ob wir sie düngen, chemisch natürlich, und wieviele Regenwürmer pro Furche wir darin gedeihen haben.

Der Verkaufspreis bewegt sich auf und nieder nach einem intelligent ausgeklügelten System, in dem das diesjährige und das Vorjahresangebot eine entscheidende Rolle spielen.

Wir können unsere Kartoffeln auch als Bio-Ware auf den Markt bringen. Dann unterliegen sie einem eigenen Preisfindungs-Schema. Dabei müssen wir allerdings strenge, im Gegensatz zur heutigen Realität, von allen Mitspielern scharf kontrollierbare Anbaubedingungen einhalten: Es darf seit Jahren schon nicht gedüngt worden sein.

Hiermit ist natürlich eine umfangreiche Optimierungsaufgabe gegeben. Welche Kartoffelsorte baue ich in welchem Jahr auf welchem Acker mit / ohne Düngen, mit / ohne Regenwurm-Anreicherung an und wieviel meines Ertrages verkaufe ich, falls die Alternative gegeben ist, als normal oder als Bio. Günther schwelgte in Zahlen und den faszinierenden Rechenoperationen, die damit durchgeführt werden können. Bis er von Walter, wie so oft, zu einer Entscheidung gedrängt wurde. Das ging dann zu Lasten seiner Euphorie. „Das Spiel mit seiner Rechnerei ist nicht mehr zeitgemäß!“ Walters behutsame Verteidigung wurde als Nostalgie abgetan.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (einschließlich Nostalgiepunkt, es fehlt das Spielerische), Günther: 4 (wenn das Spiel von heute wäre, würdet ihr es in der Luft zerreißen, keinerlei Interaktion, schwerfällige Rechnerei), Walter: 6 (gefälliges Thema, als Kartoffelbauern und Regenwurmzüchter sind wir schöpferisch tätig, bei unseren Spielzügen haben wir viele Freiheitsgrade, es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Strategien. [Günther: Es sind alles nur Scheinfreiheiten. Nur wenige Strategien sind erfolgversprechend, und die sind von Anfang an festgelegt. Später kann man nur noch punktuell kleinere Vorteile auf dem Preistableau ausnutzen.])

PS: Auf die optionalen Wirtschaftsnachrichten (mit ihrem willkürlichen Verschieben von Preisen und Erträgen) haben wir verzichtet, wie auch schon vor 25 Jahren. Mit diesen Regeln würde das Spiel von mir nur 3 Punkte bekommen.

26.06.2013: Vorspiel beim Tycoon

Mit seinem ausgewachsenen Brettspiel „Yunnan“ war Aaron blitzschnell erfolgreich; schon wenige Wochen nach seiner Präsentation war der Argentum-Verlag davon überzeugt und bringt es dieses Jahr in Essen heraus. Mit seinem pfiffigen Kartenspiel „Diggers“ hingegen erlebte Aaron die übliche monatelange frustriende Warterei eines Autors vor den Eingangstüren eines Verlags. Mit anschließender Absage.

Zwei Verlage hatte das Spiel unter die Lupe genommen. Seine Kürze war positiv aufgefallen. Die Spielregeln ließen keine Frage offen (, was aber durchaus in den Aufgabenbereich eines Verlag fallen könnte), die Zugriffsprioritäten und der Alterungsmechanismus funktionierten „soweit ganz gut“. Doch das reichte den professionellen Testern nicht aus, um „das Spiel interessant zu machen“. „Der Spielspaß kam nicht richtig auf“. Es „funktionierte einwandfrei“, eine Formulierung, die auch wir gerne benutzen, wenn wir „keine konkreten Kritikpunkte nennen“ können.

Einer der Verlage „bevorzugt Spiele, die mehr taktische Möglichkeiten bieten“ oder solche, die – im Gegensatz dazu – einen größeren Glücksanteil besitzen. Geschmacksache! Massengeschmackssache! Irgendwie, irgendwo ist das Genie immer einsam.

1. “Diggers”
Unverdrossen versucht Aaron, immer weitere neue Schmankerl einzubauen, um damit auch einen mehr chaotisch-orientierten Markt zu erreichen. Weil wir schon dem Prototyp von „Diggers“ sehr positiv gegenüberstanden, lassen wir gerne auch die Modifikationen in Richtung Massengeschmack über uns ergehen. Das Spiel ist mit seinen robusten Talenten einfach nicht kaputt zu kriegen.
Diesmal spielten wir im Wesentlichen die Version von letzter Woche. Aaron hat sich dafür ein eigenes Kartenspielset herstellen lassen. Für 14,95 Euro bei http://www.printerstudio.de/fotogeschenke/spielkarten-unbedruckt.html.
Super gemacht; jetzt kommt das Thema mit den Zwergen und ihrem Goldgrubengraben auch gut rüber.

Heute fiel auf, dass die Punktewertung genau umgekehrt werden sollte: nicht die hohen Karten, mit denen man sich den Goldnuggets ergräbt, sollen die meisten Punkte bringen, sondern die niedrigen Karten. Das ist deutlich schwieriger, und hinterher im Erfolgsfall ist das Zuteilen der Siegpunkt-Karten ergonomisch günstiger. Ein kleine inhaltliche und eine große formale Verbesserung.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel im Reifeprozess.

2. “City Tycoon”
Jeder wählt sich nach dem 7-Wonders Auswahl-Prinzip in vier Runden je sechs Städtebau-Karten aus, die er nach und nach

  • als seine Bauteile in den gemeinsamen Städteplan auslegt
  • gegen „Kraftwerke“ eintauscht und baut
  • gegen Geld eintauscht

In der „Versorgungsrunde“ versorgt jeder Spieler seine Bauteile mit Energie oder Wasser aus den Kraftwerken und kassiert dafür Geld, Siegpunkte oder Allzweck-Rohstoffe, die sich früher oder später ebenfalls in Siegpunkte umwandeln lassen.

Stadtbild in "Tycoon"
Stadtbild in “City Tycoon”

Zur Versorgung können – vorzugsweise – die eigenen Kraftwerke herangezogen werden, aber auch das gemeinschaftliche Kraftwerk in der Mitte des Spielbrettes oder die Kraftwerke der Mitspieler. Allerdings kostet es Geld, wenn man fremde Quellen anzapft. Geld braucht man ebenfalls zum Bauen, es ist also ein wichtiger Motor, der das Spiel in Gang hält.

Dazu kommt noch der Energie- und Wasserbedarf aus den Kraftwerken. Schneller als man denkt, sind die eigenen (von den Mitspieler angezapften) Quellen, die privaten Quellen der Mitspieler oder die öffentlichen Quellen ausgebeutet und die wunderschönen Bauteile liegen unversorgt herum, werden damit zwar nicht abgebaut, aber bringen auch nichts ein.

Das Spiel ist hübsch ausgedacht, viele Elemente sind gut ineinander eingepaßt, aber irgendwie ist das alles zu viel. Von den 24 wunderschönen Bauteilen, aus denen jeder Spieler seine Auslage zusammenstellt (ach, es sind ja noch sehr viel mehr Bauteile, die in der Auswahlphase durch die Hände eines jeden Spielers gehen), muss er allein die Hälfte zur nackten Finanzierung seines täglichen Brots für die Trivial-Summe von 5 Einheiten pro Bauteil in den Orkus geben. Hätte man die Finanzierung nicht ohne soviel Ideen-Vergeudung handhaben können? Von den etwa 10 eigenen Bauteilen, die jeder Spieler hoffnungsvoll in das Stadtbild eingebaut hat, bleiben hinterher mehr als die Hälfte ungenutzt, weil keine Ressourcen für sie vorhanden sind. Wäre hier nicht eine Überbau-Technik effizienter gewesen?

Siegpunkte erhält man je nach Bauteil, das man gebaut hat, je nach Rohstoff, mit dem man es versorgt, und je nach der Umgebung, in der es liegt. Aus vielleicht 40 gemeinsame Bauteilen besteht die Stadt im Endausbau, und mühsam muß man die vielfältigen Querwirkungen bei der Prämienausschüttung zusammensuchen. Die daraus resultierende Spielfreude ist nicht im gleichen Maße vielfältig. Eigentlich schade.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (vor 2 Jahren wären es noch 6 Punkte gewesen, aber heutzutage ist zu vieles bereits bekannt, z.B. von „7-Wonders“ oder „Suburbia“), Günther: 5 (es funktioniert, aber das ist eine Mindestanforderung an ein Spiel, anstrengende Mechanismen [mit minimaler Vorteilsgewährung], Horst: 6 (unterhaltsames Städtebauspiel, aber die Symbolik ist anstrengend und Augenkrebs erzeugend), Walter: 5 (unübersichtlich, zu viele Elemente, die ungenutzt verpuffen).

3. “Hecht im Karpfenteich”
Aaron macht in Nostalgie. Letzte Woche brachte er den Oldtimer „Flußpiraten“ mit, diesmal war es das gleichaltrige „Hecht im Karpfenteich“. Schon vor 23 Jahren haben wir das Spiel oft (!) und gerne gespielt. Martin, unser Kinderarzt, war damals unbestrittener Favorit.

Jeder ist der Herr über einen Schwarm hungriger Hechte. Wir fressen Karpfen, um satt zu werden, und verschwinden dann in einem Hechtnest und warten, dass ein weiterer satter Hecht zur Vermählung vorbeikommt und wir mit ihm Nachwuchs zeugen können. Notfalls, sogar mit Vorliebe, können wir auch Inzucht betreiben, und unserem eingenesteten satten Hecht seine eigene satte Schwester zuführen.
Freßbare Karpfen schwimmen nicht beliebig herum, wir müssen sie züchten, indem wir ihnen Schnecken zu fressen geben, und sie dann ebenfalls in entsprechende Karpfennester zur Vermehrung schicken. Schnecken wachsen am Boden, jeder Spieler kann pro Runde zwei neue Schnecken als Karpfenfutter hervorbringen lassen.

Eine Herausforderung des Spiels ist die Planung der Reihenfolge der eigenen Züge. Wann vermehre ich die Schnecken (relativ harmlos), wann lasse ich die Karpfen vermehren (dann, wenn möglichst viele meiner hungrigen Hechte möglichst nahe sind und somit einen Großteil der frischen Brut gleich fressen können), wohin gehe ich mit der Hoffnung auf Fressen und Paarung, wann setze ich freiwillig aus, und wann nutze ich den einmal pro Runde gewährten Doppelzug.

Die Biologie des Spiels reizte den verbalen Spieltrieb der älteren Herren. Termini technici wie Poppen, Gruppensex, vernaschen, Vorspiel und Stundenhotel mit geilen Hechten machten lustvoll die Runde.

Doch der Spielspaß blieb begrenzt. Ein einziger falscher Fehler und der Hintermann schwelgt in freßbaren Karpfen, während die anderen weiterhin frustriert und hungrig ihr Dasein fristen. Bei vier Mitspielern ist das Spiel nach zwei Runden zu Ende. Blitzschnell. Leider! Einmal richtig gefressen und gepoppt, und man verläßt als Sieger das Spiel. Wie im richtigen Leben meistens der andere. Der andere ist bei uns immer der Günther.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (findet poppende Fische geil), Horst: 3 („Komm’ mal bei uns vorbei, da kannst Du poppende Vögel sehen!“ Das Spiel ist so ein Scheiß, langweilig, die Planbarkeit geht mir am Arsch vorbei), Günther: 6 (lustig, schnell, locker), Walter: 6 (Planung, Timing, das feine Spannungsgefälle: das alles hat mir früher besser gefallen.).

Horst war gesundheitlich nicht gut drauf und ging vorzeitig nach Hause. Was machte das restliche Trio, bevor es ans übliche intellektuelle Aufräumen ging? Gleich nochmal einen „Hecht im Karpfenteich“! Diesmal mit dem aufgefrischten Wissen um Timing und taktische Finessen. Und siehe da: Das Spiel erstrahlte auf einmal wieder im alten Glanz. Es war spannend, taktisch, kooperativ und interaktiv. Jeder versuchte unbedingt Fehler zu vermeiden. Jeder checkte seine Zugoptionen auf Fallstricke ab, keiner verschenkte freiwillig ein Tempo an seine Mitspieler. Es wurde wieder sichtbar, wie fein die Begrenzungen an eigenen Hechten, Karpfen, ja sogar an Schnecken ausbalanciert sind. Das Spiel wurde wieder planbar und beherrschbar. Aber es blieb spielerisch und bei allen Planungen noch locker. Und thematisch stimmig.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (zu Dritt spielt sich’s besser), Günther ? (nicht abgefragt), Walter: 8 (nur für die Dreierrunde, höchst spielerisch, hübsche, schnuckelige Spielidee, überraschende Wendungen).

4. “Diggers”
Richtig, wir haben nochmals „Diggers“ aufgelegt. Diesmal in der Dreierunde. Aaron ließ es keine Ruhe, vor den nächsten Design-Diskussionen mit seinem Co-Autor Frank Zurmühlen das Prinzip der umgekehrten Punkt-Wertung auszuprobieren. Und siehe, es fand Wohlgefallen.

Das Spiel wirkt jetzt spielerischer, lustiger, chaotischer als der Prototyp. Erneut kann die Masse (wer immer das ist,) darauf losgelassen werden. Doch das pfiffige, taktische Lavieren um die hohen Siegpunktkarten, die geduldige Kartenpflege, das spannende Lauern auf die zwei, drei große Raibache, mit denen ein Spiel entschieden werden kann, das ist entfallen.
Eigentlich sollte man Diggers, wenn es denn auf den Markt kommen sollte, gleich mit beiden Varianten anbieten: Die brave Jäger- und Sammler-Variante, mit den großen Störeffekten bei kleinen Punktprämien für Hinz und Kunz, und eine Experten-Version mit dem großen Kick bei Maximal-Umsätzen. Perlen und Säue!

Immer noch keine WPG-Wertung.